Semper Fidelis III am 30. März 2014 in Gera

 


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Ein Konzertbericht mit Fotos von Grit Bugasch


Nicht die Anbetung der Asche war das erklärte Ziel dieses Abends, sondern das Weitertragen des Feuers. Dass es nicht leicht ist, einem solchen Anspruch gerecht zu werden, dürfte klar sein. Es wäre allemal einfacher, sein Idol auf einen Sockel zu stellen, sich mit verklärtem Blick an Konzerte und gemeinsame Erlebnisse zu erinnern und verzückt der musikalischen Hinterlassenschaft zu lauschen - zumal, wenn es sich um einen so charismatischen Menschen und Musiker wie Cäsar handelt. Aber das würde ihm nicht gerecht werden. Und soviel kann ich vorwegnehmen: Das Konzept ist aufgegangen. Die Reaktionen des Publikums im Saal haben sehr deutlich bewiesen, dass es gelungen ist, das Feuer am Brennen zu halten und weiterzutragen.

Eigentlich sollte es für mich nur ein verlängertes Wochenende werden, um bei vier Konzerten vier schöne Abende zu verbringen. Aber irgendwann fiel mir auf, dass es plötzlich mehr war - quasi eine musikalische Zeitreise mit rotem Faden. Angefangen beim Konzert mit Big Joe Stolle und Gästen am Donnerstag in der Berliner Kulturbrauerei, wo neben vielen anderen Jürgen Schötz, Moritz und Robert Gläser auf der Bühne zu erleben waren und Dirk Zöllner auch "Cäsars Blues" zu Gehör brachte. Weiter ging es am Freitag mit der bestens aufgelegten Zöllner Bigband im legendären Leipziger Anker. Gefolgt vom absoluten Klassiker - "Willkommen bei Renft" tönte es am Samstag im Anker und als besondere Gäste waren Christian "Kuno" Kunert im Vorprogramm und Jochen Hohl beim Konzert mit von der Partie.

Am Sonntagabend schließt sich dann der Kreis für meine kleine private Konzerttour mit "Cäsar - Semper Fidelis III. Musik und Geschichte auf Zeitreise". Die Ankündigung verhieß eine in dieser Form einzigartige Veranstaltung und ließ ansonsten vieles offen. Also bin ich neugierig und sehr gespannt auf das, was da im Geraer Clubzentrum Comma auf mich zukommt.b 20140402 1233680252 Und offensichtlich geht es nicht nur mir so - zügig füllt sich der Saal und gespannte Erwartung liegt in der Luft. Eine gewisse Unrast und großes Interesse an der Musik verbinden offensichtlich auch die Menschen, die auf und hinter der Bühne an der heutigen Veranstaltung beteiligt sind. Vor allem die Musik für Menschen mit dem gewissen Etwas zwischen den Ohren. Das gilt bei Weitem nicht nur Cäsars Musik, aber ebenjene bietet heute den Rahmen.

Auf Initiative des digitalen Cäsar-Archivs haben sich also Edo Zanki, Gerhard Pötzsch, Ulrich Doberenz und Felix Meyer zusammengefunden, um sich über ihre ganz persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen mit Cäsar und seiner Musik auszutauschen. Dass Edo Zanki - der "Godfather of German Soul" - einen ganz anderen Zugang zu Cäsars Werk hat als Felix Meyer - der junge musikalische Geschichtenerzähler - ist logisch und macht den besonderen Reiz der Runde aus. So erzählt Edo Zanki von seinen ersten Berührungen mit der ostdeutschen Musikszene, von Werner Karma (dessen Texte er inzwischen vielfach singt), von Begegnungen mit Silly und Tamara Danz, vom Einfluss der Sprache auf die Musik, von den Besonderheiten und Zwängen hüben wie drüben und auch davon, welch ein Verbrechen es für ihn ist, dass die Musiker in Ost und West so lange Zeit nicht zueinander durften. Auch wenn uns Felix Meyer verrät, dass er sich eigentlich erst im Vorfeld des heutigen Abends näher mit Cäsar beschäftigt hat, sind die Unterschiede gar nicht so groß, wie man meinen könnte. Die Begegnungen mit Menschen sind auch für ihn das Wesentliche; auf Reisen und im Alltag erlebte Episoden sind ihm Inspiration für seine Musik. Besonders wichtig ist ihm die Sprache - es ist die Lyrik des Alltags, die seine Texte und deren musikalische Umsetzung prägt. Seit etlichen Jahren ist er als Straßenmusiker unterwegs, so dass sich die großen Glücksmomente wie auch die großen Lebensdramen in seinen Songs spiegeln.

Von Abenteuern und Anekdoten ganz anderer Art wissen zwei Zeitzeugen und direkte Wegbegleiter von Cäsar zu berichten. Gerhard Pötzsch erzählt uns vor allem von dem mit Cäsar gemeinsam erarbeiteten Hörbuch-Programm und wie daraus die allseits bekannte Autobiografie "Wer die Rose ehrt" entstand, deren Co-Autor er wurde. Um die eine oder andere Episode noch einmal bildlich in Erinnerung zu rufen, hat er das Buch parat und gibt zur Freude des Publikums einige besonders schöne Passagen zum Besten. Ganz nebenbei erfahren wir ein paar aufschlussreiche Details über den 1965er Beataufstand in Leipzig, über die Kompromisslosigkeit bei Renft und die Selbstbeschneidung bei Karussell und lauschen zahlreichen (nicht nur musikalischen) Begebenheiten aus Cäsars Leben. Mit einem Augenzwinkern berichtet Ulrich Doberenz von seinem nicht ganz leichten Start mit Cäsar. Sie waren in der gleichen Schule, hatten beide ihre eigene Band und wurden doch immer wieder miteinander verglichen. Und wer hat das schon gerne - vor allem wenn er, wie Ulrich Doberenz, der Jüngere von beiden ist. Doch im Laufe der Jahre fanden sie ihre eigenen musikalischen Wege, die sich wegen der gemeinsamen Interessen eben immer wieder kreuzten. Bis zu dem Punkt, als Ulrich Doberenz Mitte der 90er Jahre die Produzentenrolle für einige Cäsar-Alben übernahm. Dass die geänderten Rollen auch mit unterschiedlichen Interessen verbunden waren und neue Sichtweisen zutage brachten, dürfte kaum überraschen. Genauso wenig wie der Fakt, dass derlei kreative Spannungen natürlich auch Quell neuer Ideen und Inspiration sein können.

Moderiert wird die Runde durch Arno Köster, der augenscheinlich weiß, wovon er spricht. Kein Wunder, ist er doch (unter anderem) Redaktionsleiter des digitalen Cäsar-Archivs. Welch ein Glück für alle Beteiligten, die heute von (leider häufig anzutreffenden) oberflächlichen Fragen verschont bleiben. Mit Bedacht und mit Sachkenntnis bringt er seine Fragen in die Runde ein und beschert uns damit einen kurzweiligen wie unterhaltsamen Abend, der so einige Überraschungen - zum Beispiel in Form bisher unveröffentlichter Videobeiträge - für uns bereithält.

Für den Unterhaltungswert sind natürlich auch die musikalischen Leckerbissen von entscheidender Bedeutung, die diesen besonderen Abend erst komplett machen. Cäsars Musik spiegelt sein Leben, die Themenvielfalt und die unterschiedlichen Erfahrungen in den verschiedenen Etappen. Und wer sonst als seine langjährigen musikalischen Weggefährten könnte seine großartigen Songs hier auf die Bühne bringen. Dabei dürfte es Jürgen Schötz (dr) und Volkmar Große (kb, bg, voc) sicher nicht leicht gefallen sein, aus dem großen Fundus die Titel auszusuchen, die sie heute Abend für uns spielen. Für meinen Geschmack ist die Auswahl wunderbar gelungen - neben unverzichtbaren Klassikern sind mit "Im Bauch des Riesen", "Wandersmann" und "Ja oder nein" auch einige meiner Favoriten dabei. Da Cäsar seine Songs nicht mehr spielen und singen kann, haben sie sich anderweitig Verstärkung gesucht. Gefunden haben sie diese in Tobi Hillig (git) und Steffi Breiting (voc), die auf ihre Art dazu beitragen, dass sich einige Titel heute mit neuem Antlitz präsentieren. Interessantes Detail dabei: Tobi Hillig sagt von sich, dass es gerade Cäsar und Renft waren, die ihn als kleinen Jungen inspirierten, zur Gitarre zu greifen. Die Begeisterung merkt man seinem intensiven Spiel an, genauso wie Steffi Breitings wunderbar warmer Stimme. Es ist sicher nicht ganz ohne, sich in diesem Rahmen an Cäsars Musik zu wagen, wenn man nicht gerade früher mit ihm musiziert hat - für meinen Geschmack haben sich die vier Musiker hier großartig ergänzt.

Sehr gelungen finde ich, neben den jeweils eigenen Titeln, auch die gemeinsamen Cäsar-Interpretationen von und mit Edo Zanki und Felix Meyer. Auch wenn sie extra betonen, dass sie nur am Sonntagnachmittag alle zusammen proben konnten - musikalische Leidenschaft zählt mehr als Perfektion. Und so kommen wir glücklicherweise in den Genuss, Edo Zankis Version des Silly-Songs "Wo bist du" und des Cäsar-Klassikers "Wer die Rose ehrt" zu hören, während Felix Meyer sich passenderweise den "Wandersmann" ausgesucht hat. Das eindrucksvolle Zusammenspiel der Musiker, insbesondere das der so unterschiedlichen wie außergewöhnlichen Stimmen kommt beim Publikum bestens an und hätte sicher auch Cäsar gefallen. Beim Finale mit dem "Apfeltraum" hält es schließlich keinen mehr auf seinem Sitz - begeistert singen und tanzen die Beteiligten auf und vor der Bühne.

Dass der Funke der Leidenschaft im Publikum und auf der Bühne gleichermaßen spürbar war, ist vor allem auch den Initiatoren und Organisatoren des Abends zu danken. Simone Dake bringt es auf den Punkt: Es war ein Wagnis, von dem im Vorfeld niemand genau sagen konnte, wie es ausgehen würde. Umso größer ist die Freude darüber, dass sich Veranstalter, Musiker, Talkgäste und Publikum mit respektvoller Neugier und großer Offenheit aufeinander eingelassen haben. Es war ein einzigartiger und wunderbarer Abend! Eine absolut gelungene Veranstaltung - bezogen auf das Konzept insgesamt, die Zusammenstellung der Beteiligten, die Talkrunde, die Videobeiträge und natürlich die Musik. Der Umgang mit einem Künstler, sei es zu Lebzeiten oder auch danach, sagt viel über eine Gesellschaft und die Menschen, die in ihr leben. Schön zu sehen, dass die Erinnerung an Cäsar auf diese Weise lebendig erhalten wird - sein Leben und Werk (wie auch das von Renft) waren nicht nur prägend für eine Generation. Dank der Arbeit des digitalen Cäsar-Archivs kann das Feuer auch künftig weitergetragen werden. Ich freue mich jetzt schon auf die angekündigten Fortsetzungen - wann und wo auch immer. Wie heißt es doch so schön ...

"Alles ist im Fließen, alles ist im Geh'n.
Sterne rasen, auch wenn wir sie stehen seh'n.
Zeit für mich, weine nicht, ich behalte dein Gesicht,
und in der Erinnerung bleibt es lieb und schön.

Abschied heißt doch auch weitergeh'n.
Tränen hat die Trauer, aber auch das Glück.
Komm gut an, nicht zurück,
Wandersmann, komm gut an, geh..."




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Bitte beachtet auch:

• Homepage des Cäsar Archivs: www.cäsar-archiv.com
• Portrait über 'Cäsar' Peter Gläser: HIER




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