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Interpret:
Label:
VÖ:

Titel:
"Gitarrentwist 1964 | Rock To Rock 2014"
Sputniks
AMIGA/SONY music
11. April 2014

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Manchmal hat man wirklich nur für Bruchteile von Momenten das Gefühl, so etwas wie Zeit gäbe es nicht. Aus den Boxen klingt Gitarrensound, ich meine wirklich Gitarrensound, aber die Tage, als ich ein Stück wie "Apache" von den englischen SHADOWS hörte, von den amerikanischen VENTURES das legendäre "Wipe Out" aus dem Dampfradio schepperte oder auch "Cry For A Shadow" der BEATLES an unsere Ohr drang und man das nachzuspielen versuchte, sind schon lange Vergangenheit. Doch dieser Sound der "elektrisch verstärkten" Gitarren, wie man das bürgerlich steif nannte, klingt noch immer frisch und unverbraucht wie anno dunnemals, so als wäre die Zeit wirklich irgendwie doch stehen geblieben.

Als ich begann, Schallplatten zu sammeln, war die Auswahl im Konsum noch nicht sonderlich groß. Im Jahre 1962 kaufte ich mir als 12-jähriger eine Single von Bärbel Wachholz mit dem "Cape Town Boy" darauf, weil das so nach Englisch klang, und ein Jahr später dann eine Single mit den SPUTNIKS und "Shazam", einem Gitarren-Twist, auf der A-Seite sowie hinten mit dem "Nordlicht" darauf. Beide Scheiben habe ich immer noch und auch die beiden später erschienen Langspielplatten von Amiga, "BIG BEAT I" und "BIG BEAT II" (1965). Die darauf enthaltenen Stücke der SPUTNIKS, von den BUTLERS, vom FRANKE-ECHO-QUINTETT, der THEO-SCHUMANN-COMBO oder auch von OLYMPIC aus Prag läuteten auch bei uns eine Ära ein, die man heute weltweit als die Beatlemania kennt. Auch in der DDR hatte sie eine kurze, aber heftige Episode. Der Rest ist Geschichte, doch wenn man nur einige wenige Töne aus jenen Tagen hört, insbesondere diesen "frischen Gitarrensound", dann ist auch sofort das Gefühl wieder da, das Leute wie ich zum Beispiel mit den SPUTNIKS verbinden. Live war schon damals live und Jugendtanz war weiß Gott nicht das, was das Wort zu suggerieren scheint. Auch wir waren mal so wild und heiß wie die Musik, die unser Antrieb war - die Beat-Musik.

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Satte 50 Jahre später sitze ich in meinem Zimmer und höre den Gitarren-Sound der SPUTNIKS wieder und zwar so, wie er original damals klang, nur eben in Stereo statt in Mono. Aus den Boxen dringt der helle Klang vom "Gitarren Twist", von "Storm" und das "Sputnik-Thema", und im Player dreht sich eine neue CD der SPUTNIKS: "Gitarrentwist 1963 | Rock To Rock 1964 - 2014". Da hört man noch die Saiten schwingen und spürt jeden Anschlag des Blättchens, zu dem man später Plectrum sagen wird. Der Hörer fühlt noch selbst jeden Ton, der - wie bei "Storm" gut zu hören - etwas gedehnt wird, und der "Tanz" der Sticks, der das kurze "Sputnik-Thema" einleitet, ist wie ein Anklopfen an eine alte Tür, hinter der sich beinahe vergessene Kostbarkeiten verbergen. Es sind ein "Spanischer Zigeunertanz", ein flottes Instrumental, das vom Rhythmus getrieben viel Temperament versprüht, und das legendäre "Theme For Young Lovers", bei dem ich mir damals - ebenso wie mit "Shazam" - als Teenager Tag für Tag Hornhaut auf die Finger geübt habe. Beim Hören der alten Beat-Nummern jagt ein Deju Vu das nächste, zumal keines der Instrumentalstücke länger als drei Minuten dauert. Nur die neu eingespielten vier Bonustracks der ersten CD, wie etwa "Etage 8" oder das unverwüstliche Thema "Peter Gunn" sind - mit Ausnahme von "Tribute To The Shadows" - etwas länger und der Sound fülliger geraten, was beim Hören dieser ersten CD in einem Rutsch aber nicht im geringsten stört. Der Geist der Pionierjahre fühlt sich wieder frei gelassen und die Freude, die Klassiker des "Gitarrenbeat" früher Jahre so geballt hören zu können, macht Appetit auf mehr.

Die zweite CD erfüllt den Wunsch nach mehr, ist aber gleichzeitig so etwas wie der Sprung in die neue Zeit über Jahrzehnte hinweg. Hier findet man den Sound der SPUTNIKS, so wie er modern und aktuell klingt. Fast alle Kompositionen sind neu und doch zum Teil noch immer der "alte" Gitarrensound. Die neuen Ideen kommen aber rockiger daher, wie man beim Instrumental "FBI" hören kann und auch "Never Die" merkt man schnell an, dass der Gitarrist MICHAEL LEHRMANN, der inzwischen bei den SPUTNIKS spielt, natürlich andere, frischere Erfahrungen mitbringt. Nebenbei gibt es - welch schöne Überraschung - ein Wiederhören mit der Gesangsstimme von HENRY KOTWOWSKI, dem Gründer der Band. Ein wenig Inspiration von den DIRE STRAITS hat zu "Objection" geführt und eher balladesk ausgestattet kommt "Hold Me Now" daher. Zwei Mal Kotowski, Vater HENRY und Tochter SIMONE im Duett, aber leider bei diesem Song schon ziemlich weit weg vom frühere Sound der Gitarren-Combo, während "Woman Of Mystery", trotz aller modernen Elemente, wieder grandios an die gewohnten instrumentalen Traditionen der SPUTNIKS anknüpft, wie der "March Of The Sputniks" ebenso. Beide neue Kompositionen halte ich für absolute Volltreffer.

Mit "Zickenrock" ist KOTOWSKI endlich auch gesanglich wieder bei sich selbst. So habe ich die Stimme von Cott'n - damals (1975) für kurze Zeit bei der Modern Soul Band - in meiner Erinnerung. Sein Spiel mit der Mundi fügt sich auch diesmal geschmeidig in den Song ein. Was für ein schöner Boogie-Gruß an die Modern Soul Band und genau von dort scheint auch die Inspiration für die Bläser zu kommen, die - neben den Gitarren-Einwürfen - "Surfing On the Thames" so schön fett erklingen lassen.

Dass sich allerdings auch der gute alte "Albatross" von Peter Green hier einfinden würde, noch dazu so bezaubernd aus den Saiten gekitzelt, das hätte ich nicht erwartet. Sehr gefühlvoll und mit durchaus eigener Note dem Original nachempfunden - Respekt, das hat was! Kurz vor Schluss gibt es mit dem Titeltrack "Rock To Rock" noch eine waschechte Beat-Nummer, die mich streckenweise wohltuend an Duane Eddie's "Rebel Rouser" erinnert und von den SPUTNIKS Jahrzehnte später mit sicherer Hand aus den Saiten gezupft wird. Mein ganz persönlicher Favorit jedoch ist das abschließende "Rest My Case", ein langes Instrumental, das noch einmal alle Tugenden und Spielereien dieser besonderen Art, Gitarre nur rein instrumental zu spielen, in sich vereint. Daumen hoch für den Mann an der Gitarre, MICHAEL LEHRMANN, allen Neu-Startern zum Anhören und Nachspielen empfohlen, und dem mit der Mundi zwischen den Lippen, HENRY "Cott'n" KOTOWSKI! Musik soll Spaß und Freude machen, aus dem Bauch heraus die Herzen erreichen. Das war sicher das damalige Motto, und das ist hier in jedem Ton auch noch heute zu spüren und zu hören.

Dieser Silberling mit einer der ältesten Beat-Gruppen dieses Landes war eigentlich schon längst mehr als überfällig. Nun kann der Liebhaber die Klassiker der SPUTNIKS in einem Rutsch durchhören und bekommt obendrein mit der zweiten CD neues Material auf die Ohren. Über die Titelfolge der zweiten Seite könnte man trefflich diskutieren und über ein oder zwei der Vokaltitel vielleicht auch, aber das ist schon ein sehr persönlicher Einwand, dem andere nicht folgen müssen und der auch in keiner Weise den Gesamteindruck des Doppelpacks schmälert. Die alten Kracher klingen noch immer scharf und die neuen instrumentalen Stücke folgen auf dem Fuß. Zurück zu den Wurzeln und den Idealen der Anfänge mit guter sowie ehrlich gemachter Musik und das ist auch der Eindruck, der von dieser Zusammenstellung bleiben wird.
(Hartmut Helms)

 

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