weiter2013 20131010 1070461652 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Weiter"
Weiter
Polydor/Universal
4. Oktober 2013

1. Guten Morgen Deutschland
2. Toll
3. Weg von hier
4. Hertz und Seele
5. Konstruktive Liebe
6. Flutlichter an
7. Ponyhof
8. Buchstabengespenster
9. Fassaden
10. Sag jetzt nichts
11. Zeig dich
12. Hoch, Mut!
13. Immer mehr du





DIE OPTIMISMUSBLASE
Popmusik, die Spaß macht. So würde ich es bezeichnen. Das behauptet das Münchner Duo (mit Verstärkung, die Besetzung findet Ihr unten aufgelistet) auch selber auf ihrer Homepage sinngemäß. "Depri war gestern." Das macht das Land zwar nicht besser und den Alltag nicht bunter, aber es hilft ein wenig. Und das alleine ist ja schon eine ganze Menge wert. Ja, WEITER setzt auf Radiotauglichkeit, recht eindeutig. Und bewegen sich doch nicht plump im Mainstream. Jedenfalls nicht immer. Und wie sie diesen - bei ihnen noch recht kleinen - Spagat hinbekommen, das setzen sie auf ihrem Debütalbum eine ganze Platte lang unter Beweis.

Mit dem flockig-heiteren Stampf-Beat, immer ein wenig den Ska streifend, "Guten Morgen Deutschland" grüßen sie erst einmal als optimistischer Morgenwecker stellvertretend für uns das Land. "Depri war gestern, heute ist Neuland." Überhaupt tänzeln sie absichtsvoll auf einer Optimismusblase herum.
Aber sie können auch leise. Mit gut gestylten inhaltsvollen Texten und darin enthaltenen starken Bildern, die mit einer sehr erfrischenden Leichtigkeit daherkommen. "Toll". In diesem Lied geht es um die Befreiung von Etiketten (Labels), die erst innerlich erfolgen kann, um sie nach außen zu demonstrieren und zu verstetigen. Da braust etwas schön Selbstbewusstes auf uns zu. Die Blasinstrumente sind fortwährend klug und überzeugend eingesetzt.
Sehr poppig klingt "Weg von hier". Bis es ein klein wenig fast in den Punk abgleitet, ohne jedoch den Grundbeat zu verlassen. Bisschen philosophisch verbrämt der intelligente Text, wie die meisten ihrer Texte mit sehr vielen Worten versehen. Die Songs sind letztendlich alle rund und griffig und andererseits durch ausgeklügelte Arrangements teilweise auch sehr spannend. Da ist extrem hart dran gearbeitet worden.
Wenn da mal ein Titel "Hertz und Seele" heißt, ist es natürlich kein Schreibfehler, sondern ein Denkspaß. Recht experimentell, das allerdings wohl immer ein wenig auch mit Blick auf die bleibende Radiotauglichkeit, immer noch in gemäßigtem Rahmen. Den sie zwar immer mal wieder anritzen, aber nie sprengen. Es ist wie so ein Hinschubsen in die Nähe von Grenzen. Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass auf diesem Debütalbum gar nichts dem Zufall überlassen wurde.
Ein Titel wie "Konstruktive Liebe", elektronisch verspielt, bringt mich zum Lächeln. Bisschen weise wirken wollend wie eine Parodie auf Kalendersprüchlein. Und da ist dann auch wieder das stolz herauskristallisierte Selbstbewusstsein der Frontfrau Martine-Nicole Rojina. Und deswegen und weil es um Liebe geht, kommt so ein "Das hast du nun davon", und mit vielen Worten erklärt uns die Dame mit ihrer interessanten Stimme, was sie unter konstruktiver Liebe versteht, bevor das Experiment in glückskeksanfühlenden Kitschmodulen ausklingt. Ich glaube, das muss ich nicht ernst nehmen. Was mich etwas beruhigt, obwohl ich diese Frau wohl nie kennenlernen werde.
Die Texte sind teilweise so kompakt, dass ich hoffe, man wird sie in einem Booklet auf der CD nachlesen können (Man kann, Anm. d. Red.). Obwohl andererseits der Trend ja dahin geht, sie auf den Homepages zu hinterlegen. Bei "Flutlichter an" ist das nicht zwingend nötig. Es ist ein gängiger Pop-Song mit verrammelter Hook. Dem kann man gut folgen. So ein "Auch du bist wichtig"-Lied. Hier wird das Klischee mal nicht auf den Kopf gestellt.
Sprüche werden geklopft, fluffig-munter-heiter im Flick-Flack-Rhythmus mit bridgebetonenden Ausläufern im "Ponyhof". Einfach mal was Verrücktes machen. Jedenfalls kann man dazu ganz verrückt tanzen, wenn man den spätpubertären Eingebungen, sich einen Ponyhof zu bauen, vielleicht aus Altersgründen nicht mehr recht folgen mag.
Etwas leichter und sanfter kommen die "Buchstabengespenster" angeflogen. Eine verträumte, fast romantische Seelenfahrt mit einem kleinen verchillten Instrumentalteil. Ein schönes interessantes tiefes Liebeslied. So eine stille heimliche leise Liebe beschreibend. Und so wunderbar hoffnungsvoll. Und auf einmal klingt es wie eine klassische Singer-Song-Writer-Kreation. Jedenfalls bis das Schlagzeug einsetzt. Da kommen sie dem prägenden Pop-Duo der letzten Jahre relativ nahe wie so unendlich viele andere auch, doch zum Glück nicht allzu sehr. Eigentlich nur in der Bridge. Der Refrain ist eher einfacher strukturiert. Fast wie ein Kinderlied. Die Strophen von "Fassaden" sind wiederum etwas komplexer. Aber irgendwie sagt mir der Titel nicht zu. Auch wohl weil er mich an einen anderen Titel aus den 80ern erinnert, den ich auch schon nicht mochte.
So schön im Ska-Sound mit Popsequenzen untendrunter mit einem Bombast-Refrain aus der Knallbonbonretorte: "Sag jetzt nichts". Was ja auch einmal irgendwann gesagt werden muss. Popmusik mit etwas anderer Klangzusatzfarbe. So wie die ganze Platte eben. Immer am Rande der Kunst, aber eben nur am Rande. Manche Spielereien, wie bei diesem Titel, sind mir ein klein wenig zu überzogen, was jedoch die Stimme der ausdrucksstarken Sängerin wieder wettzumachen vermag.
Das Textrezept ist nach einigen Titeln auch ein wenig durchschaubar. Da wird erst einmal Destruktives beschrieben, um daraus entweder Mut zu schöpfen oder zu machen. Das Mutmachen trifft auf das geschwinde "Zeig dich" zu. Es ist formaler Kritikpunkt, wenn es um ein ganzes Album geht. Aber sprachlich haben es die Texte allemal in sich. Sie ziehen in ihren verbalen Bann, man mag ihnen gerne folgen und wird auch nur selten enttäuscht, öfter belohnt mit der Erkenntnis, welche Pfade sie sich lächelnd winden.
"Hoch, Mut" folgt ebenfalls dem bereits erwähnten Textrezept. Ein musikalisch mal wieder sehr interessantes Werk, das mich ein wenig von den gesteckten Popstrukturen gedanklich abwenden und in Richtung groovigen Jazz schleichen ließ. Ein bißchen jedenfalls. Leider wurde hier etwas zuviel im Textbausteinkasten gewühlt. Das langweilt. Man merkt es jedoch nicht gleich. Insofern kann man es gut durch Weghören überhören.
Zum Abschluss ein leises balladeskes Werk mit der Gesangsstimme im fast Raum ausfüllenden Mittelpunkt: "Immer mehr du". Der Mensch verschwindet quasi im übertragenen Sinn in einem anderen. Sehr melancholisch. Etwas fürs Herz. Ein toller Text.

Ein sehr interessantes und vielversprechendes Debüt. Mal sehen, wie es mit dieser musikalischen Unternehmung WEITER geht.
(Andreas Hähle)

WEITER-Besetzung:
Martine-Nicole Rojina und Oliver Wrage
Mathias Götz (Posaune)
Stefan Dittlein (Schlagzeug)
Hannes Hajdukiewicz (Gitarre)
Tom Jahn (Keyboard)


 

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Videoclips:

 
"Guten Morgen Deutschland" (Off. Video):


"Toll" (Off. Video):


"Fassaden" (Off. Video):


 
 

   
   
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