sasskoenig 20130808 1853885704 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Königskinder"
Katrin Sass
edel content
17. Mai 2013

1. Reichtum der Welt
2. Als ich fortging
3. Wenn die Stadt
4. Wer sperrt die Menschen ein
5. Königskinder
6. Über sieben Brücken
7. Unsere Heimat
8. In dem Café
9. Sag' mir wo die Blumen sind
10. Was rettet die Welt
11. Über den Wolken
12. Mack The Knife (Bonustrack)





Neulich schaute ich im Spätprogramm des ZDF mal wieder in die Sendung "Markus Lanz" rein. Eigentlich mag ich den Lanz gar nicht. Er hat manchmal eine sehr penetrante Art und Weise, seine Gäste zu Themen zu befragen, ja ... mit diesen Fragen fast schon zu nerven, über die man als Zuschauer oft auch gar nichts wissen möchte. Aber gut... Lanz kommt von RTL, und wie da gearbeitet wird, wissen wir ja alle. Ich schalte trotzdem ein, weil er immer gute und interessante Gäste einlädt. Und in der eben erwähnten Sendung war Katrin Sass einmal mehr sein Gast. Ich könnte ihr stundenlang zuhören und ihren Erzählungen folgen, von mir aus könnte sie auch ganz allein Gast in dieser Sendung sein. Ich freue mich deshalb darüber, wenn sie mal wieder im Fernsehen ein Interview gibt, weil man von ihrer Spontanität und Ehrlichkeit immer wieder aufs Neue überrascht wird. Sie ist schlagfertig und hat ein Gespür dafür, was und wann man etwas kommentieren bzw. kritisieren muss. Als Schauspielerin mag ich sie ebenso gern. Die Rollen, die sie spielt, stellt sie so authentisch dar, dass man glauben möchte, sie sei die Person, die sie da spielt. Und das sind nicht immer die gleichen Charaktere, die sie überzeugend rüber bringt. Eine Aufzählung aller Rollen würde hier wohl den Rahmen sprengen, aber an ihrer Darstellung der Christiane Kerner in dem Kinofilm "Goodbye Lenin" kommt man nicht vorbei, denn die ist schon jetzt legendär. Was ich bisher aber nicht wusste war, dass sie auch singt. Gut, man hat sie in der TV-Serie "Weissensee" in der Rolle der Sängerin Dunja Hausmann erleben können, aber dass sie auch außerhalb ihrer Serienrolle singt und damit auftritt, war bis zur "Lanz-Sendung" komplett an mir vorbei gegangen. Dort erzählte sie davon und gab am Ende der Sendung auch noch eine Kostprobe ihrer Kunst. Erst da erfuhr ich, dass es auch eine CD von ihr gibt. Inzwischen habe ich diese CD, die "Königskinder" betitelt wurde, bekommen, und die möchte ich Euch heute vorstellen.

Ein Blick auf die Titelliste der CD verrät bereits, dass die Lieder, die Katrin Sass in der Serie "Weissensee" gesungen hat, auch hier enthalten sind. Dann aber stolpert man über Titel wie z.B. "Reichtum der Welt", "Über sieben Brücken" oder "Als ich fortging". Klassiker aus der DDR-Rockgeschichte von Katrin Sass gesungen? Das macht neugierig ... Mit "Reichtum der Welt" startet das Programm auch, aber wiedererkennen kann man den Holger Biege-Titel erst mal nicht. Ein jazziges Stück mit Klavier, Schlagzeug und Bläser ist daraus geworden. Wow! Das ist genial. Und dann steigt Katrin Sass mit dem Gesang ein. Wenn überhaupt, erkennt man das Lied über seinen Text wieder, vom Arrangement her eher nicht. Katrin Sass hat den Text hergenommen und ihn in einen Jazz-Titel übertragen. Sie hat ihn sich - wie man so schön sagt - zu Eigen gemacht. Und das gefällt - es ist eine runde Sache. Gleiches gilt für "Als ich fortging", das im Original so eine melancholische, ja fast schon etwas düster klingende Grundstimmung hat. Auf Katrins Album befindet sich eine wunderschöne und jazzige Version, die durch die Bläser und die Klavierbegleitung eine ganz andere Stimmung erhalten hat und die einem sofort auffällt, wenn das Stück startet. Anders als beim "Reichtum der Welt" ist "Als ich fortging" sehr gut wiederzuerkennen. Zwar ist durch das neue Arrangement eine Menge verändert worden, aber den Titel erkennt man trotzdem wieder. Ganz anders bei "Über sieben Brücken", das im Original von KARAT stammt, und das durch Katrin Sass und ihre Band einen komplett anderen Anstrich bekommen hat. Auch hier erkennt man das Lied erst durch Katrins Gesangseinsatz wieder, ansonsten ist es etwas ganz Neues, das hier entstanden ist.
Aber das Album hat noch mehr zu bieten, als Coversongs aus dem Genre "Ostrock". Ich erwähnte bereits, dass die Lieder "Wenn die Stadt", "Wer sperrt die Menschen ein", "Königskinder", "In dem Café" und "Was rettet die Welt" aus der TV-Serie "Weissensee" zu hören sind. Im Gegensatz zu den drei Ostrock-Klassikern sind diese Lieder eher dem Bereich Chanson zuzuordnen. Während "Wenn die Stadt" ein in sich ruhendes und wunderbar arrangiertes Stück Musik ist, unterstreicht die eher hektische und fast düstere musikalische Umsetzung des Stücks "Wer sperrt die Menschen ein" den Inhalt des Liedes. Das Cello und die Art des Klavierspiels lassen es insgesamt etwas lauter und vordergründiger wirken, obwohl es gar nicht laut ist. Inhaltlich reisen wir mehr als 20 Jahre zurück, als die Mauer Berlin und die innerdeutsche Grenze den Osten vom Westen trennte. "Wer sperrt die Menschen ein / wer sperrt sie ein / nur die alten Männer / die Angst haben", heißt es da, und wer die Zeit der Trennung Deutschlands erlebt hat, kann damit auch etwas anfangen. Das Lied zeigt Wirkung und die Art und Weise, wie Katrin Sass es vorträgt, hat daran einen großen Anteil. Auch das Lied "Königskinder" beschäftigt sich mit dem Thema. Es ist zwar eine alte volkstümliche Weise, aber sie war zur Zeit der Trennung Deutschlands leider aktueller denn je. Darum heißt es in dem überarbeiteten Text auch, "Es waren zwei Königskinder / die hatten einander so lieb /sie konnten zusammen nicht kommen / die Mauer war viel zu hoch". Statt tiefes Wasser ist es in Katrin Sass' Lied die hohe Mauer, die ein Zusammenkommen verhindert. Verpackt ist das Ganze in einer jazzigen und chilligen Nummer, die live gespielt prima in einen Club oder eine Bar passen würde.
Wer in der DDR aufgewachsen ist, kennt natürlich das Lied "Unsere Heimat". Es ist das 1951 entstandene Pionierlied, dessen Text von Herbert Keller und die Komposition von Hans Naumilkat stammen. Ende der 80er hatte sich schon Angelika Weiz daran gemacht, eine eigene Version des Stücks aufzunehmen, und diesen Faden hat Katrin Sass jetzt wieder aufgenommen. Sie präsentiert es ihren Hörern auf eine in dieser Form bisher wohl noch nie dagewesenen Art und Weise. Es beginnt mit Cello und Klavier ... mehr braucht es erst mal auch nicht. Gegen Ende steigt das Schlagzeug mit ein und ergänzt das vorher eher ruhig dahingleitende Stück mit einem - man kann fast schon sagen - militärischen Marschbeat, der sich in eine luftig und leicht gespielte, ja optimistische Spielweise passgenau einfügt. Der, der es als Kind und Jugendlicher selbst hat singen müssen, wird überrascht sein, was man hier aus dem Lied gemacht hat.
Was bis jetzt schon bunt und abwechslungsreich klingt, wird durch weitere Überraschungen vervollständigt. Katrin Sass interpretiert außerdem den Pete Seeger-Klassiker "Where Have All the Flowers Gone", den man auf Deutsch als "Sag mir wo die Blumen sind" auch von anderen Künstlern bereits interpretiert kennt. Allen voran von der großen Marlene Dietrich und der Rockgruppe CITY. In die illustre Schar großer Namen wie die beiden eben erwähnten Interpreten, aber auch wie Lolita, Hildegard Knef, Juliane Werding, Udo Lindenberg oder Hannes Wader reiht sich nun auch Katrin Sass mit ihrer Jazz-Version ein. Eine französische Version dieses Stücks mit dem Titel "Que sont devenues les fleurs" gibt es außerdem noch von Reinhard Mey. Apropos Reinhard Mey: Auch er ist auf Katrin Sass' CD zu finden. Sie singt seinen wohl größten Hit "Über den Wolken". Wie schon bei den anderen großen Vorlagen zuvor, erkennt man auch "Über den Wolken" zuerst nicht wieder. Nur ganz schlicht mit Klavier arrangiert erhält das Lied eine ganz andere Schwingung und auch Stimmung. Es ist im Gegensatz zum Original komplett "entschleunigt". Katrin singt diesen Klassiker auf ihre ganz eigene Art. Spätestens beim Gesang der Sass ist klar, um welches Lied es sich handelt und von wem es im Original ist. Aber ihre Version ist trotzdem etwas ganz Eigenständiges und lässt sich von der Mey'schen Interpretation klar unterscheiden.
Mit dem von Bertolt Brecht getexteten und von Kurt Weill vertonten "Mack The Knife" aus dem Theaterstück "Die Dreigroschenoper" aus dem Jahre 1928 verabschiedet sich die Künstlerin ebenso beeindruckend von ihren Hörern, wie sie sie mit Bieges "Reichtum der Welt" begrüßt hat.

Es ist - glaube ich - sehr gut herauszulesen, dass "Königskinder" ein sehr abwechslungsreiches und auch farbenfrohes Album ist. Trotzdem die Lieder auf der CD - vom Papier her - unterschiedlicher nicht sein können, passen sie hervorragend zusammen und das Album folgt insgesamt einem roten Faden. Dieser rote Faden ist die Ruhe ... die in sich geschlossene Entspanntheit der Musik und des Gesangs. Dazu kommt, dass keines der Lieder mehr so klingt, wie es das Original tut. Erwartet man beim ersten Hören der CD gerade bei den bekannten Liedern eine Wiedererkennbarkeit, so wird man positiv von neuen Ideen und Einflüssen überrascht, die die im größten Teil dem Bereich Jazz zuzuordnenden Lieder dem Hörer bieten. Auch wer dem Jazz vielleicht nicht so zugetan ist, sollte dem Album auf jeden Fall eine Chance geben. Allein schon wegen der wirklich überraschenden Gesangsleistung Katrin Sass'. Sie verfügt über eine ganz besondere Stimme, die den Liedern auf dieser CD die besondere Note verleiht. "Königskinder" ist - wie schon erwähnt - ein sehr ruhiges Album, das hier und da an passender Stelle mal etwas die Stimme hebt, insgesamt aber leise Töne anschlägt. Meine Empfehlung: Flasche Wein aufmachen, Licht dimmen, Kerzen an und einfach nur Katrin Sass lauschen. Es wird ein Urlaub für die Seele, den man immer wieder machen kann. Es wird einem neue Energie geben und den Hörer auch bei mehrmaligem Hören immer wieder zum Entdecker neuer musikalischer Feinheiten machen.
(Christian Reder)


 

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