lp18 20160921 1605541552 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:
"Menschen auf Brücken"
Falkenberg
Mollwerk/Buschfunk
10. September 2016

1. Zeitbrücken #01
2. Menschen auf Brücken
3. Brücken über'm Meer
4. Zugbrücken
5. Tunnel unter den Brücken
6. Zeitbrücken #02
7. Die Leere überbrücken
8. Brückenköpfe
9. Brücken ohne Geländer
10. Auf leeren Brückenpfeilern
11. Welt ohne Brücken
12. Zeitbrücken #03"





Bei Herrn Schmidt scheint es nur so zu fluppen: Platte machen, Touren, Platte machen, Touren ... Nebenbei spielen wir noch flott in einem Musical mit und plöpp ... steht er schon wieder im Studio. Der 56-jährige scheint im Gegensatz zu uns ein paar Stunden mehr am Tag zur Verfügung zu haben. Anders ist das nicht zu erklären. Das "Geliebte Leben" ist gefühlt erst ein paar Monate alt, das Live-Album "Unterstrichen live" sogar zählbar erst ein halbes Jahr, und schon hält man mit "Menschen auf Brücken" die nächste Scheibe des Hallenser Musikers FALKENBERG in Händen. Das ist schon bemerkenswert, was und vor allem in welchen zeitlichen Abständen er abliefert. "Menschen auf Brücken" ist ein weiteres Konzeptalbum, auf dem es dieses Mal um Zwischenmenschliches geht. Aber nicht um die Liebe und die Triebe, sondern um die Brücken zwischen den Menschen. Jene Brücken, die teilweise, so sagt der Künstler selbst, schon abgebrochen zu sein scheinen.

Und so erhebt FALKENBERG auf seinem neuen Werk das Wort gegen die, die Kriege zu verantworten und die Flucht von Menschen ausgelöst haben ("Brückenköpfe"). Er thematisiert den Schwachsinn und die Sinnlosigkeit, die uns das Fernsehen täglich liefert ("Die Leere überbrücken") und singt über das Monster Alkohol, das so viele Leben und Karrieren schon zerstört hat ("Brücken ohne Geländer"). Ein Bild, wie es wohl wäre, wenn keiner mehr auf den anderen achten würde und die Gespräche zwischen uns verstummen würden ("Welt ohne Brücken"), zeichnet er ebenso in Noten und Worten, wie eins über die dunkle Welt der Depressionen ("Tunnel unter den Brücken"). Egal, welches Thema behandelt wird, es wird mit wohldurchdachten und mit Fingerspitzengefühl gewählten Worten bildlich, ja fast schon greifbar gemacht. Im Booklet findet man neben den abgedruckten Texten zudem einige die Stimmung unterstreichende Fotos. Musikalisch umgesetzt wurde das Ganze in zu den Themen passenden Stimmungen. "Tunnel unter den Brücken" wird z.B. mit verzerrten Synthie-Klängen eingeleitet, die die verzerrt wahrgenommene Welt eines am Burnout oder an Depression erkrankten Menschen in Töne verwandelt. Dies setzt sich im Verlauf bei den Streichern fort und die gedrückte Stimmung wird durch einen aufgewühlt gespielten Refrain nochmals verstärkt. Der Titel "Brückenköpfe" wird geprägt durch einen stampfenden Beat und einen Refrain, wie man ihn sonst eher in einem Protestsong finden würde. Als warnende Botschaft ragt hier die Textzeile "Jeder Krieg kommt irgendwann nach Hause | Auf jedes Kissen in jeder Nacht", wobei die Warnung in unserem Falle wohl schon zu spät kommen dürfte. Eher träge schleppt sich dagegen "Brücken ohne Geländer" dahin. Fast zähflüssig zieht der Titel, der von Klavier und Streichern getragen wird, seine Bahn und gibt der Bestie Alkohol und der Verfassung, in die sie ihre Opfer versetzt, so ein Gesicht. Ebenfalls nur vom Klavier und Streichern getragen wird die "Welt ohne Brücken". Das traurige Arrangement, das aus dem Lied eine eher klassische Nummer hat werden lassen, wirkt wie eine Trauermelodie, die schwarz-weiße Bilder vor das innere Auge malt und die Endzeitstimmung einer Gesellschaft ohne "Wir" fühlbar werden lässt. Das alles ist natürlich schwere Kost, nicht leicht verdaulich und schon gar nicht leicht zu ertragen. Es sind aber Themen, die unserer Zeit entspringen und Beobachtungen, die man tagtäglich machen kann.
Optimismus hingegen versprüht ein Lied wie "Brücken überm Meer" - nicht nur inhaltlich. Ein flotter Beat und eine markante Gitarrenfigur liefern den richtigen Ton zum "Anderssein". In der gleichen Machart wie "Da ist die Angst" vom 2012er Album "Freiheit" ist der Titel "Die Leere überbrücken" gemacht. Hat der eine Titel die "Stimmung des Augenblicks" zum Thema geht es hier um das unterirdisch schlechte TV-Programm, das FALKENBERG in seinem Text als "Gehirngangbang in der Sitzlandschaft" beschreibt. Zu einer fröhlichen Klaviermelodie skizziert er das, was man heute überall zu sehen bekommt, sehr treffen.

Mit "Menschen auf Brücken" hat sich FALKENBERG einen weiteren Schritt in Richtung mahnenden Beobachter bewegt. Ein komplett "Liebeslied"-freies Werk mit Garantie auf harte Fakten. Stellenweise kommt er dem Hörer damit so nah, dass es auch mal weh tun kann. Zwischen die Dunkelheit streut er aber gekonnt den einen oder anderen Lichtstrahl, der für Auflockerungen sorgt und die Härte der Realität ein wenig aufreißt. Für meinen Geschmack ist dies das ernsthafteste Album von FALKENBERG, der zwar schon immer in den tiefen Schichten des Lebens gegraben, sie aber selten so kompakt und geballt auf einem Album hatte. Es bestätigt sich beim Hören der CD der Eindruck, der sich schon beim Konzert verfestigte: Für diese CD muss man gute Nerven oder einen guten Tag haben, denn die Realität ist härter als ein Ponyhof.
(Christian Reder)




   
   
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