haemer14 20140331 1761357145 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Schattenmann"
Sebastian Hämer
Wannsee Records
11. April 2014

1. Wind
2. Der blaue Planet
3. 24 Stunden
4. Still Deine Wut
5. In die Unendlichkeit
6. Ferne Welten
7. Schattenmann
8. Fallende Männer
9. Alles oder nichts
10. Selbst Mit Leid
11. Unvergesslich
12. Das Gefühl
13. Erhebt Eure Stimmen





Neulich las ich in einer Zeitschrift etwas über den Musiker Sebastian Hämer, der ein neues Album eingespielt und als Vorboten den Song "Der blaue Planet" als Single voraus geschickt hat. "Der blaue Planet"? Kurz recherchiert und festgestellt, dass es sich dabei um den KARAT-Hit aus dem Jahre 1982 handelt, den Hämer für sein Album und als Single ausgewählt und dafür neu eingesungen hat. Schon war die Neugier bei mir geweckt, denn was KARAT betrifft, rennt man bei mir ja bekanntlich offene Türen ein. Ein paar Tage später landete dann die Promo CD "Schattenmänner" von Sebastian Hämer in meinem Postfach und ich war neugierig, wie seine Version klingen wird und was er sonst noch so zu bieten hat. Nicht ahnend, welch Überraschung da auf mich lauert, schmiss ich die CD gleich in meinen Player und lauschte ...

"Wind" heißt der erste Song auf der brandneuen CD und zuerst dachte ich, hier liegt ein Pressfehler vor. Ist das nicht Xavier Naidoo, der da über Liebe philosophiert? Untermalt mit einem Bumm-Bumm-Beat, den man sonst nur in einem Hip Hop-Stück erwarten würde, und in Moll gehaltenen Synthie-Sounds, kann das Stück lediglich über den Text punkten, den ich für recht gelungen halte. Insgesamt ist das aber eher eine Bewerbung für den nächsten "Wer-klingt-wie-Xavier-Naidoo-Wettbewerb" in der Dorfdisko.
An zweiter Stelle des Albums folgt dann der Song, wegen dem ich mich eigentlich für das komplette Album interessierte, "Der blaue Planet". Wer das Original von KARAT kennt, wird mir zustimmen, dass man diesen Klassiker eigentlich gar nicht "verhunzen" kann - mal von Westbam abgesehen, der es im Jahre 2003 tatsächlich geschafft hat, diese tolle Vorlage vor die Wand zu fahren. Nun gibt es eine weitere Coverversion dieses Stücks. Sebastian Hämers Version der Ed Swillms-Komposition basiert auf einem komplett elektronischen Arrangement, auf das er den Norbert Kaiser-Text singt. Positiv aufgefallen ist mir die Idee mit dem Akkordeon-Sound, die den Refrain einleitet. Insgesamt gefällt mir dieses Stück gut, auch wenn Hämers Gesang (natürlich) nicht ansatzweise an den von Herbert Dreilich (KARAT) herankommt. Allerdings auch nicht an den von Andy Krüger (Melotron), der mit seiner Band im Frühling 1999 auch eine eigene Version dieses Stücks produziert hat. Trotzdem toll gemacht.
Kaum ist der letzte Ton des "Blauen Planeten" verklungen, rutscht das Ganze musikalisch dann auch wieder in die Gefilde des ersten Stücks ab. "24 Stunden" heißt der Song, über dessen komplette Länge eine wie ein Spielautomat klingende Pling-Pling-Tonfolge rumnervt. Das geht einem schon nach wenigen Sekunden tierisch auf den Pinsel. Es ist kein Hip Hop, was man da hört, allerdings auch kein Pop. Der Fachmann für's Einsortieren in Schubladen nennt es wohl "Soul", was ich da höre, aber als jemand, der Ray Charles und James Brown mit dieser Richtung in Verbindung bringt, kann ich hier allerdings keinen Solchen finden - egal, wie lange ich auch suche. Vielmehr höre ich diesen Bordstein-Sound der Marke "Dortmund-Nord". Einmal schütteln und dann weiter ...
Anschließend ein Deja Vu-Erlebnis ... "Still Deine Wut" erinnert verschärft an den ersten Song des Albums. Naidoo lässt grüßen, allerdings beherrscht er die Sportart besser als Hämer.
Ähnlich ergeht es mir bei "In die Unendlichkeit", bei dem ich zuerst dachte, es würde der Song "Sie sieht mich nicht" (von ... na, von wem wohl? ... genau: Xavier Naidoo) losgehen. Insgesamt weiß das Lied durchaus zu gefallen, besonders der Refrain hat eine hohe Qualität. Nicht mehr und nicht weniger.
Das folgende "Ferne Welten" hat das Zeug zur Hintergrundmusik eines Computerspiels der Marke "Siedler" oder "Anno". An was mich Hämers Gesang hier erinnert, muss ich sicher nicht noch einmal erwähnen ...
Die nächste Nummer heißt "Schattenmann". Oh, was ist das...? Gitarren?! Wie passt das denn hier rein? Der Song, der dem Album den Namen gibt, schickt sich an, ein Rocksong zu werden. Aber auch nur auf den ersten Blick, denn es ist nur eine nette Sample-Nummer. Eine hübsche Spielerei mit den Genres, mehr nicht. Auch nicht mehr ganz so neu ist die Idee mit dem Kindergesang und -lachen zum Ende des Stücks. Schade, dass auch "Schattenmann" nur ein für dieses Album "typischer" Song ist.
Mit "Fallende Männer" hat Sebastian Hämer einen Anti-Kriegs-Song auf sein Album genommen, mit dem ich an dieser Stelle überhaupt nicht gerechnet hätte, und auf das ich dann doch etwas näher eingehen möchte. Das Lied handelt von Männern, die in den Krieg ziehen, durch Schnee wandern, "Äpfel, Brot und Wasser" als Verpflegung dabei und noch "100.000 Meilen" vor sich haben. Die Textzeile, "Ich seh' fallende Männer, weinende Frauen", ist dann auch die Stelle, an der mich Hämer komplett für sein Lied eingenommen hat. Hier ist ihm ein echt starker Titel gelungen, in dem er über seinen Text ziemlich unschöne und greifbare Bilder zeichnet, die einem nicht wieder aus dem Kopf wollen. "Sie kommen nach Haus', umgeben von Eichenholz", ist eines dieser Zeilen, bei denen man einen dicken Klos im Hals hat, der nur sehr schwer zu schlucken ist. Dazu die Musik: Arrangiert ist "Fallende Männer" mit sich aufbauenden und bedrohlich wirkenden Klangwänden - Streicher und Elektronik gehen hier Hand in Hand und jagen einem ein ums andere Mal einen kalten Schauer über den Rücken. Hämer hat ein niemals müde werdendes Thema für einen seiner Songs gewählt. Ein Thema, das sich durch alle Generationen wie ein roter Faden zieht, und das auch heute immer noch so bedrohlich nahe ist, dass man die Angst mit Händen greifen kann. Und erstmals, wirklich erstmals auf dieser Platte, erkennt man den Sänger Sebastian Hämer. Nicht irgendeinem Trend folgend oder klingen wollend wie ein Großer, sondern wie er selbst. Der Song und die Botschaft haben mich überzeugt. Auch Hämer hat mich hier überzeugt. Dieses Lied allein entschädigt für den Rest!
"Alles oder nichts" verfährt sich dann auch prompt wieder auf dieser Belanglos-Schiene. Ein Lied ohne Reiz und ohne Besonderheiten. Daran ändert leider auch das Gitarrensolo gegen Ende nicht mehr viel, auch wenn es dieses Nümmerchen leicht aufwertet.
Wenig Abwechslung bringt auch "Selbst mit Leid" mit sich. Die gleiche Machart wie die meisten der bisher gehörten Songs, nervende Beats und Computer-Sounds, und seien das noch nicht genug der schlechten Ideen, erinnert mich dann ein Rapper mit seiner überbordenden Einlage wieder schmerzhaft daran, mir doch demnächst einen Termin für die Hörsturz-Vorsorge geben zu lassen. Unterirdisch!
Viel mehr fällt mir zu "Unvergesslich" leider auch nicht ein. Nach hinten raus wirkt die CD so, als wäre sie mit Notlösungen aufgefüllt worden, damit man überhaupt auf 10 oder 12 Tracks kommt. An diesem Punkt der CD geht mir dann auch dieser unsägliche Beat endgültig auf die Nerven und ich rette mich und meine inzwischen wackelige Laune zum letzten Song des Albums.
Dieser heißt "Das Gefühl" und ist eine Ballade. Tut nicht weh. Sie lässt sich ertragen und plätschert so dahin.
Tja, und weil's so schön war, bekommen wir noch einen Bonustrack mitgeliefert: "Erhebt Eure Stimmen". Bevor wir die Ruhe danach genießen können, gibt's zuerst noch schnell eine Nachhilfestunde in Demokratie, nämlich die, dass man seine Stimme nutzen soll, "... denn wenn sie klingen, werden sie bestimmen, welche Zukunft in uns liegt" ... oder "lebt"? Wie dem auch sei, man versteht ihn so schlecht. Das Thema haben SILLY kürzlich übrigens bedeutend besser vertont.

Einmal völlig davon abgesehen, dass ich beim Hören dieser CD oft das Gefühl hatte, dem Mitschnitt eines Karaoke-Abends lauschen zu müssen, bei dem es nur Xavier Naidoo-Songs in der Verlosung gab, finde ich sehr viele der Arrangements ideenlos. Dieser Hinterhof-Soundtrack für die Kaltwasser-Siedlung nervt nicht nur, sondern er verursacht beim Hörer dieser CD auch eine Art Pawlowschen Reflex, denn spätestens ab Lied acht klickt man völlig automatisch auf die Skip-Taste seiner Fernbedienung zum nächsten Song weiter, in der Hoffnung, es wird besser. Einzig in einem Lied meine ich den "echten" Sebastian Hämer erkannt zu haben. In "Fallende Männer" überzeugt der Sänger vom Anfang bis zum Ende. Gesang, Musik und Text stechen deutlich aus dem Rest heraus. Man nimmt ihm das ab, was er da singt und er schafft es, das Thema zu transportieren. Auf seine eigene Art und Weise! Einen weiteren Song trage ich in die Spalte "Gefällt mir" ein: Dem "Blauen Planeten" drückt Hämer unverkennbar seinen eigenen Stempel auf. Die Version ist ihm wirklich gelungen, auch wenn sie bei den Fans wegen ihrer Andersartigkeit sicher polarisieren wird. Er hat - wie man so schön sagt - aus dem Lied etwas Eigenes gemacht, das nur von der Melodie und vom Text an das Original erinnert (siehe auch Video unten). Nur zwei gute Songs auf einem Album reichen leider nicht für eine gute Gesamtnote. "Schattenmänner" wirkt leider wie ein Schnellschuss und so, als ob Hämer eine Abgabefrist bei der Plattenfirma für sein neues Album gehabt hätte. "Made in Eile" quasi. Schade!
(Christian Reder)


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Videoclip:

"Der blaue Planet" (off. Video)





   
   
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