fg-limr 20130713 1645634051 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Liebe ist meine Religion"
Frida Gold
Warner Music
28. Juni 2013

1. 6 Billionen
2. Liebe ist meine Rebellion
3. Die Dinge haben sich verändert
4. Leuchten
5. Rosegarden
6. Himmelblau
7. The Time Is Always Now
8. Im Rausch der Gezeiten
9. Im nächsten Leben
10. Miss You
11. Grosse Erwartungen
12. Deine Liebe





Für viele Bands ist gerade das zweite Album schon zum Stolperstein auf dem Weg nach oben geworden. Die Reihe derer, die nach einem ersten Erfolg durch Single oder Album den Hunger und das Gefühl der Zeit vor dessen Produktion nicht wiederfinden konnten, ist lang. Man genoss den katapultartigen Aufstieg in die oberen Chart-Regionen, den Rummel um einen selbst und das Gefühl, endlich oben angekommen zu sein und vergaß dabei völlig, diesen Erfolg zu untermauern und sich um die Zeit danach zu bemühen. Aber auch so ist es schwer, sich oben zu halten. Es kommt nämlich noch dazu, dass der heutige Konsument zu schnell vergisst, was ihm gestern noch gefallen hat. Heute hört man anders Musik, als noch vor ein paar Jahren. Speziell die junge Generation ist ja in Bezug auf den Konsum von Musik in ein fragwürdiges Verhaltensmuster aus Runterladen, Hören bzw. Benutzen und anschließendem Wegwerfen gerutscht. Bei der Generation "Download" noch von Wertschätzung zu sprechen, wenn es um Musik und Kunst im Allgemeinen geht, verbietet sich von selbst. Die Zeiten haben sich also geändert und so ist das so genannte "Nachlegen" in Bezug auf erste Erfolge für Musiker heute umso schwerer, als noch vor wenigen Jahren. In diesem ziemlich seltsam gewordenen Pop-Geschäft von heute versuchen sich auch FRIDA GOLD nach den Erfolgen ihres ersten Albums und den daraus ausgekoppelten Singles oben zu halten. Platz 14 erreichte ihr Debütalbum "Juwel" im Jahre 2011. Mit darauf enthalten ist der Hit "Wovon sollen wir träumen" (Platz 19 der Single-Charts). Seit knapp zwei Wochen ist das zweite Album "Liebe ist meine Religion" erschienen und die Band toppt gerade die Erfolge ihres Erstlingswerks.

Eigentlich könnte man hier schon enden und sagen, "Mit Platz 1 in den Albumcharts für 'Liebe ist meine Religion' und Platz 4 für die Single "Liebe ist meine Rebellion" ist alles gesagt". Warum noch viele Worte verlieren, die Scheibe ist gut "gechartet" und alles ist klar. Aber ganz so einfach wollen wir es uns dann doch nicht machen. Bleiben wir kurz bei der Single "Liebe ist meine Rebellion". Das Ding lief ja schon reichlich im Radio, was wohl auch die hohe Chartplatzierung erklärt. Die Hörer lange genug damit beschallen, bis sie es dufte finden. Wer die Nummer hört, weiß gleich, dass das Lied keine Erfindung von FRIDA GOLD ist. Vielmehr bediente man sich auf dem Restpostenmarkt der Popmusik der 90er Jahre. Im Frühjahr 1997 ging uns eine Sängerin namens GALA mit ihrem Song "Freed from Desire" tierisch auf den Zwirn. Diese zu Geräusch gewordene Körperfunktionsstörung zeckte sich satte 27 Wochen in den Singlecharts fest und ist nur ein Beispiel für die ideenlose und grauenhafte Musiklandschaft der 90er. Gerade hatte man dieses Trauma verdrängt, da knibbeln Alina Süggeler und ihre Kollegen von FRIDA GOLD die alten Wunden wieder auf, denn diese Nummer findet sich plötzlich auf ihrer neuen CD wieder. Aus "Freed from Desire" machten die Sängerin und ihre drei Musiker kurzerhand "Liebe ist meine Rebellion". Zugegeben, der im Original verwendete Discobeat ist neuzeitlicheren Tönen gewichen, aber an der Tatsache, dass die Nummer gar nicht geht, auch nicht mit einem anderen Text und einer sehr guten Sängerin, ändert sich nichts. Aber das ist ja nur meine kleine bescheidene Meinung, denn - wie schon erwähnt - spricht der 4. Platz in den Single-Charts für FRIDA GOLD eine deutliche Sprache. Offenbar gefällt es dann doch ein paar Leuten mehr... Am Ende dieser Seite ist das offizielle Video zu dem Song zu finden. Mache sich bitte jeder selbst ein Bild.
Aber die CD macht trotzdem 'ne Menge Spaß. Mit dem Song "6 Billionen" startet man in den 48 Minuten langen Besuch in der Welt von FRIDA GOLD. Der Song besteht aus einer harmonischen Struktur aus Pop-, Dance- und Rockelementen, die nicht nervt und auch beim zweiten und dritten Mal Hören zu gefallen weiß. Diesem äußerst gelungenen Start folgt dann die eben schon erwähnte Coverversion aus den 90ern.
An dritter Position befindet sich die Feststellung "Die Dinge haben sich verändert". Richtig, erkannt. Zu dem Thema habe ich ja eingangs lange genug philosophiert. Aber in dem Song geht's nicht um das, worüber ich mal wieder gemeckert habe, sondern um die Last mit der Liebe und darum, dass sich die Liebe auch in die falsche Richtung verändern kann. Was sich aber offenbar nicht verändert, ist der Schlagzeugbeat der Endachtziger und frühen Neunziger, die man hier im Song verbaut hat. Der Retro-Sound in Verbindung mit Damenchor, Streicherpassagen und diversen kleinen Synthie-Spielereien haben aber durchaus Charme, wirken aber im Gegensatz zu anderen neuen Produktionen im Retrostil doch sehr altbacken. Dazu kommt noch ein weiterer Punkt, der nicht gefällt. Ich bin kein Freund von Sprachenmischmasch in einem Text. Bei Zeilen wie "Ich vermiss das so / wir war'n im selben Flow" krieg ich ehrlich gesagt Wutpickel, weil mich das an Hip Hop und den darin überwiegend verwendeten Baumschul-Slang seiner Protagonisten erinnert. So was kann den Gesamteindruck eines Songs kräftig trüben und diesem Stilmittel, Englisch und Deutsch in einem Song zu singen, begegnet man auf der CD leider noch öfter (im Refrain zu Song Nr. 2 ist das auch so, was nochmals zu Punktabzügen führt).
Ein weiteres Mal fällt es im Song "Rosegarden" unangenehm auf. Alina Süggeler bringt stimmlich eigentlich alles mit. Sie verfügt über viele Möglichkeiten im Gesang, legt ab und an sogar eine gehörige Portion Soul hinein und dann zerschrammelt sie diese positiven Eindrücke in einem Song durch ihr kaum zu überhörendes Schulenglisch. Mädel, das geht gar nicht... Musikalisch braucht die Nummer ein paar mal Hören mehr, bis sie zündet und die in ihr verborgene Geschichte und die Wirkung der Musik zu entfalten.
Richtig Spaß macht hingegen "Im Rausch der Gezeiten". Durch den tiefsinnigen Text in Verbindung mit der synthetischen Musik und den kräftigen Dance-Beats entwickelt das Lied ein Eigenleben und kann den Hörer in einen regelrechten Rausch versetzten. Hier ist es der Band exzellent gelungen, den Inhalt mit Musik zu verbinden. Das Wort "Rausch" im Songnamen passt wie die Faust aufs Auge. Perfekt arrangiert, perfekt gesungen und ein echter Hit-Anwärter! Für mich der stärkste Titel auf dem Album.
Beim Stück "Im nächsten Leben" frage ich mich, ob Alina vor dem Schreiben dieser Nummer die Nacht damit verbracht hat, den Backkatalog von Marianne Rosenberg komplett zu hören. Ein Song, den man auf einem Marianne Rosenberg-Album eher vermuten würde, als auf dieser CD. Musikalisch handelt es sich um eine entspannte Popnummer, die sich als Soundtrack für Mädchenträumereien förmlich anbietet. Ein Song für das rosa angemalte Teenager-Zimmer. Nicht mein Fall.
"Große Erwartungen" erinnert musikalisch sehr an Alphaville und Camouflage. Exzellenter Synthie-Pop mit starkem 80er Einschlag. Eine der besseren Nummern dieses Albums. Zu erwähnen ist unbedingt noch das 12. Stück. Es heißt "Deine Liebe" und ist eine leise Klavier-Ballade, bei der man zum ersten Mal die gesamte Schönheit von Alinas Stimme pur und unverfälscht hören kann. Man wird nicht durch technischen Schnickschnack abgelenkt und kann sich voll und ganz auf ihren Gesang und den Inhalt konzentrieren. Feuerzeuge raus, in die Höhe gereckt und kräftig damit geschwenkt. Die leise Phase des Songs wird zum Ende hin mit Gitarren und Schlagzeug etwas unruhiger und lauter, hat aber trotzdem einen berührenden Charme. Großartig!

Ein Fazit zu dieser CD - zudem ein eindeutiges - zu finden, fällt mir nicht leicht. Als Freund von elektronischen Sounds und Spielereien rennen FRIDA GOLD bei mir offene Türen ein. Die Platte ist richtig gut produziert, viele der Songs überzeugen durch die Lust der Musiker am Experimentieren und den Gesang ihrer Sängerin. Mit "6 Billionen" wurde der richtige Song an erster Stelle gesetzt. Den zweiten Song, also "Liebe ist meine Rebellion", hätte man sich aber getrost sparen können. Hat man aber nicht, sondern ihn sogar als Single veröffentlicht. Damit müssen FRIDA GOLD gar nicht erst anfangen. Es steckt genug Potential in den eigenen Reihen, um eigene und wesentlich bessere Nummern zu schreiben, als sich in den Archiven der 90er nach ausgelutschten Vorlagen umzusehen. Beispiele dafür finden sich auf dieser CD ja genug. Auch sollte das Wechseln der Sprache innerhalb einzelner Songs unterlassen werden. Entweder komplett auf Englisch, was ich bei den Englischsprachkenntnissen der Sängerin nicht empfehlen würde (schlechteres Englisch habe ich nur bei Peter Schilling gehört) oder man bleibt konsequent in der Muttersprache. Musikalisch hat sich die Band im Vergleich zum Vorgängeralbum nicht großartig weiterentwickelt. Nichts Neues im Westen könnte die Botschaft von Castrop-Rauxel nach Hattingen lauten. Aber FRIDA GOLD sind ihrer Linie treu geblieben und haben lediglich den eigenen Stil verfeinert. Und das haben sie gut gemacht!
Inhaltlich geht es bei FRIDA GOLD um Liebe, Liebe, Liebe und... natürlich Liebe. Und die in jedem Aggregatzustand. Mal im Poesiealbum-Stil, mal in nüchternen Zeilen, ein anderes Mal tiefsinnig und mit feinen Formulierungen. Abwechslung kommt dabei natürlich nicht gerade auf und richtig über einen Song nachdenken, kann man hier eigentlich nur ein einziges Mal ("Im Rausch der Gezeiten"). Was nun aber soviel besser an "Liebe ist meine Religion" als an "Juwel" sein soll, und wie die unterschiedlichen Chart-Platzierungen der beiden Scheiben zu erklären sind, will sich mir nicht wirklich erschließen. Beide Alben sind von gleicher Qualität, nur das erste landete auf 15, das zweite auf 1. Wer weiß, was das für Gründe hat. Möglicherweise ist aber auch nur die Strategie aufgegangen, die vier Musiker bei einer Laienspielgruppe mitmachen zu lassen. So geschehen vor ein paar Wochen, als FRIDA GOLD einen Auftritt in einer hochfrequentierten Seifenoper bei dem Kölner Sender mit den drei bunten Buchstaben hatten. Was auch immer es ist... Ich habe keine Ahnung. Sicher ist nur, dass die Sängerin eine Stimme mit Wiedererkennungswert hat und auch die Musik, die ich ja eben schon beschrieb, das gewisse Etwas hat. Aber es ist eben nichts wirklich Neues. "Liebe ist meine Religion" ist keine Enttäuschung, aber auch kein großer Wurf. Schon gar nicht die Neuerfindung der Popmusik.
(Christian Reder)


 

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