tuneidentity1 20141209 1502970681 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Identity"
Tune
Dust On The Tracks
14. November 2014

1. On (Intro)
2. Live To Work To Live
3. Disposable
4. Change
5. Trendy Girl
6. Deafening
7. Crackpot
8. Suggestions
9. Sheeple
10. Off (Outro)





Rockmusik aus Polen? Das hat Tradition. KLAN, SBB, Breakout, Budka Suflera, Czeslaw Niemen, Marek Grechuta mit ANAWA oder Czerwone Gitary (Rote Gitarren) ... Sie alle (und noch viele mehr) sind Mitbegründer und Grundsteinleger für die polnische Rockmusik-Szene. Schon in den 60ern und 70ern wurde hier auf hohem Niveau operiert und auch über die Grenzen des Landes hinaus ordentlich gerockt. Ein paar Generationen weiter lebt der Progressive Rock "Made in Poland" weiter.tuneidentity2 20141209 1509105154 Bands wie RIVERSIDE, Votum, Satellite oder DISPERSE sind die Vertreter dieser Richtung im Heute, und in diese Liste namhafter Kapellen darf sich die 2009 gegründete und aus Lodz stammende Formation TUNE ebenfalls einreihen. Im November erschien mit "Identity" das zweite Studioalbum der Rocker, und die liegt uns inzwischen vor.

TUNE sind Jakub 'Kuba' Krupski (Gesang), Adam Hajzer (Gitarre), Leszek Swoboda (Bass), Janusz Kowalski (Tasteninstrumente) und Wiktor Pogoda (Schlagzeug). "Identity" ist nach "Lucid Moments" (2011) das zweite Album von TUNE. Musikalisch bewegt sich die Gruppe - wie sie es selbst formuliert hat - in einer Schnittstelle von Art- und Progressive-Rock, verbunden mit Elementen des Neo-Progs. Als der Titel "On (Intro)" startet, wird man unweigerlich an Mike Oldfield erinnert. Eine für Oldfield typische Gitarre spielt wie eine Endlosschleife immer und immer wieder die gleiche Figur. Die Töne schweben im Raum und die eben erwähnte Gitarre begleitet den Hörer vom Anfang bis zum Ende des Stücks. Ab 1:30 gesellen sich noch weitere Instrumente, insbesondere das Schlagzeug, hinzu. Es türmt sich eine Klangwand auf, die in der richtigen Lautstärke gehört immer bedrohlicher wirkt. Solche Klangbilder haben die UK Rocker von Pink Floyd in Perfektion in Vinyl meißeln lassen, und ein Hauch Floyd weht auch durchs Zimmer wenn man diesem Intro lauscht. Dieser Eindruck wird durch die zum Ende hin einsetzende E-Gitarre und dem darauf gespielten Solo noch weiter befeuert.
Nicht weniger bedrückend wirkt der Song "Live To Work To Live", der dem Intro direkt folgt. Beeindruckend die Spannung, die am Anfang aufgebaut wird, und die sich gegen Ende durch ein sagenhaft gutes Gitarrensolo entlädt. Gitarrist Adam Hajzer entlockt seiner Sechssaitigen hier eine Magische Note, die dem Song sehr gut tut und ihm nach Hinten raus einen melodischen Heavy Metal-Touch aufdrückt. Ebenfalls durch das Gitarrenspiel Hajzers und durch den einprägsamen und sehr angenehmen Gesang Kuba Krupskis lebt das Stück "Disposable". Die schwermütige Melancholie des Intros und die in Richtung Depeche Mode gehende Finsternis eines "Live To Work To Live" sind wie weggeblasen. Die Rhythmusfraktion, bestehend aus Leszek Swoboda am Bass und Wiktor Pogoda am Schlagzeug, treibt die Kollegen ordentlich an und lässt den Song mächtig wummern.
Die ersten Töne von "Change" hinterlassen den Eindruck, die Jungs von TUNE haben sich für den Song David Bowie als Gastsänger ins Studio kommen lassen. "Change" könnte sich ohne weiteres auch musikalisch auf einem von Bowies Alben wiederfinden. Eine Akustikgitarre übernimmt die Führung und bildet die Begleitung für Krupskis tollen Gesang. Und wieder darf Adam Hajzer sein Können auf der Gitarre zeigen, als er ein weiteres Solo ins letzte Drittel des Stücks einwebt. Das hat absolut internationales Format und muss sich hinter großen Namen der Szene absolut nicht verstecken!
Hajzers sägende Gitarre ist es auch, die den Song "Trendy Girl" eröffnet und den Refrain zum echten Höhepunkt des Songs werden lässt. Auffallend hier, wie Sänger Kuba Krupski gesanglich wieder in eine ganz andere Rolle schlüpft. Ein Song, der durchaus das Zeug dazu hat, ein Klassiker zu werden. Wütend ... fast schon aggressiv klingt der Vortrag, und entsprechend ist die Spielweise der Band auch ausgefallen, und in Sachen Arrangement und Gesang passt alles sehr gut zueinander. Der Titel ragt für meinen Geschmack etwas aus dem Album heraus, da er sehr eingängig ausgefallen ist.
Das folgende "Deafening" startet wieder mit einer lauten Gitarre, einem unruhigen Klavierlauf und heftig treibenden Beats. Plötzlich kehrt Ruhe ein und Kuba Krupski wird nur noch von einer sacht angeschlagenen Gitarre und Keyboard-Klängen begleitet. Zum Refrain steigt die komplette Band wieder voll ein. Diese Achterbahnfahrt setzt sich fort, bis der Song ab Minute 3:45 zum endgültigen Höhenflug ansetzt. Es bildet sich ein bis zum Schluss anhaltendes und aus Gitarren, Schlagzeug, Bass, Keyboard und Gesang zusammengesetztes Klanggewitter heraus.
Wesentlich ruhiger und entspannt dahin gleitend startet "Crackpot". Der Gesang startet, die E-Gitarre setzt dezent ein und ein Klavier-Part läuft nebenher. Nach etwas über einer Minute hat sich der Song komplett entfaltet und eine eher an Bon Jovi erinnernde Ballade drängt aus den Boxen. Ohne den Gitarrenpart wäre das eine ziemlich fade Nummer geworden. Für meinen Geschmack eher ein Schwachpunkt auf dieser CD.
Das kann man von "Suggestions" nicht behaupten. Die mit 5:37 Minuten längste Nummer auf dem Album beginnt mit einer filigran gespielten Gitarre und dem Gesang von Kuba Krupski. Schlagzeug und Bass setzten erst spät ein, und über allem thront weiterhin die eher sphärisch klingende Gitarre. Nach zwei Minuten bahnt sich die bis zu diesem Punkt unterdrückte Kraft der Musik seine Bahn. Die Gitarre wird lauter, die Rhythmus-Abteilung legt eine Schüppe drauf und auch der Gesang wird kraftvoller und emotionaler. Hat man die Augen beim Hören geschlossen, lässt die Musik im Kopf Bilder entstehen. Bilder von einem aufziehenden Gewitter, das zuerst noch weit weg ist und sich dann über einem entlädt. Der Übergang vom ruhigen und getragenen in den schnelleren und lauteren Teil erscheint fließend und in sich schlüssig. Für mich eins der Highlights auf dieser Platte!
Auch "Sheeple" lässt TUNE zuerst langsam und nur mit Klavier und Gesang beginnen, ehe Adam Hajzer seine sechs Saiten wieder schreien und krachen lässt. Höhepunkt in dem Stück ist der Chor im Mittelteil und am Ende, der der ganzen Nummer etwas Epochales verleiht.
Den Abschluss der CD bildet "Off (Outro)". Ein weiteres Instrumental, das den Ideenreichtum der polnischen Band abschließend ein weiteres Mal unterstreicht. Wieder arbeitet man mit schwebenden Gitarren, die erst im Verlauf des Stücks in reinen Rock ausbrechen. Wieder lässt TUNE den Emotionen über die Musik freien Lauf. Diesmal - im Gegensatz zum Intro "On" - nicht bedrohlich, sondern eher aufgeräumt, aber mit Nachdruck wirkend. Der Song und das Album enden mit einem Höhepunkt, einer Wand aus Sound, die langsam ihre Unüberwindbarkeit verliert und mit leisen Tönen im Nichts verschwindet.

TUBE verzichten bei ihrer Art des Progressive Rocks gänzlich auf lange und ausufernde Stücke. Bei einigen Liedern kommt das Ende viel zu schnell, man vermisst als Hörer etwas und wird erstmal unbefriedigt zurück gelassen. Dieses Gefühl verschwindet aber schon beim zweiten Hören der CD. Dann machen viele für diese Spielart des Rock eher untypische Eigenheiten auf "Identity" Sinn und auch Spaß. Gerade Gitarrist Adam Hajzer sorgt mit seinem markanten Gitarrenspiel für die Highlights und tollen Momente beim Hören. Nicht weniger Spaß macht auch die Wandelbarkeit von Sänger Kuba Krupski. Unglaublich, in wieviele Rollen er beim Singen schlüpfen und dabei seinen Gesang verändern kann. TUBE kommt über ihr neues Album als geschlossene Einheit rüber, auf dem man exzellente Instrumentalisten hören kann. Ein Rädchen greift hier ganz offenbar ins andere, und dem Ideenreichtum und den Fertigkeiten der einzelnen Musiker an ihren Arbeitsgeräten wird ausreichen Platz eingeräumt. "Identity" mag für den Bereich "Progressive Rock" ein ungewöhnliches Album sein. Songs über sechs Minuten sucht man vergeblich, ebenso wie lange Einleitungen von Songs oder verschachtelte Mittelteile. Das Quartett aus Lodz kommt ziemlich schnell auf den Punkt und wirkt dabei doch ziemlich verspielt. Leise, melancholische und düstere Momente wechseln sich mit kraftvollen, druckvollen und stellenweise auch ziemlich lauten Sequenzen ab. Die Musik schafft es ganz wunderbar, Gefühle und Stimmungen zu vermitteln. Eine wunderbare und bildreiche Song-Collage, die "Identity" geworden ist, dürfte auch Musikfreunde anderer Richtungen der Rock- und Pop-Musik begeistern.
(Christian Reder)




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Clips:

 
"On (Intro)"


"Change"


"Suggestions"





   
   
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