klunker2015 20150330 2073172645 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Lietzensee"
Eberhard Klunker
Mons Records
10. April 2015

1. Prelude At 6
2. Some Sambal
3. Swallows
4. Danny Boy
5. St. Thomas
6. Fredy
7. 13
8. Resolution
9. Bluessette
10. Stop! Stop! Go!
11. Mr. Hope
12. Nuages





Eberhard Klunker ist in den letzten Jahren zumeist im gleichen Atemzug mit Christiane Ufholz genannt worden. Was nicht weiter verwundert, waren (und sind) beide doch seit ihrer gemeinsamen Windminister-Zeit immer wieder musikalisch miteinander verbunden. Erst im vergangenen Jahr erschien mit "Beautiful Machines" ihre erste gemeinsame Studioplatte in Duett-Besetzung.

Mit "Lietzensee" legt der passionierte Fusion-Gitarrist Klunker nun ein rein akustisches Soloalbum vor, das einzigartig ist. Damit sei hier - zumindest vorläufig - noch nichts über die Qualität gesagt. Vielmehr rührt der Umstand eben dieser Einzigartigkeit zunächst aus den Besonderheiten der Aufnahme. Klunker war auf der Suche nach einem gut und natürlich klingenden Ort für die Einspielung, und fand ihn in der Kirche am Lietzensee in Berlin. Lediglich zwei Mikrofone wurden positioniert, um Gitarre und Raum optimal einzufangen. Wer an dieser Stelle überbordenden Hall oder dergleichen erwartet, kann beruhigt werden. Wenn man es nicht gerade weiß, vermutet man da keine Kirche. Tontechnisch genügt die Aufnahme jedenfalls höchsten Ansprüchen.

Der zweite Punkt, der als Besonderheit hervorzuheben ist, ist die Prämisse der Improvisation, die allen Stücken innewohnt. Will heißen: Einige Titel sind komplett ohne jegliche Vorgabe vollständig aus dem Stehgreif eingespielt, zumeist gar als first take. Andere wiederum entwickeln ihre Form um ein Thema herum, spontan situationsbezogen. In der Konsequenz führt dies dazu, dass jedes Stück damit unwiederholbar in seiner Gestaltung wird. Eine spätere 1:1-Live-Version kann und wird es folglich nicht geben.

Insgesamt zwölf Tracks finden sich auf dem Album; eine kleine Reminiszenz an den Aufnahmeort gibt es gleich im Intro mit dezentem Glockenläuten, freilich als punktgenau abgepasste akustische Hintergrundkulisse. Weniger verhalten und in offenbar bewusstem Kontrast hierzu steigt dann gleich Song Nr. 2 tief in die Rhythmik der Samba ein. Überhaupt scheint dem Künstler daran gelegen, mit lediglich einem - seinem - Instrument die Frage nach wie auch immer gearteter rhythmischer Unterstützung erst gar nicht aufkommen lassen zu wollen, und es gelingt ihm vortrefflich! Facettenreich und kurzweilig geht es munter daher; die Stilmitteln wechseln, ohne die Stilistik als solche zu verlassen. Ob Flamenco, Swing, Bigband-typische Elemente, Blues oder auch Jazz - nichts scheint dem Protagonisten ungeeignet, um es nicht harmonisch im Gesamtgefüge unterzubringen. So findet sich beispielsweise in "Swallows" ein Thema, welches multipel variiert und es trotzdem scheinbar mühelos schafft, den Übergang zum balladesken Folgestück "Danny Boy", einem vielfach interpretiertem traditionellen Volkslied, zu finden. Wenngleich Klunker sich dabei an der Version von Bill Evans und Keith Jarrett orientiert, schimmert hier bisweilen sogar ein Hauch Johnny Cash hindurch.

Beim Auswerten der der CD beiliegenden Presseinformation fällt auf, dass der Künstler offenbar einen regelrecht wissenschaftlichen Ansatz bei der Gestaltung seines Werkes verfolgt. Jeder einzelne Titel wird dort minutiös in Einzelteile zerlegt und unter partieller Verwendung von Fachjargon wieder aufgearbeitet, was anfangs irritiert und die Befürchtung nährt, einem Theoretiker aufgesessen zu sein. Diese Skepsis ist jedoch vollkommen unangebracht, denn die praktische Umsetzung dieses Ansatzes überzeugt auf ganzer Linie. Das auch in musikalischer Hinsicht einzigartige Werk eines begnadeten Virtuosen, der es allerdings nur beinahe pünktlich schafft, mit dem unerwartet erneuten Einsetzen des Kirchengeläuts auch den Schlusspunkt unter die Produktion zu setzen. Denn das passiert nämlich schon im vorletzten Stück.
(Rüdiger Lübeck)