gundislieder 20150414 1293253037 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Gundis Lieder | Gundis Themen"
Diverse
CULTUS UG /Showcasepotsdam
20. März 2015

CD 1: "Gundis Lieder"
01. Die Seilschaft - Grüne Armee
02. Philip Omlor - Ich mache meinen Frieden
03. Hannes Kreuziger - Vater
04. Carmen Orlet & Hugo Dietrich - Wenigstens bis morgen
05. Tricky Riddle Projekt - Einmal
06. Ruben Wittchow - Wo bleiben wir
07. Stoppok - Keine Zeit mehr
08. Rudy - Und musst Du weinen
09. Steinlandpiraten - Sag, wolltest Du nicht noch
10. Duo Hand in Hand - Herzblatt
11. Konstantin Wecker - Gras
12. Eisbrenner & LaTino Connection - So wird es Tag
13. Christian Haase - Der 7. Samuraj
14. Krogmann - Alle oder keiner

CD 2: "Gundis Themen"
01. Duo Hand in Hand - Back To Dreck
02. Stoppok - Wie schnell ist nix passiert
03. Christian Haase - Höflich sein
04. UNBEKANNT VERZOGEN - Tamara
05. Ruben Wittchow - Sein&lassen
06. Karl Thoralf Rittel - Deine Liebe
07. Philip Omlor - Pferd aus gelbem Wellblech
08. Krogmann - Weit, weit
09. Hannes Kreuziger - Dieser Mann
10. Rudy - Yeah hier in Berlin
11. Die Seilschaft - Tage wie diese
12. Eisbrenner - Nackt
13. Carmen Orlet & Hugo Dietrich - Von den Wolken
14. Konstantin Wecker - Was keiner wagt





Es gibt Dinge im Leben, die werden manchmal nebenbei bei der Realisierung eines größeren Projektes geboren. Man spricht Künstler an und bittet sie um deren Unterstützung für das Große und Ganze. In diesem Fall für den Erhalt eines Kulturhauses der Gemeinde Plessa. Man bittet sie um einen kleinen, aber besonderen und sehr persönlichen Beitrag. Plötzlich hat einer diese Idee und auf einmal nimmt eine Sache ihren Lauf und sie bekommt ihre eigene Dynamik. Die Künstler sprechen mit anderen, sie werben ihn für diese Idee und der wiederum spricht mit dem Nächsten und dem Übernächsten. Die Begeisterung wächst, das Projekt bekommt immer mehr Konturen und eines Tages trifft man sich im Aufnahmestudio "Showcasepotsdam". Hier spielen die geladenen Gäste und Künstler ihre Versionen von GUNDERMANN-Liedern ein und so mancher macht gar zum ersten Mal Bekanntschaft mit ihnen.gundislieder2 20150414 1895484142 Dies geschieht unter fachkundiger Betreuung von JÖRG ZINKE, den ich schon einmal bei seiner Arbeit mit Rue Lascar in der Lausitz begleiten durfte. Das Ganze passiert just in dem Jahr, in dem GERHARD GUNDERMANN 60 geworden wäre. Bekannte und namhafte Künstler und Bands vereinen auf diese Weise ihre Fähigkeiten für dieses eine Projekt. Außerdem stoßen GUNDIS ehemalige Begleitband, DIE SEILSCHAFT, sowie einstige Weggefährten von GUNDI hinzu. Entstanden ist ein tolles Doppelalbum mit Liedern von GUNDERMANN, von den Künstlern mitunter völlig neu und ungewohnt für uns entdeckt. Sie präsentieren uns außerdem eigene Lieder mit Themen, die auch GERHARD GUNDERMANN sicher gern verarbeitet und zu Liedern gemacht hätte. Die Initiatoren, selbst in der Lausitz aufgewachsen, möchten mit der Doppel-CD an das Wirken und Werk des Lausitzer Künstlers erinnern und außerdem, ganz in seinem Sinne, damit gemeinnützige Zwecke fördern.

Als ich im Vorfeld von dem Projekt durch PIERRE WILHELM Kenntnis bekam, war meine Skepsis groß. Inzwischen aber weiß ich, meine Bedenken waren unbegründet, wenn man sich von allen Blaupausen, Vorurteile und Wunschvorstellungen frei machen kann. Der Hörer sollte bereit sein, den Künstlern nur zuhören zu wollen und die Lieder von Gundermann völlig neu zu entdecken. Dann wird es spannend, ein Genuss außerdem und schon der erste Song der SEILSCHAFT wird eine deftige Überraschung. Die machen aus dem keltisch angehauchten Rocker "Grüne Armee" mit Christian Haase als Sänger eine deftige Bluegrass-Nummer im Stil der altehrwürdigen Nitty Gritty Dirt Band. Das klingt (auch live) so erfrischend, dass man für einen Moment überlegt, was denn eigentlich zuerst da war. Doch die Frage nach Henne oder Ei ist auch hier völlig nutzlos. Diese neue Version fetzt, das Eis ist gebrochen und die Entdeckungsreise kann beginnen.

PHILIP OMLOR war mir bis zu dieser CD gänzlich unbekannt. Für "Ich mache meinen Frieden" findet er eine intensive Neuinterpretation, die gleich beim ersten Hören berührt und HANNES KREUZIGERs "Vater", die er zu fast spartanischer Begleitung nur am Klavier beeindruckend singt, geht mir schlicht tief unter die Haut. Wer diesen Mann einmal live, nur im Spot des Scheinwerferkegels sitzend, erlebt hat, weiß um dessen faszinierende Art an seinem Instrument, die hier einfühlsam eingefangen wurde. CARMEN ORLET & HUGO DIETRICH, zwei aus Gundis engsten Umfeld, präsentieren sehr einfühlsam von CARMEN gesungen "Wenigstens bis morgen", wobei das Gitarrenspiel von HUGO dem Song eine zusätzliche prickelnde Nuance verleiht. Noch eine weitere Entdeckung für mich ist das TRICKY RIDDLE PROJEKT und deren Art und Weise, wie sie "Einmal" gänzlich andere Facetten abgewinnen, während RUBEN WITTCHOW das wenig gespielte "Wo bleiben wir" in eine flüssige Pop-Nummer verwandelt.

Eine ganz besondere Farbe bringt STOPPOK mit seiner am Folk orientierten Fassung von "Keine Zeit mehr" mit in die Zusammenstellung der Lieder. Diese wuchtigen Gitarrenakkorde fesseln mich und wie der Mann diesen Song dann ausbaut, reißt Herzen und Füße einfach mit. Genial! Unbekannt waren mir bisher auch RUDY, die "Und musst du weinen" spielerisch "zwischen die Finger nehmen" und so ein geradlinig lockeres Pop-Lied entstehen lassen, das man gern im Radio hören möchte. Einen meiner Favoriten singen die STEINLANDPIRATEN und zaubern aus Gundis "Sag, wolltest du nicht noch" eine kleine mitreißende Hymne, sehr direkt und dennoch intensiv warm. Überraschend auch, was das Duo HAND in HAND aus dem lyrischen "Herzblatt", nur mit einem rhythmisch unterstützen Piano, neu zu kreieren versteht. Und dann singt KONSTANTIN WECKER, nur vom Piano begleitet, seine Version von "Gras" und die wischt alles vorher da gewesene hinweg und setzt noch einmal bei Null an, so als würde dieses Lied gerade erst in Rohfassung entstanden sein. Das ist wirklich ganz großes Kino. Auch TINO EISBRENNER gelingt es, aus "So wird es Tag" ein Erlebnis mit besonderem Flair zu schöpfen. Sein überaus berührender Gesang und die typische Begleitung durch die LaTINO CONNECTION heben dieses Lied auf samtweichen Schwingen auf eine andere Erlebnisebene. Bei mir nur Begeisterung pur. Wir erleben einen beinahe ruhigen CHRISTIAN HAASE mit einer sehr entspannten Darbietung, wenn er vom "7. Samurai" singt und schlussendlich schaffen es KROGMANN die Hymne "Alle oder keiner" auf ebenso dezente, beinahe spartanische Weise neu klingen zu lassen und geben so den Worten viel Raum.

Wenn man diese erste Scheibe gehört hat, kommt man aus dem Staunen ob der Vielfalt der Klänge und Eingebungen, die da neu zu entdecken sind, nicht mehr heraus. Wie gänzlich unterschiedlich die Lieder von Gundi bei anderen Künstlern Inspirationen und deren Umsetzung auslösen können, hat mich erst beim zweiten und dritten Hören wirklich richtig erreicht und so ist man gezwungen, sich wieder völlig frisch an das Hören altbekannte Lieder zu machen. Darin bestehen für mich persönlich der eigentliche Wert und auch die Herausforderung dieser ersten Hälfte. Zwischen dieser und der zweiten CD mit den eigenen Liedern der beteiligten Künstler lege ich bewusst einen ganzen Tag Hörpause. Ohne zu wissen, was mich erwarten wird, wollte ich unvoreingenommen die anderen Lieder auf mich wirken lassen. Eine gute Entscheidung, stelle ich im Nachhinein fest, doch das kann jeder halten, wie er gern möchte.

Themen, die Gundi auch gewählt hätte, dies ist die große und weite Klammer der zweiten CD und da entsteht viel Spielraum. Unsere Zeit ist fortgeschritten und Themen produziert unser hektisches Leben jeden Tag neu. Jemand muss sie nur finden, in Worte und Melodien gleiten und genau dies ist auf der zweiten CD geschehen. Die Künstler, die eben noch ein Lied von Gundi sangen, präsentieren nun die eigenen Lieder und auch diesmal ist es eine Einladung, Neues und bisher Unbekanntes zu entdecken. Da reicht das Spektrum vom elektronischen Pop, gleich am Anfang mit "Back To Dreck" vom Duo HAND in HAND mit schnörkelloser Alltagslyrik und teils schrägen Jazz-Anleihen, bis hin zu KONSTANTIN WECKERs "Was keiner wagt", einer ungemein aufrüttelnden Live-Aufnahme. Dazwischen sind beinahe alle Facetten des Möglichen, vom klassischen Liedermacher-Opus bis zur rockigen Nummer, zu hören. Von der Vielfalt der musikalischen Ansätze einmal abgesehen, lohnt sich das intensive Hinhören allein schon der vielen bildhaften Wortgebilde wegen ("Wer im Kreis geht, spart sich den Rückweg" - bei STOPPOK gefunden), die Leben und Denkweisen mancher heutiger Zeitgenossen dokumentieren und oftmals das Zeug haben, für alle Ewigkeit zu gelten. Schon den Titel "Wie schnell ist nix passiert" von STOPPOK kann man sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen und danach bei "Höflich sein" mit CHRISTIAN HAASE fröhlich im Funky-Rhythmus tanzend, den nächsten Wortkreationen lauschen. Wir hören eine liebevolle Hommage an "Tamara" (Danz) von UNBEKANNT VERZOGEN, die unter die Haut geht. Bei "Sein&lassen" mit RUBEN WITTCHOW kann man sich in wärmende Pop-Klänge fallen lassen und "Deine Liebe" ist eine ergreifende Liebeserklärung von THORALF RITTEL an seinen verstorbenen Vater und wer möchte, kann Parallelen zu Keimzeit-Melodien und einer prägenden Stimme erkennen. Man kann den leisen Tönen und zarten Gitarrenspiel von PHILIP OMLOR lauschen, wie er von seinem "Pferd aus gelben Wellblech" erzählt und dies in allerbester deutscher Liedermacher-Tradition tut. Das Stück ist an Tiefe, Schärfe und Intensität kaum zu überbieten. Für mich eine der wirklichen Perlen, die man hier entdecken kann.

Dass man moderne Pop-Musik machen kann, ohne auf gute deutsche Texte verzichten zu müssen, beweisen uns KROGMANN mit "Weit weit" und HANNE KREUZIGER nimmt uns mit "Dieser Mann" mit auf eine emotionale Reise zu jemanden von uns. Hier greifen Stimme und Klavierspiel intensiv und inniglich ineinander.gundislieder3 20150414 1516059499 Das Stück ist ganz großes Kino im bescheidenen Gewand. Wenn jemand eine aktuelle Liebeserklärung an Berlin suchen sollte, die sehr modern anzuhören ist und dennoch in der Tradition von Otto Reutter stehen könnte, dann wird er mit "Yeah hier in Berlin" bestens und sehr rockig von RUDY bedient. Kurz, knackig und prägnant - meine Empfehlung und für mich eine der Entdeckungen beim Hören. Der Liebhaber wird sich freuen, hier endlich "Tage wie diese" von der SEILSCHAFT zu finden, eines der neu entstandenen Lieder der ehemaligen Begleitband von Gundi mit HAASE als Sänger. Doch ein Lied berührt mich mehr, als alle anderen, ohne Qualitätsunterschiede herbeischreiben zu wollen. Dieses messerscharfe "Nackt" von EISBRENNER ist dermaßen anrührend, aufrüttelnd, emotional und ehrlich gleichermaßen, dass einem fast der Genuss gefrieren könnte, ob der entstehenden Spannung zwischen Gefühl und Aktualität. Der Weltenbürger bringt gesang- und textlich alles auf den einen Punkt - "Bleiben wir nackt?" - Wahnsinn! Da tut es gut, anschließend ein feinfühliges Lied wie "Von den Wolken" mit CARMEN & HUGO hören zu können und ihren Gedanken zu folgen, ehe KONSTANTIN WECKER "Was keiner wagt" wie eine Mahnung, aber auch Aufforderung singt. Ein wirklich gelungener Abschluss einer beeindruckenden Liedersammlung: "Wo alles dunkel ist, macht Licht."

Das Doppelalbum liegt in einer geschmackvoll dezenten Verpackung mit einem Foto auf dem Cover, entstanden in der Lausitz, in der Hand. Man kann es aufklappen und findet, in einem liebevoll und mit vielen Details ausgestatteten Booklet, eine Menge Informationen über die beteiligten Künstler, die Macher und das Projekt. Da sollte so manches Major-Lable neidisch werden, denn hier gehen Inhalt und Verpackung, dem Anliegen gerecht werdend, eine gelungene Symbiose ein, bei der auch das Hinsehen und Lesen Freude bereitet. Das Gesamt(Verpackungs)Werk erinnert mich ein wenig an die oft kunstvollen Cover-Artworks der 1970er Jahre. Allen Beteiligten gebührt für diese Leistung großes Lob und viel Anerkennung (wozu eigentlich sind öffentlich rechtliche Medien da?).

Im Grunde staunt man immer wieder neu über die verschiedenen Ansätze, aktuelle Themen in Lieder zu gießen, von denen man weiß, dass sie konsequent am Mainstream vorbei die breite Masse nicht erreichen können, aber unbedingt sollten. Und es macht Hoffnung zu hören und zu spüren, dass man dabei immer wieder neue Namen und Lieder entdecken kann. Wie eben auch auf dieser Doppel-CD, die vielleicht weniger ein Denkmal für GUNDERMANN, als eher ein Denkanstoß und ein Anstoß zum Handeln sein will. Deshalb müssen die Lieder dieses Doppelalbums "Gundis Lieder - Gundis Themen" auch eine große Aufmerksamkeit in einer breiten Öffentlichkeit finden. Auch ohne sich "verkaufen" zu müssen. Man bekommt sie geschenkt oder kann sie in Bibliotheken ausleihen. Also nachfragen bitte! Wer dennoch nichts von den ersten tausend Alben abbekommen hat, dem lege ich sehr ans Herz, für die zweiten Tausend zu spenden oder einen zu finden, der mit seinem Geld etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit beitragen möchte, weil er kann: HIER klicken ...
(Hartmut Helms)




   
   
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