vvdsgeschichten 20160706 2075504468 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:
"Geschichten van der Spree"
Vivian van der Spree
Monster Tapes/RoBa
24. Juni 2016

1. Koffer voller Sorgen
2. Bist Du noch dabei?
3. Gut drauf, gut dran
4. Was für die
5. Junge
6. Mein Herz
7. Bauer sucht Frau
8. Lady McBeth
9. Wie viele das sind
10. Blaubeeren
11. Der billige Mascara
12. Hinter den Kulissen
13. Ich esse meine Suppe nicht





Ich gebe zu: Es fällt mir zunehmend schwerer, mich zum Hören einer hier eintreffenden neuen CD und zum anschließenden Schreiben einer Rezension aufzuraffen. Was vor knapp 10 Jahren noch richtig viel Spaß gemacht hat, hat sich schleichend ins Gegenteil verkehrt. Die Qualität vieler neuer Produktionen hat hörbar und spürbar nachgelassen. Ihr bekommt bei uns überwiegend auch nur die unserer Meinung nach wirklich empfehlenswerten Produktionen vorgestellt, so manches schafft den Weg in die Rubrik "Neuerscheinungen" erst gar nicht. Ein Grund für diese aufkommende Langeweile ist die Tatsache, dass sich in den letzten Jahren wieder große Produzenten-Truppen gebildet haben, die nach einem gelandeten Hit erst mal ganz lange auf der gleichen Sound-Welle rumreiten oder sich vom Einheitsbrei aus Übersee inspirieren lassen (Hallo Mr. Timberlake, hallo Mrs. Rihanna). Diese kaum zu überhörende Einfallslosigkeit, die sich auch bis runter auf die kleinste Ebene durchgefressen zu haben scheint, könnte auch der Vorbote vom Ende des Rock'n Roll sein. Wer weiß ...?! Dies hat uns ein Heinz Rudolf Kunze ja schon vor Jahren prophezeit. Mut, etwas Neues zu versuchen? Das Interesse, sich von anderen Bands und Musikern deutlich abzusetzen? Ideen, mal etwas ganz anderes zu machen? Lust an der Spannung, wie das Publikum auf Unerwartetes reagiert? Das kann man inzwischen wieder mit der Lupe suchen. Oft setzt man sich mit einer Tasse Kaffee zum Hören einer neuen CD hin, und die belebende Wirkung dieses Heißgetränks wird innerhalb von wenigen Minuten gleich wieder neutralisiert. Wie herrlich sind dann diese Momente, wenn man auf ein Album wie das von Vivian van der Spree stößt. Nicht nur, dass einen die Künstlerin allein durch ihr äußeres Erscheinungsbild vom Cover herunter neugierig macht, sie hat in Sachen Musik auch ganz besonders tolle Ideen und ganz offenbar eben noch diesen eben erwähnten Mut und die Lust, das Publikum zu überraschen und etwas völlig Unerwartetes zu präsentieren.

Das Album "Geschichten von der Spree" ist inzwischen schon ein paar Tage alt. Die Künstlerin, die alle Songs nicht nur selbst geschrieben, sondern auch selbst betextet hat, stellte die Scheibe am 24. Juni bei einem Record-Release-Konzert in Berlin der Öffentlichkeit vor. Wie diese 13 neuen und wohltuend anders klingenden Lieder des neuen Albums in den Live-Versionen rübergekommen sind, ist hier nicht überliefert. Jedoch kann von dieser Stelle aus gesagt werden, dass die auf der CD befindlichen Stücke mal straff, mal entspannt voranrollen, und herrlich tief in den kunstvollen Umgang mit der Variation abtauchen. Ebenfalls kann an dieser Stelle der Plattenvorstellung schon das Fazit gezogen werden, dass der Vielfalt von Song- und Text-Ideen keinerlei Grenzen gesetzt wurden. Dem Hörer wird hier mehrfach und immer wiederkehrend am Ohr geknabbert, so, als gäbe es auch nicht einmal den Ansatz von Zurückhaltung. Dafür sorgt allein schon die angenehme Stimme der Künstlerin. Die Lieder, die allesamt durch ihre Einzigartigkeit auffallen, stehen von der Instrumentierung her in vollem Saft. Fender-Rhodes, Orgel, Bläser, ein sich bei richtiger Lautstärke wohltuend in den Magen eingrabender Bass, Gitarren und vieles mehr sind die Zutaten für die Musik, in die man sich ziemlich schnell verlieben kann. Dabei sind die Arrangements keinesfalls überfrachtet, aber stets sinnvoll und ansprechend mit Leben gefüllt. Und damit sind wir bei dem schon erwähnten Unerwarteten. War man gerade noch hingerissen von dem vom Jazz getragenen Lied ("Mein Herz", "Blaubeeren", "Ich esse meine Suppe nicht"), beeindruckt im nächsten Moment das von schwarzer Musik der 70er Jahre inspirierte Funk/Soul-Brett ("Koffer voller Sorgen") oder der wütend wirkende und im Rap-Stil vorgetragene Klopper ("Bauer sucht Frau"). Man stößt zudem auf das aus den 60ern entsprungen zu sein scheinende Werk ("Lady McBeth"), den ruhigen Schleicher ("Gut drauf, gut dran", "Wie viele das sind"), die hitverdächtige Radio-Nummer ("Was für die", "Bist Du noch dabei") oder die Country-lastige Pop-Nummer ("Junge"). Kurz: hier bleiben keine Wünsche unerfüllt. Da dürfte selbst der mut- und kraftlose Radioredakteur nichts zu Meckern haben. Und selbst wenn man einen Song einer Musikrichtung zugeordnet zu haben glaubt, entdeckt man darin noch weitere Elemente anderer Genres. Unerwartet? Ja! Überraschend? Auf jeden Fall! Begeisternd? Absolut! Inhaltlich, so sagt es die Künstlerin, handeln ihre Lieder von "Freundschaft, Liebe, die Kunst, mit sich allein sein zu können, und die Nachteile von billigem Mascara." Aber auch hier ist es wie bei der eben schon ausführlich beschriebenen musikalischen Umsetzung: Mit der Aufzählung einzelner Elemente kratzt man nur an der Oberfläche - darunter ist noch viel mehr. Aber diese Entdeckungsreise möchte ich dann doch den interessierten Leser selbst unternehmen lassen, und gar nicht viel verraten.

Ich für meinen Fall fühle mich durch "Geschichten van der Spree" für viele angefangene und zu Ende gehörte CDs, deren Inhalt mich so gar nicht überzeugen konnten und die mir - wenn ich ehrlich bin - viele kostbare Minuten meines Lebens unwiederbringlich geraubt haben, entschädigt. Die Künstlerin selbst ist ein Lichtblick und Hoffnungsstrahl, dass die Kreativität in der deutschen Musikszene noch immer vorhanden aber offenbar in einer anderen Gegend als der der großen Namen zu suchen ist (die Platte ist nicht bei einem großen Label, sondern im Eigenvertrieb erschienen). Die Musik der Vivian van der Spree glänzt dazu wie ein Edelstein in der Sonne. Und da wir in diesem Sommer bisher viel zu wenig Sonne hatten, solltet Ihr schleunigst die Webseite der Künstlerin (www.vivianvanderspree.de) ansteuern, die Rubrik "Musik" anklicken und "Geschichten von der Spree" kaufen gehen. Denn so einen die Sonne spiegelnden Edelstein kann man sich jetzt in Form dieser CD nach Hause holen: Einlegen, anstellen und begeistert sein ...
(Christian Reder)



Videoclip:




   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.