000 20221129 2062562567
 
 
 

000b 20221129 1910835067
Ein Bericht mit Videoclip und Fotos von Matthias Ziegert



Leider sind wir jetzt in der dunklen Jahreszeit angekommen und das Wetter ist deshalb auch manchmal ziemlich hässlich. Letzten Freitag empfand ich die Dunkelheit, die Kälte und den Nieselregen besonders ekelig. Von diesem Wetter ließen sich die Fans von DIE SEILSCHAFT aber nicht abschrecken. Hunderte von ihnen standen in einer langen Schlange geduldig vor dem für seine legendären Konzerte berühmten "Leipziger Beatschuppen" in der Renftstraße 1 an, den man unter dem Namen "Anker" kennt. Von einem "Beatschuppen" wie noch vor einigen Jahren kann inzwischen allerdings keine Rede mehr sein, da das Gebäude in den letzten Jahren aufwendig und liebevoll von der Stadt Leipzig saniert und erweitert wurde. Und der Beat ist inzwischen ja auch nur noch eher selten anzutreffen, hat er doch schon längst anderen Spielarten des Rock Platz gemacht.

Die heutige Zeit bringt so manches Problem mit sich, das Konzerte auf wackeligen Beinen stehen lässt. Zuerst sorgte das Corona-Virus für einen Lock-Down, der alle Lokale schließen ließ und die Veranstaltungsbranche zum Erliegen brachte. Als sich die Beschränkungen lockerten, war es die Zurückhaltung der Menschen, wieder auf Konzerte zu gehen und Karten im Vorverkauf zu erwerben, die für so manchen Ausfall sorgte. Wenig Vorverkauf bedeutete immer auch eine Absage der Veranstaltung. Und nun herrscht im Osten Europas Krieg. Allerdings ist es weniger der Krieg mit den Waffen, als der Handelskrieg, der die Energiekosten in die unfassbare Höhe treibt und die Veranstalter mit dem spitzen Bleistift rechnen lässt, ob Muggen zum regulären Preis überhaupt noch machbar sind. Die Heizkosten dürften an diesem Freitagabend im November 2022 allerdings keine Rolle gespielt haben, denn der Saal im "Anker" war prall mit Konzertbesuchern gefüllt. Die Kasse klingelte also, die Unkosten dürften gedeckt sein und der Zuspruch dem Hausherrn ein Lächeln ins Gesicht gezaubert haben. Eine so volle Hütte erlebt man hier im "Anker" auch nicht bei jedem Künstler. Ich selbst hatte das bisher nur bei OMEGA und den Gedenkkonzerten für Cäsar Peter Gläser erlebt.


a 20221129 1103663783


Bei "Cäsar Semper Fidelis" habe ich Christian Haase und DIE SEILSCHAFT im Jahre 2010 auch das erste Mal im "Anker" live erlebt und war sofort begeistert. Der gebürtige Leipziger war 2008 als Frontmann in die wieder auferstandene Band des 1998 leider viel zu früh verstorbenen singenden Baggerfahrers aus der Lausitz, Gerhard "Gundi" Gundermann, eingestiegen. Band und Haase pflegten seitdem das musikalische Erbe und nutzten den umfangreichen Fundus, des "Bob Dylan des Ostens", um das alte Gefühl bei den Fans wieder auszulösen, das 1998 verloren gegangen zu sein schien. Im Laufe der Zeit entstanden in dieser Besetzung aber auch neue Lieder, ganz im Geiste und der Tradition Gerhard Gundermanns. Im Jahr 2021 erschien mit "Dein Paket" schließlich das erste Album der exzellenten Musiker in der aktuellen Besetzung, und seitdem hat jeder Fan nun "sein Paket" zu tragen. Überhaupt hat die Band ein Riesenglück, diesen Frontmann gefunden zu haben. Die Aufgabe, die Position von Gundermann am Mikro und am Schreibtisch beim Schaffen neuer Lieder zu übernehmen, ist keine leichte. Sehr groß die Fußspuren, in die der Haase da zu treten hatte, und der Schuss hätte durchaus nach hinten losgehen können. Aber das macht der Liedermacher hervorragend, sowohl als Musiker und Sänger, als auch als Komponist und Texter.

Davon kann man sich derzeit auch auf der aktuellen Tour der Band wieder einmal überzeugen. Die läuft zwar unter dem Namen des eben genannten Albums, das bedeutet aber natürlich nicht, dass nur die neuen Songs gespielt werden. Natürlich befanden sich auch die "Klassiker" aus früheren Jahren mit im Programm. "Der 7. Samurai", "Einsame Spitze", "Alle oder keiner", "Brunhilde" und natürlich auch "Gras" durften da nicht fehlen (siehe Setlist unten). Die Band hatte ein gut aufeinander abgestimmtes Musikpaket geschnürt, in dem bekannte Hits mit sicher zukünftigen Lieblingssongs der Fans Schlag auf Schlag präsentiert wurden. Bei mir blieben jedenfalls keine Wünsche unerfüllt.


b 20221129 1701651454


Während die Nation daheim vor den Fernsehgeräten dem Spektakel der WM in Katar folgte, begann die Mugge im Leipziger "Anker" pünktlich um 21.00 Uhr. DIE SEILSCHAFT machte ohne Verspätung die "Leine los", was für manchen Konzertbesucher, der es aufgrund des großen Andrangs vor der Tür nicht pünktlich in den Saal geschafft hatte, leider etwas zu früh war. Die wurden aber schnell entschädigt, denn die Band präsentierte sich den ganzen Abend mit einer regelrecht angestauten Spielfreude, die fast mit den Händen greifbar war. Auch sie hatte durch die Corona bedingte Zwangspause lange nicht mehr spielen dürfen, und auf ihrer Tour kann der Druck endlich abgelassen werden. Dieser entlud sich in einem regelrechten Feuerwerk auf der Bühne und übertrug sich von der ersten Sekunde an auch auf das Publikum, das ebenfalls einen großen Nachholbedarf hatte. So fanden beide Seiten schnell zueinander und es wurde ordentlich gefeiert. Die Menschen vor der Bühne tanzten, klatschten und sangen fleißig mit.

Wie fast immer im "Anker" zeigte sich das Publikum sehr textsicher, was sogar die Musiker auf der Bühne manchmal etwas verblüffte. Verblüfft war man aber auch selbst, wie nah am Original der eben schon lobend erwähnte Frontmann sein Werk verrichtete. Da wurde seinen Zuhörern nicht nur vom Tanzen und Mitsingen warm, denn Haase löste mit dem, was er da tat, eine von innen kommende Wärme aus. Die vorgetragenen Lieder taten ihr Übriges dazu. Da werden eben Erinnerungen an die alten Zeiten wach und die, die sie selbst nicht erlebt haben, finden schnell in dieses Gefühl hinein, das sich nur schwer mit Worten beschreiben lässt. DIE SEILSCHAFT und ihre Konzerte sind wie eine heilige Messe, nur dass die "Prediger" da vorn die Botschaften glaubhaft und ehrlich rüber bringen.


c 20221129 2070820284


Der Haase ganz vorn in der Mitte, links von ihm zuerst Andy Wieczorek am Saxophon, dann daneben Christoph Frenz am Bass, rechts von ihm Mario Ferraro an der Gitarre, und hinter ihm Tina Powileit am Schlagzeug und Michael Nass an den Tasteninstrumenten, so war die Grundaufstellung beim Anpfiff, aber es war immer wieder Bewegung auf der Bühne zu sehen. Eine sich selbst auferlegte Taktik verfolgt die "Mannschaft" wohl nicht, überzeugt lieber mit einer scheinbar tatsächlich stattfindenden Spontanität und gesteigertem Bewegungsdrang. Die Musiker wechselten während des Spiels ihre Plätze und zelebrierten die Lieder teils wie im Rausch. Einen Rausch auslösend waren hier aber nur die Musik und die Inhalte, jedoch keine stimulierenden Substanzen. Einer Doping-Probe nach dem Spiel hätten alle Beteiligten sicher gelassen entgegen sehen können. Nass stieß im Verlauf mit seinem Akkordeon sogar bis in die Spitze vor. Immer wieder die Blicke auf sich zogen Andy mit seinem Saxophon und natürlich Haase, der außer am Mirko auch an der Gitarre eine gute Figur machte. Ferraro lieferte ihm die Steilpässe, die er für die vielen Treffer beim Publikum brauchte, und die Rhythmus-Abteilung im Hintergrund gab die Schlagzahl vor. Die sechs lieferten bis zum Abpfiff eine bemerkenswert gute Leistung ab, und rissen das Publikum förmlich mit sich. Vergessen waren die Dunkelheit, die Kälte und der Nieselregen, die einen vor Beginn frösteln ließen. An diesem Punkt des Abends war man elektrisiert, gewärmt und beseelt. Was für ein Fest!


Videoclip: Live in Leipzig


Nach 28 exzellent vorgetragenen Songs endete ein Konzert, an das sich viele noch lange erinnern werden und das im Saal einen tosenden Applaus auslöste, der die Musiker schon vor dem endgültigen "Licht aus" für zahlreiche Zugaben zurück nach vorn lockte. Nach einer kurzen Pause zum Frischmachen erschienen die Musiker dann noch ein weiteres Mal im Saal. Diesmal ohne Instrumente, dafür aber mit ausreichend Zeit für die Leute, um Autogramme und Antworten auf Fragen zu geben. Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen mit der Band im Anker, denn in fast einem Jahr, genau am 18. November 2023, werden sie wieder hier sein. Ich auch ...



Setlist
Zum Vergrößern bitte anklicken

set1122


Termine
• 02.12.2022 - Torgau - Kulturbastion
• 03.12.2022 - Freiberg - Tivoli
• 04.02.2023 - Potsdam - Lindenpark

Alle Angaben ohne Gewähr!






Fotostrecke:



 

 

 


   
   
© Deutsche Mugge (2007 - 2023)

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.