dm-singt2 20130925 1609534188 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Dirk Michaelis singt... (Nr. 2)"
Dirk Michaelis
Heart Of Berlin
25. Oktober 2013

1. Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein
2. Eins
3. An ein Ideal
4. Für immer und gleich
5. Waffenbrüder
6. Morgenrot
7. Ohne Flügel im Wind
8. Ich vermiss Dich
9. Gib mir Zeit
10. Es kann nicht ewig dauern
11. Abendrot
12. Der gute Geist verlässt das Schloss
13. Jeder wird verletzt





EIN FEHLTRITT IN MEINER NÜCHTERNHEIT
Der Redaktion lag eine Promo CD vor, auf der nur 9 Songs und in anderer Reihenfolge als auf der für den Handel bestimmten CD enthalten sind!

Was haben U2, Tanita Tikaram, Michael Bolton, Tom Odell, Tom Petty, Tracy Chapman, R.E.M., Everything But The Girl und die Dire Straits außer ihrer Sprache gemeinsam? Dass deren Titel nun in einer eigens erstellten deutschen Textfassung auf dem Album "Dirk Michaelis singt ... (Nr. 2)" nachgesungen werden.

Es wird ja nun einem Großteil, wenn nicht gar allen Mitgliedern der Gemeinde, nicht entgangen sein, dass dieses Projekt schon einmal aufgerufen wurde und dieses Album somit eine Wiederholungstat ist. Sonst ergäbe die 2 ja keinen Sinn. Die deutschen Übertragungsworte lieferten, wie auch schon im Vorgänger-Projekt, Gisela Steineckert und Michael Sellin, beides im Grunde von mir hoch- und wertgeschätzte Kollegen. Ein bewährtes Team also. Und ein offensichtlich insoweit bewährtes Konzept, dass man es fortzusetzen wagte. Aber wie das manchmal so ist mit den Sequels. Die meisten von ihnen erweisen sich am Ende als unnötig und bedauerlicher Unfall.

Ich habe mir nicht die Mühe eines Hörvergleiches mit den Originalen gemacht. Was ich im Übrigen auch gar nicht sinnvoll oder auf irgendeine Weise erhellend empfinden würde. Manches liegt mir eh automatisiert im Ohr - es sollen ja alle Lieder Welthits sein - und zwei der Werke sind mir in keinster Weise erinnerlich. Ebenso wenig habe ich mir den Luxus eines Textabgleiches gegönnt, weil ich auch hier nicht wüsste, wozu das gut gewesen wäre. Nach dem zweiten Titel wollte ich es gar sehr absichtsvoll vermeiden, da ich mich vor einiger Zeit aus ganz anderen Gründen mit einer Linearübersetzung des Titels "Twist In My Sobriety" beschäftigt hatte. Mit solchen Abgleichen werden sich schon früh genug etliche Experten unter den Musikliebhabern beschäftigen. Jedoch besser vielleicht eher nicht. Ich nehme also - mit einer mir im Vorfeld im Kopf verhafteten Ausnahme - nichts auseinander, gleiche es ab und puzzle es wieder zusammen. Mein ursprüngliches Vorhaben war, die Werke - so weit das möglich war - als eigenständige Werke zu betrachten und dabei zu erfassen, wie sie auf mich wirken würden. Richtig gelingen konnte das nicht, weil die Erinnerungen nun mal da sehr kräftig werden, wenn man vielleicht gerne auf sie mal verzichtet hätte. Und es hätte mir auch so nicht gut getan. Eher war es so, dass mir die angenehmen Erinnerungen beim Anhören des Albums über die Runden halfen. Vor allem in Bezug auf die Texte.

Ich glaube, in den 70er, ja sogar in den 80er Jahren waren derartige schwülstig kolportierte "Ich sag nichts wirklich, aber das ganz aufgeblasen"-Texte noch recht hübsch gewesen, aber eben deshalb gibt es ja davon aus dieser Zeit bereits genug für ein ganzes musikinteressiertes Leben und wo will man die außerhalb des Schlagerbereiches heute noch so hören? Es mag vielleicht sein, dass in den englischen Originalen die Texte ebenso die Banalitäts- und Albernheitsgrenze sprengen, aber glauben kann ich es nicht. Allein das mir bewusste Beispiel Tanita Tikaram zeigt das Gegenteil dessen auf.

Da ich bekanntermaßen gesunder Maßlosigkeit fröne, war ich von dem Album, gerade aufgrund der Kenntnis der Autorenschaften, maßlos enttäuscht. Vielleicht wäre ich das gar nicht mal gewesen, wenn die musikalische Umsetzung diesem Idiom partiell nicht so gnadenlos folgen würde. Oder geschah es umgekehrt? Ich kann dieses Album nicht als Hommage an die nachinterpretierten Künstler anerkennen und noch weniger als Huldigung der deutschen Sprache.

Dabei fängt es beinahe sogar souverän an. Mit "Eins" (One - U2). Doch dann verliert sich der Text sofortigst in Allgemeinplätzen: "es ist zu spät. heut nacht wird die seele nicht ans licht gebracht. vereint zum schein trägt jeder des andern sein." Musikalisch leicht illustriert. Dieses Illustrieren durchfurcht die ganze Scheibe. Man nennt das dick auftragen. Es klingt schon angenehm. Doch keins der sprachlichen Bilder ist neu oder einigermaßen originell. Und dann kommt noch ein Chor, der sich - wider dem luftig apolitischen Text - in einen afrikanischen Choral wandelt. Mal so ganz kurz. Der Sinn dieser Aktion erhellt sich mir nicht.
"Wie ein Tropfen auf dem heißen Stein" (Twist In My Sobriety - Tanita Tikaram). Ich schrieb ja bereits, ich erinnere mich an die Linearübersetzung und erschrecke davor, dass die hier vorgenommene "Übertragung" genauso geworden ist wie die Aussagen, welche Tanita Tikaram im Originaltext anprangert. Ihre Quintessenz lautet "Du wirst nie mehr sein als ein Fehltritt in meiner Nüchternheit". Und das lasse ich einfach mal so stehen. Musikalisch wird der Titel - etwas michaelisierter als das Original - von einer coolen Leichtigkeit getragen. Es hätte ruhig noch etwas cooler sein können.
"Für immer und gleich" (Right Her Waiting - Michael Bolton) ist ein lapidarer Schlager. "da bleiben worte ungesagt. auch von mir. das bisschen hoffnung wird vertagt. wärst du doch hier." Irgendwie eine Art Tanzcafé-Nummer. Obwohl "ich sagte ewig und du hast geweint" ein klein wenig altersgruppenbezogen dagegen spricht.
"An ein Ideal" (Another Love - Tom Odell), schön mit Piano umgesetzt. Hier gefällt mir sogar der Text einigermaßen gut. Nicht dass er sprachlich oder metaphorisch ausgeklügelter wäre als die anderen, aber hier erscheint mir das oberflächliche Gesülze stimmig und passend. Dynamisch steigert sich der Titel noch. So mag ich es ein wenig. Man muss ja nicht alles bierernst nehmen. "all die tränen, die ich hab, all die liebe, die ich gab". Mit einem enttäuschten Seufzer zieht das Lied von dannen.
"Ohne Flügel im Wind" (Learning To Fly - Tom Petty). Ja, auch das kann man so machen. "freier fall ist'n hartes ding". Im Prinzip ist es eine nette Weghörnummer, so für einen Sonntagmorgen.
Dass man aus allem, wenn man das möchte, so eine Art 70er-Jahre-Hausfrauenmusik machen kann, beweist auch "Gib mir Zeit" (Baby Can I Hold You - Tracy Chapman). Allmählich bin ich etwas ergrimmt über die fast durchgängige textliche Einfallslosigkeit in der Auswahl der Themen und der Worte. Was die Themenauswahl betrifft, ging es mir auch schon mit dem Vorgängeralbum so.
Mein Grimm ändert sich auch nicht durch "Jeder wird verletzt" (Everybody Hurts - R.E.M.), welches mir - nicht nur wegen der die CD durchfließenden musikalischen Solidität und Akkuratesse - ansonsten recht hübsch gefällt, selbst da, wo Dirk Michaelis gesanglich in den typischen Duktus eines 60er-Jahre-Schlagersängers verfällt. Da klingt sogar neben dem Hang zum angestrebten perfektionistischen Gesang so etwas wie der Hauch einer Beseelung durch, die ich sonst in keinster Weise weiter auf dem Album zu entdecken vermochte. Ebenso wenig wie Herz und das Gefühl, das geliebt wird, was da getrieben wird. Ja, jeder wird verletzt. So auch die musikalischen Helden und deren Gefühlswelten. Ich wurde es mit diesem Album auch und mit Sicherheit werde ich damit alles andere als alleine bleiben.
"Ich vermiss dich" (Missing - Everything But The Girl) versucht wenigstens neben der hier üblichen Sprechblasenerschöpfung ansatzweise eine Geschichte zu erzählen, was wohl dem Originaltext zuzurechnen sein kann. Mal etwas Anfaßbares. Dafür halte ich nun wiederum dieses Stück musikalisch für einen kleinen Affront. Vielleicht ist es aber letztendlich nur ein misslungener Gag.
Um uns zum Schluss noch die Botschaft mit auf den Weg zu geben, dass einfach mal alles erlaubt ist, wird mit "Waffenbrüder" die Adaption von "Brothers In Arms" der Dire Straits in melancholisch verklimperter Pianobegleitung präsentiert. Und der einzige Text auf der CD, der mich beinahe zu berühren und "mitzunehmen" vermochte, wurde schwelgerisch etüdierend verspielt.

Was haben wir gelernt? Zwei Dinge. Dirk Michaelis kann sehr gut singen. Man kann aus allem einen Schlager machen. Aber das wussten wir ja alle schon vorher. Dafür war dieses Album nicht nötig. Ich bin sehr traurig darüber, dass diese CD so existiert wie sie nun mal existiert. Schade um diese Idee. Sorgen mache ich mir aber keine. Nicht über den Absatz dieses Albums, nicht über die Besucherzahlen der Konzerte und auch nicht darüber, dass in die Zukunft gerichtet irgendetwas davon längerfristig bleibt.
(Andreas Hähle)



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