Sarah Lesch: "Der Einsamkeit zum Trotze" (Album)

lesch2020 20200605 2070207704VÖ: 22.05.2020; Label: Räuberleiter/Edel; Katalognummer: RAUB333CD (CD), RAUB333LP (2 LP); Musiker: Sarah Lesch (Gesang, Gitarre), Daniel Moheit (Akkordeon, Piano), Judith Beckedorf (Banjo), Christian Dähne (Bass), Julius Kraft (Schlagzeug, Percussion), Vincent Bababoutilabo (Flöte), Michael Büschelmann (Gitarre, Ukulele), Robert Herrmann (Piano), Antonia Hausmann (Trompete); Produzent: Robert Amarell; Bemerkung: Auf CD (12 Songs) und Doppel-LP (17 Songs) erschienen. Die Texte liegen der CD und der Platte jeweils bei

Titel (LP):
Seite 1: Der rosa Elefant • Beute im Bauch • Osmotisches Herbstlied • Alles da
Seite 2: Der Einsamkeit zum Trotze • Tod eines freundlichen Riesen • Das letzte Lied • Der Freiheit
Seite 3: Schwenkgrill • Kein Kinderlied • Hunger • Raum • Spar deinen Wein nicht auf für morgen
Seite 4: Sternschnuppe • Liebeslied im alten Stil • Der Tag an dem die Flut kam • Geh nach Haus


Rezension:
Der sich Bahn brechenden Blödheit zum Trotze gibt es noch immer Licht in dieser Welt! Es ist das Licht eines hochwachen, die Welt um sich tief in sich hinein reflektierenden Geistes. Sarah Lesch hat viel zu sagen und sie tut das nicht mit vorgefertigten Allgemeinplätzen oder in abgedroschenen Phrasen, die zu oft allerorten aus den Lautsprechern des Gute-Laune-Radios mit der "besten Mischung" quellen. Sie selbst dürfte mit ihren 12 Seelen- und Gesellschaftsbildern, enthalten auf der vorliegenden CD-Version ihres Albums "Der Einsamkeit Zum Trotze", zur Vorlagengeberin für künftige Liedermachende werden. 52 mit moderner Poesie voll gepackte Minuten! So gut sind unglaublich viele ihrer Wortbläschen, welche erst geschmeidig durchs Ohr strömen, um dann - einen kurzen Augenblick später - wohlig knisternd, im Sinn aufzuplatzen. "Arsch an Arsch und die Beute im Bauch" - einfach herrlich! Zu gut, um es schnell wieder vergessen zu können oder zu wollen. Prickelndes Brausepulver fürs Hirn!

Man höre hier gern mit dem Lesen auf und tauche stattdessen stande pede ins halbheiter melancholische, wütend aufrüttelnde, hilflos altersweise Universum der Denk-Künstlerin Sarah Lesch ein! Oder man lese halt doch weiter.

Kennt man Sarah Lesch vor allem als die sich selbst begleitende Protestsängerin, mit nichts als ihrer Gitarre gegen die nackten Kaiser unserer Tage ansingend, staunt man im Verlauf der knappen Stunde über die zahlreich hinzugefügten Facetten ihres neuen Albums. Natürlich spielt der politische Irrsinn unserer Welt eine wichtige Rolle, gleich zu Beginn kommt er stampfend durchs Zimmer gepoltert. Doch die Erscheinungsbilder der 12 Titel sind alles andere als plump und eindimensional. Da ist nur sehr wenig vom weithin angestaubten Leumund des Liedermachers/der Liedermacherin zu spüren. Oftmals im Genre wird die Aussage des jeweiligen Liedes dem musikalischen Gewand vorangestellt, die Begleitung aufs absolut notwendige Gerüst zusammengestrichen und das Strophe-Refrain-Konstrukt mehr oder minder monoton abgearbeitet. Sarah Leschs Album beweist deutlich, dass sehr wohl beides zu haben ist: anspruchsvolle Texte, gepaart mit liebevoll durchgestalteten Instrumentierungen. Zweifellos hat hier jeder Song das ihm beststehendste Kleidchen umgelegt bekommen. So hören wir neben Leschs grundehrlicher Stimme, ihrer Gitarren- und Ukulelenarbeit, neben zielsicher gestreuten Pianoparts, prägnant brummenden Bass-Sounds und zarten (!) Posaunen unter anderem auch wunderbar intonierte Flöten, deren Arrangement wohl auch einem Vladimir Cosma gefallen hätte. Von zwei Titeln abgesehen, belebt ein angenehm abwechslungsreich gespieltes Set aus Drums und Percussion das Bild. Kurzum, Sarah Leschs Textmelodien werden musikalisch begleitet und bekleidet, gestärkt und gewärmt. Ganz wie ein geschütztes Licht im nächtlichen Sturmwind. Je nach Lied, je nach Fokus möchte man sie fragen, ob eventuell eine junge Lisa Ekdahl (Das Letzte Lied) oder eventuell eine Nina Persson (Raum) bei der musikalischen Ausgestaltung Paten standen? Chapeau jedenfalls, das ist eine stimmige Einheit aus Text und Musik!

Und apropos Text: Sarah Lesch gelingt auch hier etwas seltenes! Sie breitet in einer absolut verständlichen Sprache anrührende Geschichten aus, tut das unprätentiös und zaubert dennoch mit haushaltüblichen Zutaten pausenlos belebte Bilder im Kopf des Publikums! Es lacht einem das Herz, sieht es das kleine Hündchen im Herbst, "andächtig scheißend!". Und es zieht sich schmerzlich zusammen, wird Großvaters Fortgang schon vorm Tag X beweint oder Mamas Versagen vom Tochterkind beklagt. Egal aber, wie schwer der Vorwurf wiegt, niemals ist Sarah Leschs Mitgefühl für die Protagonisten ihrer Songs abwesend. Sie leidet und macht keinen Hehl daraus. Und der Hörer? Der leidet ganz einfach schön mit, ist er kein steinerner Findling. "Ich löse mich auf - bis Du mich siehst. Denn was Du sagst, ist für mich wahr!" - so die Tochter zur Mutter. Und man stirbt ein bisschen mit ob dieser entwaffnenden Arglosigkeit der Kinderseele!

Fazit: Eine außergewöhnliche Liedermacherin mit einem hervorragenden Album. Da sollten so einige Preise nach Leipzig gehen!
(Robert Brenner)





Videoclip:










   
   
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