LIFT: "Der Admiral" (EP)

ep 20201008 1521354717VÖ: 05.10.2020; Label: R.U.M. Records Katalognummer: ohne; Musiker: Werther Lohse (Gesang), André Jolig (Keyboard, Programming); Bemerkung: Diese EP ist physisch ausschließlich auf Vinyl (Schallplatte) erschienen. Außerdem kann man sie bei verschiedenen Portalen auch als Download bekommen.

Titel:
Impro 1 • Ausbruch • Der Admiral • Impro 2


Rezension:
Es ist das erste neue Werk von LIFT seit dem Album "Nach Hause" im Jahr 1987. In all den Jahren danach gab es neben den vielen Konzerten nur noch Retrospektiven, Live- und Unplugged-Alben als Lebenszeichen dieser Kult-Band. Nun also "Der Admiral" als EP. Aber ist das Material auf dieser kleinen Single wirklich alles neu? Ist das wirklich alles LIFT?

Zuerst einmal regiert die Freude darüber, dass es was Neues der einstmals in Dresden gegründeten Gruppe gibt. Was hat diese nicht alles erlebt und auf vier Studioalben für großartige Musik veröffentlicht. Da ist der Anspruch sehr hoch, wenn es um ein Produkt geht, das den Namen LIFT trägt. Nach diversen personellen Veränderungen in den letzten Jahren hatte sich 2014 eine Besetzung gefunden, die mit zwei Keyboardern in der Lage ist, den für diese Band so typischen und einzigartigen Sound der 70er und 80er Jahre auf die Bühne und evtl. auch auf ein neues Album zu bringen. Nach der von ihm aus gesundheitlichen Gründen freiwillig genommenen Pause des etatmäßigen Bassisten Jenne Brüssow kam 2016 mit Peter Rasym auch noch ein neuer Kollege dazu, der weitere Möglichkeiten eröffnete, und alles war bereit, nun endlich einen Nachfolger für "Nach Hause" aufnehmen zu können. Umso hellhöriger wurde die Gemeinde, als im Sommer dieses Jahres das Erscheinen einer EP angekündigt wurde. Ist sie der Vorbote für ein neues Album? Bildet sie den derzeitigen Stand der Dinge bei LIFT ab? Weitere Fragen stehen im Raum.

Die erste Überraschung ist natürlich die Besetzung, die diese Songs unter dem Namen LIFT eingespielt hat. Von den Musikanten, die einen fröhlich begrüßen, wenn man die bandeigene Homepage besucht, sind nur Werther Lohse und André Jolig aktiv am Entstehen dieser Scheibe beteiligt gewesen. Einige der anderen Kollegen, die darauf nicht zu hören sind und bei der Release-Party am 1. Oktober in Leipzig auch nicht auf der Bühne standen, waren sogar überrascht darüber, dass es diese Platte überhaupt gibt. Zu hören ist auch, dass sie sich gar nicht mehr sicher sind, überhaupt noch Teil der Band zu sein. Aber das sind Dinge, die den Musikhörer erstmal gar nicht zu interessieren haben und die der Band-Chef klären muss. Der interessierte Hörer sollte es aber wissen, dass wichtige Teile des Ensembles hier gar nicht mitwirken. Immerhin steht ja LIFT auf der Platte ...

Kommen wir zum Inhalt. Dieser ist mit knapp 12 Minuten Laufzeit knapp bemessen, aber es ist ja auch nur eine EP und kein Album. Empfangen wird man mit einer Improvisation auf dem Klavier, die sinnigerweise auch nur "Impro 1" benannt wurde. In nicht ganz zwei Minuten wird man von feinsten Klaviertönen auf die nächsten Momente eingestimmt. Unaufgeregt perlt eine wunderschöne Melodie aus den Lautsprechern, die einen echt berührt und gleichermaßen entspannt. Sie macht Lust auf mehr - Werther hat hier noch Pause.
Es folgt das Stück "Ausbruch", und man sollte sich vom Namen der Nummer nicht in die Irre führen lassen. Einen Ausbruch an Gefühlen, Spielfreude oder gar eine gesangliche Explosion des LIFT-Sängers findet man nämlich nicht. Werther hat immer noch Pause, und das Arrangement wirft weitere Fragen auf. Sofort sticht einem der Drum-Computer ins Ohr, der seinen künstlichen Klang hinter Orgelsound zu verstecken versucht, aber wegen seiner "unübersehbaren" Fülle trotzdem leicht zu entdecken ist. Unüberhörbar ist auch die Inspiration, die man sich seitens des Komponisten André Jolig wohl beim Hören der "Tagesreise" geholt hat. Dazu gesellen sich ein paar Sounds, für die eigentlich die Stern Combo bekannt ist und fertig ist Lied Nummer 2 auf dieser Platte. LIFT entdecke ich hier leider nicht, und insgesamt klingt die Nummer eher nach einem Demo als nach einem fertig produzierten Song ...
An Position drei wartet dann "Der Admiral", das erste echte neue Stück von LIFT, das der eine oder andere Fan in den vergangenen zwei Jahren bereits bei Live-Konzerten der Band hören konnte. An dieser Stelle ist dann auch die Pause für Werther beendet - er tritt ans Mikro und singt einen Text des LETZTE INSTANZ-Frontmanns Holly Loose und dessen Frau Peggy, der perfekt zu LIFT passt. Hier hat sich jemand offenbar richtig Gedanken gemacht, als ihm eine noch unbetextete Komposition von André Jolig mit der Bitte zugesandt wurde, sie mit Inhalt zu füllen. Das Ergebnis: ein Volltreffer! Es kommt tatsächlich ein LIFT-Gefühl auf, als die ersten Klaviertöne (wieder begleitet vom sich verstecken wollenden Drum-Computer) zu hören sind, und spätestens wenn Werthers Stimme erklingt sind sie da, diese Wiedererkennbarkeit und die Erfüllung von Erwartungen. "Die Sonne geht auf", sind die ersten Worte des Textes, und mit Werthers Einsatz geht sie dann auch tatsächlich auf dieser Platte auf. Im Arrangement lassen einmal mehr die Kollegen der Stern-Combo grüßen (hat André Jolig dort ein Praktikum gemacht?) und insgesamt gleitet der Song entspannt dahin. In Sachen Produktion wirkt er aber leider wie der davor … eher wie ein Demo als ein fertig ausgearbeitetes Werk, aber das ist angesichts des Textes und der gesanglichen Leistung Werther Lohses eher zweitrangig.
Den Schluss der EP bildet die "Impro 2", denn wo eine erste Impro drauf ist, muss auch eine zweite folgen. Werther hat inzwischen wieder Pause. Erneut ist da eine Klaviermelodie, die es sich in der zweiten Improvisation auf einem Keyboard-Teppich bequem macht. So entspannt, wie man in die Platte hinein geführt wurde, so entspannt wird man wieder entlassen. Aber LIFT ist das leider auch nicht.

Wieso heißt der Interpret hier nicht André Jolig & Freunde oder André Jolig feat. Werther Lohse? Das würde eher zutreffen, als hier vorn auf das Cover den großen Namen LIFT zu setzen, der Erwartungen weckt … Von vier Songs auf der Platte wird nur eins von Werther Lohse gesungen, der Rest ist instrumental und sucht leicht verwirrt seinen Platz in der großen LIFT-Geschichte. Und dieses Instrumentale scheint irgendwie schnell dahin gewerkelt zu sein. Der von André Jolig als Komponist und Arrangeur hier aufgekochte Sound trifft nicht den gewohnten Standard, den man von LIFT gewohnt ist. Das geht los bei der - zugegeben wirklich gelungenen - ersten Impro und setzt sich bei den folgenden Stücken fort. Da klingt fast alles wie eine im Wohnzimmer daheim schnell eingespielte Song-Skizze. Es ist aber keine, denn dieses Material hat den Weg auf eine Schallplatte gefunden. Womit wir beim nächsten Punkt wären: Die Fans, die keinen Plattenspieler mehr besitzen, sollten sich schleunigst einen zulegen, denn eine CD gibt es vom "Admiral" nicht. Dafür bekommt man aber für knapp 12 EUR ganze 12 Minuten Musik, die man für ein paar Euronen weniger auch als MP3-Download haben kann. Lange Rede - kurzer Sinn: Das Einzige, was hier an LIFT erinnert, ist Werther Lohse, der bei einem Lied als Sänger zu hören ist. Der Rest, der auf dieser Platte seinen Platz gefunden hat, wirkt fremd oder von anderen Kollegen wesentlich besser angeboten. Meistens ist es der Anfang vom Ende, wenn billige Computer-Töne wichtige Instrumente ersetzen und das Ergebnis dann so klingt, als wolle man am falschen Ende sparen. Für Werther und vor allem für LIFT hoffe ich, dass das in ihrem Fall nicht so sein wird und ein neues Album, auf das man ja nun wirklich schon viel zu lange warten muss, in der richtigen Besetzung und mit einem ehrlichen Sound-Gewand eingespielt werden. Vom Inhalt her ist man da ja schon auf dem richtigen Weg und sollte da ruhig weiter auf das geschickte Texter-Händchen des Ehepaar Hoffmann (Holly & Peggy) setzen.
(Christian Reder)





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