zeltinger2008 20130107 1963107615 Titel:
Label:
Format:

Titel:

"Geschmack, Charakter, Zeltinger"
EMI
2 CDs

Titelliste siehe unten

 

CD 1:

1. Panzerfahrer
2. Mein Vater war ein Wandersmann
3. Müngersdorfer Stadion
4. Stüverhoff
5. Tuntensong
6. Asi mit Niwoh
7. Bekloppt
8. Entzug
9. Kölsche Jung
10. Leck mich
11. Sommer, Sonne, Herzinfarkt
12. Nie Diät
13. Italia
14. Er war gerade 18 Jahr (live)
15. Wat iss mit d´r loss?
16. Kreaturen der Nacht
17. Mord im Hochhaus
18. Herzilein
19. Poller Wiss
20. Lola
21. Sommer en Thailand

CD 2:

1. Rentner
2. Ballade für ein Scheisstiern
3. Zu nah am Feuer (mit Walter Bockmayer)
4. Dein Bär
5. Ich bin 'ne Coole
6. Du bist Scheisse
7. Die Ring eropp
8. Z-man
9. Ich bin ne Schlampe
10. Die Karawane zieht weiter
11. Wärst du doch in Düsseldorf geblieben
12. Junge kom bald wieder (live)
13. Marmor, Stein und Eisen bricht (live)
14. Oh wann kommst Du?
15. Ich han ne Hammer
16. Drink noch e Bier
17. Frittebud
18. Strassenstrich
19. Politoxologie

Rezension:
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Am 25. Mai 2009 feiert das Urkölsche Original JÜRGEN ZELTINGER seinen 60. Geburtstag. Zugleich fand zur Weiberfastnacht vor genau 30 Jahren der allererste (auf der Live-Debüt-LP "De Plaat im Roxy und Bunker - live" festgehaltene) Auftritt der "Zeltinger Band" statt. Grund genug für Zeltingers langjährige Plattenfirma EMI, dieser Tage eine prallgefüllte Anthologie mit den 41 wichtigsten Titeln des wohlgenährten Domstädters unter dem Motto "Geschmack, Charakter, Zeltinger" zu veröffentlichen.
Die über 140minütige Doppel-CD beinhaltet eigentlich alles, was Fans, wie Einsteiger, von dem bekennenden homosexuellen Szeneidol ihr Eigen nennen sollten. Die EMI verkoppelte (zum Glück!) chronologisch und präsentiert alle Phasen des rastlosen Chaoten Jürgen Z. "De Plaat" - wie der drastische Rocksänger aufgrund seiner Vollglatze liebevoll von seinen Fans genannt wird - rief sich 1979 zum "Asi mit Niwoh" (Songtitel) aus und bezeichnete seine Musik, eine dralle, heftige, rasante, aber stets (selbst)ironische Mischung aus dröhnendem Gitarrenrock, Heavy Metal, Punk und Parodie, schlicht als "Asi-Rock" - und traf damit bei seinen unzähligen Fans voll ins Schwarze.
Die ersten 12 Titel von CD Numero Eins entstammen den drei, längst Legendenstatus innehabenden Frühwerken der "Zeltinger Band", die - so pfeifen es die Spatzen von den Dächern - im Frühjahr 2009 erstmals vollständig und mit diversen Bonustracks versehen, im CD-Format aufgelegt werden sollen. Zu den Höhepunkten dieser drei Meisterwerke des harten, schnellen Deutschrock zählen z.B. Zeltingers lokalpatriotische Hymne "Müngersdorfer Stadion" (auf der Basis von "Rockaway Beach" der US-Punkband "Ramones"), eine pralle, fette Hardcore-Auslegung des traditionellen Volksliedes "Mein Vater war ein Wandersmann", eine überaus frivole, homoerotische Bearbeitung von Lou Reeds "Walk on the Wild Side" namens "Stüverhoff", der bissig-deftige "Tuntensong" oder die ultratemporeiche, mit einem an die nervenaufreibenden Sirenen eines Notarztwagens erinnernden Gitarrenriff ausgestattete Sommerurlaubsvergackeierung "Sommer - Sonne - Herzinfarkt". All diese und noch viel mehr Beiträge aus Zeltingers ersten drei LPs hat die EMI für "Geschmack, Charakter, Zeltinger" berücksichtigt.
Mitte der 80er hatte Zeltinger anderweitige Probleme, stand zeitweilig ohne Plattenvertrag da, weshalb es erst im Sommer 1987 Neues, fraglos Prickelndes von "De Plaat" zu hören gab. Aus dem neuerlichen Livemitschnitt "Schon wieder live" hören wir auf vorliegender Doppel-CD das genialisch-diabolische Dalida-Cover "Er war gerade 18 Jahr", sowie den abgeklärten Gitarrenrocker "Wat ess met D'r loss?". 1988/89 begab sich der "Promi-Prolet" (CD-Beiheft) für zwei Alben in einen nicht selten sehr gewöhnungsbedürftigen Heavy-Metal-Kontext, mit dem der Rezensent - rein subjektiv - nie besonders viel anfangen konnte. Die beiden besten Titel aus dieser Schaffensphase Zeltingers, "Kreaturen der Nacht" und "Mord im Hochhaus" befinden sich nun auf "Geschmack, Charakter, Zeltinger".
Ende 1990 startete der Jubilar ein so polarisierendes, wie enorm gelungenes Projekt. Mit den sog. "Original Buam" zerhackte, zersägte - durchwegs mit ironischem Unterton - der Begründer des "Asi-Rock" diverse klassische, wie moderne Volks- und Volkstümliche Lieder in trefflichster Punkmanier. Für den Verfasser dieser Zeilen damals DIE Kultscheibe schlechthin, für seine Frau Mama der pure Graus - trotzdem (oder gerade deshalb) ein bedeutsamer Teil meiner Jugend : )) Aus dem "Original Buam"-Album "Die dunkle Seite der Alm" verkoppelte die EMI die gehetzte, sarkastische Hardrock-Fassung des seinerzeitigen "Wildecker Herzbuben"-Schenkelklopfers "Herzilein".
Zwei Jahre darauf gab sich Jürgen Zeltinger verhältnismäßig still, philosophisch, gar introvertiert auf seiner im Spätsommer 1992 erschienenen "Solo Plaat", für deren Betextung fast ausschließlich "BAP"-Chef Wolfgang Niedecken verantwortlich zeichnete. Ohne seine hardrockigen Mitstreiter, statt dessen mit Rheinländischen Koryphäen der Sorte Gerd Köster, Frank Hocker (beide: Ex-"The Piano has been drinking"), Nicky Nikitakis, Tommy Engel ("De Bläck Fööß"), Renate Otta, Jürgen Zöller, Werner Kopal (alle drei: Ex-"Deserteure"), Wolf Simon (Klaus Lage) und sogar mit Unterstützung des einstigen "Ideal"-Gitarrengurus Effjott Krüger, nahm der Kölner Lebemann überwiegend allseits bekannte angloamerikanische Rock- und Popklassiker in kölschem Duktus in einem zurückhaltenden Singer/Songwriter-Sound auf, so etwa "Lola" (im Original von den "Kinks") oder "Sommer in Thailand" (im Original "Summer in Siam" von den irischen Raufbolden "The Pogues"). Die "Solo Plaat" wurde von den Feuilletons, absolut gerechtfertigt, in den höchsten Tönen gelobt, auch vom Rezensenten jederzeit immens bevorzugt - beim breiten Publikum fiel diese grandiose Produktion aber bedauerlicherweise vollkommen durch.
Im Laufe der 90er Jahre büßte Zeltinger an bundesweiter Reputation ein und galt nur noch enn Kölle am Rhing und Umgebung als unverbrüchliche Legende, was die Qualität seiner musikalischen Arbeiten allerdings keinesfalls schmälerte. Zeltingers Schaffen nach 1992 wird auf CD-02 von "Geschmack, Charakter, Zeltinger" ausführlich gehuldigt und dokumentiert. So etwa mittels der zynischen Parodie "Rentner" (Textzitat: "Wir sind asoziale Rentner / wir schlafen unter Brücken / oder in der Bahnhofsmission"), der phänomenal überzeichnet schwulen Stefan-Waggershausen-Neuauslegung "Zu nah im Feuer", im Duett mit dem ebenfalls homosexuellen Schriftsteller und Regisseur Walter "Wally" Bockmayer", des knochentrockenen, herrlich vulgären Südstaaten-Blues "Ballade für ein Scheißtier", niederschmetternd endend mit der kongenialen Textzeile "Übrigens, den Orgasmus hab ich nur vorgetäuscht…", der bitterbösen, nur vordergründig fröhlich-lockeren, akkordeongestärkten Jazzballade "Ich bin `ne Coole", des frechen, knalligen, wuchtig politisch unkorrekten Walzers, von einer Sekunde auf die andere, vollkommen unerwartet in einer grellen Punkorgie mündend, "Du bist Scheiße" - Zeltinger-Titel aus den 90ern, die vielleicht (noch) nicht viele kennen, den Meister aber in Bestform zeigen, pralle Hymnen auf die dunkle Seite des menschlichen Daseins, originär, ordinär, ehrlich und authentisch dargeboten, von einem Mann, der sich genau dies leisten kann.
Mit dem fetzigen Hardrocker "Ich bin eine Schlampe" startete Jürgen Zeltinger kraftvoll ins neue Jahrtausend (die Hamburger Staatsanwaltschaft hat dem Rezensenten leider untersagt, gerade diesen Titel einer gewissen Person zu widmen, obgleich er ebendieser Person absolut aus der Seele sprechen würde...). Neuere knackige Rocktitel, wie z.B. "Die Karawane zieht weiter", "Wärst Du doch in Düsseldorf geblieben" (kennen wir im Original von Dorthe Kollo aus den 60ern, nicht wahr?? ;)), Drafis Beat-Evergreen "Marmor, Stein und Eisen bricht" im lautstarken Hardcore-Outfit (sämtlich 2003) oder das einst bereits von den "Original Buam" beackerte Daliah-Lavi-Epos "Oh, wann kommst Du?" führen zu den sechs bislang unveröffentlichten Zeltinger-Statements, von denen ich die spannendsten, witzigsten kurz vorstellen möchte: Hierbei handelt es sich um eine kecke, nett vulgäre, lyrisch sehr doppeldeutige kölsche Fassung des US-amerikanischen Traditionals "If I had a Hammer" unter dem Titel "Ich hann ne Hammer", die ultimative Saufhymne "Drink noch e Bier" und flinke, rockige Würdigungen der "Frittebud", des "Straßenstrich(s)" (mit einer herrlichen lyrischen Wendung versehen…)" sowie der "Politoxologie", jene Wissenschaft, die sich mit Giftstoffen aller Art auseinandersetzt.
"30 Jahre Wahnsinn in Vollendung" lautet der Untertitel hier analysierter Doppel-CD. Zeltinger ist und bleibt ein "Wahnsinniger" in prägnantester und positivster Ausprägung. Zeltinger stellt "Asozialität" in bester Form und Manier dar. Er ist und bleibt ein Meister seines Fachs. Es ist zu hoffen, daß er auch nach seinem 60. weiterhin für derbe, freche, geile Songs zur Verfügung steht. Jeder, der den Glatzkopf uss Kölle näher kennen lernen möchte, dem sei "Geschmack, Charakter, Zeltinger" dringlichst ans Herz gelegt. Zeltinger kann man nur lieben oder hassen. Ich selbst "liebe" ihn, seinen anarchischen Humor, seine oft nicht sehr "geschmackssichere" Art, aufzutreten. Zeltinger ist Kult pur - die aktuelle Doppel-CD wird hoffentlich dazu beitragen, diesen Kult auch "all over the Bundesrepublik" zu verbreiten, zu erneuern! Gesamtnote: Bestwertung
(Holger Stürenburg)

 


   
   
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