mnketten 20131229 2043700605 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Ketten"
Mike Nuhn
CorleeMadMusic
08/2013

1. Der Zug
2. Tanz mit mir
3. Kopf oder Zahl
4. Ketten
5. Todesengel
6. Lüg mich an
7. Sag mir
8. Lichtlein
9. Kinder der Welt
10. Schmied
11. Blauer Planet
12. Weck mich





Stellt Euch vor, Max Raabe würde ins Fach "Neue Deutsche Härte" wechseln. Klingt komisch? Dachte ich bisher auch. Inzwischen kann ich es mir vorstellen, wie das klingen könnte, denn ich habe das Album "Ketten" von Mike Nuhn gehört. Nach der Introduktion "Der Zug" folgt das Stück "Tanz mit mir" und ich konnte mir - der Künstler möge es mir verzeihen - ein Lachen nicht verkneifen. Brettharte Gitarren und dann dieser Gesang ... Die Frage, ob der Künstler das ernst meint, kam sofort auf. Als wäre das noch nicht komisch genug, folgt eine Rap-Einlage in feinstem Hinterhof-Slang. Beim folgenden Stück "Kopf oder Zahl" entfernt man sich musikalisch kurzzeitig von der NDH und wechselt mal schnell in den Pop/Rock-Bereich. Aber auch hier kann Nuhn gesanglich nicht überzeugen. Insgesamt klingt der Song wie aus einem Proberaum, wo der Automechaniker Manni mit seinen Kumpels aus der Werkstatt nach Feierabend versucht Musik zu machen. Irgendwie nicht zu Ende gedacht und von der Umsetzung her auf niedrigem Schulband-Niveau. Ich wünschte, ich könnte über das Album und speziell über den Gesang Mike Nuhns noch lobende Worte anfügen, aber leider durchziehen die oben beschriebenen Schwächen das Album "Ketten" wie ein roter Faden. Speziell beim Stück "Todesengel" hört man sehr deutlich, dass vieles am Computer entstanden ist. Das ist pures Dosenfutter! Die Drums klingen kalt und wie ein Fremdkörper, die Gitarren wie lieblos drübergebügelt, aber die Krönung ist der Text! Zeilen wie "Todesengel, komm vorbei | Wir reiten durch die Walachei" oder "Ich reite gerne | In die Ferne | Seh' fremde Sterne | Sie zieh'n an mir vorbei" beleidigen nicht nur das Ohr sondern auch den denkenden Kopf des Zuhörers. Das ist aber noch längst nicht der schwächste Text auf der CD. Mit großem Abstand lässt nämlich der Text des Songs "Blauer Planet" alle anderen weit hinter sich und bringt eine bisher noch nie dagewesene Portion Fremdschämen mit sich. Ich zitiere: "Du bist so bunt, man findet alle Farben | Du spendest uns Luft, die wir brauchen zum Atmen | Feuer und Glut, das macht uns Angst (danach folgt ein lauter Schrei aus dem Hintergrund) | lässt uns nicht geh'n, ziehst alles an | Du lässt es regnen, lässt es schnei'n | manchmal wird es warm, dann gibt es Sonnenschein". Das lasse ich mal unkommentiert so stehen. Und so geht es weiter mit unfreiwillig komischen Dark-Metal-Kopien wie "Lüg mich an" oder tollpatschigen Versuchen, textlich was Anspruchsvolles hinzulegen, wie in "Lichtlein". Und wenn man bei den ersten gelungenen Tönen am Anfang eines der Lieder denkt, man hat endlich einen guten Song entdeckt, wird diese stille Hoffnung schon nach wenigen Sekunden wieder mit einer anderen Plattheit neutralisiert ("Sag mir").

Ich fasse mich kurz: Dieses Album könnte als Vorlage für eine Sitcom dienen. Ernst nehmen kann (zumindest) ich es jedenfalls nicht. Mike Nuhn hat mit seiner Stimme in der Rockmusik nichts verloren. Er ist ganz sicher ein Gewinn für jeden Kirchenchor, aber den Rocksänger nimmt ihm keiner ab. Die ganze CD ist seltsam. Nicht nur inhaltlich, sondern auch von der Aufmachung her. Besonders niedlich ist ja das Bild auf der Rückseite des Booklets, das eher für die Hörspiel-Reihe "Hui Buh" aber weniger für eine Rock-Platte geeignet ist. Das einzige, was auf dieser CD gut klingt, ist der Backgroundchor. Und das auch nur, weil - warum auch immer - Kathy Kreuzberg dafür gewonnen werden konnte. Im Pressetext der Plattenfirma wird als letztes die Frage gestellt, "Ist das noch Deutschrock?", und mit den Worten, "Ja, aber offensichtlich für Leute, die von Musik mehr erwarten als Taktgebung für's Mähneschütteln", selbst beantwortet. Liebe Leute, diese Songs wird garantiert kein "Mähneschüttler" anfassen. Höchstens, wenn er vor lauter Unverständnis mal kräftig mit dem Kopf schütteln möchte. Ich schreibe es nicht gerne, aber meine Empfehlung lautet: Finger weg!
(Christian Reder)



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