beckmann2014 20140407 2002855057 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Bei allem sowieso vielleicht"
Beckmann & Band
Electrola/Universal
14. März 2014

1. Das Beste
2. Bremen
3. Charlotte
4. Sei mein Lächeln
5. Gangster
6. Plauderton
7. Hypochonder
8. Da sein
9. Weiter, weiter unterwegs
10. Dosenbier
11. Celentano in Stereo
12. Bei allem sowieso vielleicht





Reinhold Beckmann kennen viele von Euch sicher als Sportmoderator in der ARD. Mir fiel der Mann erstmals im Jahre 1992 auf, als RTL die Erstverwertungsrechte für die Fußball-Bundesliga an SAT1 verlor. Als verantwortlicher Sportchef der neu erfundenen Fußball-Sendung "ran" wollte Beckmann "hip" und "trendy" sein, und aus der Fußballsendung am frühen Samstagabend eine Art "Unterhaltungsshow" machen, incl. respektlosen und frechen Fragen an Trainer und Spieler und mit ganz viel besserwisserischem Geschwätz. Seit dieser Zeit tauchte der "Fußballkommentator, Moderator und Sänger (!!!)" - wie ihn Wikipedia beschreibt - immer wieder irgendwo wie ein plötzlich auftretender Hexenschuss auf, und lieferte seinen Teil zum gerade anstehenden Thema "Fußball" ab. Attribute wie "unbefangen" oder "objektiv" waren nicht selten die falsche Wahl in Bezug auf Beckmanns Kommentare bei Live-Übertragungen. Ich erinnere hier gern an das deutsch-deutsche Duell im "Pokal der Pokalsieger" 1992, als der aus Bremen stammende Kommentator das Spiel Werder Bremen gegen Hannover 96 kommentierte. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, für welchen Club Beckmanns Herz unüberhörbar schlug. Ein richtiger Profi! Warum auch immer, die ARD holte Beckmann irgendwann wieder zurück, und verpasste ihm eine eigene Talkshow, wo er in kuscheliger Studioatmosphäre genauso ungelenk Interviews führte wie im Fußballstadion. Und um der Torte noch die Kirsche oben drauf zu setzten, durfte er sich dann - nachdem die ARD die Übertragungsrechte für die Fußball-Bundesliga wieder zurück eroberte - auch noch bei der ARD Sportschau austoben. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs in Beckmanns Lebenslauf. Ich meine mich an Auftritte in Quiz-Shows mit prominenter und seiner Beteilung zu erinnern, und nach Sport und Talk war dann im letzten Jahr die Schauspielerei an der Reihe. Hier hatte er sich bis dahin noch nicht versucht, holte das dann aber schleunigst nach. Im Kinofilm "Sein letztes Rennen" spielte Beckmann allerdings die schlechteste Rolle seines Lebens, nämlich sich selbst. Offenbar auf den Geschmack gekommen, setzt er jetzt das Genre-Hopping fort, und versucht sich nun auch noch im Fach "Gesang". Die Betonung liegt hier jedoch bei "versucht". Als BECKMANN & BAND tauchte der Tausendsassa nun als Musiker mit Kapelle wieder auf, und legt jetzt gerade mit einem Album namens "Bei allem sowieso vielleicht" mordsmäßig los ... In einer Talkshow in den letzten Tagen erzählte Reinhold Beckmann hörbar von sich überzeugt, wie autobiographisch seine Texte seien, und dass er sich mit der Musik (also mit dem Album und der Band) einen Jugendtraum erfüllt habe. Von Beckmanns musikalischen Erzeugnissen durfte ich mir nun selbst ein Bild machen.

Das Albumhören in meinem Medienzimmer wurde gerade angepfiffen, da suchte ich auch schon flehend um Hilfe und mit schmerzverzerrtem Gesicht nach dem Schiedsrichter. So ein grobes Foul, schon so früh in der Begegnung, darf eigentlich nicht ungestraft bleiben. "Das Beste" heißt der das Album eröffnende Song, und ich hätte das Album ob dem, was mir da zu Ohren gekommen ist, am liebsten auch gleich wieder zugemacht. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Die Band, die hier versucht Beckmann zu begleiten, liefert einen erstklassigen und wunderbar arrangierten Jazz-Titel ab. Dummerweise ist Beckmann hier wie der Stürmer im Fünfmeterraum, der nicht in der Lage ist, den perfekt geflankten Ball zu verwandeln. Kurz: Der Gesang passt nicht zur Musik. Eigentlich will er zu gar nichts passen. Und hab ich gerade wirklich "Gesang" geschrieben? Mit einer fast schon unfreiwillig komisch dünnen Stimme versucht der "Sänger" hier über das Älterwerden zu philosophieren. Witzig will er gar sein. Ist er auch, aber wie gesagt ... eher unfreiwillig. "Das Beste" ist aber nur die erste von noch weiteren Gelegenheiten zum Fremdschämen.
Auch das Lied "Bremen" birgt unerwartete Gefahren für den Sänger Reinhold Beckmann, der auf unebenem Terrain so gar nicht Fuß fassen will. Sofort die erste Gelegenheit wird genutzt, um kräftig hinzufallen. Dieses Mal nicht nur mit dem Gesang, sondern auch mit dem Text. "Weißt Du noch die eine Nacht / da waren wir so betrunken / Du hast meinen Käfer vollgekotzt". Hui, was für ein hübsches Bild, das uns der Bremer Nachwuchsmusiker hier in den Kopf zaubert. Auch der weitere Verlauf des Textes zeigt deutlich, dass Beckmann auch als Texter in keinster Weise bundesligatauglich ist. "Und Deine Hand auf meinem Knie / Ich konnte kaum noch lenken / Die Polizei hat reingeglotzt". Was für ein Vorbild unser Reinhold ... besoffen Autofahren und das auch noch in einem pseudo-intellektuellen Songtext ganz biographisch verwursten. Satte Leistung! Verpackt wurde diese zur Textform gepresste Jugendsünde in einen Country-Song. Ja, warum denn auch nicht? Schließlich ist ja das erste was einem einfällt, wenn es um Bremen geht, Country-Musik, oder?
Und weiter knarzt und quiekt sich Beckmann durch die Musikstile. Sei es das musikalisch wieder jazzige "Charlotte", in dem es darum geht, wie der kleine Beckmann (also er als kleiner Junge) eine bereits erwachsene Fleischereifachverkäuferin anhimmelt und den Anblick ihres Dekolletés genießt, während sie in der Aufschnittauslage rumoperiert. Es gibt Dinge, die möchte man eigentlich gar nicht wissen. Dieses verstörende Bild eines kleinen Jungen mit Ödipus-Komplex oder einer anderen seltsamen Vorliebe gehört dazu, insbesondere, wenn wir über Reinhold Beckmann sprechen ... Wo andere zum Therapeuten rennen, macht Beckmann ein Lied. Oder das südamerikanisch angehauchte "Gangster", in dem er inhaltlich versucht, sowas wie Sozial- bzw. Gesellschaftskritik zu verpacken. Meine Güte, wo und unter welchen Umständen sind diese Texte entstanden? Womöglich vorher wieder mit dem Käfer in Bremen gewesen, was? Oder auch das nach dem "Reim Dich oder ich krieg Dich"-Konzept zusammengeschraubte "Hypochonder", ebenso wie das für den nächsten Italien-Urlaub musikalisch mit allen Klischees vollgestopfte "Celentano in Stereo" ... Egal, welche der 12 Nummern man hört, man kommt immer zum selben Ergebnis: Einmal hören, sich amüsieren oder fremdschämen und anschließend schütteln reicht vollkommen aus. Damit möchte ich es auch mit der Beschreibung der Lieder dieses Albums belassen.

Den Vorwurf, ich sei möglicherweise befangen oder in irgendeiner Form auf Reinhold Beckmann sauer, und dass ich deshalb soviele böse Worte und schlechte Kritik über ihn ausschütte, kann ich schon im Keim ersticken. Ich bitte lediglich, dieses Album einmal selbst zu hören und sich dann ein eigenes Urteil zu bilden. Anschließend sprechen wir uns wieder. Das Beste an der CD, und das möchte ich dick unterstreichen, ist die Beckmann begleitende Band. Die Musiker Andreas Dopp, Thomas Biller, Helge Zumdieck und Jan-Peter Klöpfel geben hier hörbar alles und haben auch wirklich alles versucht, ihren "Frontmann" in einem guten Licht dastehen zu lassen. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Präzision und Geschick dieser dem auf ihn gerichteten Lichtkegel immer wieder auszuweichen versteht. Ich glaube, hier hätte das Flutlicht angezündet werden können ... es hätte nix geändert. An manchen Stellen des Albums habe ich mich ferner gefragt, ob die Band den singenden Fußballmoderator nicht leiden kann. Wie sonst ist es zu erklären, dass keiner der fünf Instrumentalisten ihrem Chef mal sagt, dass das kein wirklich guter Gesang ist, den er da zu Tage fördert. Was und wie auch immer: Es liegt definitiv am Sänger UND (!!!) Texter, dass dieses Album ein kompletter Flopp ist. Mich ärgert in dem Zusammenhang eigentlich nur, dass da draußen im Land so viele junge, talentierte und echt gute Musiker und Sänger ein Dasein im Proberaum fristen, weil sie keine Auftritts- geschweige denn Aufnahmemöglichkeiten haben, um an einen begehrten Plattenvertrag zu kommen. Auf der anderen Seite stolpert gerade ein von seinem eigentlichen Job inzwischen wahrscheinlich extrem gelangweilter Moderator aus der Studiotür, nimmt sich vor, lustige Lieder zu singen, und bekommt auch prompt einen Plattenvertrag. Verkehrte und ungerechte Welt. Fazit: Abführmittel gefällig? Reinhold Beckmann sollte sich schnell ein anderes Betätigungsfeld suchen, denn auch Texten und Gesang sind nicht seins.
(Christian Reder)


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