phoenixwest 20160507 1265336192 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:
"Ohne uns"
Phoenix West
Schallkunst/Telamo
8. April 2016

1. Ohne uns
2. Rhein und Ruhr
3. Maria Krohn
4. Solange wir leben
5. Der Letzte macht das Licht aus
6. Was ist mit uns
7. Bei dir bin ich zuhaus
8. Parolen
9. Wir machen für dich weiter
10. Hart wie Stahl
11. Auf Sand gebaut
12. Sein Verein
13. Du solltest es mal besser haben





Wenn hier im Ruhrgebiet jemand PHOENIX WEST erwähnt, weiß jeder, dass damit das ehemalige Hochofengelände in Dortmund-Hörde gemeint ist. Ein Ort, wo bis vor wenigen Jahren noch richtig malocht wurde, und deren Hochöfen heute als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Dortmund eingetragen sind. Das Gelände von PHOENIX OST wurde inzwischen geflutet und dort ein großer, künstlicher See mit Naherholungsgebiet angelegt. PHOENIX WEST erinnert noch immer an die Zeit, wo Blut, Schweiß und Tränen in Bächen flossen und ist ein Denkmal für harte Arbeit. Seit einiger Zeit muss man allerdings nachfragen, welches PHOENIX WEST denn gemeint ist, wenn es genannt wird. Es gibt seit knapp zwei Jahren nämlich auch eine Musikgruppe, die sich PHOENIX WEST nennt und in Dortmund zu Hause ist. Hinter dem Namen stecken Chris Dunkler, Steffen Eckert (beide 34), Martin Krieger (37) und Phil Ohleyer (29). Das Herren-Quartett möchte mit seiner Musik die "Stimme des Ruhrgebiets" werden und bewirbt sich um diesen Titel mit dem soeben erschienenen Debüt-Album "Ohne uns".

Was ist denn die Stimme des Ruhrgebiets? Oder besser gefragt: Was ist das Ruhrgebiet denn heute? Viele Menschen von außerhalb verbinden mit dem "Pott" nach wie vor die "graue Region" um Dortmund, Bochum und Essen, wo man beim Niesen zwei Briketts aus der Nase verliert und wo sich das strahlende Weiß der frisch gewaschenen Wäsche nach fünf Minuten auf der Leine in ein dezentes Grau verwandelt. Hier bedarf es eigentlich mehr Aufklärung, denn die Zeit der Zechen und Stahlwerke - und damit auch der Luftverschmutzung - ist nämlich schon lange vorbei. Die Zeche "Prosper-Haniel" in Bottrop ist inzwischen das letzte aktive Bergwerk im "Pott" und wird Ende 2018 ebenfalls dicht gemacht. Auch bei den Stahlwerken hat es im Laufe der Zeit - im wahrsten Sinne des Wortes - so einige zerlegt. Arbeitsplätze sind im Ruhrgebiet in den letzten 50 Jahren massenhaft verschwunden - ebenso wie die Betriebe, die Arbeit zu vergeben hatten. Geblieben sind die Menschen, das Lebensgefühl und Traditionen. Während die Landschaft immer grüner wird und das Grau von früher verdrängt, verliert sich Stück für Stück das, was diese Region mal ausgemacht hat und der "Pulsschlag aus Stahl" wird leiser.
Eigentlich kommen die vier Burschen von PHOENIX WEST um ein paar Jahre zu spät, wenn sie nun auf diesen Zug aufspringen und all das zum Thema machen wollen. Und trotzdem startet ihr Album mit einem Lied, das ganz wunderbar das beschreibt, was das Ruhrgebiet einst geleistet hat und für das es heute noch steht. "Ohne uns" heißt das Stück und beschwört so ein bisschen das Wir-Gefühl im Pott. Das Quartett besingt darin, dass vieles, was es heute gibt, ohne die ganze Kohle- und Stahlindustrie nicht geben würde.
"Rhein und Ruhr" ist ein weiteres Lied auf dem Album und hier hat man eine echte Hymne geschrieben, die auch vom Arrangement her so ausgefallen ist. Groß angelegt mit tollen Stimmen und bombastischer Klassik wird der Wunsch, "hier zu leben, zwischen Rhein und Ruhr", geäußert und der Treueschwur, "Wir werden niemals von Dir geh'n", hinterher geschoben. Das ist wahre Verbundenheit, vermischt mit Verliebtsein in seine Heimat.
Zum Pott gehören auch die Kneipen, die früher Anlaufstelle für die Arbeiter waren, um dort ihr Feierabendbier und ein Schnäpschen zu trinken, und dazu eine Zigarette zu rauchen während man sich mit den Kumpels noch über den Tag unterhielt. Für einige wurde der Alkohol dort aber auch ein ständiger Begleiter und "Maria Krohn", so der Name des dritten Songs auf dem Album, zur "einzigen Liebe", die so "schön und verrucht" dort an der Theke wartet. Bei all der Romantik, die man über diese Region in Liedern verbauen kann, gehören auch die Schattenseiten dazu, die PHOENIX WEST z.B. in diesem Lied thematisieren.
Jeder der vier Sänger erzählt hier eine oder mehrere Geschichten, die man sich für das erste Album ausgesucht hat. Es sind balladenhafte aber auch mit lautem Bombast angelegte Geschichten, die schnörkellos und direkt Gehör finden. Inhaltlich ist man hier so dicht an der Wirklichkeit, dass man die Kohle und den Schweiß von damals fast schon riechen kann. Die Themen fanden die Jungs auf den Straßen und in den Hinterhöfen des Ruhrgebiets - die muss man dort nämlich einfach nur aufsammeln. Es geht um Freundschaften ("Auf Sand gebaut"), Verbundenheit ("Wir machen für Dich weiter") um die Maloche ("Hart wie Stahl"), um die Familie ("Du sollst es mal besser haben") und natürlich um den Zusammenhalt, alles in direktem Bezug zum Ruhrgebiet, seinen Menschen und der Lebensart. Und natürlich geht es auch um Fußball, denn der gehört zum Pott wie das Amen in der Kirche, und PHOENIX WEST liefern mit "Sein Verein" einen Song, der sowohl Blau-Weiße, Schwarz-Gelbe, Rot-Weiße oder Schwarz-Weiße gleichermaßen anspricht. Es fällt aber auf, dass hier insgesamt mehr im Gestern als im Heute gelebt wird ...

So gut die Idee mit den Ruhrpott-Themen auch ist, die - wie schon erwähnt - ganz wunderbar ausgewählt und nicht weniger toll in Texte verwandelt wurden, so hinterlasst PHOENIX WEST musikalisch doch den Eindruck, aus der gleichen "Projektschmiede" wie Santiano, Schramme 11 oder Dartagnan zu kommen. Sowas entsteht nicht in einem Probenkeller oder im Pausenraum der örtlichen Gesamtschule aus einer Laune heraus. Das kann mir keiner erzählen. Der Verdacht liegt nahe, dass auch PHOENIX WEST am Reißbrett entstanden ist. Die Band selbst ist keine Band im üblichen Sinne. Hier hört man keine Gitarren, kein Schlagzeug und auch keine Keyboards. Hier stehen vier Sänger und das Orchester im Vordergrund. Aber als Boygroup möchten sie sicher nicht bezeichnet werden. Brachiale und bombastische Orchestrierungen sind die Unterlagen für den Gesang von Chris, Steffen, Martin und Phil. Auf der einen Seite versprechen die vier unterschiedlichen Stimmen, dass auf dem Album eine Menge Abwechslung geboten wird. Auf der anderen Seite klingen einige Songs leider aber auch wie eine Mischung aus dem Gesang der Oompa Loompas ("Ohne uns"), den Jungen Tenören ("Was ist mit uns") und Unheilig ("Wir machen für Dich weiter"). Bis auf einen Song ("Rhein und Ruhr") will die Idee bei mir deshalb auch nicht so richtig zünden. Zwar darf der Inhalt jedes einzelnen Songs als gelungen gewertet werden, ich erwähnte es ja bereits, aber die Verbindung zwischen diesen Inhalten und der Musik will - zumindest auf den ersten und zweiten Blick - nicht richtig passen. Die Gefahr, dass das Album in Richtung Volkstümelei und die Band in das gleiche Genre abgeschoben werden könnte, ist groß, zumal man sich beim Vertonen von romantischen Sichtweisen praktisch schon dafür bewirbt. Aber das mag jeder für sich selbst entscheiden. "Ohne uns" lässt mich darum auch etwas zwiegespalten zurück, zumal das heutige Leben im Pott auf dem Album auch extrem zu kurz kommt ... Meine "Stimme des Ruhrgebiets" sind PHOENIX WEST so jedenfalls nicht.
(Christian Reder)



Videoclip:






   
   
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