laing2014 20141001 2014292724 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Wechselt die Beleuchtung"
LAING
Island/Universal Music
12. September 2014

1. Safari
2. Zeig deine Muskeln
3. Schwächen
4. Sei doch bitte wieder gut
5. Sagen Sie Sie
6. Wechselt die Beleuchtung
7. Natascha
8. Karneval der Gefühle
9. Dein, Deine, am Deinsten
10. Punkt Punkt Punkt
11. Kaugummi
12. Das letzte Lied

Anmerkung: Ein Player zum Reinhören in
jeden Song ist am Ende der Seite zu finden.
Dieses Album gibt es sowohl auf CD als auch
auf Schallplatte (Vinyl)





Irgendwann im Spätsommer 2012 hörte ich das Stück "Morgens immer müde" von der Gruppe LAING zum ersten Mal. Völlig pur, nur die Musik und ohne visuelle Unterstützung durch einen Videoclip oder Fernsehauftritt. Die Musik war schön schräg, mutig arrangiert und man bediente sich bei einem Song von Trude Herr aus dem Jahre 1960. Das war der Zünder, der bei mir die Bombe auslöste, und mich von der einen zur anderen Minute zum Fan von LAING machte. Meinen Geschmack teilten damals offenbar noch viele andere Menschen in Deutschland, denn LAING belegten mit 142 Punkten beim Bundesvision Song Contest von Stefan Raab im gleichen Jahr den zweiten Platz. Im Frühjahr des letzten Jahres erschien mit "Paradies naiv" das Debüt-Album von LAING. Knapp 1 1/2 Jahre später steht mit "Wechselt die Beleuchtung" die nächste Langrille der Kapelle um Bandchefin Nicola Rost in den Plattenläden ...

Personell leicht verändert, zeigt sich LAING im Jahr 2014 den Fans. Atina Tabé hat das Quartett verlassen. Für sie ist seit diesem Jahr die junge Sängerin Larissa Pesch dabei - neben Nicola Rost eine weitere blonde Dame.
Das Album startet mit dem Song "Safari". Hier wird der Begriff "Safari" auf die Partnersuche übertragen. "Komm wir gehen auf Safari, ich zeig Dir seltene Arten", heißt es im Song, und mit den "seltenen Arten" ist natürlich das andere Geschlecht gemeint, von dem es bekanntlich ja auch unterschiedliche Typen gibt. Und die werden dann natürlich auch in breiter Front aufgezählt, da man schon einiges "im Sinne der Wissenschaft ausprobiert" hat. "Ein Skorpion, ein Widder und ein Steinbock, hab ich alle nacheinander in die Falle gelockt", singt Nicola Rost. Der Hengst hat die Dame nicht amüsiert - selbst mit der Kröte habe sie es probiert. Verpackt ist diese "Beobachtung im wilden Leben" mit flotter, tanzbarer Synthie-Musik. Wortwitz trifft auf Tanzmusik. Sehr gelungen.
Und vom "Bizeps, Trizeps" und "Musculus Maximus" handelt dann das nächste Stück. Zumindest ein bisschen. Eigentlich geht es in dem lied "Zeig mir Deine Muskeln" weniger um einen Crashkurs für den angehenden Massagetherapeuten, sondern einmal mehr um das Beobachten des anderen Geschlechts im Alltag. Hier wird das Gegenüber aufgefordert, seine körperlichen Vorzüge zur Schau zu stellen. In Zeiten des Fitness-Wahn, in denen man sich im speziell dafür eingerichteten "Center" an verschiedenen Geräten austoben kann, um sich damit einen knackigen Hintern und einen lecker Oberbau zu erarbeiten, kommt diese Nummer gerade recht, um das Ganze mal ordentlich durch die LAING-Lupe zu betrachten. Nicht plump, sondern wie auch im Song davor, wird das Thema mit viel augenzwinkerndem Humor und ausgezeichneten Textideen behandelt und sorgt für eine Menge Spaß.
Mit dem Zwischenmenschlichen wird sich auch im Song "Schwächen" auseinandergesetzt. Man zählt einige negative Eigenschaften des Partners auf, wie z.B. dass der Atem nach Zigaretten riecht, dass er immer zu spät kommt und falsche Versprechen abgibt. Auch die Art, wie der "Morgenmuffel" schnarcht, nervt und sein Musikgeschmack ist obendrein auch noch kacke. Im Refrain wird dann aber deutlich unterstrichen, dass es gerade die Schwächen sind, die man am Partner so liebt. Die Botschaft dieses Songs ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass man sich in der Beziehung doch um einiges wohler fühlt, wenn der Partner auch nicht perfekt ist und wie man selbst ein paar Macken hat.
Wie Nicola Rost allerdings auf den Heintje-Song "Sei doch bitte wieder gut" als Vorlage für die LAING-Neuinterpretation gekommen ist, würde ich schon gerne mal erfahren. Wer hört heute denn noch freiwillig den Liebling aller Omas der späten 60er und frühen 70er? War auf dem letzten Album eine Neu-Produktion des Trude Herr-Songs "Morgens immer müde" enthalten, findet sich also auch auf der zweiten Langrille von LAING ein "überarbeiteter" Klassiker - diesmal der eben erwähnte Schnulzensong von Heintje aus dem Jahre 1969. Die Umsetzung dieser Nummer in einen LAING-Song ist ausgesprochen gut gelungen. Nicola Rost hat sich für die Überarbeitung des Songtextes zahlreiche Boshaftigkeiten und Todsünden einfallen lassen, die das Lied-Ich seinem Partner angetan hat. So hat sie z.B. den Teppich ihres Partners mit Rotwein eingesaut, mit seinem besten Freund rumgeshakert und dabei auch noch Kerzenwachs verschüttet, die Miete für seine Wohnung nicht überwiesen und die Kohle lieber selbst ausgegeben, ihn an der Raststätte ausgesetzt und nicht gemerkt, dass er fehlt, und das ganze dahingehend noch gesteigert, dass er bei einem ihrer Ausraster auch noch eins auf die Zwölf bekommen hat. Der Original-Refrain des Heintje-Stücks ("Sei doch bitte wieder gut | Weißt Du nicht wie weh es tut | wenn Du böse bist auf mich | Ich bin ja auch nicht bös auf Dich"), der in dem Remake 2014 übernommen wurde, bekommt in dem Zusammenhang erst eine richtig böse Note verliehen. Ich liebe diese Art von Humor, darum zählt der Song auch zu meinen Favoriten auf der Platte!
Über all den neuen Liedern des Albums stehen immer die Texte und deren musikalische Umsetzung. Nicola Rost bedient sich geschickt der Worte und Beschreibungen, wie sie sie gerade braucht, und verbaut ihren Ideenreichtum im Umgang mit der deutschen Sprache in stets gute Geschichten, die am Ende mit der dazu ausgewählten Musik eine ausgezeichnete Symbiose bilden. Selbst wenn ein Text, wie z.B. bei "Punkt Punkt Punkt", auf den ersten Blick mal keinen echten Sinn ergeben will, wirkt er beim Hörer in Verbindung mit der Musik trotzdem angenehm, und überzeugt durch sein avantgardistisches und minimalistisches Arrangement, den lässigen Klang im Zusammenspiel mit Nicolas Gesang und dem monotonen "Punkt Punkt Punkt"-Backgroundgesang. Texte und Musik auf "Wechselt die Beleuchtung" sind typisch LAING, wie man sie auch schon auf dem Debüt-Album erlebt hat. Der sparsame Umgang mit Instrumenten lässt bei jedem der Songs die Stimmen der Sängerinnen und die Geschichte des Stücks im Vordergrund stehen. Obwohl die neuen Lieder ganz nah an denen der ersten Platte angesiedelt sind, hört man doch eine gewisse Weiterentwicklung heraus. Das ganze klingt leicht und trotzdem vielfältig. Die Lieder vermitteln eine Art Gelöstheit, sind kunstvoll verziert und gleichzeitig doch sehr schlicht. Ob der kurzen Zeit zwischen den Veröffentlichungen des Vorgängeralbums und der neuen Platte ist das schon sehr beeindruckend und unterstreicht nochmals das große Potential in Sachen Songwriting und Umsetzung. Einzig beim letzten Song, dem Stück "Das letzte Lied", verzichten die Damen von LAING komplett auf "Nebengeräusche". In der nackten Schönheit ihrer Stimmen und ihres mehr als gelungenen Satzgesangs, wird uns das Lied im Acapella-Gesang präsentiert. Das setzt dem Ganzen am Ende noch einen weiteren Pluspunkt obendrauf.

Nicola Rosts Spiel mit der Sprache, das Schaffen von Texten mit fast greifbaren Bildern und die Auswahl der dazu passenden Musik sind das dicke Pfund, das LAING auf ihrer Seite hat. Und dabei ist das harmonische Miteinander der Stimmen von LAINGS Sängerinnen noch gar nicht eingerechnet. "Wechselt die Beleuchtung" ist ein ganz wunderbares Album voller Tanzmusik, ruhiger Momente und elektronischer wie stimmlicher Spielereien. Man hat sich an dem Vorgänger "Paradies naiv" noch gar nicht satt gehört, da bekommen wir mit "Wechselt die Beleuchung" schon den nächsten Gang serviert. Für mich eine Steigerung, die mit dem Einstieg auf Platz 27 der Media Control Charts eindeutig zu schlecht weggekommen ist. Aber vielleicht geht da ja noch was.
(Christian Reder)


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