balticseachild 20150726 1955707840 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"BalticSeaChild"
BalticSeaChild
SPV
13. Februar 2015

1. Devils Love
2. BalticSeaChild
3. Rocketman
4. The Long Stony Way To Paradise
5. The Luck Of The Irish
6. Searching For A Rose
7. Hard Times
8. Fool In The Rain
9. Hand In Hand
10. Fiona
11. Last Poet





Wie war das noch? Kommunikation ist, wenn man miteinander spricht. Doch kann es trotz allem hin und wieder Missverständnisse geben und so habe ich irgendwann überraschend eine neue CD in der Hand. "Moment mal, so war das eigentlich nicht gedacht ..." Aber so ein Missverständnis kann eben auch sehr erfreulich sein, denn ansonsten wäre mir diese Scheibe wohl noch nicht so bald in die Finger und vor allem die Songs nicht so schnell in die Ohren geraten. Was tatsächlich ziemlich schade gewesen wäre ...

"BalticSeaChild" - das mag für nicht Eingeweihte vielleicht erstmal nordisch und kühl klingen. Zumal Cover und Booklet scheinbar auch in diese Richtung deuten. Aber zum Glück bin ich in diesem Falle vorinformiert und weiß, worum es geht. Wobei auch das eigentlich egal ist, denn schon bei den ersten Takten wird jede falsche Vermutung sowieso widerlegt. "Mary was a curious girl, I met her on a fair. Her eyes were shone like diamonds, she had red and curly hair ..." Wer bei diesen Stichworten auf Irish Folk tippt, liegt damit absolut richtig. Und wer die Musik dazu hört, weiß es spätestens dann ganz genau. "Devils love" heißt der erste Song des Albums passenderweise, der einen unmittelbaren Bewegungsdrang auslöst und gleich musikalische Funken sprüht. Und schon ist da nichts mehr von wegen nordisch und kühl.

Entstanden ist die CD wohl eher ungeplant, so zumindest die Info zur Entstehungsgeschichte auf der Website von BALTICSEACHILD. Denn ursprünglich wollte Kai Wingenfelder einfach nur ein Solo-Akustikalbum für Lars Jensen aufnehmen. Doch was soll man(n) tun, wenn sich so ein Projekt verselbständigt und am Ende etwas ganz anderes dabei herauskommt, als ursprünglich vorgesehen? Im besten Falle haben alle Beteiligten Spaß dabei und lassen der Musik einfach ihren Lauf. So wohl auch in diesem Projekt, denn der Spaß an der Musik und am gemeinsamen Musizieren ist deutlich zu hören. Elf Songs haben BALTICSEACHILD auf ihr Album gepackt, die teils sehr temperamentvoll und frisch, teils eher sanft und verträumt daherkommen.

Das Booklet verrät, wer alles seine musikalischen Spuren auf dieser CD hinterlassen hat - Stephan Gerdau (bass, squareneck dobro), Jonas Linde (guitar, mandoline), Gesche Clasen (violin, vocals), Lars Jensen (vocals, banjo, bouzouki, tin whistle), Bert Ritscher (accordion), Michael Sörensen (drums), Kai Wingenfelder (vocals, programming, percussion, keyboards, guitars). Dazu noch David Shamban (cello), Sebastian Hein (drums), Markus Zell (drums) und Kerstin Lorenzen (tin whistle) als Gastmusiker. Mit diesem großen Aufgebot haben sie sich offenbar auf die Fahnen geschrieben, den Irish Folk auf ihre Art und Weise zu interpretieren. Natürlich haben sie die klassischen Irish Folk Instrumente wie Violine, Akkordeon oder Flöten dabei. Und doch ist es beileibe kein traditioneller und klischeehafter Neuaufguss, sondern ihre eigene und moderne Interpretation, die sie auf dieses Album gepresst haben.

Von den elf Songs sind zehn eigene Werke und bei einem handelt es sich um einen Cover-Song. Ausgerechnet Elton Johns "Rocketman" haben sie sich dafür ausgesucht, den ich so gar nicht mit Irish Folk in Verbindung gebracht hätte. Aber so kann's gehen - der Song gehört mit zu meinen Favoriten des Albums. Besonders gut gelungen finde ich die Mischung aus quicklebendigen Songs und verträumten Balladen. Und - auch das ist mir bei Irish Folk noch nicht so oft untergekommen, weil ich da eher an Pubs und laute Kneipen denke - umso öfter ich die CD höre, desto mehr drängen sich die Texte in mein Ohr und meinen Kopf. Und in diesem Falle sind es die Texte durchaus wert, bewusst gehört zu werden. Das Spektrum ist breit genug - eben wie im richtigen Leben.

Dass dieser Irish Folk von der Ostseeküste kommt, kann man nicht nur aus der Band-Info und vom Cover ableiten. Aber vorsichtshalber legen sie mit dem Titelsong "BalticSeaChild" gleich noch mal nach. "From the shores of Sweden down the Polish coast, we know where we're coming from and what we love the most ..." Und bei der Textzeile "... and even if it rains all day we will always stay ..." könnte man glatt auf die Idee kommen, es handle sich hier um eine Liebeserklärung. Die ich durchaus nachvollziehen könnte, denn wer einmal der Ostsee verfallen ist, will dort meist nicht mehr weg.

"Long stony way to paradise" ist nur eine der wundervollen Balladen dieses Albums, die mich sofort erwischt haben. Natürlich ist die Stimme von Kai Wingenfelder sehr markant und trägt die Songs auf wunderbare Weise, aber das ist es nicht allein. Das Gesamtpaket aus gesanglicher und instrumentaler Umsetzung verleiht dem Song seine ganz besondere Wirkung - nachdenklich und versonnen, aber nicht schwermütig. Gerade heutzutage, wo uns alle Welt glauben machen will, dass nur schneller, größer und weiter zählt, tut es gut, sich hin und wieder auf sich selbst zu besinnen und sich bewusst zu machen, dass jeder seinen eigenen Weg zum ganz persönlichen Glück finden muss. Und der kann eben durchaus lang und steinig sein.

Damit es nicht allzu ruhig zugeht, bringen "The luck of the Irish" und "Searching for a rose" wieder etwas mehr Schwung in das Ganze. Bei letzterem übernimmt Lars Jansen den Gesang und sein etwas rauchiges Timbre klingt durchaus danach, als ob er schon so manchen stürmischen Wind an der Ostsee oder auf der grünen Insel bezwungen hätte. Vor meinem geistigen Auge hüpft der Bogen über die Geigensaiten, schnelle Finger tanzen über das Banjo und die Flöte, die Drumsticks fliegen über's Schlagwerk. Dazu schwingen die Hüften und die Füße schweben im Takt über den imaginären Tanzboden. Fabelhaft - genauso begeisternd und authentisch muss Musik für mich sein.

Nicht anders als im wahren Leben klingt es auch in "Hard times are gone". Die Achterbahn des Lebens ist es, die uns mal mehr, mal weniger beschäftigt und unserem Alltag immer wieder Spannung und Farbe gibt. "We walked side by side for so many years. We had thousands good times and moments of tears ... Come down and let the good days come. Believe me, now the hard times are gone ..." Zwei Titel, die gegensätzlicher kaum klingen könnten und trotzdem beide zu meinen Favoriten gehören, sind "Fool in the rain" und "Hand in hand". Während ersterer fröhlich und unbeschwert daherkommt, wirkt letzterer eher nachdenklich und verträumt. Und doch haben sie thematisch für mich einiges gemeinsam. Wer kam sich nicht in bestimmten Situationen schon mal so vor, als würde er oder sie ganz allein wie ein Narr im Regen stehen. Naturgemäß versucht jeder, auf seine Weise damit klar zu kommen - ob laut oder leise.

"Everyone is watching TV, everyone is playing a game. Everyone wants to be an individual person, but everyone is doing the same ... When the last poet is gone nobody cares. When the last peot is gone there is no pain to share ..." Mit dem letzten Song des Albums haben sie aktuelle Themen aus der Welt der sozialen Netzwerke und dem realen Leben aufgegriffen und damit den Finger direkt in die Wunde gelegt. "Nobody is reading a book cause paper is waste and gone. Everybody has one million friends but no one is coming along ..." Für mich ein absoluter Volltreffer; die Themenwahl vielleicht ungewöhnlich für Irish Folk, aber trotzdem und gerade deshalb sehr überzeugend.

Wenn auch nicht alle Songs so einzigartig sind, dass ich sie gleich an den ersten Takten unterscheiden könnte, die Musik von BALTICSEACHILD macht eindeutig Spaß beim Zuhören und Mittanzen. Es ist Irish Folk oder - wie in diesem Falle vielleicht treffender - eher Baltic Folk, der gute Laune verbreitet und seinen eigenen Weg geht. Nicht klischeehaft an die Traditionen von der grünen Insel angepasst, sondern mit individuellen, modernen Interpretationen. Das Unverwechselbare dieses Albums auf die prägnante Stimme von Kai Wingenfelder zu reduzieren, wäre allerdings zu kurz gegriffen. Das allein wäre nicht ausreichend. Erst das Zusammenspiel mit den unbeschwert und leidenschaftlich aufspielenden Musikern von BALTICSEACHILD und ihren Gästen macht den speziellen Charme und die mitreißende Energie aus. Die Kombination aus einfühlsamen und balladesken Titeln sowie dynamischen und packenden Songs prägt das Album. In ihren üppigen, lebenslustigen Arrangements und den vielfältigen, zeitgemäßen Themen präsentieren BALTICSEACHILD, was sie drauf haben. Für mich sind sie damit nicht nur ungewöhnlich und erfrischend, sondern vor allem auch überzeugend. Und deshalb werde ich mir die Band bei nächster Gelegenheit auf jeden Fall live ansehen und anhören, um zu erleben, wie der Funke, den sie mit ihrem Album gelegt haben, auch auf der Bühne zündet. Denn daran, dass er das tut, gibt es für mich keinen Zweifel.
(Grit Bugasch)



Clips:

"Fool In The Rain"


"The Long Stony Way To Paradise"




   
   
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