Mathias Schüller: "Wodka Wodka Superstar" (Album)

schuellerwodka 20200807 1832019646VÖ: 19.06.2020; Label: Cactus Rock Records; Katalognummer: 4260288880305; Musiker: Mathias Schüller (Gesang, alle Instrumente); Texte & Kompositionen: Mathias Schüller; Bemerkung: CD im aufklappbaren Pappcover mit Booklet inkl. Abdruck der Songtexte;

Titel:
Hussy Hicks • Rose Garden • Wodka Wodka Superstar • Ed Zeppelin • Dead End • Water & Sand • Mad Max • Banana Whiskey • Dear Wolf


Rezension:
Fangen wir erstmal mit der unmittelbar musikalischen Gestalt an, dem akustischen Gewand, mit welchem Mathias Schüller uns bedenkt. Laut der gelieferten Credits zeichnet er neben sämtlichen Texten und den Kompositionen auch für alle Instrumente verantwortlich. Respekt! Von Sekunde Null an pfeift uns ein amtlicher, durchaus druckvoll eingespielter wie abgemischter Rocksound entgegen. Satt die Gitarren und voll der Bass, spielfreudig und treibend auch das simple wie wirkungsvoll bearbeitete Schlagzeug. Es rockt im besten Sinne. Das Glück währt 20 Sekunden. Dann erhebt Mathias Schüller seine Stimme und fortan bestimmt diese unbestimmt klebrige Patina seines Vortrags das Erscheinungsbild des Werkes.

Dabei hören wir keineswegs eine außergewöhnlich hässliche Gesangsstimme. Solche Stimmen haben unglaublich viele Menschen. Und manchmal - hat man beispielsweise die Freunde der Gymnastikgruppe Stiller als artverwandt im Sinn - gelingt es unerklärlicherweise auch derart ausgestattet, ein breites Publikum zu unterhalten. Jedermann und Jedefrau muss halt arbeiten, womit er/sie gesegnet wurde. Woran entzündet sich also der Widerwille, die doch stramme Kritik am Gesang? Es ist der Duktus von Schüllers Stimme, der über weite Strecken unangenehm berührt und das Zuhören eher zur Pflicht als zur Kür geraten lässt. Die Art und Weise ihres Einsatzes wirkt irgendwie halbgar und zugleich oder gerade dadurch(?) störend sperrig. So, als dränge sich der kleinste und verpickeltste Sportkamerad immerzu vor alle anderen zum Gruppenbild. Da wäre zunächst dieser merkwürdige Eindruck, der Protagonist versuchte sich über allzu lange Strecken an einer ihm nicht gut stehenden Art der Coolness. Woran liegt das wiederum? Man muss als Hörer mutmaßen. Ist es eine über Jahre antrainierte Überkompensation einer verinnerlichten Verzagtheit, kein sonderlich schönes oder zumindest offen klingendes Organ zu haben? Immerzu ruft sich das Bild Herrn Schüllers mit Glampfe und Notizzettel in den Sinn, auf der heimischen Couch hockend, mit kaum bewegten Lippen, vermutlich einen halbverglühten Glimmstengel am Fallen hindernd. Ein Jim Beam (das ist kein Whiskey!) steht auf dem Glastisch. Leise und unaufgeregt probiert er da so vor sich hin. Und es ist womöglich ziemlich geil so und für Liebhaber Stillerscher Stimmen eine Offenbarung! Nur: Im Studio dann, nach vorn ins auditive Licht geschubst von einem doch sehr respektablem Sound, sollte mit der Stimme ebenso zupackend gearbeitet werden wie es das sie umgebende Instrumentarium verlangt. Das passiert einfach zu wenig, zu zögerlich. Meistens. Zum Ausfahren seiner Stimmbänder steigt Herr Schüller vermutlich in den Keller und wenn nicht, dann wäre es den Versuch sicher wert. Auf dass er dann - nächstens im Studio - mal ordentlich zu Drücken sich traut, wo Text und Kontext danach dürsten. Möglicherweise hat sich Mathias Schüller noch nie bewusst mit seiner eigenen Stimmlage, ihrem Optimum und (genau!) dem Gegenteil davon, auseinandergesetzt. Böse Ausrutscher wie in "Rose Garden" wären sicher vermeidbar gewesen. Auch das gesprochene Intro zu "Ed Zeppelin" verlangte dringend nach ein paar Bechern Hochprozentigem. Mehr. Am Vorabend der Aufnahme! Oder - wenn nicht dort, dann zumindest beim Rezipienten während des Hörens. So könnte etwas Hörenswertes entstehen.

Thematisch geht es in Schüllers Text- und Denkwelten um das, worüber es allzeit lohnenswert wie vermeintlich müßig ist, sich einen Kopf zu machen oder es auch sein zu lassen. Über die verlorene und oder vergangene Liebe, über Fernwehen, über Konsum-, Gesellschafts- und Systemkritik bis hin zu leicht irrwitzig daherfliegenden Roadmovie-Themen. So ganz genau lässt sich das im Einzelfall sicherlich am besten im direkten Gespräch mit genug Bölkstoff im Hirn auseinandersetzen. Fakt ist, Mathias Schüller treibt der Irrsinn unserer Welt um. Da ist einiges an Zorn und Anklage verbaut und das ist absolut notwendig und richtig, sich von der Seele zu schreien! Wenn es doch endlich wirklich herausgeschrien würde. Matthias "sagt" es leider eher heraus. Gelegentliche Schimmer, an den Krautrock vergangener Dekaden erinnernd, durchfurchen hier und da das ansonsten doch recht durchschaubare musikalische Fahrwasser. Soweit, so durchwachsen. Aber ähnlich wie ein Neil Young auf endlos langen wie inhaltslosen Schrummelodyseen das Nervenkostüm wehrloser Zuhörer strapaziert und dann doch diese sagenhaften, von Schönheit durchdrungenen Momente hervorbringt, so gelingt es auch Mathias Schüller, während seiner dreiviertelstündigen Fahrt hinterm nordwestdeutschen Deich, eine betörend schöne Perle an uns zu verschenken! Als ein wahres Juwel auf "Wodka Wodka Superstar" entpuppt sich "Water und Sand". Zwei ausgesprochen geschmackvoll arrangierte Gitarren bieten einen schmerzlich hinreißenden Grund für Mathias Schüllers melancholisch sinnierende Erinnerung an die Geliebte oder zumindest einen sehr Nahen. Oder ist es seine eigene Jugend, die sich heimlich wegschlich? Man denke selbst darüber nach. Und siehe, hier nun passt auf geheimnisvolle Weise plötzlich alles zu- und ineinander! Man glaubt seinem Vortrag und möchte ihm anerkennend diesen Pseudo-Whisky vom Glastisch saufen. Er soll, anstatt sich mit zu betrinken, noch mehr Songs dieser Güte zur Welt bringen! Dieses Stück Musik, wie auch das betont abgehangene, weitblickende instrumentale Ende der Platte, bringen genug Gewicht in die Waagschale, dieses Album empfehlen zu können. Der Aushub (Achtung, Metapher!) drumherum ist gewaltig, doch den Goldschürfer interessieren die Tonnen grauen Gerölls nur noch bedingt, geben sie dieses eine, blinkende Nugget endlich frei!
(Robert Brenner)





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