The Twins: "Living For The Future" (Album)

lp16 20180716 1617551492VÖ: 22.06.2018; Label: Passion Factory Records/Monopol; Katalognummer: M7254 999903; Musiker: Ronny Schreinzer (Gesang, Synthesizer, Schlagzeug, Gitarre), Sven Dohrow (Synthesizer, Schlagzeug, Gitarre); Bemerkung: CD im aufklappbaren Digipak. Auch als Schallplatte erschienen. Die Band vertreibt das Album außerdem als auf 500 Stück limitierte und handsignierte Fanbox mit CD, Schallplatte und diversen Zugaben (z.B. 7" Single "Runaway", Buch "Die Abenteuer der Twins", etc.);

Titel:
Down In Key Largo • Going To The Moon • All I Want To Do • Marina Jones • When I Lost You • So Wrong • At The End Of Love • Jonny, Can You Hear Me • Never Surrender • You're Not The Only One • Living For The Future • Ghosts Of Yesterday


Rezension:
Manchmal kann einem Vorfreude so richtig auf die Füße fallen. Eine Band, die man vor vielen Jahren mal gern gehört hat und deren Hits einem noch heute die schönsten Erinnerungen an die eigene Jugend in den Kopf zurück zaubern, bringt nach einer gefühlten Ewigkeit ein neues Album auf den Markt. Aber die Magie früherer Jahre ist nicht mehr spürbar, der Sound der neuen Songs ist mit den Musikern zusammen alt geworden und statt eines coolen Gefühls und der ehemals vorhandenen Rock'n'Roll-Attitüde hinterlässt der langersehnte Output einstiger Helden nur ein unwohles Sättigungsgefühl mit dem ununterdrückbaren Reiz, kräftig aufstoßen zu müssen. Gefährlich, nach vielen Jahren nochmal zurückzukehren und ein Comeback zu wagen, wenn man mal cool war und die eigene Messlatte selbst ziemlich hoch gelegt hat. Diesen gewagten Schritt unternehmen in diesem Jahr trotzdem auch THE TWINS, die Anfang bis Mitte der 80er mit Kloppern wie "Ballet Dancer" und "Not The Loving Kind" die Diskotempel des Landes ebenso verschärft in Brand steckten, wie viele Jugendzimmer von Flensburg bis zum Bodensee. Können sie dieses Feuer ins neue Jahrtausend retten? Hören wir mal rein ...

"Living For The Future" heißt das erste Album der TWINS seit 25 Jahren. Damals, im Jahre 1993 ging ihr letztes Werk "The Impossible Dream" leider irgendwie unter - wie so vieles andere "Made in Germany" auch. Die Zeit ihrer Musik und der Klang des 10 Jahre zuvor so angesagten Italo-Disco-Sounds war irgendwie vorbei, und die Jugend tanzte inzwischen nach Produktionshallen- und Haushaltsgeräte-Geräuschen der Techno-Szene. Seit 1993 kam jedenfalls nichts mehr aus dem Hause Schreinzer/Dohrow, als Wiederverwertungen ihres bis dahin bereits auf Vinyl in Umlauf gebrachten Songmaterials und immer wiederkehrende Ansagen, man sei im Studio und arbeite an neuem Material. Kein Wunder also, dass die Neugier der Fans groß war und die eingangs beschriebene Vorfreude auf das neue Album ebenso, denn nach ungezählten Ankündigungen machten Ronny Schreinzer und Sven Dohrow nun Ernst und ließen das erste neue Werk nach 25 Jahren vom Stapel laufen. Vorab nahm man sein Publikum schon via Facebook an die Hand und gab Wasserstandsmeldungen aus dem Studio.

"Down In Key Lago" heißt der Opener eines 12 Lieder umfassenden Albums, an das der Rezensent eine Menge Erwartungen knüpfte. Und die ersten Töne der Nummer scheinen diese auch zu erfüllen. Der Beat fährt ins Bein, die Melodie bleibt hängen und der Sound knüpft da an, wo man 1987 mit dem Album "Hold On To Your Dreams" aufgehört hat. Ganz nett. Aber hier wird der aufmerksame Leser sicher stutzig ... Und er hat gut zwischen den Zeilen gelesen, denn der Sound ist tiefste 80er. Vor 30 Jahren wäre dies durchaus eine innovative Klangkulisse mit netten kleinen Verspieltheiten gewesen. Für den Hörer, der nach 25 Jahren eine Weiterentwicklung im Sound erwartet hat, jedoch sicher die erste Enttäuschung. Trotzdem geht der Song als "gelungen" durch, denn er gefällt beim ersten Hören.
Weiter geht's mit "Going To The Moon" und der leise Verdacht kommt auf, eine Fehlpressung bekommen zu haben. Das ist doch Depeche Mode, oder? Nö, es sind die Twins, die sich von "Never Let Me Down" und anderen Stücken der Briten aus dieser Zeit haben unüberhörbar "inspirieren" lassen. Das Ergebnis ist leider ein - sorry - billiger Abklatsch der damals durchaus geilen Idee einer anderen Band, der heute allenfalls zur Beschallung beim wöchtentlichen Einkauf im Discounter taugt. Klingt nicht, wirkt nicht und bleibt nicht hängen.
Wer schon immer den Sound eines Modems beim Einwahl-Prozess und die Musik von 80er-Jahren-Computerspielen toll fand und sich wünschte, das endlich mal auf der heimischen Anlage hören zu können, wird bei "All I Want To Do" bedient. Ein bisschen EBM-Klänge beigemischt und schon ist der dritte neue Titel fertig. Das wirkt so erschreckend uninspiriert, dass man es kaum glauben mag. Echt jetzt? Euer Ernst?
Zwar ist "Marina Jones" sowas wie ein weiterer schöner Moment nach der Eröffnungs-Nummer, aber die Hoffnung, es geht jetzt qualitativ bergauf, ist nur ein schmerzhafter Irrglaube. Die treibende und hypnotisch wirkende Elektropop-Nummer ist nur eine kurze Pause, bis den ersten schlechten Eindrücken des Albums noch ein paar hinterher gereicht werden.
Nun erwische ich mich erstmals dabei, die ersten Lieder beim Hören wie aus einem Reflex heraus einfach weiter zu skippen. "When I Lost You" ist so ein Kandidat, der übersprungen wird. Eine Frauenstimme, die einen deutschen Text über Liebe und Hoppsassa trällert, und wir hätten einen wunderbaren Schlager für Muttis vormittägliche Unterhaltung über's Küchenradio - so neben Helene und Andrea. Im Auto (oder auch woanders) will man sowas nicht. Das Stück plätschert dahin und ist langweilig. Natürlich tut es einem nicht weh, es hinterlässt aber auch keine gute Laune oder Bock auf mehr davon. THE TWINS, wie ich sie kenne, ist das sowieso nicht.
Zu "So Wrong" kann ich nicht viel sagen, außer dass es sich hierbei wohl um eine tonale Sättigungsbeilage handeln muss. Füllmaterial, damit die CD nicht nach 30 Minuten zu Ende ist. Welche Daseinsberechtigung diese Nummer im Gesamtwerk hat, kann uns eigentlich nur die Band selbst beantworten. Mir fiel beim Hören jedenfalls kein Argument ein. Dieses und das nächste Stück "At The End Of Love" haben das Ende beim Hören jedenfalls nicht erreicht. Dem Hörgenuss hatte ich vorher schon ein Ende gesetzt. Besonderes Merkmal bei zuletzt genannter Nummer ist der Drumcomputer, der so billig klingt, wie eine bekannte Automarke aus Rumänien verarbeitet ist.
"Johnny - Can You Hear Me" ist ein Ausflug in den Country-Bereich. Richtig gelesen! Das haben die Jungs von OKAY! Ende der 80er auch gemacht, nur klang deren Song richtig geil. "Wild Wild Western" hieß deren Hit. Der fuhr ins Bein und machte Spaß. Bei der Nummer hier wünscht man dem besungenen "Johnny" nur von Herzen, dass er sein Gehör verloren hat und das hier eben nicht hören muss. Hier sehe ich aber schon die Senioren in der ersten Reihe beim ZDF-Fernsehgarten fröhlich schunkeln.
"Never Surrender" - mir fehlen die Worte ... Und zwar so sehr, dass man sich über das nachfolgende Lied "You're Not The Only One" schon richtig freut, obwohl hier fleißig bei Gary Numan (natürlich bei seinen Werken aus den 80ern) gewildert wurde.
Das dem Album seinen Namen gebende "Living For The Future" ist eine weitere Nummer, die mit deutschem Text einen wunderbaren Schlager für Bernhard Brink abgegeben hätte. Ein entzückender Pling-Pling-Effekt hinten raus lässt sogar einen Gruß der AMIGOS da.
In den wohlverdienten Feierabend wird man mit "Ghosts Of Yesterday" entlassen. Unnötig zu erwähnen, dass auch das Stück so gar nichts mit dem zu tun hat, was man sich von der Band und ihrem neuen Album erhofft hat. Zurück bleibt das schlechte Gefühl, dass von den einst so gern gehörten TWINS nicht mehr allzu viel übrig ist.

Mir persönlich tut es ehrlich weh zu schreiben, dass dieses Album nicht meinen Geschmack trifft und ich fürchte, dass ich mit diesem Gefühl nicht allein dastehe. Ich hatte mich wirklich auf das Teil gefreut und war gespannt, was das Berliner Duo nach 25 Jahren musikalisch noch zu sagen hat. Offenbar nichts. Damit, dass es eine musikalische Nasszelle der Nichtigkeiten werden würde, in der sich lediglich zwei Songs befinden, die man vielleicht irgendwann nochmal anmachen und hören würde ("Marina Jones" und "Down In Key Largo"), hatte ich echt nicht gerechnet. An manchen Stellen bildete sich sogar eine Gänsehaut inklusive anschließendem Schütteln. Nach mehrmaligem Hören dieses Albums, dem ich wirklich versucht habe, etwas Positives abzugewinnen, ist mir aber mehr als klar, warum in 25 Jahren immer wieder ein neues Album angekündigt und am Ende dann doch nicht veröffentlicht wurde. Es reicht nicht, sich dreist bei Depeche Mode, OMD oder Gary Numan zu bedienen und zu erwarten, dass die Leute das kritiklos schlucken. Eigene geniale Ideen sucht man auf der Platte dann auch vergeblich und selbst das Anknüpfen an den Sound der erfolgreichen Phase in den 80ern gelingt nicht. Sehr sehr schade!
(Christian Reder)





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