koreck2015 20150411 2046627986 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Stadt | Land | Fluss"
Claudia Koreck
Honulani Records/SONY
27. Februar 2015

1. Stadt Land Fluss
2. Frei
3. Barcelona
4. Greece
5. Schwarz
6. In da Wiesn
7. Oide Frau
8. Sonn aufgeht
9. Unbekanntes Land
10. Lila Lem
11. Sleep Little Darling
12. Nummer 13




Es ist immer mal wieder von "Entwicklung" und "Weiterentwicklung" bei Künstlern zu hören und zu lesen. "Ihre Musik hat sich merklich weiterentwickelt", ist z.B. eine dieser Phrasen, die gern bemüht werden um zu beschreiben, dass die Musik auf der neuen Platte eigentlich kacke und weit weg von dem ist, womit der Künstler auf seinen vorher veröffentlichten Alben noch überzeugen konnte. Darum wollte ich diese Umschreibungen in meinen Rezensionen auch nicht mehr verwenden, denn die Interpretation einer solchen Aussage kann - wie beschrieben - in beide Richtungen gehen. Aber selten hat ein Satz wie "Die Künstlerin hat sich weiterentwickelt" so viel Wahrheit in sich getragen, wie in Bezug auf Claudia Koreck und ihr neues Album "Stadt | Land | Fluss".

Ich erinnere mich noch an das 2009er Album "Barfuaß um die Welt", das ich hier damals auch vorgestellt habe. Schon auf diesem Album war mehr als nur "Popmusik" zu finden. Doch inzwischen hat Claudia Koreck die schöne und weite Musikwelt für sich entdeckt und darin viele Spielarten gefunden, die sie für sich nun verwendet. Auf "Stadt | Land | Fluss" bedient sie sich unterschiedlicher Stilistiken um ihre Geschichten zu erzählen. Der Titel des Albums und der gleichnamige Song beschäftigen sich mit den ständigen Veränderungen im Leben - speziell bei Frau Koreck selbst gab es in ihrem noch jungen Leben ja schon einige. Umzug in die Stadt, Umzug zurück auf's Land, Kinder kriegen, Nest bauen, Fernweh und Sehnsüchte spüren. Eingewickelt in einer Melange aus Folk, Rock und treibenden, regelrecht mitreißenden Beats. Man spürt einen zarten Hauch von Südstaaten-Musik und empfindet den Titel letztlich wie ein zu Musik gewordenes Roadmovie. Oben drauf leuchtet und begeistert der "Stern aus Traunstein". Kraftvoll und gleichzeitig so klar wie etwas aus einer anderen Welt klingt ihre Stimme hier. Hammer!
Nicht weniger begeistert der zweite Song "Frei", eine von Freiheit erzählende und vor Blues nur so strotzende Ballade mit Hammondorgel, Streichern und dezent gespielten Drums. Die Koreck tanzt mit ihrer Stimme über den ausgerollten Musikteppich und lässt die Raumtemperatur mit ihrem Vortrag um einige Grad ansteigen. "Frei" ist dramaturgisch geschickt zwischen dem mitziehenden und eben bereits beschriebenen Opener und dem dritten Song gepackt worden, der den Hörer anschließend völlig unvorbereitet trifft.
Denn "Barcelona" geht gleich richtig ab ... Mundharmonika, knackiger Beat, ein blubbernder Bass und Bläser ... das ist Rock'n Roll ... das ist die pure Lebensfreude, die durch Musik zum Ausdruck gebracht wird! "Oh, Baby, Baby, wo bist Du?", rockt und röhrt die blonde Frau, die vor wenigen Sekunden noch so dezent ins Mikro hauchte. Es ist ihr zu einem Song gewordener Lockruf, dass der Liebste doch Heim zu seiner Frau kommen möge. In der Form darum gebeten zu werden ... wer lässt sich da noch lange bitten?
Das folgende Stück "Greece" ist eine Liebeserklärung an das Land im Süden Europas, und stimmt wieder leisere Töne an. Denkt man derzeit an Griechenland, fallen einem nur die Berichterstattungen über Pleiten, Pech und Pannen ein, die die ganze EU angeblich zum Kippen bringen könnten. Claudia Koreck beschreibt aber die Schönheit des Landes, und lässt uns einmal mehr ihr Fernweh und die Sehnsucht spüren. Sie beschreibt die Ruhe, in der sie ihren Frieden findet ... Stück für Stück. Das alles tut sie, musikalisch eher verhalten und mit Gitarren und Percussions im Vordergrund, auf Englisch und (Achtung!) sogar auf Griechisch. Und das kann sie gut, denn sie hat schließlich ein Semester Neugriechisch studiert, so dass man das Erlernte nun anwenden kann. Aber das Lied überzeugt nicht wegen der perfekt vorgetragenen griechischen Strophe, sondern weil Claudia Koreck Griechenland liebt und schätzt - bevorzugt die unberührten Flecken dort - und dass man es in diesem Song sehr gut heraushören kann.
Es ist nicht der einzige Song auf der Platte, bei dem sie die bayrische Mundart ablegt und in einer fremden Sprache singt. Auch "Sleep Little Darling" wird munter auf Englisch gesungen. Aber nicht von ihr allein, sondern auch von ihrem vierjährigen Sohn Timmi und dessen Papa Gunnar. Es ist - wie der Titel schon verrät - ein Schlaflied, und Gunnar hat es auch für seine kleine Tochter geschrieben. Vorgesungen wurde es dem jüngsten Spross der Korecks/Graewerts allerdings von ihrem vierjährigen Bruder Timmi und das, obwohl er gar kein Englisch kann. Der Spross scheint da wohl ein kleines Talent zu sein, und so singen er und seine Eltern zu einer entsprechend dezent arrangierten Melodie. Dezent deshalb, weil hier lediglich der Gesang und die Gitarre im Fokus stehen. Der Rest ist Staffage und spielt sich im Hintergrund eher leise ab. Eine famose Leistung der ganzen Familie!
Ein weiteres Highlight auf dem neuen Album ist der Song "Lila Lem". Man glaubt eine afrikanische Flöte zu hören. Auch orientalische Klänge wehen einem ums Ohr und genauso orientalisch beginnt Claudia zu singen. Was für eine Mischung ... bayrische Mundart und Weltmusik. Schon mit den ersten Tönen entwickelt der Song seinen vollen Zauber und setzt hinter den Ideenreichtum in der koreck'schen Songschmiedekunst ein fettes Ausrufezeichen.
Wenn man von Freiheit singt und diese auch lebt, hat man natürlich auch ein ganz feines Gespür für andere Menschen und gesellschaftliche Schieflagen. Und so mischt sich unter zwischenmenschliche, träumerische und wunscherfüllte Themen auf diesem Album auch etwas Kritik. Claudia Koreck greift ein ganz aktuelles Thema auf, in dem sie sich in dem Stück "Sonn aufgeht" mit der Flüchtlingsproblematik und auch fehlendem Mitgefühl in der Gesellschaft beschäftigt. Besonders beeindruckend ist hier die Textzeile, "Es is sinnlos, rumzulafn, und die bösen Leid auszusortieren | Es wird oiwei Menschen geben, die san dagegen und woll nix kapiern". Eine Aussage, die man sofort unterschreiben möchte. Man könnte glauben, dass man so ein Thema nur laut und mit krachenden Gitarren umsetzen kann, aber da belehrt uns die Künstlerin eines Besseren. Leise Töne im Singer/Songwriter- und Folk-Stil bringen die Botschaft rüber und wie ich finde, ausgesprochen gut! Ein wichtiges Zeichen einer Künstlerin, die mit offenen Augen und offenem Herzen durch das Leben geht.
Schickte uns Claudia Koreck mit lauten und treibenden Tönen in ihre neues Album, so entlässt sie uns mit einer weiteren ruhigen, sehr getragenen Nummer, nämlich der "Nummer 13". Wieder geht es um Freiheit und die Sehnsucht. Ein weiteres Mal wirkt das dezente Arrangement eher unterstützend als tragend. Ein letztes Mal klingt diese besondere Stimme der Koreck ganz klar. Ein letztes Mal kehrt die Künstlerin ihr Inneres nach außen und beschreibt ihre Gedanken in schönen Bildern. So rasant das Album begann, so entspannt und gelöst endet es.

Es ist in letzter Zeit immer öfter festzustellen, dass die Musik "Made in Germany" gleich klingt und den Machern offenbar die Ideen auszugehen scheinen. Das mag daran liegen, dass immer die gleichen Produzenten mit ins Studio geholt werden, die unterschiedliche Ideen und Melodien ähnlich klingen lassen. Warum etwas ändern, wenn es doch schon einmal Erfolg brachte, scheint die Philosophie zu sein. So klingen dann die Lieder eines jungen Singer/Songwriter genauso wie die einer bekannten Deutschrockband mit Frontfrau. Das stellt für den Hörer dann keine wirklich große Herausforderung mehr dar, wenn sich irgendwie alles nur noch wiederholt. Umso erfrischender ist es, wenn man auf Platten wie die von Claudia Koreck stößt. Es ist unüberhörbar, dass sich leidenschaftliche, empathische und tief gehende Gedanken und gute Song-Ideen einer jungen Musikerin mit einer optimalen Umsetzung im Studio und am Mischpult in wunderbare Lieder verwandelt haben. Hier wird Tanzbares mit Tiefgehendem verbunden. Hier trifft Massentaugliches auf Experimentierfreude. Hier singt eine Sängerin, die man nicht nur ihres Dialektes wegen unter vielen anderen Sängerinnen wieder heraushören würde. Die Platte quillt quasi über mit Variantenreichtum, Vielfältigkeit und überraschenden Momenten. Die Arrangements der Songs bedienen sich gleich mehrerer Musikstile, was einem das erste Mal Hören wie ein Rausch vorkommen lässt. "Stadt | Land | Fluss" ist ein Album ohne Lückenfüller oder Alibi-Nummern. Jeder der 12 Titel ist eine abgeschlossene Geschichte - inhaltlich wie musikalisch. Keine Wiederholungen, keine Deja Vues. Meine Empfehlung: Unbedingt kaufen!
(Christian Reder)






Videoclip:



"Stadt | Land | Fluss" (Off. Video)



"Barcelona" (Live)