glasperlenspiel2013 20130503 1402061420 Titel:
Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Grenzenlos"
Glasperlenspiel
Polydor / Universal
10. Mai 2013

1. Grenzenlos
2. Nie vergessen
3. Herz aus Gold
4. Unsterblich
5. Was Du nicht weisst
6. So leicht
7. Wie ich nicht sein will
8. Tanzen den Schmerz weg
9. Lasst uns was bewegen
10. Bevor ich gar nichts sage
11. Risiko
12. Zu Hause






Ich habe in den letzten Tagen eine Diskussion über die neue Platte einer anderen Band verfolgt. Diese Band hat sich die Frechheit rausgenommen, sich - den Gegebenheiten geschuldet - weiterzuentwickeln. Sowas darf man in den Augen einiger Zeitgenossen offenbar nicht mehr. Auch dann nicht, wenn die langjährige Sängerin verstorben ist und sich die übrig gebliebenen Musiker eine neue Frontfrau und damit auch ein neues Konzept suchen mussten. In dieser Diskussion fiel auch oft die Bezeichnung "Schlager" und wurde ausschließlich als Herabwürdigung der Musik auf diesem Album verwendet. Ein weiterer Vorwurf war, dass die neue Musik dieser Band wie SILBERMOND oder JULI klingen würde. Diese Vorwürfe kann ich nicht teilen. Nicht nur, weil ich das da nicht heraus höre, sondern weil ich diese Herabwürdigungen durch völlig falsche Vergleiche nicht mehr lesen kann. Es nervt und ist Jammern auf ganz hohem Niveau. Vor noch gar nicht allzu langer Zeit haben wir uns alle darüber beschwert, dass es kaum noch gute Musik "Made in Germany" gibt. Aus Mangel an Alternativen sind sogar ganz viele Leute völlig verwirrt zu Konzerten der Gruppe PUR gelaufen. Wir haben gejammert, weil die Plattenfirmen nur noch Techno-Geschrammel und Musik aus dem Ausland veröffentlicht haben. Inzwischen hat sich die Lage verändert. Bands wie SILLY, JULI, CITY, SILBERMOND, JOACHIM WITT, LUXUSLÄRM oder auch GLASPERLENSPIEL bevölkern wieder (oder erstmals) die Charts. Einige von den genannten Bands sind traditionsreiche Kapellen mit ruhmreicher Vergangenheit, andere sind neue Bands, also Vertreter der neuen Generation Musiker, die in erster Linie die Jugend von heute anspricht. All diese Bands haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass die deutsche Musiklandschaft wieder blüht, und dass die einst triste Landschaft wieder verlockend schön ist. Warum muss man gerade jetzt hergehen und mache der Produktionen schlecht reden? Was ist daran verwerflich, als Musiker Erfolg zu haben mit dem, was man macht?

Die Gruppe GLASPERLENSPIEL legt in den nächsten Tagen ihr zweites Album "Grenzenlos" vor. Es ist das Nachfolge-Album zu "Beweg dich mit mir" und ein weiterer - wie ich finde - sehr schöner Farbtupfer in der eben erwähnten deutschen Musiklandschaft. Auch GLASPERLENSPIEL macht Musik, die sich schlecht einordnen lässt. Und das will der Deutsche ja nunmal gerne tun, in dem er alle Alben in eine Schublade steckt. Und auch hier hört und liest man immer wieder das Wort "Schlager". Wie dem auch sei... Die Gruppe GLASPERLENSPIEL hat sich in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt. Zwischen "Grenzenlos" und seinem Vorgänger sind spürbare Sprünge heraus zu hören. Es ist gar nicht so leicht, den richtigen Weg zu finden, um auf der einen Seite nicht in den Kitsch-Topf zu plumpsen und auf der anderen Seite vor lauter Anspruch sein Publikum nicht mehr zu erreichen. GLASPERLENSPIEL haben mit der neuen Scheibe die richtigen Steine im Fluss des Business erwischt um trockenen Fußes am anderen Ufer anzukommen. Oder deutlich gesprochen: Das Ergebnis, also ihre neue CD, ist absolut gelungen. Wunderschöne Elektropop-Songs mit persönlichen und Bilder in die Köpfe der Hörer zaubernden Texten. Das Duo aus Baden-Württemberg unterscheidet sich mit ihrer Musik deutlich von anderen Bands dieses Genres. Im Gegensatz zur ersten CD, auf der noch die eine oder andere Unsicherheit heraus zu hören war, treten die beiden Musiker nun ziemlich souverän auf und präsentieren ihre Songs in perfekten Produktionen mit teilweise richtig überraschenden Ideen - einmal abgesehen von dem verunglückten Rap-Versuch Daniel Grunenbergs im Stück "Lasst uns was bewegen", der Gott sei Dank ein Einzelfall geblieben ist. In wie weit dieses Album Persönliches und eigene Erlebnisse beinhaltet, kann ich nichts sagen. Aber die Themen, die die beiden Musiker hier anfassen, sind abwechslungsreich und erzählen Geschichten, wie sie wohl viele Menschen schon erlebt haben und/oder erzählen könnten. Z.B. in dem Stück "Wie ich nicht sein will". Es geht hier offenbar um einen Elternteil, der entweder kein richtiger Vater oder keine richtige Mutter gewesen ist. Das Lied-Ich fühlt sich verlassen und rechnet nun ab ("Ich such' nach Hass für Dich / doch irgendwie ist alles still / Ich hab von Dir gelernt / vor allem wie ich nicht sein will"). Es ist der fast schon greifbare Wunsch nach eben diesem Elternteil und einer heilen Familienwelt, der aber trotzig zur Seite geschoben wird, weil eben nichts daraus geworden ist ("Auch wenn Du fehlst / es fehlt mir nichts / Auch wenn Du gehst / es fehlt mir nichts"). Ein Thema, dass in der heutigen Zeit leider viele Kinder erleben müssen, weil Vati und Mutti bei der Produktion des Sprösslings richtig fleißig waren, es aber im Anschluss nicht geschafft haben, gute Eltern zu sein. Und damit komme ich auf meine einleitenden Worte zurück: Allein der Stoff in diesem Lied verbietet es schon, diese Musik in die Schlagerecke zu schieben.
GLASPERLENSPIEL haben aber nicht nur traurige Botschaften in Musik verpackt. In einem anderen Stück machen sie ihren Hörern z.B. Mut. "Tanzen den Schmerz weg" ist so ein Stück. Jeder ist mal in einer Lage, in der die Welt schwarz und hoffnungslos erscheint. Man wünscht sich an einen anderen Ort um den Problemen des Alltags zu entfliehen. Dieses Erlebnis scheinen auch die beiden GLASPERLENSPIELer schon gehabt zu haben. Was macht man da am besten? Genau... Tanzen. Zu guter Musik einfach mal die Probleme bei Seite schieben, das macht jede Generation und darum ist dieses Stück auch generationsübergreifend! Und weil es so gut zum Thema passt, wurde die Botschaft in einen knackigen Pop-Song mit tanzbaren Beats verpackt. Ein Dance-Song mit Botschaft, wenn man so will.
Ebenso positiv ist auch die Botschaft in dem Lied "Grenzenlos", das dem Album letztlich auch seinen Namen gegeben hat ("Keine Träume sind für uns zu groß / Ich schwör Dir heute sind wir grenzenlos"). Es ist ein Song, der die unbändige Lust auf Leben und Erleben wiedergibt und zur Hymne für alle die werden kann, die positiv zum Leben mit all seinen Hochs und Tiefs eingestellt sind.
Weniger positiv ist dagegen das Stück "Nie vergessen". Zumindest meint man das... Wir spüren bei diesem Lied den Schmerz einer gerade frischen und offenen Wunde, denn wir befinden uns in dem Augenblick, an dem kurz zuvor eine Beziehung auseinander gegangen ist. Völlig egal, wie lang diese Beziehung andauerte, das Lied beschreibt die Gefühle, die in diesem Moment in einem umherschwirren, die Vorwürfe, die man sich dann macht... all das haben GLASPERLENSPIEL hier ganz wunderbar in ein Lied verpackt. Und das Schöne an einem Duo, bestehend aus Männlein und Weiblein, ist, dass man sowohl den einen, als auch den anderen Part dieses Pärchens spielen und singen kann. Wir Hörer verweilen ein paar Minuten in diesem Augenblick, in dem beide den Schmerz spüren (und wir mit) und schließlich merken, dass sie den anderen sehr vermissen. Dann stellen sich beide aber plötzlich und auch überraschend die Frage, "Vielleicht ist es noch nicht vorbei". Wie die Geschichte der beiden getrennten Liebenden ausgeht, überlässt das Duo am Ende seinen Hörern. Hier ist die eigene Phantasie gefordert und der Hörer auch aufgefordert, weiter zu denken... zu träumen... zu hoffen. Das ist ganz große Kunst!
Ein ebenso unter die Haut gehendes Stück ist "Was Du nicht weißt". Es ist das offene Bekenntnis, in einer perfekten Welt, wo nur der Erfolg und das schnelle Glück zählt, schwach und manchmal total überfordert zu sein. Das gibt aber keiner offen zu, und darum tragen viele Menschen auch eine Maske. Dahinter sieht alles ganz anders aus, und das drücken GLASPERLENSPIEL in dem Lied auch aus, und darum heißt es auch "nach außen hin sieht es aus / als fiel mir vieles leicht / so viel im Leben das man soll / doch was man nicht erreicht". Es wird sich die Frage gestellt, "Ich frag mich ob es Dir auch so geht", und die eigene Antwort gleich hinterher geschoben, "was du nicht weißt / ich fühl mich oft allein / was du nicht weißt / ich kann auch traurig sein / ich bin nicht so stark wie Du meinst / es ist nicht immer wie es scheint". Das darf man im Anschluss auch gern erstmal sacken lassen.
All die eben beschriebenen Themen verpackt das Duo in - wie schon erwähnt - erstklassig produzierten Elektro-Pop-Songs, die man in dieser durchgängigen Qualität nicht ganz so oft auf einem Album findet. Zugegeben, die Einzigartigkeit die z.B. die Gruppe LAING mit ihrer Musik erreicht, erreicht GLASPERLENSPIEL nicht, aber dafür befindet sich das Duo an der Spitze eines Genres, das in den letzten Jahren mit reichlich neuen und jungen Bands und Einzelkämpfern aufwarten konnte. Es ist vielmehr der Ideenreichtum, wie man seine Songideen in elektronischer Form in die Tat umsetzen kann. Ein weiteres Pfund der Gruppe ist die Stimme von Carolin Niemczyk. Diese oftmals zerbrechlich wirkende Stimme, die sich durch alle Songs arbeitet, und diesen erst Leben einhaucht, ist in der Form sicher einzigartig. Viele - wenn nicht sogar alle - Songs leben erst durch sie, mehr noch... funktionieren erst durch sie.

GLASPERLENSPIEL haben nach der Veröffentlichung ihres Debüt-Albums einige bemerkenswerte Erfolge eingefahren. Damit meine ich nicht den Goldstatus, den die Single "Echt" erreicht hat, oder die über 150 bis heute gespielten Konzerte. Es sind oftmals die Kleinigkeiten, die kaum noch beachtet werden, so z.B. der vierte Platz beim Bundesvision Song Contest im Jahre 2011. Eine Veranstaltung, bei der keine Jury uns vorschreibt, was wir dufte zu finden haben, sondern wo der Zuschauer anruft und seine Sympathie mit seiner Stimmabgabe bekundet. Oder die Tatsache, dass die beiden so viele Menschen mit ihrer Musik erreicht haben. Hörer, die das lieben, was die beiden da tun. Das neue Album "Grenzenlos" wird einen weiteren Teil dazu beitragen, dass GLASPERLENSPIEL eine konstante Nummer in der deutschen Musikszene bleiben wird. Wenn's nach dem geht, was auf der CD zu hören ist, dürfte der Erfolg mit Platz 15 für das Debüt-Album leicht zu toppen sein. Ich drücke den beiden sympathischen Musikern beide Daumen, dass ihnen das auch gelingt. Euch da draußen, die Ihr diese Zeilen gelesen habt, empfehle ich dieses Album, ohne dabei Bauchschmerzen zu haben. Und wenn ein Kritiker im Zusammenhang mit dieser CD tatsächlich von Schlager sprechen sollte, dann wäre ein Berufswechsel sicher nicht der falscheste Schritt.
(Christian Reder)




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