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Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Alphatier"
Westernhagen
Kunstflug/Motor Music
25. April 2014

1. Hereinspaziert, hereinspaziert
2. Alphatier
3. Liebe (Um der Freiheit Willen)
4. Oh, Herr
5. Clown
6. Engel, ich weiss ...
7. Verzeih
8. Was ich will bist Du
9. Liebeslied
10. Keine Macht
11. Halt mich noch einmal
12. Wahre Liebe
13. Ich bin besessen
14. Hast Du vergessen

Anmerkung: Auch als limitierte Auflage mit Bonus DVD incl. 10 Videos ["Alphatier", "Wahre Liebe", "Verzeih", "Hereinspaziert, hereinspaziert", "Was ich will bist Du", "Liebeslied", "Oh, Herr", "Halt mich noch einmal", "Engel, ich weiss ..." und "Liebe (Um der Freiheit Willen)"] erschienen. Bei einem großen Online-Versand ist zusätzlich eine streng limitierte und exklusiv nur dort erhältliche Sonderauflage mit der Doppel CD, einem T-Shirt und dem Album als Schallplatte erschienen!





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Westernhagen hat sein neues Studioalbum "Alphatier" genannt. Die Verhaltensforscher definieren den Begriff Alphatier so: "Es ist das Leittier einer Herde oder eines Rudels." Ob das auf Westernhagen in der Deutschrock-Szene zutrifft, mögen andere beurteilen. Auf der Bühne ist er das auf jeden Fall. Weiter heißt es, "Alphatiere sind in der Regel die kräftigsten, erfahrensten und aktivsten Tiere der Gruppe", und hier ist die Parallele zu Westernhagen unübersehbar, auch wenn er das mit dem "Alphatier" auf sich bezogen gar nicht ernst gemeint hat. Trotzdem: Seit 40 Jahren rockt, bluest und krächzt sich der gebürtige Düsseldorfer durch die deutsche Musiklandschaft. Wer sich auch nur ein bisschen mit Musik "Made in Germany" auskennt, kennt Westernhagen. Er machte schon Deutschrock, als das (in der Bundesrepublik) noch gar kein geläufiges Genre war und brachte seit eh und je die Dinge ungeschminkt auf den Punkt. Songs wie "Freiheit", "Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz", "Sexy" oder "Wieder hier" sind inzwischen Volkslieder und Speerspitzen deutscher Rock- und Popmusik. Insgesamt 19 Studioalben hat er bis heute veröffentlicht - das letzte Album, also "Alphatier", jetzt im Mai. Das macht im Schnitt alle zwei Jahre eine neue Scheibe. Er ist also unbestritten eins der "aktivsten Tiere" im Musikdschungel.

Schon der das Album "Alphatier" eröffnende Song "Hereinspaziert, hereinspaziert" macht eins deutlich: Westernhagen hat mit Mainstream mal gar nix zu tun und ist zurück "auf der Straße", wo er wieder "singen kann - nicht schön, aber geil und laut". Bluesig, laut, dreckig und immer wieder auch ein bisschen in Richtung Progressive Rock abdriftend breitet sich der Song im Raum aus. Westernhagen liefert seinen Teil in Form seines speziellen Gesangs ab und drückt dem Song somit auch seinen unverkennbaren Stempel auf. Dem musikalischen Teil wird dann noch eine Aussage hinzugefügt, die mit den Worten, "Ich könnte kotzen | was hier so abgeht", eingeleitet wird. Es ist die zum Songtext verarbeitete Kritik am Umgang mit den neuen Medien, den sozialen Netzwerken und dem Verhalten des Internetnutzers. Aktueller geht's nicht und eines der wichtigsten Themen unserer Zeit ist es auch. Ebenso wütend wie der Text, ist auch die dazu gewählte Musik, die ich gerade schon beschrieb. Dass hier gleich zu Beginn des Albums schon die sprichwörtliche Sau raus gelassen wird, und dass Band und Sänger den Hörern gleich die volle Dröhnung auf die Ohren drücken, legt die Messlatte für den Rest der Scheibe natürlich sehr hoch. Aber schon allein dieses Lied unterstreicht, wie viel Leben und Ideen noch in dem inzwischen 65-jährigen Westernhagen stecken. Müdigkeit? Routiniertes Runterspielen? Ideenlosigkeit? Nein! Absolut nicht ... Aktualität bringt auch der Song "Liebe (um der Freiheit Willen)" mit. Es ist eine echte Freiheits-Hymne, die nichts weiter fordert, als Freiheit für alle ... alle Rassen, die Medien (!), die Kunst, die Junkies, die Huren, die Lesben, die Schwulen - für alle Menschen dieser Welt! Letztlich für unsere Kinder. Man möge das "ewige Gestern" verbrennen und den Alleinherrschern zeigen, dass es sich nicht lohnt, nur an sich selbst zu denken. Eine mutige und absolut wichtige Forderung in einer Zeit, in der z. B. in der nahen Nachbarschaft das Schwulsein (bzw. das öffentliche Ausleben) noch unter Strafe gestellt wird und man - schlimmer noch - um sein Leben fürchten muss. Was für ein Brett! Was für ein unglaublich guter Song!
Als drittes Lied dieser Art sollte hier auch noch "Keine Macht" erwähnt werden. "Keine Macht den Banken" und "Keine Macht den Dummen" heißt es u. a. darin. Nicht nur die teure Rettung von Banken, die auf unser aller Kosten zocken (und abzocken), auch die wieder aufkommende "Kälte" in der Politik wird angesprochen ("Wirtschaft mit dem Teufel | Ein Raketenschild | Keine Macht - Keine Macht"). Letztlich ist die "Macht" oft in den Händen, die sie missbrauchen und Westernhagen war es offenbar ein Bedürfnis, seine Meinung dazu in dieser Form auf das Album zu nehmen.
Auf "Alphatier" wechseln sich lauter und schmutziger Bluesrock mit berührenden und fein ausgefeilten Balladen ab. Manchmal treten die lauten Gitarren in den Hintergrund und überlassen dem Frontmann allein die Bühne. Da wird aus einer dreckigen E-Gitarre eine leise schwingende und fein gespielte, wie z. B. in "Oh, Herr" oder eine Akustik-Gitarre übernimmt die Führung des Songs und wird von der sonst so lauten E-Gitarre nur dezent unterstützt, wie z. B. im Song "Engel". Der eben erwähnte Song "Oh, Herr" ist außerdem wie eine vertonte Predigt gestaltet - sagenhaft gut! Womit wir wieder beim Inhalt wären, denn auch hier liefert uns das Album Abwechslung. Nicht nur Kritik und lautes Schimpfen auf das, was derzeit alles so schief läuft, haben ihren Platz. Auch die Liebe kommt nicht zu kurz. So dürfte das eben erwähnte Lied "Engel" wohl auf Westernhagens eigene Lebenssituation hinweisen. Dass die Trennung von dem langjährigen Partner schmerzhaft und ein sehr hoher Preis ist, kann wohl jeder nachvollziehen. Westernhagen erkennt darin aber, dass der, der sich das traut und diese Schmerzen erträgt, für die Liebe erwählt wurde. Das mag auf den ersten Blick wie eine Entschuldigung für die in diesem Frühjahr bekannt gewordene Trennung von seiner Frau klingen, ist aber eher ein Mutmacher und die Erkenntnis, dass "nur die Zeit" weiß, wohin der Wind einen trägt.
Zum gleichen Thema, nämlich Liebe, wird im Song "Was ich will bist Du" wieder die Rock'n'Roll-Gitarre rausgeholt. Ein munterer Blues-Rocker. Die Nummer ist eines dieser Stücke, die wohl nur in der ersten Phase des Verliebtseins entstehen können. Man ist voller Tatendrang, Zuversicht und bereit, alles für die Liebe zu tun - sogar alles über den Haufen zu werfen. Das Gestern verschwindet aus dem Kopf. Wenn nicht freiwillig, dann muss es vertrieben werden. "Lass uns endlich Koffer packen | Auf die Konventionen kacken | Die Vergangenheit vergessen | Nie mehr aus dem Blechnapf fressen", heißt es im Songtext. Einfach mal durchbrennen. Abhauen und das enge Korsett des vielleicht schon eingefahrenen Lebens verlassen und noch einmal etwas tun, was nicht der Norm entspricht. Wer möchte das nicht? Nur Wenige trauen sich das.
Liebeslieder sind nicht selten eine Selbstpeinigung seines Schöpfers. Insbesondere dann, wenn sie in einer Situation entstehen, wo das "Herz unendlich laut" nach dem anderen schreit, diese Rufe aber noch nicht erhört werden (können). Manchmal sind die Personen, in die man verliebt ist, selbst die Liebeslieder, die man aus seinem Kopf einfach nicht heraus bekommt. Darüber singt Marius in dem Stück "Liebeslied", einem Slow-Blues mit enormem Druck in der Musik und seiner Aussage gleichermaßen.
Sehr beeindruckend finde ich auch "Ich bin besessen". Hier kehrt der Musiker sein Innerstes nach außen und singt über seinen Antrieb, mit dem er seinen Beruf als Musiker ausübt. Ebenso darüber, wo er am liebsten ist, nämlich auf der Bühne: "Ja, alles ist vergessen | Wenn meine Seele singt".

"Folge mir, ich bin ein Alphatier", heißt es im Refrain des Titelsongs dieser CD. Sicher, Westernhagen würde sich selbst wohl niemals als "Alphatier" bezeichnen, auch wenn man es ihm ob des Songs, des Platten-Covers und des gewählten Album-Titels unterstellen könnte. Aber man mag ihm tatsächlich gern folgen, wenn er wie ein Missionar mit seiner Musik und seinen Botschaften Erhellung und Aufklärung ins Land trägt. Es sind die wertvollen und inhaltsreichen Botschaften, die es immer noch schaffen, eine Helene Fischer mit ihren liebesschwangeren Geschichten aus der Kuschel-Welt von der Position 1 der Album-Charts zu verdrängen. Es sind die Botschaften, auf die wir "anderen" Musikhörer immer wieder warten und uns freuen, wenn sie uns erreichen. Musikalisch ist Westernhagen dort angekommen, wo andere gerne mal hin wollen: Er kann auf den Zeitgeist pfeifen und sein Ding machen. Das tut er zwar inhaltlich nicht, denn da greift er durchaus ganz aktuelle Themen auf, aber musikalisch ist er bei seinen Wurzeln. Da darf ein Song schonmal schräg und laut ("Hereinspaziert, hereinspaziert") sein. Er macht staubigen und dreckigen Bluesrock, die Gitarren dürfen sich austoben und er als Sänger auch. Die Radioredakteure dieses Landes, die sich schon für die knallharten Revolutionsführer halten, nur weil sie eine etwas lautere Nummer von PINK! spielen, werden sich an diese Songs - insbesondere an die mit den klaren Statements zu den Dingen unserer Zeit - nicht heran trauen. Soweit geht es mit dem Revoluzzer dann doch nicht. Aber solange Alben dieser Klasse und dieses Inhalts noch regelmäßig die Nr. 1 im Land werden, darf man beruhigt sein und sich auf weitere Werke dieser Klasse freuen. "Alphatier" ist nur stellenweise ein typisches Westernhagen-Album. Bei den Balladen des Meisters ist der Wiedererkennungswert unüberhörbar da. Bei den lauteren Nummern geht die Luzi richtig ab. Ungebändigt und ohne Fesseln ... Wie schon erwähnt, scheut man sich nicht, auch mal progressiv zu sein. Ebenso wenig, die Gitarre mal ordentlich krachen zu lassen und dem Hörer die ungeschminkte Wahrheit um die Ohren zu hauen. Regelrecht wütend klingen einige der neuen Lieder. Aufrüttelnd, aufweckend ... Es ist ein tolles Album, das einige Fans von Westernhagen vielleicht erst zwei oder drei Mal hören werden müssen, um es zu mögen. Bei mir hat es sofort gezündet und ich mag die Experimentierfreude, die der Musiker auch nach über 40 Jahren Musikkarriere noch hat. Er ist eben doch ein Alphatier!
(Christian Reder)




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"Hereinspaziert, hereinspaziert" (off. Video)


"Alphatier" (off. Video)





   
   
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