vanveen2016 20160309 1059706849 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Inhalt:
"Fallen oder Springen"
Herman van Veen
Universal
22. Januar 2016

1. Offenes Geheimnis
2. Hilfe, Hilfe
3. Alles macht was aus
4. Jemand
5. Wenn du es sagst
6. Oma sagt
7. Bilanz
8. Unterwegs
9. Willst du
10. Die unbekannten Kinder
11. Praktische Hände
12. Schlaf nicht
13. Mein Herr
14. Fallen oder Springen





Am 14. März 1945 wurde Herman van Veen in Utrecht geboren, stand 1965 zum ersten Mal auf einer Bühne und ist seitdem ein nicht wegzudenkender Künstler. Sänger, Instrumentalist (Geige), Komponist, Textautor, Regisseur, Schauspieler, Maler. Ich wage zu behaupten, dass irgendwann jeder - egal ob Klassik-, Rock- oder Pop-Fan - zumindest einmal über seinen Namen stolperte und auch etwas von ihm hörte oder sah. Kein Wunder, veröffentlichte er mittlerweile doch über 100 (!) Alben, 25 DVDs und über 70 Bücher. Darüber hinaus ist Herman van Veen ein Synonym dafür, sich aktiv für die Rechte der kleinsten und schwächsten, nämlich der Kinder, einzusetzen. Für dieses Engagement wurde er mehrfach geehrt. Das hier vorliegende Album "Fallen oder Springen" wurde in Deutschland am 22. Januar 2016 veröffentlicht, in van Veens Heimat erschien es bereits im Herbst des vergangenen Jahres. Vom dortigen Publikum wurde es begeistert aufgenommen und dies dürfte auch bei uns nicht all zu lange auf sich warten lassen.

Musikalisch arbeitete Herman van Veen eng mit dem jungen Komponisten Marnix Dorrestein zusammen, der auch bei der Produktion des Albums mitwirkte. Insgesamt erstreckt sich die stilistische Vielfalt von leisen und sehr sparsam instrumentierten Liedern über locker-flockige Melodien bis hin zu fast schon elektronisch-poppigen und damit verbunden sehr modern und zeitgemäß arrangierten Songs.

In den Texten lässt van Veen kaum ein Thema aus. Seien es der immer größer werdende Verlust der Privatsphäre, Depressionen, Freundschaft ohne "wenn und aber", gleichgeschlechtliche Beziehungen, das Älterwerden oder auch Kindesmissbrauch. Der Künstler nimmt kein Blatt vor den Mund, dies aber stets in der ihm ganz eigenen Poesie und unverwechselbaren Art, zu singen.

Im musikalisch-quirligen Opener "Offenes Geheimnis" reflektiert der Sänger augenzwinkernd über die mehr und mehr schwindende Privatsphäre, für die wir nicht selten selbst verantwortlich sind:

Wer du bist, du gern wärst,
was du isst, wohin du fährst,
alles, alles wird notiert,
registriert.

Warum ich dich mag,
mich mit dir so gut vertrag,
was wir lieben, wann und wie
das wissen sie ...


Wer hat sich im Zeitalter von Facebook, Twitter & Co. nicht schon selbst bei solchen Gedanken ertappt und sie dann doch wieder ganz schnell ins große Nichts verfliegen lassen?

Was kommt nach unserem Tod? Mit einem völlig leichten, angejazzten Sound nebst phantastischem Gitarrespiel begibt sich van Veen scheinbar federleicht auf dieses viel zu oft tabuisierte Terrain und beweist eindrucksvoll, dass man sich der Endlichkeit des Seins - trotz Trauer und Schmerz - durchaus auch gelassener nähern kann:

Jemand wird den Hund rauslassen,
wird die Pflanzen gießen,
wird den Garten pflegen,
die Gardinen zuziehen.

Jemand wird die Wäsche bügeln,
die Socken stopfen,
die Treppe wischen,
den Abwasch in die Maschine räumen ...

Jemand wird begreifen,
dass, wer stirbt
derjenige ist,
der zurückbleibt.


Herman van Veen selbst zu diesem Lied: "Als mir klar wurde, dass Erik van der Wurff, mit dem ich fast fünfzig Jahre zusammen spielte, unheilbar krank war, kurz nachdem ich von Harald Siepermann, einem guten Freund, dem Zeichner von Alfred Jodokus Kwak, Abschied genommen hatte, realisierte ich stärker als jemals zuvor, dass die Welt bei einem solchen Kummer nicht still steht. Sondern dass sie gnadenlos und glücklich weitermacht. Das ist der Grund, warum ich dieses Lied schrieb."

Mit fast erdrückendem Backgroundgesang zum Beginn und passend monotonem Beat einer Rhythmusmaschine wechselt van Veen zu denen, die ihn wohl am meisten Herzen liegen. Zu den Kindern. Nicht jedoch zu denen, die glücklich und wohlbehütet aufwachsen dürfen, sondern zu denen, die Opfer wurden und zu dem Umgang unserer Gesellschaft mit ihren Schicksalen. Ein stiller Aufschrei und für mich ein künstlerischer sowie emotionaler Höhepunkt des Albums. "Die unbekannten Kinder" ...

In "Mein Herr" fragt van Veen deutlich und musikalisch treibend, wer der Gott ist, der dieses oder jenes sagt und woher seine Macht stammen mag, dieses oder jenes zu bestimmen. Darf ein Sohn nur Frauen lieben? Darf eine Tochter nur Männer lieben? Sind Kinder das Eigentum von Erwachsenen? All diese Fragen stellt er, bis eine zart klingende Violine unheimlich hoffnungsvolle Töne verströmen darf. Auch dieses Lied berührt zutiefst.

"Fallen oder Springen" gab dem Album seinem Namen und steht an dessen Ende. Es skizziert den Weg vom Anfang bis zum Ende unseres Lebens und vermag es, durch einen fast schon schlagerhaften Refrain zu begeistern.

Herman van Veen - ein Ausnahmekünstler, der in keine Schublade passt. Dies wäre ihm wohl auch zuwider. Allen, die sich in einer ruhigen Stunde - vielleicht bei einem guten Glas Wein - etwas Zeit nehmen wollen, kann ich dieses Album absolut empfehlen. Es lohnt sich, zuzuhören, sich selbst, eigene Erinnerungen und auch aktuelle Lebenssituationen in den Liedern zu entdecken. Wer sich darauf einlassen will, wird vielleicht merken, dass er nach den 14 Songs der Scheibe doch noch mal zum ersten zurückkehrt, um wieder und wieder neue Nuancen zu finden ...
(Mike Brettschneider)




   
   
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