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Ein Bericht von Franzi Münch




a 20221024 1491335141The Cure haben im Laufe von beinahe vier Jahrzehnten die Rockmusik nachhaltig geprägt. Mehr als 1.500 Konzerte haben sie schon auf dem Buckel, und mehr als 40 Singles und 13 Alben erschafften die Briten zwischen 1979 bis 2008. Bereits in ihrem ersten Jahr veröffentlichen The Cure mit "Boys Don't Cry" eine Single, die bis heute Bestand hat und auch Jahrzehnte später noch im Radio läuft. Auch "Just Like Heaven" gehört nach wie vor auf jede gut sortierte Achtziger-Playlist.

Robert Smith, der Sänger von The Cure, ist eine der markantesten Personen des Musik-Business. Als Jugendlicher aus Sussex war er einer der ersten, der beim Singen konsequent auf seine Füße oder ins Nirwana starrte, Morbides, Melancholisches, Brutales und Sentimentales beschwor, aber dabei so überzeugend war, dass er als Ahnherr der Gothic-Bewegung gilt. Legendär ist auch Smiths exzentrische Erscheinung auf der Bühne. Mit seinen rot geschminkten Lippen, seinen schwarzen, zerzausten Haaren, seinem puderweißen Gesicht und der ständig schwarzen Kleidung prägt er in den Achtzigern die Entwicklung der Gothic-Szene. Sein persönlicher Einfluss entspringt allerdings dem Glam Rock von David Bowie, Slade, The Sweet und T. Rex. Es gab natürlich Zeiten, da klang Robert Smith, als würde er sich nach dem Song aus dem Fenster stürzen. Er hat einiges an Drogen, Trennungen und Depressionen hinter sich gebracht, überlebt und steht noch immer auf der Bühne. Doch nicht alleine Smiths wegen gelten The Cure als Ikonen der alternativen Musikszene. Die Band hat in den 80er Jahren durch ihre Songs und Alben den Dark Wave und Gothic Rock wesentlich mitgeprägt.

Dass es am Abend des 18. Oktober 2022 in der Mercedes-Benz-Arena zu Berlin ebenfalls besonders düster und lang werden würde, war insofern klar, als dass The Cure-Konzerte immer düster und lang sind. Ausgiebig lange, nämlich zweidreiviertel Stunden standen nun an diesem Dienstagabend Robert Smith, Bassist Simon Gallup, Gitarrist Reeves Gabrels, Keyboarder Roger O'Donnell und Schlagzeuger Jason Cooper auf der Bühne. Und mit opulenter Optik: Licht und Videoeinspielungen begleiteten die Songs stimmig, ohne sich aufzudrängen. Das Set vereinte Hits, Meilensteine und Raritäten. Mit "Alone", einem ganz neuen, noch gar nicht veröffentlichten Song, fingen sie an. Und das sollte nicht der einzige vom kommenden Album an diesem Abend bleiben. Gleich mit dem zweiten Track "Pictures Of You" breiteten die Herren aus Süd-England die Arme aus. Ja, es ist alles fürchterlich schlimm. Und nicht immer nimmt es ein gutes Ende. Aber es wäre auch ein fürchterlich falsches Leben ohne die Erinnerungen an gescheiterte Lieben, Pläne und Vorstellungen von der Welt. "And Nothing Is Forever" beweist eindrucksvoll, dass The Cure immer noch großartige Liebeslieder schreiben können. Oder eben Lieder über verflossene Leidenschaften. Ein Song, so intensiv, so tief … dass es einem durch den ganzen Körper zieht. Gänsehaut überall. Jedes Haar stellt sich auf. Bei Songs wie "Fascination Street" und "Push" bekam man dann erneut den Beweis, dass die Band auch bei düsterem Sound immer tanzbar bleibt. Die Setlist (siehe unten) stellte eine gut kuratierte Auswahl aus über 40 Jahren Bandgeschichte dar.

b 20221024 1843810166Robert war am Dienstag - wie alle Bandmitglieder - ganz in schwarz gekleidet, sein Wuschelkopf ist inzwischen sichtlich ergraut, der Bauch auch noch etwas runder geworden. Aber seine Stimme hat sich kein bisschen verändert. Und er nutzt sie besser denn je. Vor allem bei Songs wie "And Nothing Is Forever", "From the Edge of the Deep Green Sea" oder "Shake Dog Shake" ist Roberts Gesang besonders mitreißend und bewegend. Viele beschreiben ja die Musik von The Cure als depressiv. Aber depressiv? Das passt nicht und liegt vor allem eben an der immer noch erstaunlich klaren Stimme des Frontmanns und seiner kindlichen Art. Wie ein verlorener Junge, der nicht glauben kann, dass wirklich abertausende Leute in die Mega-Arena gekommen sind, um sein Klagen über die Welt zu hören, läuft er zum Intro gedankenverloren über die Bühne, grinst und schmachtet verlegen ins Publikum. Die Band ist an diesem Dienstagabend sichtbar gut gelaunt, Robert Smith lächelt viel, nuschelt ab und zu völlig Unverständliches ins Mikro und nutzt auch mal die Bühne für eine kleine Tanzeinlage aus. Sicher nicht wenige der Konzertbesucher möchten den gealterten Zottelkopf am liebsten umarmen.

Die Arena bebt. Das Publikum trampelt, grölt und klatscht bis The Cure zur ersten von insgesamt drei Zugaben ansetzen. Nun hält es auch den letzten Konzertbesucher nicht mehr auf dem Platz. Natürlich kommen "Boys Don't Cry", "In Between Days", "Lullaby", "Lovecats" und "Friday I'm In Love" zum Einsatz und werden gefeiert. Und am Ende? So gelöst hat man ihn noch nie gesehen, unseren Robert Smith, als er gegen 23:25 Uhr am Bühnenrand steht, Kussmünder in die Halle wirft, sich mehrfach auf das Herz klopft und lächelt. Es schaut fast so aus, als saugt er die Zuneigung der 17.000 Zuschauer auf, und gibt sie zurück. Es hat was Rührendes. Denn Smith scheint endlich genießen zu können, was er geschaffen hat und wer er über all die Jahre geworden ist. Es war ein unglaublich denkwürdiger Abend, ein atemloser Ritt durch den umfassenden Backkatalog mit 28 Stücken aus jeder Phase der Bandgeschichte, aneinandergereiht zu einer riesigen, beeindruckenden Collage.



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