Extrabreit: "Auf EX!" (Album)

extrabreit2020 20201112 1456383578VÖ: 13.11.2020; Label: Soulfood Music; Katalognummer: 4046661678321; Musiker: Kai „Havaii“ Schlasse (Gesang), Stefan „Kleinkrieg“ Klein (Gitarre), Bubi Hönig (Gitarre), Lars „Larsson“ Hartmann (Bass), Rolf Möller (Schlagzeug); Produzenten: Frank Kühnlein, Michael Danielak; Kompositionen/Texte: Kai „Havaii“ Schlasse, Stefan „Kleinkrieg“ Klein; Bemerkung: Erschienen als Standard-CD mit 13 Songs, als Limited Editon CD mit 3 Bonus-Tracks, als Limited Edition Vinyl (signiert) und als Limited Boxset (CD + Flachmann, Zippo Feuerzeug, Schlüsselanhänger und Autogrammkarte, verpackt in einer runden Metalldose);

Titel:
Die Fressen aus dem Pott • Vorwärts durch die Zeit • Robotermädchen • Winter • Sonderbar • Gib mir mehr davon • Mary Jane • Meine kleine Glock • Ganz neuer Tag • Donnerstag • Kein zurück • Seine Majestät der Tod • War das schon alles?

Bonus-Tracks auf der Limited Edition: Und über uns der Himmel (Hans Albers Cover) • Immer wieder Extrabreit (Demo) • Geiles Teil (Demo)


Rezension:
"Auf ex" trinkt man gewöhnlich im Kontext eines Saufgelages oder um sich ein unliebsames Getränk schnell hinter die Binde zu kippen. AUF EX kann man ab dem 13.11.2020 nun aber auch hören, denn so taufte das deutsche Pop-Punkurgestein EXTRABREIT ihre aktuelle Langspielplatte.

Dem breiten Publikum dürfte die Truppe um Gitarrist und Gründer Stefan Kleinkrieg noch durch ihren NDW Hit 'Hurra, Hurra, die Schule brennt' vertraut sein. Seitdem waren sie aber alles andere als untätig und veröffentlichten eine Vielzahl von Alben. Nach 12-jähriger Durststrecke melden sie sich nun im Jahr 2020 zurück und es bleibt zu klären, ob man das Album tatsächlich "auf ex" hören sollte und wenn ja, aus welchen Gründen.

Bevor aber diese Frage geklärt, oder überhaupt gestellt werden kann, fallen EXTRABREIT dem Hörer im Opener ihres Albums selbstironisch ins unausgesprochene Wort und lassen in einem eingespielten Interviewschnipsel fragen "Warum gibt es Extrabreit noch?". Sie antworten selbstbewusst darauf, "das liegt daran, dass wir immer noch leben". Aber wie lebt man denn als Punk im Rentenalter? Dem Album nach zu urteilen, zumeist schnell und laut. So weit, so Punk.

Im Alter scheint sich aber ein Gespür für einprägsame Melodien zu entwickeln, denn das ist die große Stärke der Songs auf dem neuen Werk. Die betagten Herren sind spendabel im Umgang mit Mitgröl-Refrains, die beim ersten Hören den Appetit auf mehr anregen und bei übermäßigem Genuss zur Abhängigkeit oder einem - wie er unter Fachmedizinern genannt wird - Ohrwurm führen könnte. Unterstützt werden die Melodien von einer überzeugenden Produktion, die Gitarren, Schlagzeug und Gesang genregerecht in Szene setzt.

Die selbsternannten "Fressen aus dem Pott" servieren hier Pop-Punk auf die Fresse. Das resultiert zuweilen in ähnlich klingenden Soundwänden, die in punkigem Achtelgeschrammel inszeniert werden und dadurch die Songs ähnlich klingen lassen. Um dem entgegen zu wirken, schallen punktuell ruhigere und nachdenklichere Töne durch die Boxen. Die Gesangsstimme bleibt dabei stets angenehm rau, wie ein guter Whiskey. Das passt zur Musik und den Texten.

Die Texte besingen unter anderem das Leben im Ruhrpott, drehen sich auffallend oft um die Zeit und lassen auch den extrabreiten Humor nicht zu kurz kommen. In "Robotermädchen" beispielsweise wird in Ermangelung einer Bettgespielin einfach auf eine elektronische Dame aus dem Katalog zurückgegriffen und das Leben mit selbiger diskutiert. Nicht ganz konform mit der Genderdebatte, aber sicherlich auch nicht bierernst gemeint. Versteckte Ironie erhoffe ich mir auch im Titel "Meine kleine Glock". Dieser Lobgesang auf Schusswaffenliebe kann nicht ganz ernst gemeint sein.
Sympathischer kommt da schon "Mary Jane" daher, mit welcher der Sänger, nach eigener Aussage, schon zahlreiche Dates hatte. Hier gelingt es dem Texter eine Metapher zu etablieren, die clever durch den Song manövriert wird. Wer hier auf dem (Wein-)Schlauch steht: Mary Jane = Marihuana.
Am wenigsten überzeugt der Titel "Seine Majestät der Tod". Hier wollte das Quartett mehr, als es schlucken konnte. Das Ergebnis: Ein unmotiviertes Gitarrenriff und ein bedeutungsschwangerer Text treffen sich in einer Bar. Der Witz hat keine Pointe - sowie auch das Lied. Angenehmerweise entlässt uns dieser Song aber nicht aus dem Album, sondern EXTRABREIT schenken noch einen 13. Titel ein.
Mit "War das schon alles?" knallt es am Ende nicht nur noch mal ordentlich, sondern es wird auch wieder herrlich melodiös und eingängig gespielt und gesungen, so dass man auch als Hörer fragt, "War das schon alles - oder habt ihr noch was da?"

Denn das Album ist, trotz weniger bitterer Beigeschmäcker, ein Genuss. Sicherlich kein teurer Rotwein, dafür aber ein ehrlich verdientes Dosenbier von der Tanke. Nicht spannend, aber durstlöschend. In diesem Sinne: AUF EX.
(Toni Drobner)





Hör- und Seh-Bar:









   
   
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