oomphxxv 20150727 1813465287 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"XXV"
Oomph!
Airforce1/Universal Music
31. Juli 2015

1. Dein Retter
2. Alles aus Liebe
3. Jetzt oder nie
4. Als wärs das letzte Mal
5. Mary Bell
6. Jede Reise hat ein Ende
7. Unter diesem Mond
8. All Deine Wunden
9. Fleisch und Fell
10. Tick Tack
11. Nicht von dieser Welt
12. Spieler
13. Zielscheibe
14. Leis ganz leis





"Das Alter macht milde", sagte mal ein Medizin-Nobelpreisträger in einem Interview. Gut, er sagte dies in einem anderen Zusammenhang, aber diese Aussage trifft durchaus auch auf die Musik und ihre Schöpfer zu. Es gibt genügend Beispiele dafür, dass einstmals harte Rocker im Laufe der Jahre eine Menge Weichspüler runtergekippt haben müssen, um in so gefährlich seichte Gewässer zu geraten. Nein, ich will eigentlich gar nicht das gern herangezogene Beispiel UNHEILIG nennen, aber es passt einfach zu gut. Der Graf fühlt sich auf den letzten Metern der Karriere ja auch in einer Samstagabend-Show bei den Öffentlich-Rechtlichen wohler als auf einem Dark Wave-Festival, wo er mit seiner Musik früher noch prima hingepasst hätte. Aber solche Beispiele gibt es eben. Ich behaupte einfach mal, es ist diese im Alter aufkommende "Milde", die Musiker dazu bringt, die Lederjacke gegen eine Strickweste auszutauschen und im Studio mehr darauf zu achten, dass sich der Hörer beim Konsum der eigenen Musik keine blauen Flecken holt (ebenso wie der Radioredakteur). Mit eher einem gruseligen Gefühl und einer anschließend schweißnassen Nacht erinnere ich mich an die Veröffentlichung des letzten Studioalbums "Des Wahnsinns fette Beute" der Wolfsburger Hart-und-heftig-Kapelle OOMPH! zurück. Selten hat mich eine Band, deren Musik ich eigentlich immer total geil fand, so enttäuscht, wie OOMPH! mit diesem Ding. Nun steht mit "XXV" das neueste Werk der drei Rocker in den Startlöchern und ich hatte ein wenige Bedenken, wie dieses Teil wohl ausgefallen sein würde.

Die gute Nachricht mal zu Beginn dieser Rezension: OOMPH! haben anlässlich ihres 25. Bandgeburtstages ein neues Album mit neuen Liedern produziert und kein Best-Of rausgehauen. Dieses einfache Mittel nutzt ja inzwischen fast jeder Musiker: Jubiläum = Best of. Nicht bei OOMPH! Dafür geht der Daumen schon mal nach oben. Aber dann fällt es auch schon schwer, positive Momente hervorzuheben. "Dein Retter", mit dem das Album startet, ist gefühlt ein echter OOMPH!-Song. Es geht rockig los, der Refrain knallt ordentlich rein, das Arrangement ist knackig und Text sowie Gesang knüpfen an die guten alten Zeiten der Band in den 90ern an. Auch wenn die Nummer insgesamt eine von der Stange ist, ist man nach dem 2012er Werk doch schon dankbar, dass man hier doch wieder ansatzweise die Band so hört, wie man sie vor 20 Jahren mal kennengelernt hat. Schade, dass es so nicht weitergeht.
Schon die nachfolgende Nummer "Alles aus Liebe" erinnert ganz fies an eingangs schon ungern erwähnten UNHEILIGen ... Diese Nummer hat nichts Nachhaltiges. Im Gegenteil, das Lied wirkt als wäre es mit einer Mainstream-Schablone gezeichnet. Was beim ersten Stück noch wie "von der Stange" wirkte, zeichnet sich hier mehr als deutlich ab. Es klingt wie der Versuch, im Fahrwasser des Grafen mit zu schwimmen, und mit aller Gewalt an seine eigene Nummer 1, "Augen auf", anzuknüpfen zu wollen. Und so verkrampft kommt die Nummer auch rüber.
Der Song "Jetzt oder nie" hätte auch von den Böhsen Onkelz sein können. Und das ist durchaus nicht positiv zu werten! Inhaltlich so gehaltvoll wie ein Glas Selters, ist die Nummer auch insgesamt ziemlich schwach auf der Brust. Inhaltlich geht es darum, wie schwer man es doch bisher hatte, wie dolle man doch kämpfen musste, und dass man erst mit seinen "Brüdern" eine Legion ist. Das wirkt dann doch eher peinlich als cool. Die Textzeile, "Jetzt hebt das Glas empor | wir alle singen im Chor", als Einleitung zum Refrain, ist nix anderes als eine Aufforderung zum Mitgrölen wie im Bierzelt, und setzt dem Ganzen eigentlich noch die Krone auf. "Brüder schenkt nochmal ein - Jetzt oder nie". Volle Zustimmung, denn ich glaube, das ist auch nur im Suff zu ertragen! Der Text birgt übrigens noch mehr Höhepunkte zum Fremdschämen.
Tja, und als hätte man es voraussehen können, befindet sich an vierter Stelle die schon längst überfällige Ballade. "Als wär's das letzte Mal" heißt sie und man wünscht sich tatsächlich, dass die Band in Zukunft die Finger davon lässt. "Küss mich, als wär's das letzte Mal" singt uns DERO darin den Refrain, während die Kapelle vom Arrangement her eine melancholisch-depressive Melange aus HIM und THE RASMUS unter seinen Gesang schraubt. Das hat man irgendwo schon mal gehört und damals für sich schon beschlossen, dass man es eigentlich nicht braucht. Auf derlei Déjà-Vus kann man gut und gerne verzichten.
Mit "Mary Bell" dreht sich das Blatt dann aber plötzlich. Wie aus dem Nichts überzeugen OOMPH! auf einmal inhaltlich wie musikalisch. Der Song rockt, das Thema ist (leider) hochaktuell und auch von der Umsetzung her ist "Mary Bell" der für mich beste Song auf diesem Album. Beim dann doch eher verwunderten Blick ins Booklet stellt man fest, dass "Mary Bell" ein Fremdwerk ist: Komposition und Text stammen von Bodenski und Simon Michael von der Gruppe SUBWAY TO SALLY. Eine gute Wahl, diese Nummer auszuwählen und mit auf das eigene Album zu nehmen! Die Nummer bringt einen echten Farbklecks in das bisherige Einheitsgrau.
"Jede Reise hat ein Ende" lässt dann erst mal etwas Ruhe einkehren. Von der musikalischen Umsetzung her mehr Pop- als Rock-Song, steckt der Text des Stücks voller Phrasen ("Wir hatten gute Zeiten", "Alles ist mehr Schein als Sein", "Doch steter Tropfen höhlt den Stein", "Doch alles bricht einmal entzwei", etc.). Das ist einfach nur blutleer, und die Einfallslosigkeit überträgt sich leider auch auf die Musik. Dieses Gefühl von Einfallslosigkeit verliert man auch beim folgenden "Unter diesem Mond" nicht. Bei diesem Stück steht im ersten Teil das Klavier im Vordergrund. Später setzen härtere Gitarren und Schlagzeug ein, und ein paar Streicher aus der Konserve runden das Gesamtbild ab. Eine weitere Ballade, die nicht zündet und mich als Hörer nicht erreicht.

Und so plätschert "XXV" weiter vor sich hin. Auch die restlichen Stücke der Platte bringen einem keine Erleuchtung. Überraschungen? Fehlanzeige! Abwechslung? Ebenso! Es ist insgesamt schon eher bedenklich, wenn die einzig richtig gute Nummer auf einem neuen Album ein Titel aus fremder Feder ist. Manchmal zündet ein Album oder ein Song erst bei mehrmaligem Hören. Ich habe die CD inzwischen drei Mal gehört und NEIN! Da zündet gar nix. Ich habe keine Ahnung, was Texte wie z.B. der von "Tick Tack", "Unter diesem Mond" oder eben von "Jede Reise hat ein Ende" zum Ausdruck bringen sollen. Wie wenig überraschend und einfallsreich die Songs auf dieser CD sind, wird gerade bei den Songs "Unter diesem Mond" und "All Deine Wunden" deutlich. Offenbar sind bei OOMPH! Textzeilen über "kriechende Schatten" gerade hoch im Kurs und werden entsprechen oft untergebracht. Es wirkt allerdings eher seltsam, wenn sowas in zwei direkt aufeinander folgenden Titeln der Fall ist. Kroch einer dieser Schatten bei "Unter diesem Mond" noch "langsam auf mich zu", kriecht er im darauf folgenden "All Deine Wunden" völlig überraschend "in ihr Zimmer". Sind es Wortfindungsstörungen oder ist der Tank einfach nur leer, Freunde? Zwischen der letzten Platte und dieser hier liegen drei Jahre. In diesen drei Jahren scheinen die Herren von OOMPH! nicht von der Muse geküsst worden zu sein. Ganz im Gegenteil. "XXV" ist kraftlos, einfallslos und völlig ohne Reiz. So verliert man seine Fans und ich kann mir nur schwerlich vorstellen, dass man damit neue dazu gewinnen kann. An die Zeiten in den 90ern und Alben wie "Sperm", "Defekt" oder gar "Unrein" erinnert heute eigentlich nicht mehr viel. OOMPH! musiziert inzwischen eher seicht bzw. - um auf den Anfang dieser Rezension zurückzukommen - milde daher, und kann Botschaften oder gar überzeugende Texte scheinbar nicht mehr liefern. Eine weitere Enttäuschung also!
(Christian Reder)