pp-simg 20130324 1422850204 Titel:
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"Schüchtern ist mein Glück"
Peter Plate
Island/Universal
5. April 2013

1. Wir beide sind Musik
2. Kapitän
3. Blauer Sonntag
4. Elektrisch
5. Schöner war's mit dir
6. Ausgang leider unbekannt
7. Gefallen in Love
8. Schüchtern ist mein Glück
9. Sturm
10. Die Nacht dehnt sich aus
11. Bist du ok?
12. Ich steh noch


Vor ein paar Tagen hatte ich in dieser Rubrik bereits die Single "Wir beide sind Musik" vorgestellt. Bei meinem Fazit, dass Peter Plate damit einen schönen und radiotauglichen Song vorgelegt hat, bleibe ich. Er passt hervorragend in das Mainstream-Programm der Formatradios. Es ist ein Lied für morgens kurz nach acht, wenn man im Büro zur Tasse Kaffee noch etwas anderes zum Wachwerden braucht. Niemand kann sich daran stoßen und mit seinem schlageresken Einschlag ist er sogar was für "Willkommen bei Carmen Nebel". Die Nummer ist und bleibt für meinen Geschmack zu sanft und hat mehr vom Butterblümchen-Pop aus der Kuschelweich-Ecke, als von einem Versuch, neue Ideen und frischen Wind in die Musikwelt zu blasen. Ob das neue Album "Schüchtern ist mein Glück" Songs der gleichen Machart beinhaltet? Hören wir mal rein...

Der Opener ist bekannt. Die eben erwähnte Single eröffnet das erste Solo-Album Peter Plates. Gut so, denn es kann eigentlich nur besser werden. Die ersten Töne von "Kapitän" versprechen es zumindest. Leicht angejazzt perlen die ersten Gitarrentöne heraus. Eine langsame Ballade - Schlagzeug, Bass, Gitarre. Mehr braucht es erst mal nicht, als Peter Plate darum bittet "Tanz mit mir durch die Panik / Dreh' mich, schieb mich durch den Wahnsinn". Inzwischen hat sich ein Teppich aus Keyboardtönen dazu gesellt. Was sucht Plate hier? Nach einer Stütze in hektischen Zeiten? Jemanden, der mit einem durch Dick und Dünn geht? Ist es gar autobiographisch und nimmt direkten Bezug auf seine "dunkle" Phase mit dem Burnout vor einiger Zeit? Was auch immer, der Text dieses Songs ist richtig gut. Ein Meisterwerk! Er harmoniert perfekt zur langsam gespielten Musik. Damit habe ich nach der Single, ehrlich gesagt, nicht gerechnet. Aber die Euphorie wird gleich wieder ausgebremst...
Wer in den 80ern groß geworden ist, der kennt natürlich den "blauen Montag" von NEW ORDER. Ein arbeitsfreier Tag zum Entspannen und Nachdenken über sich selbst und die Welt. Peter Plate hat auch so einen Tag, nur ist es bei ihm der "Blaue Sonntag". Dieser hat musikalisch aber so gar nichts mit dem eben erwähnten Song der britischen Elektronik-Band zu tun. Vielmehr ist es eine weitere Ballade, bei der das Klavier im Vordergrund steht. Streicher aus dem Synthesizer liefern die Auslegeware, auf dem sich das Geschwindigkeit vorgebende Schlagzeugspiel und eben schon erwähntes Klavier eher schwerfällig vor sich hin funktionieren können. Schwermut lässt grüßen und genauso unattraktiv wirkt der Song dann auch.
Bevor der Zuhörer nach eben gehörtem Kleinod der Langeweile einschläft, wurde an Position 4 des Albums die Nummer "Elektrisch" platziert - zum wieder Wachwerden. Aber so werde ich eigentlich nur ungern geweckt... Discobeats, eine französisch lasziv daher plaudernde Frauenstimme und dann kommt Herr Plate, der uns von der Liebe angezündet ein Liedchen trällert, das man eher von einer pubertierenden Schul-Kapelle mit Sängerin erwarten würden. Auch hier kann mich Plate nicht abholen - im Gegenteil. Das ist Kaugummi-Pop für die Schülerdisko und aus diesem Alter sind wir doch nun wirklich alle raus. Die Musik nervt schon nach wenigen Sekunden tierisch und die Frau im Background-Chor sorgt für den Rest, dass man am liebsten ausschalten möchte. Das Ding geht gar nicht!
Dann kommt die Polizei - irgendwo in den USA. Sirenengeheul, bevor die nächste Ballade richtig losgeht. Und wir erleben einen Rückfall zum "Blauen Sonntag". Das Songthema von "Schöner war's mit dir" habe ich schon um Klassen besser von Stefan Waggershausen ("Es geht mir gut") gehört. Eine weitere, von Selbstmitleid nach einem Beziehungsaus zersetzte, Pop-Ballade ohne lange Haltbarkeit. Dazu noch richtig schräge Text-Klopper, z. B. "Zu Alkohol sag ich Nein / Bin im Raucherentwöhnungsverein / Kaffee ersetz ich durch Tee / Vielen Dank, bin ok". Unglaublich, dass so was auf Platte und CD gepresst wird!
Song Nummer 6 heißt "Ausgang leider unbekannt" und beginnt mit einem Streicher-Teil, der eine Minute lang den eigentlichen Song einleitet. Und dieses vertonte Tiefdruckgebiet lässt schon ahnen, was kommt: Wieder eine Ballade und wieder geht's irgendwie um Abschied und Traurigkeit. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es sich um immer wieder das gleiche Thema handelt, nur dass es musikalisch anders angestrichen ist. Insgesamt wirkt auch diese Nummer wie eine Hymne für alle, die sich gerne selbst bemitleiden. Sie wirkt so trübe, wie ein Schlechtwettertag im November.
Und wenn wir schon so schön beim Samplen sind (die Polizeisirene aus den Staaten hatten wir ja eben), verwenden wir für den nächsten Song "Gefallen in Love" mal eine Ansage aus der Londoner U-Bahn. Die Tristesse der vorhergegangenen Nummern weicht nun einer fröhlichen Gitarren-Pop-Nummer. Diese süßlich-fiese Nummer verklibbert einem schnell das Ohr und auch hier kommen wieder erhebliche Schwächen beim Texten zum Vorschein. Fehlt einem das passende Wort, damit es sich reimt, wird mal flugs die Sprache gewechselt. Und wie einem der Linksverkehr gut tun kann ("Der Linksverkehr tat mir unheimlich gut"), möge mir Herr Plate bei Gelegenheit bitte mal erklären.
Das zeigt sich auch im nächsten Song "Schüchtern ist mein Glück", das dem Album den Namen gibt. Hier singt uns der Künstler folgende Zeilen "Zum Glück hatt ich 'n Albtraum / Zum Glück bin ich verrückt / Denn wenn ich nicht so verrückt wär' / Hätt ich sicherlich kein Glück". Noch Fragen? Ich auch nicht... Verpackt werden diese preisverdächtigen Zeilen in - Achtung: Überraschung - eine Ballade. Klavier, Schlagzeug und wieder mal Streicher aus der Konserve. Fertig ist Lied Nummer 8. An dieser Stelle war die Langeweile dann endgültig da...
Aber es gibt ja noch vier Lieder. Das nächste heißt "Sturm". Dieses klingt ein wenig, wie "You can't hurry love" von PHIL COLLINS, aber natürlich nicht annähernd so gut, wie das Original. Und schon die erste Strophe ("Das ist kein Zustand / Das ist 'n Umstand / Ich mach Handstand / An der Wand / Obwohl ich's gar nicht kann") lässt mich umgehend spüren, dass ich auch mit diesem Song nicht warm werde. Ich merke allerdings auch, dass Peter Plate irgendwie auf der Stelle tritt mit dem, was er da fabriziert hat. Musikalisch, wie auch beim Texten.
"Die Nacht dehnt sich aus" heißt dann der nächste Song und ich wünsche mir hier wirklich inständig, dass das die Platte hier nicht auch tun wird. Trommelschläge und eine sphärisch klingende Gitarre leiten den Song ein. Bis jetzt gefällt mir, was ich höre. Auch der Text hat was. Es ist das zweite Mal bei dieser Scheibe, dass mich ein Song überzeugt. Die insgesamt recht ruhig gehaltene Nummer hat alles, was man braucht um Gänsehaut zu erzeugen. So macht man eine Ballade, die man gerne auch öfter hört. Warum nur gibt es so wenig von dieser Musik auf diesem Album???
Der Wecker tickt und "Bist du ok?" fängt an. Die "Military Drums" trommeln den Beat, eine sanft spielende Gitarre setzt ein. Musikalisch hat der Song definitiv was. Aber das Thema des Songs hat Herr Plate auf diesem Album schon bis zur Genüge ausgereizt. Herz-Schmerz-Trallalla. Irgendwann muss damit auch mal gut sein.
Entlassen werden wir mit dem Song "Ich steh noch". Wieder mal so düstere Töne, die das Stück einleiten. Eigentlich hat das Lied eine positive Aussage. Als man noch jung war, glaubte man, die Welt sei unendlich groß und man habe Zeit ohne Ende. Irgendwann kurz danach stellt man fest, dass das nicht so ist. Plate singt "Ich steh noch" und sagt damit aus, dass noch genug Zeit vorhanden ist, etwas anzupacken, etwas Neues zu beginnen, schlicht: Das Leben zu genießen. Leider verschafft der "Oho Oho"-Chor im Mittelteil dem Lied auch keinen fröhlicheren Anstrich. Trotzdem ist der Song eines der gelungeneren Lieder auf Plates erstem Album.

Leider ist das Album schon nach dem ersten Hören in seinem Erscheinungsbild ziemlich zerfranst. Plate hat es leider nicht geschafft, etwas wirklich Überzeugendes abzuliefern. Zuviel Herzschmerz-Texte und Belanglospop verstopfen den Platz für wirklich gute Songs, die durchaus möglich gewesen wären. Dass Plate die machen kann, beweist er an drei Stellen auch auf dieser CD. Doch dummerweise sind die Ausbeute von drei guten Titeln bei insgesamt zwölf neuen Songs erschreckend wenig. War ich bei der Single noch - wie eingangs zu lesen - der Meinung, dass es sich dabei um einen radiotauglichen Song handelt, frage ich mich beim Album, wen Plate damit ansprechen will, wer seine Musik für sich entdecken soll. Es sind eindeutig zu viele Balladen und zu wenig Innovatives darauf zu hören. Dieser ständige Herzschmerz wirkt schon beim zweiten Hören des Albums unerträglich. Auch die flotteren Nummern hinterlassen keinen besseren Eindruck. Die London-Nummer ("Gefallen in love") ist sogar unfreiwillig komisch. Auch auf die Gefahr, dass ich mich beim Künstler, seinem Umfeld und den Fans unbeliebt mache, aber das ist meine Meinung. Ich bin ziemlich enttäuscht von der CD und hätte mir auch gewünscht, einem gestandenen Musiker zu einem rundum gelungenen Album gratulieren zu können. Dummerweise möchte ich das bei "Schüchtern ist mein Glück" aber nicht tun...
(Christian Reder)

 


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