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Ein Bericht mit Fotos von Thorsten Murr
plus zusätzliche Fotos von Katja Jahn




Am 29. und 30. Dezember 2022 gab die Berliner Band CITY anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens und nach einer ausgedehnten Tournee unter dem Motto "Letzte Runde" in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin ihre zwei letzten Konzerte. Wie überall zu vernehmen war und auch an diesen Abenden erneut bekräftigt wurde, macht die Band tatsächlich Schluss. Von Auflösung ist nicht die Rede, aber von Ruhestand. Der mag für die unzähligen Fans, wie auch für mich selbst, sehr schmerzhaft sein, ist aber mehr als verdient. Hinter City liegen nun fünf Jahrzehnte Rock and Roll, zahllose Konzerte im In- und Ausland, eine stolze Reihe starker Alben und etliche Songs, die zweifellos schon jetzt als Klassiker ost- und auch gesamtdeutscher Rockmusik gelten. Es ist freilich auch eine Geschichte, die von Entwicklungen und Veränderungen geprägt ist, von den frühen Jahren in der DDR, von Wende und Wiedervereinigung, von Umbesetzungen, von Aus- und Wiedereinstiegen, von stilistischem Wandel und vom frühen Tod des Gründungsmitgliedes und Schlagzeugers Klaus Selmke vor zweieinhalb Jahren, dem die Band die gesamte Tour gewidmet hat. Doch vor ihrem Schluss verkauft City noch zweimal die Mercedes-Benz-Arena aus und spielt zwei grandiose Abschiedsshows.

Zusammen groß geworden
Das Publikum ist überwiegend im gesetzten Alter, 60 plus. So ergibt die Komplettbestuhlung der Arena durchaus einen Sinn, wenn es dadurch auch eine Weile braucht, bis Bewegung in die Masse kommt. Beim machtvollen Opener, "Hymne (Come Together)", der mit "Wir sind zusammen groß geworden, wir sind vom selben Stoff gemacht" die ganze Menschheit herzlich umschlingt, heute aber wohl vor allem die City-Fans meint, rührt sich da unten im Saal noch nicht all zu viel. Auch das von mir sehr gern mitgesungene "AMERIKA" verpufft leider etwas. Aber dann gewinnt das Ganze ganz gewaltig an Fahrt.


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Soundcheck in Berlin (Foto: Reini Petereit)



Es ist unheimlich heiß
City hat die Halle fest im Griff, und selbst in den hinteren Reihen tanzen und singen die Leute alsbald mit. Ein erstes Highlight, nicht nur für mich, ist das Medley "Erste Runde", das aus drei Songs vom ersten Album besteht: "Es ist unheimlich heiß", "Der King vom Prenzlauer Berg" und "Meister aller Klassen". Allesamt Songs, die vor "Am Fenster" auf Nummer-eins-Platzierungen in den DDR-Hitparaden landeten, wie Toni Krahl erläutert. In meiner persönlichen City-Hitliste stehen sie heute noch auf Platz eins. Mit Unterstützung des ersten namhaften Gastes des Abends, Uwe Hassbecker von Silly, und dessen "tief fliegender Gitarre", wie Toni Krahl sagt, entfalten sie auf der Bühne eine ungeheure Wucht, wobei auch die über das gesamte Konzert machtvoll gespielten Drums von Tour-Schlagzeuger Roger Heinrich ihren Teil beitragen.

Überwältigend, berührend, charmant
Im Vergleich mit meinem Konzerterlebnis Ende Oktober im schmucken Freiberger Tivoli, was angesichts der hiesigen Zuschauermassen eher ein Club-Gig war, agiert City auch in dieser großen Arena äußerst souverän. Eben eine Band von Welt, mit dem über die vielen Jahre bewahrten Charme der Local Heroes. Besonders die hymnenartigen, mitsingfreundlichen Songs zeigen ihre Größe und erzielen eine nahezu überwältigende Wirkung.

Bei dem zu Ehren ihres verstorbenen Drummers, Klaus Selmke, im Text umgeschriebenen, unter die Haut gehenden, Stück "War gut" erhebt sich das gesamte Publikum. Eine wahrhaft traurige Begebenheit in der Geschichte dieser starken Band.

Ein weiterer Ruhepol, voll knisternder Spannung und Würze, ist der Auftritt des Rockhaus-Gitarristen Reinhard "Reini" Petereit und des H-Blockx-Sängers Henning Wehland. In einem Duett aus scharf gespielter Bluesgitarre und ausdrucksstarkem Gesang interpretieren die beiden "Gute Gründe". Ein Song, der bereits im Original ein Juwel im umfangreichen City-Repertoire ist, hier aber, in dieser großen Halle, besonders eindringlich wirkt.


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Illustre Gäste und orchestraler Background
Zu dem berührenden Lied "Mit offenen Armen", es ist das letzte auf der ersten CD des bislang letzten Albums, spielt Tobias Unterberg, bekannt auch als B. Deutung, Cello. Zum machtvollen "Vater glaubte" liefert erneut Uwe Hassbecker zusätzliche Gitarrenpower, und ab "Glastraum" spielen gar die Berliner Symphoniker im Hintergrund. Später kommen auch noch Ex-City und heutiger Silly Ritchie Barton hinzu sowie der Songtexter Alfred Rösler-Kleint, dessen Worte auf etlichen City-Alben verewigt sind. Erstaunlich, zumindest für mich, ist der Auftritt des von mir sehr geschätzten Schauspielers Henry Hübchen. Mir war bisher gar nicht bewusst, dass Hübchen als Komponist wesentlichen Anteil am Titelsong des Erfolgsalbums "Casablanca" hatte und auch an "Gute Gründe". Ha, da lerne ich also kurz vorm Schluss noch etwas Elementares dazu!

All die Gäste unterstreichen die Einzigartigkeit dieses Abends und machen die Abschiedsparty noch lebendiger, noch bunter und noch unterhaltsamer - während das Orchester dem Ganzen eine bombastische und berauschende Dimension verleiht. Beeindruckend, überwältigend und ganz sicher eine probate Form, sich bei Weggefährten und musikalischen Freunden zu bedanken. Zugunsten einer gelungenen finalen City-Show hätte es das alles aber - für mich, ganz persönlich - gar nicht gebraucht. City ist selbst groß, souverän und selbstverständlich auch unterhaltsam genug, um so ein Konzert von Anfang bis Ende voller Spannung, Prägnanz und Power zu absolvieren. Nein, nein, liebe Leute, das ist keine Kritik am Erlebten! Das ist nur ein kleiner Gedanke eines dankbaren Fans, dessen erstes wirkliches Rockkonzert im Leben die City-Rock-Band war und dessen Lieblingssong dieser Band für immer das mit einfachem Gitarre-Bass-Drums-Instrumentarium und Tonis markantem Gesang eingespielte "Es ist unheimlich heiß" bleiben wird. Denn genauso war es damals!

Zum fast letzten Mal "Am Fenster"
Eine fulminante Version von "Am Fenster" kommt zum Schluss, gewissermaßen als Zugabe verpackt. Uwe Hassbecker und Joro fiedeln um die Wette, als wenn es schon heute kein Morgen mehr gäbe - eines gibt es ja noch. Es geht jedenfalls nochmal richtig was ab da vorn - und freilich auch in der ganzen Arena, in der schon lange kaum noch einer auf seinem Platz sitzt. Mensch, sollte das jetzt wirklich das vorletzte Mal gewesen sein, dass dieser Überhit von seinen Machern live gespielt wird? Schwer zu glauben …


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Tschüss … (Foto: CITY)



Ich würd' so gerne noch bleiben …
Am nächsten Tag, am Freitag, dem 30. Dezember, fand dann das wirklich letzte Konzert statt. Ich war nochmal da, für die ersten drei Songs, um von ganz hinten ein paar Fotos für Deutsche Mugge zu machen. Der Funke sprang an diesem Abend gleich beim ersten Song über. Vermutlich, weil sich für dieses zuerst angekündigte Konzert vor allem die ganz harten City-Fans sofort ihre Tickets in den ersten Reihen gesichert hatten. Das Programm sei identisch mit dem vom Vortag, wurde mir versichert, aber am Ende gab es sicherlich noch ein paar heimliche Abschiedstränen mehr.

Mein persönlicher Extra-Dank geht an das Management vor Ort - dafür, dass ich nach den für Fotografen obligatorischen ersten drei Songs ein paar Minuten länger im Saal verweilen durfte, um das Medley vom ersten Album noch ein letztes Mal live zu hören. "Ich wär' so gern noch geblieben, denn es war grad so schön, doch ich hab kein Ticket, deshalb musste ich gehen", singe ich danach grinsend in mich hinein. Mit diesen Songs hatte es damals für mich angefangen und mit genau diesen Songs geht es für mich heute zu Ende. Alles ok. Danke für alles, City! Ihr seid die ewigen Kings vom Prenzlauer Berg und Meister aller Klassen! Und solltet Ihr es Euch doch nochmal anders überlegen, nicht heute, nicht morgen, aber vielleicht überübermorgen - denkt bitte dran: Es gibt gute Gründe!



Bitte beachtet auch:
• Homepage von CITY: www.city-internet.de
• Homepage des Veranstalters Semmel: www.semmel.dede




Fotostrecke:
 
 
Fotos von Katja Jahn:
 
 
 
 
Fotos von Thorsten Murr