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Ein Bericht mit Fotos von Christian Reder




Ich weiß nicht, wie es Dir, lieber Leser, geht, aber es gibt Tage, an denen es einem wirklich nicht leicht fällt, morgens aus dem Bett zu steigen. Da fehlt es an Motivation und man stellt sich die Frage, "Wofür eigentlich noch aufstehen?" … Nebenan, in direkter Nachbarschaft, tobt ein Krieg, den - vielleicht mit Ausnahme des Anzettlers und Flinten-Uschi nebst ihren Sponsoren aus Übersee - niemand will, und in dem wir trotzdem voll mit drin stecken. Gleich hier um die Ecke probiert sich zudem ein Kinderbuchautor als Wirtschaftsminister aus, und zerstört mit weltfremden Einfällen, die er entgegen jeder Expertenmeinung zu Gesetzen machen will, nicht nur die heimische Industrie, sondern auch Werte von Immobilien und die Altersvorsorge vieler Bürger. Und ob man gleich mit dem Auto, das man tags zuvor noch zum Preis eines Wochenendurlaubs im 5-Sterne-Ressort mit in Europa am höchsten besteuertem fossilen Brennstoff betankt hat, entspannt von A) nach B) kommt, weiß man auch nicht wirklich, klebt seit einiger Zeit hier und da mal die (aller)letzte Generation auf der Straße fest und hinterlegt mit dieser Art des zivilen Ungehorsams ihren Wunsch nach sofortigem Stillstand des öffentlichen Lebens, damit die Welt kommenden Donnerstag oder Freitag nicht untergehen muss. Und als ob dies alles noch nicht ausreichen würde, sind unsere Mitmenschen vermehrt damit beschäftigt, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen, und ihre schlechte Laune öffentlich und laut auszuleben. Der mit abweichender Meinung ausgestattete Nebenmann wird gern mal verbal niedergemäht und wenn´s ganz doof für ihn läuft, erleidet er nach einem kurzen Handgemenge mit dem falschen Gesprächspartner auch mal einen Niederschlag. Von den eigenen gesundheitlichen und persönlichen Wehwehchen, die man so mit sich rum schleppt, will ich gar nicht erst anfangen. Du kennst das sicher … Alles gute Gründe, morgens die Rollläden gar nicht erst hoch- und den Schlafanzug auch nicht auszuziehen. Andererseits würde man dann aber viele schöne Dinge verpassen, bliebe man den ganzen Tag in der Poofe liegen. Gerade jetzt im Frühling z.B. die wunderschöne und in den buntesten Farben explodierende Natur. Die Unbekümmertheit der Nachbarskinder beim Spielen im Garten. Die pure Lebensfreude seiner Fellnase beim täglichen Gassi gehen oder Rumtollen auf der Wiese. Gute Freunde hier und auch weit entfernt, mit denen man so manch Schönes anstellen kann, oder aber auch die immer noch fleißigen und kreativen Menschen, die uns mit der empfohlenen Tagesration Kunst für Auge, Ohr, Herz und Geist versorgen.


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So kündigte unlängst ein gewisser Christian Haase eine Tour mit der Überschrift "Optimismus 23" an. Optimismus klingt gut. Das können wir alle gut gebrauchen. Mehr noch … "Im Zeitalter der galoppierenden Kleingeistigkeit singt und erzählt er unermüdlich von der Möglichkeit, Mensch zu bleiben", war dort in der Ankündigung zu lesen. Ferner werden er und sein aktuelles Programm in der gleichen Mitteilung auch als "Nachfüllpackung Optimismus", als eine "Ladestation für Seelen-Akkus" und "eine Insel voller Witz, Wärme und Wahrhaftigkeit" beschrieben. Ja, wunderbar! Wenn das nix ist und als zusätzlicher Anreiz dient, mit Schwung in den neuen Tag zu starten, weiß ich auch nicht … Das verspricht, ein Gegengewicht zu all dem Blödsinn zu sein, der uns derzeit umgibt. Also gleich mal ans Telefon geschwungen, den Haasen eingeladen und im Castrop-Rauxeler Brauhaus Rütershoff alles für sein Kommen vorbereitet. Knapp neun Jahre nach seinem letzten Besuch hier im Ruhrpott sollte Christian Haase dann am 25. Mai 2023 endlich wieder mal hier spielen und unseren mentalen Vorratskeller mit seinen klugen Ansichten, feinen Kompositionen und oft voller Wortwitz steckenden Texten wieder auffüllen. Und dann kam er … der Haase …

Morgens um 6:00 Uhr bestieg er an einem Donnerstag im Mai seinen Transporter und machte sich auf den Weg von Berlin in den Pott. Mit einem kleinen Umweg über Halle/Saale, wo er eine hilfreiche Hand namens Sandra einsammelte, startete er seinen Ausritt ins Ruhrgebiet. Am frühen Nachmittag kam er schließlich an, und packte zwecks Aufbau im Musiksaal des Brauhauses sein Instrumentarium aus und die mit ihm reisende Sandra das Fanartikel-Kontingent. Schnell war alles für den Abend vorbereitet. Die Bühne war eingerichtet, der Souvenirstand aufgebaut. Doch bevor das mit dem Akkus aufladen und feiner Liedschmiedekunst lauschen losgehen konnte, führten Christian und ich noch ein Interview vor Publikum, das für einen gerade in Fertigung befindlichen Konzertfilm vorgesehen ist. Zu sehen sein wird dieser übrigens demnächst auch hier auf dieser Plattform. Und dann war es auch endlich soweit. Die Uhr zeigte 20:00 Uhr an und der aus Sizilien über die Bundeshauptstadt angereiste Sachse betrat die ebenerdige Bühne des Musiksaals im Brauhaus.

Die ersten auf der Akustikgitarre gespielten Töne des Songs "Bin wie ich bin" des neuen Albums "Grappa & Gitarren" ertönten und es brauchte auch nur wenige Sekunden, bis Künstler und Publikum auf gleich hoher Betriebstemperatur waren. Aus Krefeld, Duisburg, Herne und sogar aus Koblenz kamen Leute tief in den Westen, um dem Haasen beim Musizieren zu lauschen. Entsprechend gut war die Stimmung beim Publikum und gut die Laune beim Mann in Schwarz ganz vorn. Ungewohnt für den Künstler, dass bei seinen Muggen Leute nicht nur zuhören, sondern nebenher noch andere Dinge tun. Viele Gäste verbinden mit ihrem Besuch im Brauhaus den Genuss des Programms auf der Bühne mit der Einnahme von hausgemachten Leckereien aus der Küche und dem Braukessel. Darum dichtete der Haase die letzte Strophe des ersten Songs um und bat einen Gast, der ihm gleich am ersten Tisch vorn beim Essen den Rücken zukehrte, singend um mehr Aufmerksamkeit. Improvisieren kann er, der Haase, und seinen Wunsch um mehr Beachtung auf witzige und charmante Art und Weise zu verpacken auch. Einen weiteren Spaß dieser Art lieferte Christian etwas später, als er beim Spielen des Songs "Sag nichts" begann, die Bedienung anzusingen und auf diesem Wege ein neues Glas Wein zu bestellen. Die unübersehbar errötete Dame verstand umgehend, dass sie plötzlich Hauptdarstellerin des zu hörenden Songs war, und erfüllte den Wunsch des Künstlers der das mit den Worten, "Wer braucht schon Apps wenn er Lieder hat?", kommentierte. Aber zurück zum Anfang des Konzerts: Ein weiteres Lied auf der Akustik-Klampfe und eine ausführliche Begrüßung folgten dem eben genannten Opener. Längst waren wir mitten im Geschehen und die Akkus der Leute luden bereits …


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Ein Highlight von Haase-Konzerten sind neben den Liedern seine Zwischentöne. Vor jedem seiner Lieder erzählt der gebürtige Leipziger über sich, sein Leben, seine Songs und viele Dinge, die ihn beschäftigen. Dabei nimmt er seine Zuhörer an die Hand und mit in seine Gedankenwelt. Ob er nun - wie gleich zu Beginn - augenzwinkernd über sein nun schon fortgeschrittenes Alter und darüber erzählt, dass er noch heute beim Flanieren den Töchtern zulächelt, ihm aber nur die Mütter mit einem Lächeln antworten, oder darüber, dass es in seinem Heimatort zwei Jugendklubs gab … einen "rechten" und einen "linken" … und wie am Ende beide zueinander fanden, tut er dies mit viel Charme, Humor und einem viel Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Spannungsbogen, so dass es im Saal stellenweise mucksmäuschenstill und an der richtigen Stelle entweder vom Lachen oder vom Applaus richtig laut werden kann. Manchmal setzte der Applaus aber auch erst versetzt ein, wenn die Botschaft, die z.B. hinter seiner Geschichte über die Alten in seiner neuen Heimat Italien und ihrer Armut nach einem Leben voller harter Arbeit, oder die, die hinter der Fabel von der Maus steckt, die voller Schrecken zur Kenntnis nehmen muss, dass sich die Menschen in ihrem Zuhause eine Mausefalle per Post haben schicken lassen, und die Wirrungen und Wendungen, die dieses Ereignis nach sich ziehen, nach kurzer Denkpause angekommen war. Jede seiner Geschichten lässt sich auf uns und unser aller Leben übertragen, man kann Nektar aus ihnen saugen und manche Parallele erkennen. Hier hebt keiner den Zeigefinger und erklärt den Leuten vor sich, wo ihre Fehler liegen und wie man sie beseitigen kann. Vielmehr zeigt uns dort jemand mit viel Gefühl für den Moment und die Stimmung, wie und woran wir uns erkennen können. Sowas erlebst Du echt selten, wenn Du auf ein Konzert gehst.

Immer wieder wechselt der Haase von einem Hocker auf den nächsten. Er spielt hauptsächlich im Sitzen, manchmal aber auch im Stehen. Letzteres nur, wenn er zur Gitarre greift und sich ausschließlich auf dieser begleitet. Wenn er aber auf den schwarz-weißen Tasten seines E-Pianos spielt, oder neben der Gitarre noch sein Cajon und die Mundharmonika bedienen möchte, setzt er sich vom Publikum aus gesehen entweder links auf das Cajon oder rechts außen ans E-Piano, und beginnt zu spielen. Beeindruckend bei Songs wie "Flügel haben" und "Niemandsland", wie er mittels dem Loop-Effekt eine ganze Wand aus Instrumenten erklingen lässt, die er allesamt selbst (!!!) spielt. Wie das geht? Eine Grundmelodie auf der Gitarre wird gespielt, ein Takt geschlagen und ein Teppich aus Tönen gelegt und jeweils einzeln live mitgeschnitten, um dann mittels Fußpedal als Dauerschleife laufen gelassen zu werden. Darauf wird ein Gitarrensolo gesetzt, sein Cajon gespielt und obendrein sogar noch auf die andere Bühnenseite an die Tasten gewechselt, um ihnen auch noch ein paar Töne zu entlocken. Die wie eine Improvisation klingende Instrumentalpassage in "Flügel haben" zieht einen als Hörer völlig in seinen Bann und die Blicke auf des Künstlers Hände und Füße. Das klingt wie eine volle Bandbesetzung, was aus den Boxen kommt, dabei hockt da nur ein einzelner Mann und spielt völlig entspannt sein Lied. Sagenhaft! Und wir haben noch gar nicht über die Inhalte der tiefgreifenden Texte gesprochen, die selbstverständlich auch aus seiner Feder stammen.

Das Programm bestand aus Liedern seiner bisher erschienenen Soloalben und Titeln, die er mit der Gruppe DIE SEILSCHAFT spielt. So fand sich u.a. auch das Stück "Dein Paket" von der aktuellen Seilschaft-CD im Set. Ebenso ein Lied aus Haases erster Solo-Scheibe "Bleiben" aus dem Jahre 2004. Letzterer aber erst in den Zugaben ("Weiße Wolke"). Mit der zu einem Lied gemachten Milieu-Studie "Alter Mann" vom gemeinsam mit Mario Ferraro produzierten Album "Lieder" (2017) gab es auch einen sogenannten Projekt-Titel. Hauptzutat aber waren Stücke wie das schon erwähnte "Bin wie ich bin", "Dankbar sein", "Loch im Schuh", "Lied wie ein Seil", "Sanft zu Bett", "Hand aufs Herz", "Alle nur blind", "Fast genauso" und - ebenfalls in den Zugaben - "Grappa und Gitarren", die komplett aus der gerade frisch aus dem Presswerk gekommenen CD "Grappa und Gitarren" stammen. Ich habe schon lange kein Konzert eines Künstlers oder einer Band mehr erlebt, bei dem nahezu jeder Song des neuen Albums im Live-Programm vorgestellt wurde. Im Falle von Christian Haase ist dies ein Beleg dafür, welch hohe Qualität seine Lieder haben, und dass sich auf seinen Platten und CDs kein Füllstoff, sondern ausschließlich gleichwertig tolles Material befindet. Sein Konzert in CAS unterbrach Christian nach etwas über einer Stunde für eine Pause und wollte insgesamt eigentlich nur 90 Minuten plus einer kurzen Unterbrechung und Zugaben spielen. Daraus wurde aber nix … Am Ende waren es zweieinhalb Stunden netto, die wir mit dem singenden Sachsilianer verbringen durften. Auch das muss dick unterstrichen werden, denn der Mann war immerhin seit 5:00 Uhr morgens auf den Beinen, hatte eine Fahrt von über 700 Kilometern hinter sich gebracht und sollte am nächsten Tag schon wieder in Weimar als Frontmann der SEILSCHAFT auf der Bühne stehen. Chapeau!


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Der Höhepunkt der Zugaben, derer es drei gab, war ein Stück, das gar nicht vorgesehen war und auch nicht auf der Setlist stand. Zum Klavier trug er den Pete Seeger-Klassiker "Where Have All The Flowers Gone" in der deutschen Übersetzung, "Sag mir wo die Blumen sind", vor. Einmal mehr Stille im Saal, im Verlauf sangen einzelne Gäste mit. Gänsehaut. Nach besagten drei Zugaben war dann aber tatsächlich Schluss. Applaus. Abgang. Begeisterung.

Der blonde Sänger, Komponist und Musiker blieb noch lange für Gespräche, Fotos und Autogramme im Saal, hatte für jeden ausreichend Zeit und Geduld für alle Fragen, die man an ihn hatte. Was für ein Abend, was für ein Erlebnis. Es wurde einem über den Pressetext zur Tour tatsächlich nicht zu viel versprochen. Jedes Wort in der Ankündigung zu "Optimismus 23" stimmt. Es ist wirklich die in Aussicht gestellte "Nachfüllpackung Optimismus" und die volle Ladung für gestresste Seelen. Der Donnerstagabend ließ einen zwar den Alltag da draußen nicht vergessen, denn er ist auch Teil von Haases Programm, aber Du bekommst vom Künstler Denkhilfen und Tipps, wie Du das alles ertragen kannst. Seine Lieder sind kleine Lebenshilfen, seine Geschichten dazwischen wohltuende Ansichten eines Menschen, der die Augen immer offen hat und gut beobachten kann. Er bringt Humor mit und lässt es nicht an Herzenswärme mangeln, auch wenn oft der Sarkasmus unüberhörbar in seinen Worten mitschwingt. Christian Haase hilft Dir, den aufrechten Gang nicht zu verlernen, er zeigt Dir, dass es auf der Welt Menschen gibt, denen es tausend Mal schlechter geht als Dir, dass diese Menschen trotzdem glücklich sind, und dass Du es auch sein kannst. Es liegt nur an Dir. Du spürst durch ihn, dass Du weder mit Deinen Sorgen noch mit Deinen dunklen Gedanken alleine bist, dass sich alles aber viel leichter mit dem richtigen Blick aufs Ganze ertragen lässt. Darum bin ich heute auch wieder aufgestanden, habe die Rollläden hochgezogen, und plane dies auch morgen und in der Zeit danach wieder zu tun. Immerhin hab ich Donnerstag meinen Akku füllen können und mit "Grappa & Gitarren" ein Aufladegerät für den Alltag im CD-Regal stehen.

Ja, natürlich bin ich befangen. Ich hab den Künstler schließlich eingeladen. Da werde ich ja wohl kaum Schlechtes darüber schreiben, was wir dort erlebt haben, und natürlich nur in den höchsten Tönen über ihn und sein Tun berichten. Da habt Ihr recht, so hab ich es gemacht. Aber wisst Ihr was? Ich hab Zeugen dafür, dass jedes Wort stimmt. Sogar eine ganze Menge ;-) Und der Konzertfilm kommt auch bald. Seid gespannt!



Setlist:
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Die nächsten Termine von Christian Haase:
• 02.07.2023 - Störmthal - Barockschloss
• 09.07.2023 - Hoyerswerda - Lausitzhalle
• 20.08.2023 - Hoyerswerda - Kulturscheune
• 22.08.2023 - Damgarten - St. Bartholomäus
• 22.08.2023 - Sellin - Spiegelzelt
• 23.08.2023 - Vitte/Hiddensee - Henni Lehmann Haus
• 24.08.2023 - Rostock - Klostergarten
• 25.08.2023 - Seitenroda - Leuchtenburg
• 26.08.2023 - Schkölen - Töpferhof Rost
• 27.08.2023 - Weida - Stadtkirche (Luthersaal)
• 10.09.2023 - Berlin-Köpenick - Aprés-Church
• 29.09.2023 - Fürstenwalde - Kulturfabrik

Alle Angaben ohne Gewähr!



Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Christian Haase: www.haase-band.de









   
   
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