dartagnan2016 20160210 1716550219 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:
"Seit an Seit"
DARTAGNAN
SONY Music
26. Februar 2016

1. Seit an Seit
2. Ehre wem Ehre gebühret
3. Komm mit
4. Bis zum letzten Atemzug
5. Meine Liebste, Jolie
6. En Garde
7. So wie du
8. Für immer Dein
9. Meilen
10. Freiheit
11. Tourdion
12. Rabenballade
13. Mann mit der eisernen Maske
14. Heldenlied





Dunkle Tenöre, Schlagermusik machende Seemänner, Lieder singende Geistliche aus römisch-katholischem Hause ... Die Plattenindustrie erfindet schon manch ulkiges themenbezogenes Band-Projekt, damit den zum Schunkeln vor den TV-Geräten animierenden TV-Sendungen der Nachwuchs (bzw. der Nachschub) nicht ausgeht. Und immer wenn man denkt, man hat jetzt wirklich alles gesehen und gehört, wird man eines Besseren belehrt. So wie jetzt, gleich zu Beginn des Jahres 2016, wo uns aus dem Hinterhalt die Gruppe DARTAGNAN mit ihrer Musik und dem Album "Seit an Seit" überfällt.

DARTAGNAN? Jau ... Da nennen sich drei Herren aus Nürnberg nach Charles de Batz de Castelmore, genannt Comte d'Artagnan, einem der Musketiere der Haustruppen des französischen Königs im siebzehnten Jahrhundert. Tja, und der Bandname lässt der Phantasie nun wirklich auch keinen Spielraum, mit was Ben Metzner, Felix Fischer und Tim Bernhard ihr Publikum beglücken wollen: Musketier-Rock. Das fehlte tatsächlich noch in der Reihe der eingangs erwähnten Stilblüten aus den Forschungslaboren der Plattenindustrie. Schon der erste Titel des Albums "Seit an Seit", der auch als Videoclip im Netz seine Runden dreht (auch am Ende dieser Seite zu finden), klingt wie vom Reißbrett und unüberhörbar so gewollt. An diesem Konzept ist intensiv gearbeitet worden und wurde für den Mainstream zurecht gebogen. Eine eingängige Melodie, Elemente aus den Soundtracks der verschiedenen Mantel-und-Degen-Filme und ein griffiger Text, den man auch nach dem Genuss von reichlich vergorenem Gerstensaft munter mitträllern kann. Mit den irgendwo anders schon mal gehörten Zeilen, "Ach, Bruder, lass uns reiten | Es ist wieder so weit | Ich werde Dich begleiten | Durch Licht und Dunkelheit", wird das Gemeinschaftsgefühl heraufbeschworen. Damit aber noch nicht genug der Phrasendrescherei. Gleich im nächsten Song "Ehre wem Ehre gebührt" überrascht die Kapelle mit den Zeilen "Große Taten werden folgen | Wenn Du ein Opfer bringst | Große Taten fordern Mut | Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt", und etwas weiter hinten mit textlerischer Feinkost wie "Und wenn der Morgen graut | Dann bist Du meine Braut | Ja, Dich vergess ich nie | Du mein Mädchen, meine Jolie". Wär nur doof gelaufen, wenn die Dame Monika oder Chantalle geheißen hätte, denn dann hätte der Reim nicht mehr funktioniert und wer weiß, was der Baukasten da sonst hergegeben hätte. Auch erwähnenswert (oder auch nicht) ist da noch der Refrain von "En garde", der da lautet: "Es ist wieder soweit | Selber Ort, selbe Zeit | Denn in schwerer Zeiten Not | Stehen wir bereit | Hand in Hand, Seit an Seit | Treu bis in den Tod". Das Album ist durchzogen mit solch simpel gestrickter Textdichtkunst, die locker von jeder Supporter-Gruppe aus den Kurven der Stadien in der Fußball-Regionalliga getoppt würde. Inhaltlich wird der Hörer also nicht großartig mit Themen belästigt, bei denen er womöglich nachdenken muss. Es geht immer wieder um Heldenmut (was ziemlich schnell nervt), große Heldentaten und - wie könnte es anders sein - natürlich auch um schöne Frauen. Jetzt könnte man natürlich sagen, dass es zu der Zeit des d'Artangnan ja auch nicht wirklich viel mehr gab, über das man hätte singen können. Aber ein bisschen mehr Einfallsreichtum und Geschick beim Texten hätte es schon sein dürfen. Dies wird dem ausschließlich zum Mitklatschen angereisten Publikum in Reihe eins bis fünf beim Fernsehgarten oder bei Carmen Nebel aber höchstwahrscheinlich nicht auffallen.
In Sachen Musik ist man auf "Seit an Seit" auch kein großes Risiko eingegangen. Vielmehr werden durch den Einsatz verschiedener Flöten, "Pfeifen" und anderer traditioneller Instrumente sämtliche Klischees erfüllt. Stereotyp, aber mit flottem Tanz-Beat unterlegt, "musketier-rocken" sich die drei Franken durch ihr Debüt-Album und hinterlassen mich als Hörer am Ende mehr als nur gelangweilt. Ein Lied klingt wie das andere.

Um dem Konzept auch den passenden Anstrich zu verleihen, ließen sich die drei Musiker für ihr Album natürlich in den passenden Klamotten ablichten. Dass einige der Fotos beim Betrachter als erstes die Wicküler-Pilsener-Werbung aus den 70ern wieder hochkommen lässt, ist nicht weiter verwunderlich. Fast alles erinnert daran. Es fehlt eigentlich nur die Pulle Bier, und es wäre die perfekte Neuauflage einer damals ziemlich erfolgreichen Werbe-Kampagne geworden. Das Gesamtpaket aus Musik, Inhalt und Aufmachung wirkt auf mich alles andere als etwas, das man ernst nehmen kann. Das Album wäre vielleicht für Kinder super geeignet. Es versetzt sie in die romantisch-verklärte Stimmung der damaligen Zeit, wie es auch schon eingangs erwähnte Mantel-und-Degen-Filme in den 60ern und 70ern getan haben. Sie haben Generationen von Kindern zum Nachstellen der Szenen in die freie Natur und an die frische Luft getrieben. Im CD-Fach neben Rolf Zuckowski und Detlev Jöcker ist "Seit an Seit" sicher ein herausragendes Album, für Erwachsene ist die Scheibe aber nur bedingt (vielleicht zu Karneval, aber da kenne ich mich nicht aus) bis gar nicht zu empfehlen. Als Erwachsener fühle ich mich vor allen Dingen von den Texten eher auf den Arm genommen und überhaupt nicht abgeholt. Im Gegenteil: Es hat bei mir noch nicht einmal an der Tür geläutet!
(Christian Reder)



Videoclip: