mueller48 20131010 1365668152 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"48"
Ina Müller
105m/SONY
25. Oktober 2013

1. Wenn du nicht da bist
2. Sie schreit nur noch bei Zalando
3. Wenn dein Handy nicht klingelt
4. Schuhe
5. Nach Hause
6. Fünf Schwestern
7. Wenn ich weg guck
8. Pläne
9. Deja Vu
10. Spieglein, Spieglein
11. Einen im Sinn
12. Teenager
13. Aber dich





EINFACH ALLES RICHTIG GEMACHT
Müller ist ja kein Allerweltsname. Und Ina auch nicht. Aber jeder weiß, wer Ina Müller ist. Wie einst bei Harald Schmidt. Ina Müller hat eine neue CD gemacht. "48" heißt sie, aber ein Alterswerk kann es schon einmal wegen dieses jugendlichen Alters gar nicht sein. Getextet hat für sie der ehrenwerte Meister Frank Ramond. Komponiert haben Ina Müller und Johannes Oerding. In der Küche. So las ich im Presse-Folder. Keine Ahnung, was dazu gereicht wurde. Es ist auch egal. Ich glaube, auf die CD hatte es keinen Einfluß gehabt. Eingespielt wurde sie, ebenfalls laut Presse-Folder, mit den besten Hamburger Musikern und Kreativen. Da dürfte mal nichts schief gehen.

Die Erwartungshaltung von Fans und Nichtfans dürften bei Ina Müller naturgemäß recht hoch liegen. Ich glaube, diese CD verkauft sich sowieso von alleine. Immerhin ist Ina Müller ja nicht einfach so - wie manch andere - zum TV- und Bühnenstar geworden, sondern eben, weil sie so ist wie sie ist. Jedenfalls erkenne ich keinen Grund anzunehmen, dass es anders wäre.

Die Themenpalette ist auf Frau Müller zugeschnitten, das Klischee, falls es eines ist, haut schon hin. Wir im Osten haben diese Art selbstbewusster Frauenkultur ja schon seit Jahrzehnten hinter uns gebracht, im Westen mag sie vielleicht gar revolutionär sein. Keine Ahnung, das weiß ich nicht. Damit nichts schief geht, bleibt es dennoch zum größten Teil beliebig, thematisch und musikalisch. Das war zu erwarten. Einerseits. Man erwartet aber auch bei Ina Müller etwas Besonderes zwischen der - im Übrigen textlich sehr gut gelungenen - Abarbeitung der Beliebigkeiten, die im Westen ja revolutionär ... aber das weiß ich ja nicht ... Von der allgemein durchgezogenen fraulichen Keckheit, so nannten wir das damals in der DDR freundlich-verständnisvoll und hochgradig sexualisiert, halte ich nach so vielen Jahrzehnten persönlich nicht mehr so viel. Ich hätte gern Neueres Interessantes, aber im Westen mag es ja ... aufhorchen lassen. Andererseits hat man mit der CD einfach mal alles richtig gemacht. Kein Label würde ihr das absprechen wollen, sie hätten es alle gerne gehabt. Des Namens der Protagonistin wegen und weil es sich so schön verkaufen lässt.

Die CD geht "rein". Die Texte fahren teilweise überaus originell, teilweise lapidar und handwerklich großartig die stilsicheren Platitüden. Gut, ein Werner Karma hätte dies in einer sprachlich und metaphorisch größeren Tiefe vollbracht, aber daran müssen wir die Menschen noch in den nächsten 20 Jahren gewöhnen. Falls dies überhaupt jemals gelingt. Einfach geht ja auch, da geht nichts schief. Statt Altherrenwitze Reiffrauenwitze verreimt und schon läuft der Laden wie von selbst und alle staunen, bis sie leuchten. Diese Art von Witz ist unfehlbar. Musikalisch ist das Werk fast sogar perfekt. Irgendwie. Recht schnörkellos, was mir persönlich grundsätzlich zusagt. Inhaltlich ist es eine CD, welche eher eine Frau rezensieren sollte. Warum mir als Kerl diese Aufgabe angetragen wurde ... weiß ich nicht. Vielleicht deshalb, damit ich meine Idee weitertragen kann, dieses Album dringend einer Frau zu schenken. Obschon alleine diese Feststellung im Zuge der modernistischen Genterisierung schon fast altbacken daherkommt. Na, auf jeden Fall kann Mann mit diesem Geschenk an eine Frau gar nichts falsch machen. Frau auch nicht.

Es ist nicht unrockig. Das gefällt mir schon einmal. Eigentlich gefällt mir das Album überhaupt. Ein bisschen. Was man halt erwartet hat: Auf die Spitze getriebene Alltagsbeobachtungen, Personalitystories. Ich hatte etwas Spaß beim Anhören und fühlte mich musikalisch nicht überfordert. Und eine geile Stimme hat sie ja, die Frau Müller. Alles ist passend arrangiert. Irgendwie. Manchmal etwas zu nahe am Schlager, aber mein Gott, die macht ja auch Fernsehen und irgendwie muß sie da ja auch durchkommen. Vieles von dem Zeug kann man auch gut und gerne am Ballermann vergrölen.

"Wenn du nicht da bist" ist so'n Beziehungscrashtext alltäglicher Nervereien, die aber eben alle nicht mehr zählen, wenn der Nervtöter oder die Töterin nicht mehr nervt. Man sollte da nicht tiefenpsychologisch herangehen, sonst wird's zum Bumerang für die alte Ego.
Pfiffig sind die Texte allemal wie bei "Sie schreit nur noch bei Zalando". Und ganz falsch ist es wohl auch nicht. Ich selber finde das ja traurig, aber solange man zu solch traurigen Schicksalen wie dem hier beschriebenen fröhlich mitklatschen kann, ist die Welt vielleicht noch nicht ganz verloren. Würde das jemand anderes musikalisch so umsetzen, würde ich es unter kompositorisch themenverfehlter Albernheit verbuchen. Tja, aber wenn die Müller das singt ... ändert das daran eigentlich auch nichts ... aber ist es dann nicht herrlich schräg, mal ehrlich?
Nachdem ich nun für mich festgelegt hatte, dass Ina Müller nun mal eben die Punkerin unter den Schlagerbardinnen ist, kommt sie süffisant-sentimental mit dem Titel "Wenn dein Handy nicht klingelt". Originell und gelungen. Ich bin nur ganz latent schwächlich genervt davon, dass sie ab und an so nach Nena klingt. Was wiederum nicht schlimm ist. Ich bin ja auch ab und an davon genervt, dass Nena wie Nena klingt. Ich hatte bei dem Titel die lustige Vorstellung, wie eine Frau beim Langsamtanzen einen Mann anhimmelt und ihm dabei den Refrain vorflötet. Ihr werdet es verstehen, wenn Ihr den Titel hört. Sowas soll ja vorkommen nach drei vier Piccolöchen.
Es ist ja sowieso alles nur zur Unterhaltung gedacht. Wie "Schuhe". Ich dachte ja, dieses Thema wäre mit dem Zalandolied schon abgegessen. Aber die Message, dass Schuhe, wenigstens Schuhe nie enttäuschen, musste noch dringend unters Volk gebracht werden. Das ist natürlich ausgemachter Blödsinn. Ich kenne Frauen, die haben deshalb so wahnsinnig viele Schuhe, weil sie noch keine gefunden haben, die sie nicht enttäuscht haben. Schuhe und Männer haben anscheinend viel gemeinsam. Ich fand das witzig und verbuchte es unter Ironie. Verdammt, was macht denn diese Ina Müller nun auch schon mit mir? Ich glaub der jeden Schwachsinn ...
Piano in classical accoustic. Aha, dachte ich, jetzt kommt eine balladeske Nummer. Und ich war sehr stolz auf mich, dass ich Recht behalten durfte. "Nach Hause". Ja, wir müssen auch mal kurz melancholisch sein, obwohl es ja doch auch einen wunderschönen Hintergrund hat, was da so kompositorisch handwerklich glattfrasiert, sauber und akkurat erzählt wird. "Haha", dachte ich, "... die Müller kann ja manchmal sogar ein bisschen wie Anna Loos klingen, oder wie Rosendings ...", was mich nur latent schwächlich nervte, weil ... na, Ihr wisst schon. Was mich allgemein ein wenig wunderte war, dass die meisten Lieder am Ende so klingen, als hätte man einfach kurz vorm Fertigwerden damit aufgehört. Na, vielleicht gibt es ja in Hamburg eine starke Musiker- und Kreativengewerkschaft. Das kann ich nicht wissen. Bei diesem Lied ging es mir genauso. So einmal, bei einem Lied auf einer CD finde ich das ja sogar ganz gewieft. Aber bei mehreren? Na, macht nix, dafür sind dann die Lieder nicht allzu lang.
Der sechste Titel heißt "Fünf Schwestern". Warum es der 6. und nicht der 5. ist, weiß ich nicht. Eine autobiographische Einflüsterung. Ich fand das Lied sehr schön. Ich mag, wie es gemacht ist, wie es gesungen wird, den Text, den Satzgesang, die musikalisch sanfte jedoch nicht unspannende Umsetzung. Ganz ohne sachte Sentimentalität geht so etwas natürlich auch nicht und letzthin singen wir alle grinsend schmachtend "Lalala" ... Man kann schon was finden in so einem Musikbastelsetzkasten, wenn man weiß, welche Module man benötigt. Fein gemacht.
Und dann wird diskomäßig abgehottet. "Wenn ich weg guck". Dieses Lied hat mir auch gefallen. So eine "Wir haben alle eine Maske auf und ich würde gerne wissen, wer du wirklich bist"-Geschichte. Ja, so etwas kann ich recht gut leiden. Nur der Sound ging mir auf den Sack. Aber ich habe diese CD ja eh schon als Frauenplatte eingeordnet.
"Pläne" ist ein Berührungslied. Also eines, welches berührt, thematisch auf jeden Fall. Hier wie eben auch bei vielen anderen war ich von der handwerklich sauberen Qualität des Textes angetan. Die Art, ihn zu singen, lässt mich die Simplizität der kompositorischen Strukturen immer wieder gerne vergessen. Auch dieses Lied mag ich so allgemein sehr gut leiden. Allerdings mein Herz erfasst hat es nicht. Mir fehlte dafür noch etwas. Das ist wie mit einer Suppe, in der das Salz fehlt. Die Tiefe. Vielleicht. Die fehlt auch im Text. Vielleicht auch nur wieder ein Abschluss, der nicht wie ein halber Koitus interruptus wirkt.
"Deja Vu" besticht auch wieder durch einen originellen Text. Wenigstens das. Schließlich brauchen wir ja, musikalisch gesehen, nicht nur Ballermannklatscher, sondern auch Fernsehgarten-Angebote. Alle Männer, so glaube ich die feinsinnige Botschaft verstanden zu haben, sind irgendwie gleich. Manche Lieder aber auch. Aber die Hauptsache: nix falsch gemacht.
Da ertrage ich doch auch mal den abgefuckten Keyboard-Sound - so einen, den man gerne bei Rentner-Tanztees verwendet, ist bestimmt Absicht, Kinderlieder werden übrigens auch gerne so versoundet - von "Spieglein, Spieglein". Schade für mich. Sonst hätte mir dieses Lied bestimmt auch gut gefallen. Aber um mich geht es ja dabei nicht. Das ist inhaltlich so etwas wie ein stark ausgeweiteter Frauen-Selbst-Ironie-Witz. Aber ... na ja ... irgendwie gut gemacht. Ist spaßig. Bestimmt.
Es ist ja alles mit Absicht so gemacht worden. Da, wo der Text verflacht ("Einen im Sinn"), aber nicht so sehr wie die Musik des öfteren, wird plötzlich die Musik rund. Es könnte auch sein, fiel mir dabei plötzlich ein, dass die Songs alle Parodien sind. Aber auf wen? Vielleicht auf das Leben? Dieser Titel gefällt mir von allen am allerbesten, stellte ich fest. Obwohl es eigentlich auch nur ein akustisch hochgetunter Schlager ist.
"Teenager" ist eine Parodie. Auf das Leben. Auf das einer bestimmten Altersgruppe, was der Titel des Titels ja schon sagt. Huhu-Aha-Ohoho. So ist es ganz bestimmt. So war es ganz bestimmt auch. Auch wieder ein Lied, bei dem ich sehr viel Spaß hatte und das mich ausnahmsweise sogar musikalisch ein wenig ... mitnahm. Das war das Außergewöhnliche, welches ich ja von Anfang an erwartet und erhofft hatte. Diese Erwartung wurde nun erfüllt.
Und dann gibt es noch einmal so richtig Songwriting-Rock´n-Roll. Zwar so auch schon mal gehört, von jüngeren unbekannten aufstrebenden Liedermachern, aber ich glaube, noch nicht so hübsch gerade und dreckig wie von Ina Müller. Vielleicht. Da mache ich doch glatt ein wildes Head-Banging und bin nicht einmal enttäuscht, dass diese CD nun auf einmal alle ist.

Ja, die haben wirklich alles richtig gemacht. Schöne Liebeserklärung am Schluss und noch einmal richtig abgefeiert. Gut. Ich habe mich gefreut, dieses Album gehört haben zu dürfen. Hohoho. Und nun ab damit auf den Gabentisch der Frau, welcher auch immer. Rock´n Roll, Leute! Aber vergesst nicht, Kopfhörer dazu zu kaufen.
(Andreas Hähle)


 

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