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Ein Konzertbericht mit Fotos von Bodo Kubatzki



Seit September 2021 mussten die Rostocker Fans auf das Konzert der slowenischen Band LAIBACH warten, nachdem es Corona-bedingt zweimal verschoben wurde. Nun ist die Band im Rahmen ihrer Love is still alive-Tour endlich wieder in der Hansestadt zu erleben. LAIBACH sind der musikalische Teil des Künstlerkollektivs Neue Slowenische Kunst, das Anfang der 1980er Jahre gemeinsam mit einer Maler- und einer Theatergruppe gegründet wurde. Der Name der Band ist die deutsche Entsprechung zu Ljubljana, der Hauptstadt Sloweniens. Im kommunistischen Jugoslawien der Post-Tito-Ära war dieser Name unerwünscht und seine Wahl eine Provokation. Das bewusste Spiel der Band mit faschistoid anmutenden Symbolen und Zitaten aus totalitären Ideologien oder der Religion, führte immer wieder zu Missverständnissen und zu Fehlinterpretationen ihres künstlerischen Schaffens. In ihren Texten erzeugt die Band bewusst Reibungspunkte zu Politik und Gesellschaft. Obwohl sich die Band selbst als Rockband sieht, ist sie musikalisch äußerst experimentell und bewegt sich zwischen verschiedenen Stilen. Elemente aus Pop, Post-Punk, Techno oder Industrial gehören ebenso zum Sound von LAIBACH wie Versatzstücke aus Klassik und Avantgarde.


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Das Konzert in Rostock beginnt mit einer für LAIBACH untypischen, fröhlichen Country-Nummer, bei der Sängerin Marina Martensson auf ihrer Akustik-Gitarre einen einfachen Rhythmus über zwei Akkorde zu spielen beginnt. Schlagzeug, Gitarre und Keyboards setzen mit ein und begleiten diese Schunkelnummer. Nach einigen Takten schreitet Sänger Milan Fras auf die Bühne, gekleidet mit einer golden glitzernden Jacke und einem riesigen Cowboy-Hut. Mit seiner markant röhrenden Stimme intoniert er die erste Strophe des Songs "Love is still alive". Im Refrain wird klar, dass wir uns auf einer musikalischen Reise durch die Galaxis befinden:

"Surfing through the galaxy,
with stardust in your hair
We lost the earth forever
and the moon is no more there
Gliding through the galaxy, red orbit in your eyes
We lost the earth forever, but our love is on the rise"



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Die einfache Melodie entwickelt sich im Laufe der nächsten vierzig Minuten zu einer spacigen Reise durch verschiedene musikalische Genres, von Country über Krautrock und Dance bis hin zu Electronic. Die Musik zu "Love is still alive" ist als Fortführung jener Musik anzusehen, die 2019 für den Science-Fiction-Dark-Comedy-Action Film "Iron Sky - The Coming Race" entstanden ist. Acht verschiedene Versionen des Songs erzählen die Geschichte von einigen Menschen, die die Zerstörung der Erde zum Beginn des dritten Jahrtausends überlebt haben. In einem Raumschiff rasen sie durch das Universum, vorbei an den Planeten, verbunden mit der Hoffnung, irgendwann den Mars zu erreichen, auf dem ein Weiterleben möglich sein könnte. Dieser erste Teil des Konzerts ist eine audiovisuelle Performance, die dann doch so typisch für LAIBACH ist. Das ganze Ausmaß der Show kann ich kurz von der Empore der Kirche in Augenschein nehmen. Für die Konzertbesucher ist dieser Bereich leider nicht zugänglich. Zur fantastischen Lichtkonzeption laufen unterschiedliche Videoprojektionen, während die Instrumentalisten die spacige Reise musikalisch umsetzen. Die vier Musiker, Luka Jamnik und Rok Lopati an den Keyboards, Vitja Balžalorsky an der E-Gitarre und am Synthesizer sowie Bojan Krhlanko am Schlagzeug, sind bestens aufeinander eingespielt. Manche Versionen des Stücks erinnern an Kraftwerk oder Tangerine Dream. Zu blubbernden Sequenzer-Sounds wird der Refrain durch einen Vocoder verfremdet. An anderer Stelle erklingen sägende Gitarren-Sounds, erzeugt durch die Verwendung eines Geigenbogens. Bei "Love is still alive - Part VIII (Mars, Dysphoria)" kommen Marina Martensson und Milan Fras wieder mit auf die Bühne. Die galaktische Reise endet mit spacigen Wohlklängen, zu denen Milan nochmal den Text spricht: "We lost the Earth forever, but our love is still alive".


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Der zweite Teil des Konzerts setzt sich schließlich aus einer Vielzahl bekannter LAIBACH-Songs zusammen. Zwei Songs stammen aus dem Musical "Wir sind das Volk" zu Texten von Heiner Müller, drei vom Album "Also sprach Zarathustra", gesungen - eher gesprochen - in Deutsch. Die überwiegend düstere Lichtstimmung wird immer wieder durch grelle Lichtblitze aufgebrochen. Der Sound ist meist martialisch hart, mit treibenden Beats und von epischen Keyboardklängen durchsetzt. Dominiert werden die Songs von der tiefen Stimme des Frontmanns Milan Fras. Als Gegenpart verpasst Sängerin Marina Martensson mit ihrer klaren Stimme dem Ganzen hin und wieder eine melancholische Note. Neben den durchkonzipierten Lichteffekten sollen auch die Videosequenzen nicht unerwähnt bleiben. Mal sind es Steinskulpturen in schwarz-weiß zu "Der Engel der Verzweiflung", dann Bilder, die wie aus Filmen von Leni Riefenstahl wirken. Die gesamte Show wirkt von Song zu Song immer verstörender. Doch fasziniert sie mich auch zunehmend. Mit dem eindringlichen Antikriegs-Song "Ti, ki izzivas' (Du, der herausfordert)" beendet die Band ihr reguläres Set.

Mit der ersten Zugabe, dem Leonhard Cohen Cover "The Future", wird es zwar musikalisch etwas eingänglicher, doch macht Cohens dunkle Zukunftsvision deutlich, wie nahe wir ihr bereits gekommen sind. Das Rolling Stones Cover "Sympathy for the Devil" setzt noch eins obendrauf, als Putins Fratze grinsend von der Leinwand glotzt. Die gesamte Inszenierung der Show ist einfach grandios. Mit dem bluesigen Duett von Marina und Milan bei "The Coming Race" mit den abschließenden Worten "Let's make earth great again" entlassen die Musiker von LAIBACH die knapp 400 begeisterten Fans schließlich in die kalte Januarnacht.



Setlist:
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