Karo Nero: "Schwerter aus Papier" (Album)

karonero2020 20200420 1696625567VÖ: 01.05.2020; Label: RAR/Motor Entertainment; Katalognummer: ./.; Musiker: Gunter Schwarz (Gesang, Gitarre), Christian Schierwagen (Bass), Peter Hirsch (Keyboards), Jürgen Kober (Drums); Bemerkung: Als CD und als Download/Stream erschienen;

Titel:
Wege nach Rom • Immer zu spät • Wenn du gehst • Schwerter aus Papier • Eine Schwalbe, kein Sommer • Weltdicht • Das Glück • Nichts geht mehr • Was macht das schon • Alles andere


Rezension:
Schon Opa wusste einst zu sagen: "Gut Ding will Weile haben, zum Keimen braucht es Zeit!" Ob nun der gütige Großpapa oder - wie im Falle der Leipziger Band Karo Nero - schlicht das Leben den Protagonisten zur Geduld mahnt: vielleicht sprießt ja am Ende etwas heraus, was wert ist, darauf gewartet zu haben, ein Spätblüher? Die Leipziger Musiker Gunter Schwarz (voc, git), Peter Hirsch (p, keyb), Christian Schierwagen (b) und Jürgen Kober (dr) hatten schon einmal Anlauf genommen, gemeinsam ein Stück gemeinsame Diskographie zu schaffen. In den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, damals noch als blutjunge, knapp zwanzigjährige Burschen, hatten sie entsprechende Pläne und Ideen. Doch kommt es erstens anders und zweitens, als man denkt! So brauchte es also reichlich Weile und nun wird mit 25-jähriger Verspätung das Debüt-Album "Schwerter aus Papier" (VÖ 1.5.2020) vorgelegt. Offenbar weiß man bei Karo Nero recht genau, wie ein derartiges Release "amtlich" durchgeführt wird. Das erfolgreiche Rollout will sorgsam vorbereitet sein! Hand in Hand müssen Pressetext, Homepage, Video-Clips, social media posts etc pp. ineinander greifen ... Das tun sie in diesem Falle schon mal zweifellos! Doch ich bin gespannt auf das eigentliche Herzstück des mit Patina hergestellten Neulings, bin neugierig auf die Musik!

Vom ersten Moment an machen Karo Nero keinen Hehl daraus, was der geneigte Hörer während der folgenden, etwa dreiviertelstündigen Spielzeit von "Schwerter aus Papier" erwarten darf. In einem mehrheitlich heiteren Grundton, gelegentlich zur angenehmen Melancholie eingefärbt, wird der Eigenreflektion bzw. der Sicht auf die uns Nahen gefrönt. Liebes- und Lebenslieder, die durchaus das Zeug dazu haben, vom Hörer als selbst durchlebte Seelenbilder adoptiert zu werden. In "Eine Schwalbe kein Sommer" heißt es beispielsweise: "Mit der Bandscheibe ist etwas vorgefallen, ein Fahrrad schlägt Achten in die Nacht. ..." Das ist wunderbar wortverspielt und einem Pennäler wahrscheinlich rätselhafter als die Riester-Rente. Nein, für solche Lebenserkenntnisse braucht es schon ein paar Jährchen auf bzw. in dem Buckel und schon dafür ist es nur gerecht, 25 Jahre gewartet zu haben! Der deutschsprachige RockPop hat seinen festen Platz in unserer Musiklandschaft und Karo Nero fügen diesem chronisch minen-bewährten Genre ein erfreulich erhabenes Werk hinzu. Wieso ist es gefährlich, muttersprachlich zu musizieren? Viele von uns (längst nicht alle!) wissen, wie peinlich gedankenlos aneinander geklatschte Konservenverse sind. Vielleicht nicht mehr ganz so vielen (aber noch immer genug!) von uns vergällt es auch den Appetit, mit lieblos verbauten Midisounds aus der Studioretorte behelligt zu werden. Moderne Zeiten und einschlägige Plug-ins im Studio machen es oft so verlockend, den Rechner anstelle echter Musiker zu Ton kommen zu lassen! Ich gratuliere den Herren von Karo Nero zur Vermeidung der einen wie auch der anderen Torheit! Die Textzeilen kommen allürenfrei, angenehm nahbar, reif und gelassen daher. Und es tut außerdem sehr wohl, hier ein grundehrliches Klangbild zu vernehmen! Mit Gesang, Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug definiert sich zunächst die Grund-Ausstattung von "Karo Nero". Und wird doch noch ein Scheit nachgelegt, etwa beim funky groovenden "Wenn Du gehst", dann dürfen wir uns über echte Bläsersätze freuen! Ebenso echt sind die übereinander arrangierten Cellospuren im Titelsong "Schwerter aus Papier". Das gefällt!

Während des ersten Titels "Wege nach Rom" haben wir also Gelegenheit, uns an das pure Klang-Konzept des Rock-Quartetts zu gewöhnen. Nun gut, so ganz stimmt das nicht, streng genommen. Die verschiedenen Gitarrenspuren, vielfältig und mit Bedacht im Sound gewählt, bräuchten auf der Bühne bereits mindestens einen zusätzlichen Mann, resp. eine zusätzliche Frau an den Saiten. Aber viel eher als dieses Detail fordert die Stimme von Frontmann Gunter Schwarz unsere Aufmerksamkeit. Ein Hüne von Mann, dessen Familienname eigentlich eher auf Emmerlich lauten müsste, ließe man sich von phaenotypischen Eigenschaften blenden, überrascht anstelle eines brummenden Basses mit einem viel mehr dem Tenor zuzurechnenden Timbre. Stimmliche Paten Schwarz´ könnten beispielsweise Purple Schulz oder Keimzeits Norbert Leisegang sein. Und gerade beim Stichwort "Keimzeit" - man möge es mir nachsehen - schneiden sich nicht nur die stimmlichen Koordinaten der Sänger. Auch wesentliche Teile des akustischen Bandbildes, die Art der Arrangements mit gekonnt gesetzten, dezenten Jazz-Anleihen hier und da sprechen dafür, dass die doch beträchtliche zeitliche Distanz zu den frühen Neunzigern eher als ein günstiges Omen für Karo Nero ausgelegt werden könnte. Einerseits sind seit der frühen Keimzeit ganze Generationen "Gras" gewachsen und schafften so Platz für neue "Bäume", andererseits konnten die Musiker Schwarz, Hirsch, Schierwagen und Kober ein Vierteljahrhundert reifen und die Vielzahl ihrer jeweiligen Einflüsse kultivieren, welche das auch immer sein mögen. Neben den bereits erwähnten Größen Schulz und Leisegang fielen mir noch die Herrschaften Dirk Zöllner, Roger Cicero oder Stefan Gwildis ein, das ist aber sicher von Rezipient zu Kriterium, von Moment zu Augenblick verschieden. Wenn es denn unbedingt eines kleinen Wermutstropfen bedürfte, dann wohl am ehesten dem, dass die "Schwerter aus Papier" tatsächlich sehr papieren sind. Karo Nero tun keinem weh. Ein bisschen mehr Schneid und ich vergösse glatt Herzblut!

Fazit: Ich finde auf "Schwerter aus Papier" keinen Ausrutscher, keinen peinlichen Moment. Alle 10 Titel des Albums sind des Hörens wert und werden sicher ihre Liebhaber finden. Gereifte und solide agierende Musiker formulierten ein angenehm bekömmliches Werk, ohne der weit verbreiteten Fahlheit heutigen Deutschrocks zu verfallen. Karo Neros Debüt wurde im Stall des renommierten Labels Motor Entertainment aufgenommen. Glückwunsch zu guter Musik!
(Robert Brenner)





Videoclips: