gleis8 20130510 1374264399 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Bleibt das immer so"
Gleis 8
Island / Universal
24. Mai 2013

1. Ändern
2. Die Chance
3. Wer ich bin
4. Eine Sekunde
5. Geh nicht
6. Bleibt das immer so
7. Alles ohne Dich
8. Ich lieb Dich nicht
9. Hier
10. Teufel
11. Liebe ohne Gewähr
12. Zeit





Die neuen Kleider steh'n ihr gut...
Es ist mal wieder "Pause" bei ROSENSTOLZ, und dieses Mal machen sowohl PETER PLATE als auch AnNa R. ihre ersten Alleingänge in Sachen Musik. Alles riecht danach, als würde das auch in Zukunft so bleiben. Doch das ist ein anderes Thema. Während PETER PLATE mit seinem Album "Schüchtern ist mein Glück" bereits im April schon gezeigt hat, was er alles nicht kann, und sich damit dann auch für unsere "Flop Top 10" des Jahres 2013 sehr nachdrücklich beworben hat (siehe Rezension HIER), versucht sich AnNa R. mit einer Rockband und auf für sie musikalischem Neuland. Man darf also gespannt sein, was der weibliche Teil des Duo ROSENSTOLZ ohne den langjährigen Partner, der sie aus dem Eff-Eff kennt, zu leisten in der Lage ist... Vertraut und doch so neu. Das waren die ersten Gedanken, als ich die CD "Bleibt das immer so" gestartet habe. Die Stimme von AnNa R. ist inzwischen eben sehr vertraut. Fast 20 Jahre gab es regelmäßig neuen Stoff aus dem Hause ROSENSTOLZ, deren Gesicht und Stimme sie war, und das - seien wir doch mal ehrlich - ohne sie nie funktionieren würde. Aber das ist auch schon alles, was vertraut ist, denn die Musik ist - wie erwähnt - eine ganz andere. Waren es bei ROSENSTOLZ die großen Balladen und Pop-Songs, ganz früher auch mal die Chansons, die AnNa R. mit ihrer Stimme auf ganz großartige Art und Weise zum Klingen brachte, ist es hier dann doch etwas ganz Neues, was es zu entdecken gilt.

Schon das erste Lied "Ändern" ist ein tolles Stück Musik. Eine Hymne für die Unentschlossenen und die, denen Veränderungen im Leben nicht immer so lieb sind. Das macht auch der Refrain mit seiner Zeile "Was muss sich ändern damit alles bleibt wie es ist?" deutlich. Liebgewonnenes soll nach Möglichkeit immer bleiben, Veränderungen gehen mit einem Umgewöhnen und einer inneren Umstellung einher. "Lass uns so bleiben / aber nicht wie wir sind" macht den Wunsch nach einer Veränderung deutlich, aber diese Veränderung sollte unbemerkt und ohne große Anstrengung eintreten. Musikalisch treffen wir hier auf einen ansprechend arrangierten Rock/Pop-Song, der mit Harfen- und Cello-Tönen angereichert wurde. Der Refrain bleibt im Ohr hängen und könnte sich zum Ohrwurm entwickeln. Großartig, wie AnNa R. dieses Lied mit ihrer Stimme führt und ihm damit auch die besondere Note verleiht. So darf es gerne weitergehen.
Auch "Die Chance", die an zweiter Stelle kommt, überrascht durch mutigen Umgang mit Instrumenten. Ein Xylophon, wieder eine Harfe und ein Glockenspiel kann ich raushören. Später auch Bläser, aber nur als Ergänzung im Hintergrund. Vom Tempo her geht die Nummer ein paar Takte schneller ab als der Opener, und wieder hängt man sofort an der Stimme von AnNa R. fest und lauscht ihrer Geschichte. "Wenn Du nichts falsch machst, kriegst Du 'ne Chance" spricht das weibliche Lied-Ich sein männliches Gegenüber an. Satter Sound, tolle Arrangements, schöne Stimmung - rundum gelungen.
"Wer ich bin" ist der dritte Song auf der CD. Das Lied ist nicht schlecht. Es hat einen ausgesprochen eingängigen Refrain, der den Hörer musikalisch durchaus mitnimmt. Keine Frage! Aber durch die ständige Wiederholung ein und derselben Frage ("Weißt Du wer ich bin, wer ich wirklich bin?") läuft die Nummer Gefahr, schnell zu nerven. Es sind gefühlte 3/4 des gesamten Textes, die aus dieser Frage bestehen, und das ist für meinen Geschmack etwas zu eintönig. Die Musik dagegen ist klasse - Beim Text ist aber noch viel Luft nach oben. Übrigens sind auch hier wieder Harfentöne zu hören, die scheinbar ein beliebtes Stilmittel der Band zu sein scheinen.
Lied Nummer 4 heißt "Eine Sekunde" und ist dann etwas völlig anderes als das bis dahin Gehörte. Eine Ballade - AnNa R. singt nur vom Flügel begleitet. Später setzt eine sanfte Gitarre ein - Gänsehaut. Im Verlauf sind Bläser zu hören... noch etwas später folgen Schlagzeug und ein Akkordeon. Die Fragilität, die die Geschichte mitbringt, wurde hier ganz wunderbar in Musik umgesetzt. Sanft gespielte Instrumente, eine überzeugende Gesangsleistung von AnNa R. - allein für dieses Lied lohnt sich der Kauf dieser CD. Ein echtes Kunstwerk!
Nach der mit Cello-Klängen startenden und zu Deutschrock in Form einer Ballade gewordenen "Frohen Botschaft" in "Geh nicht", folgt der durch Orgelklänge untermalte und mit militärisch anmutenden Schlagzeug-Sounds auffällig werdende Album-Titel "Bleibt das immer so". Schon in der ersten Textzeile wird die Frage gestellt, "Bleibt das immer so, dass nichts für immer hält?", und es wird die Feststellung gemacht, "...und was wir nie bekommen, ist das was uns gefällt". Dieser Feststellung folgt eine weitere, mit der Aussage "Wir sehen was uns trennt / und nicht was uns verbindet". Jeder mag dieses Lied für sich interpretieren. Ich habe meine Interpretation bereits gefunden. Das Lied lässt aber Spielraum für weitere, es bietet seinem Hörer die Möglichkeit selbst zu denken und dem Inhalt zu folgen. Dieser Song gehört eindeutig zu den besten auf der Scheibe und weiß ebenfalls zu überraschen. Diesmal mit einer Orgel und einem Hauch 70er Jahre Rockmusik...
Beim folgenden "Alles ohne dich" begeistert mich die Band einmal mehr mit einer tollen musikalischen Umsetzung. Mit knackigem und lauten Rock startet die Band in ein weiteres Abenteuer... Die mal singende und mal jaulende Gitarre dürfte spätestens hier auch den letzten Skeptiker überzeugt haben, dass es sich um lupenreinen Rock handelt, den GLEIS 8 auf ihrem ersten Album zelebriert und dem AnNa R. mit ihrer Stimme einen interessanten Anstrich verleiht. Als sie anfängt zu singen, fühle ich mich irgendwie an Tamara Danz erinnert. Auch im Verlauf des Stücks bleibt dieses Gefühl da. Es ist die Art, wie sie den Song singt, wie sie ihre Stimme an bestimmten Passagen einsetzt. Aber wüsste ich nicht, dass hier eine CD von GLEIS 8 im Player liegt, und würde man das Stück nach 20 Sekunden stoppen, wäre mein erster Tipp: Hier spielen SILLY mit Tamara Danz - eine bisher noch unentdeckte Song-Perle der Berliner Kultband. Die instrumentale Umsetzung, die Stimme... sehr beeindruckend! Die Geschichte in dem Song ist schnell erzählt: Die Beziehung ist in die Brüche gegangen, und man fühlt sich ohne den anderen plötzlich wie befreit. Es geht einem gut, und man vermisst nichts. Ist das Trotz oder die Wahrheit? Hört es selbst...
Dieser doch recht flotten Nummer folgt mit "Ich lieb Dich nicht" ein weiterer ruhiger und vom Flügel und AnNa R.s Stimme dominierter Song. Und wieder zeigen AnNa R. und die Band, wie genial man einen Text instrumental so verpacken kann, dass Stimmung und Musik eine absolute Einheit bilden. Auch der Text ist dem Autor (die Angaben, wer die Songs geschrieben und betextet hat, sind auf der Promo nicht gemacht worden) sehr gut gelungen ("Es ist so schwer zu sagen, 'Ich liebe Dich' / und noch schwieriger ist ein / 'Ich lieb Dich nicht' / Wenn das Verliebtsein an der Liebe zerbricht / ist es schwer zu sagen 'Ich lieb Dich nicht'/"). So macht man eine Ballade, die funktioniert.
Mit "Hier", einem weiteren balladesken Rock/Pop-Song, und "Teufel", in dem die Band Anleihen beim Britpop genommen und diese sehr ansprechend in ihrem Song verbaut hat (hier zeigt AnNa R. übrigens eine weitere Facette ihrer Kunst, nämlich die der Rockröhre - lasst Euch überraschen), sind wir schon bei den letzten beiden Songs der CD angekommen.
Kurz vor Schluss gibt es "Liebe ohne Gewähr". Und damit auch den ersten Schwachpunkt auf der Platte. Zwar gefällt mir die sphärisch gespielte Gitarre im Hintergrund als verspieltes Detail sehr gut, aber irgendwie will dieses Lied bei mir einfach nicht funktionieren. All die Stärken und überraschenden Momente, die ich in den 10 vorher gehörten Liedern entdeckt habe, fehlen hier. Vielleicht ist es auch nur der Song vom Album "Bleibt das immer so", den man sich einfach schönhören, ja vielleicht sogar erarbeiten muss. Aber das kann ich erst später beantworten.
Mit "Zeit" und einer weiteren Farbnote, die die Band musikalisch angerührt hat, werden wir entlassen. Noch einmal setzt AnNa R. ihre Stimme als zusätzliches Instrument neben denen ihrer Begleitmusiker ein, während ihr die Band mit Bass, Gitarre und Schlagzeug einen psychodelisch anmutenden Teppich liefert. Insgesamt hat das Stück durch die Arrangements eine ziemlich düstere Grundstimmung, die auch zum Inhalt des Songs passt. Gegen Ende schiebt sich die Gitarre in den Vordergrund, und das Lied endet mit AnNa R.s Flehen "Bleib bei mir..."

Würden wir ja gerne, also bei ihr bleiben, aber leider ist die CD dann zu Ende. Wow, was für ein Album! Mit Ausnahme von "Liebe ohne Gewähr", das ich im Moment nicht einordnen und eben so wenig gut finden kann, sind die Songs auf "Bleibt das immer so" eine echte Überraschung. AnNa R. hat die alten Kleider aus dem ROSENSTOLZ-Schrank abgelegt um sich eigene, schönere zu schneidern. Dabei lässt sie sich helfen, denn zu GLEIS 8 gehören außer ihr noch TIMO DORSCH, MANNE UHLIG und LORENZ ALLACHER. Man hört AnNa R. die Lust an der Musik an. Der Spaß ist spürbar, den sie zusammen mit den Musikern zu haben scheint. Der Stilwechsel, den sie mit GLEIS 8 vollzogen hat, steht ihr sehr gut und eröffnet ihr gleichzeitig völlig neue Möglichkeiten. Die Arrangements und die Auswahl der verschiedenen Stile im Bereich Rock, Pop und Ballade lassen der Sängerin endlich mal wieder Freiraum, sich und ihre Stimme voll zu entfalten. Allein im Song "Teufel", in dem AnNa ihre Qualitäten als Rocksängerin, als richtige Röhre, zum Vorschein bringt, ist die Überraschung schlechthin. Das in der Rezension von mir schon geäußertes Gefühl, in AnNa die vor knapp 17 Jahren verstorbene TAMARA DANZ gehört zu haben, dürfte mit großer Wahrscheinlichkeit auch andere Hörer beim Hören der CD erreichen. Wem es genauso geht, der möge sich bei mir einfach mal melden.
Im direkten Vergleich mit ihrem ROSENSTOLZ-Kollegen Peter Plate, spielt AnNa R. mit GLEIS 8 in einer anderen Liga. Wenn wir hier nicht sogar von einer anderen Sportart reden müssen. Die Platte macht Spaß. Vom ersten bis zum letzten Ton. Die Verspieltheit der Band und ihre offenbar stark vorhandene Experimentierfreude verleiht jedem Lied seine Einzigartigkeit und eine eingebaute Garantie, ganz sicher mehr als nur einmal gehört zu werden. Mit einer oder vielleicht zwei Ausnahmen ist jedes der Songs ein potentieller Kandidat für eine Single-Auskopplung.
(Christian Reder)




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