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Ein Bericht mit Fotos von Thorsten Murr




Ein kleiner Prolog - für die unentwegten Veranstalter
Das Studio 7 in Panketal, nördlich von Berlin, eine knappe halbe Autostunde von Pankow entfernt, ist eine feine Location mit einem ebenso feinen Programm. Vor zwölf oder dreizehn Jahren war ich das erste Mal zu einer Konzertveranstaltung hier, und seitdem immer mal wieder. Inzwischen wurde das alte Gebäude innen komplett umgebaut und renoviert. An einer kleinen Bar vorbei geht es in den schmucken Saal, in den wohl um die 150 Leute Platz finden. Hinter den vorderen Stuhlreihen, die sehr nah an der flachen Bühne stehen, hautnah an den auftretenden Künstlern, gibt es ein paar Stehtische und Barhocker - alles in allem herrscht eine ausgesprochen angenehme Clubatmosphäre.

Betreiber und Programmgestalter Bert Eulitz, auch bekannt als Bassist von Die Ossis und anderen Bands und Projekten, beweist schon lange seinen guten Geschmack und einen sicheren Instinkt, wenn es darum geht, seinem Publikum erstklassige Musik, Kabarett, musikalisch-literarische Programme und andere Genres zu präsentieren. Immer wieder bin ich erstaunt darüber, wer hier schon alles aufgetreten ist und noch auftreten wird. Weniger erstaunlich ist hingegen, dass ich hier noch nie eine schlecht besuchte Veranstaltung erlebt habe. Auch heute ist kein Platz mehr frei. Berts Konzept scheint zu passen und zu funktionieren.


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Meine Entscheidung, heute hier das Chessman Trio, verstärkt durch Peter Schmidt, erleben zu wollen, fiel einige Wochen zuvor bei einer der Mittwochssessions im Soda-Club in der Kulturbrauerei, die seit dem Sommer 2021 von Wolf Spors, einem ebenso rührigen und fast schon legendären Enthusiasten der Szene, veranstaltet werden. Wolfs Name wird wohl ewig mit dem ehemaligen kultigen Café Garbáty, mit dem durch Live-Musik bekannt gewordenen Gartenlokal Bornholm Zwei und selbstverständlich mit Speiche's Rock- und Blueskneipe verbunden sein, die er vor einigen Jahren von ihrem berühmten Namensgeber übernommen hatte. Was wäre die Musikszene ohne all die stillen Helden, die Live-Muggen ermöglichen, dafür oft ins persönliche Risiko gehen, und, egal was kommt, unbeirrt weitermachen?

Im Soda also war ich schon ziemlich begeistert von dieser erst ein Jahr alten Combo, hatte aber nur noch die letzte halbe Stunde miterlebt. Dass die Band musikalische Güte gewährleistet, lässt bereits das illustre Line-up vermuten: Jan Schachmann alias Chessman an Gitarre und Mikro, am Bass der in mehreren Bands vielbeschäftigte Georg Artaban und an den Drums mit Micha Maass eine echte Institution seines Fachs. Hinzu kommt heute - und auch noch bei weiteren Gigs, wie mir Micha Maass nach der Show verrät - Peter Schmidt, zu dessen Reputation ich hier wohl nichts weiter anmerken muss.

Chessman Trio feat. Peter Schmidt - Pride and Joy …
Zunächst legt die Band als Trio los, und gleich gibt's "Pride and Joy" und einige andere klassische Bluesrocknummern zu hören. Ziemlich straight und rockig. Schnell hat sich alles eingegrooved, und das Ganze beginnt mehr und mehr zu erstrahlen. Gitarrist, Sänger und Namensgeber des Trios, Jan Schachmann, versteht sein Handwerk bestens, bewegt sich viel und ist ganz der unterhaltsame Entertainer. Ein visuelles Highlight im Bühnenbild ist Bassist Georg Artaban. Allein von seinem ebenso tiefhängenden wie auch tieftönenden, punkig mit Gaffa-Tape beklebten und mit Sterni-Kronkorken verzierten Bass kann man nur schwer seinen Blick lösen. Sein buntes, hippieskes Outfit tut ein Übriges, während im Hintergrund, souverän, mit wachem Blick, Meisterdrummer Micha Mass präzise und gefühlvoll sein Handwerk verrichtet.


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Exzellent - mit magischen Momenten Sofort ist man von einem dichten Sound umfangen und ahnt, wohin die Reise geht. Als erstes monumentales Highlight nehme ich den Hendrix-Song "Voodoo Child (Slide Return)" wahr. Neben den für solche Nummern ohnehin erforderlichen Fähigkeiten auf der Gitarre zaubert das Trio eine magische Klangblase, in der man ewig verweilen möchte. Gar überwältigend empfinde ich etwas später "Superstition", zu dem zuvor Micha Maass kurz die Geschichte erzählt, dass der kürzlich verstorbene Jeff Beck sich seinerzeit diesen Song von Stevie Wonder erbeten hatte, Wonder selbst aber seine Version einige Wochen vor Becks Release veröffentlichte. Ich habe das Stück schon von etlichen Bands gehört, aber so fantasievoll und facettenreich "angejazzt", wie es mir heute dargeboten wird, ist es schon eine Klasse für sich. Nichts gegen die beeindruckende virtuose Gitarrenarbeit von Jan Schachmann, aber bei diesem Stück jetzt zeigt sich die Bedeutung einer exzellenten Rhythmus-Sektion besonders eindringlich.

Im Chessman Trio haben sich offenkundig ein paar musikalische Könner zusammengefunden und einen perfekt funktionierenden Klangkörper formiert. Ich empfinde jedenfalls pure Freude in mir und denke, dass sich schon jetzt der zeitlich nicht ganz stressfreie abendliche Ausflug ins Brandenburgische vollends gelohnt hat. Das ohnehin etwas langgezogene Stück hätte von mir aus gern noch ein paar Minuten weitergehen können. Wie auch immer - sollte das Chessman Trio demnächst etwas veröffentlichen wollen, wäre diese Nummer mein Favorit für einen Single-Hit.

Prominente Verstärkung: Peter Schmidt
Etwa nach der Hälfte des erstens Sets kommt nun Peter Schmidt, wohl am meisten als Bandleader der East Blues Experience bekannt, hinzu, den man heute auf den ersten Blick schnell auch mal mit Billy Gibbons verwechseln könnte. Gespielt werden nun auch einige Stücke, die aus seinem Repertoire stammen, etwa "Soulshine" von Warren Haynes, aber auch flottere und härtere Bluesrock-Nummern.

Na klar machen zwei Gitarren per se mehr los als eine - mehr Töne, mehr Tempo und mehr Fingerakrobatik. Aber das befürchtete Feuerwerk bleibt aus! Vielmehr halten sich beide Gitarristen erfreulich zurück, spielen nicht etwa um die Wette, sondern ergänzen und unterstützen sich gegenseitig, platzieren ihre Beiträge und Akzente gekonnt und gefühlvoll, sodass es für den geneigten Zuhörer immer ein äußerst angenehmes, homogenes Hörerlebnis ist und die Stücke sehr frisch, entspannt und unbeschwert wirken. Als Nichtmusiker denke ich, dass es gar nicht so einfach sein dürfte, genau so zusammenzuspielen - individuell, aber immer respektvoll, ziemlich lässig und doch so präzise. Sehr fein.


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Little Wing - große Emotionen
Ein weiteres persönliches, auch überraschendes, Highlight des Abends ist für mich "Miss You", das ich im Original jahrzehntelang nicht mochte, weil es zu sehr Disco-Pop war, und das ich erst, seitdem die Stones den Song im Konzert jazziger und somit spannender spielen, gern live höre. Hier nun ist es gar so, dass mir die Chessman-Interpretation noch besser gefällt, als alles, was die Rolling Stones schon selbst mit diesem Stück angestellt hatten. Ich hoffe, dieses fundamentale Kompliment eines leidenschaftlichen Stones-Fans kommt an. ;-)

Ziemlich zum Ende dann noch etwas wahrhaft Erhebendes: "Little Wing" von Jimi Hendrix. Sowieso schon ein filigranes, sphärisches Kunstwerk, aber mit zwei gekonnt gespielten Gitarren wird hier der klangliche Horizont um wenigstens ein, wenn nicht sogar um zwei Drittel breiter, während es einen emotional ganz fest im Innersten packt. Leute, was für eine Freude!

Das Publikum, überwiegend wohl Stammgäste der Spielstätte und somit durchaus hohes Niveau gewohnt, honoriert den Auftritt mit Begeisterung und langem Beifall. Die obligatorische Zugabe hätte es für mich dann gar nicht mehr gebraucht. Glücklich und zufrieden darüber, wieder etwas Feines für mich entdeckt zu haben, geht's zurück nach Berlin und rein ins Wochenende …









   
   
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