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Ein Konzertbericht mit Fotostrecke von Elmar Rahn

 

Schon seit der Bekanntmachung, dass ULRIK REMY im Bochumer Kulturrat auftreten würde wusste ich, dass ich da unbedingt hin muss. Zuletzt hatte ich ja mehr in anderen musikalischen Gefilden mein Futter gefunden, aber das Konzert von ULRIK REMY war nun wieder das, wofür Deutsche Mugge ja eigentlich steht: Musik aus Deutschland. Im Idealfall dann noch mit deutschen Texten, die auch möglichst eine Aussage und Anspruch haben. All das erfüllt der Musiker, der am Freitagabend im Bochumer Stadtteil Gerthe auftrat.a 20170514 1742457336 Bewusst hatte ich REMY zwar noch nicht gehört, allerdings war mir der Name aus meiner Jugendzeit geläufig. Damals habe ich noch sehr häufig den Sender WDR2 gehört und bei verschiedenen Sendungen war das Mitschneiden von Musik fast Pflicht. Zur damaligen Zeit wurde sehr viel von Schobert & Black oder von dem leider auch schon verstorbenen Ulrich Roski gespielt. In dem Zusammenhang wurde auch oft der Name ULRIK REMY erwähnt, der 1973 mit dem Album "Jeder kommt irgendwoher" sein Schallplatten-Debüt feierte. Im Gegensatz zu früher kann man sich heute Dank Internet zum Glück auf recht umfassende Weise über Künstler informieren, die man nicht täglich auf dem Schirm hat. So zeigte ein Blick ins weltweite Netz, dass ULRIK REMY eine bewegte Vergangenheit hat. Schon die Zeit als Heranwachsender brachte ihm aufgrund vielfältiger Betätigungsfelder jede Menge Erfahrungen ein. Begegnungen u.a. mit Carl Orff waren sicher ebenso prägend wie seine Zeit im Ausland. Im Jahre 1981 zog er sich von den deutschen Bühnen zurück und kehrte seiner Heimat den Rücken. Über Italien und die Vereinigten Staaten brachte ihn sein bewegtes Leben mit Höhen aber auch vielen Tiefen im Jahre 2015 nach Deutschland zurück. Inzwischen lebt REMY in Aachen. Seine Diskografie umfasst stolze 26 Alben, die er zwischen 1973 und 2016 produzierte - seit eben jener Zeit im Jahre 1981 auf seinem eigenen Plattenlabel Remy Music. Dabei zeigte sich der gebürtige Gelsenkirchener breit aufgestellt. Anfangs als Liedermacher unterwegs, sattelte er später auf klassische Werke und Hörbücher um und nahm zuletzt mehrere Alben mit Folk-Musik auf.

Nachdem im Konzertsaal des Kulturrats alle auf ihren Sitzen Platz genommen hatten, richtete Hans Delbrüger vom veranstaltenden Verein ein paar erklärende Worte an das Publikum. Dieses Konzert war kein gewöhnliches Konzert, denn es handelte sich um eine Benefizveranstaltung zu Gunsten der Wattenscheider Tafel. REMY selbst hat bis zum siebten Lebensjahr in Wattenscheid gelebt.b 20170514 1146668808 Hans Delbrüger gab das Wort kurz darauf an den Vorsitzenden der Tafel, Mannfred Baasner (übrigens Träger des Bundesverdienstkreuzes am Band), weiter. Baasner fasste sich kurz, erzählte etwas über das Projekt der Tafel und über die Zahlen der Bedürftigen, und ULRIK REMY begann direkt im Anschluss nicht unbeeindruckt von dem, was er einige Momente vorher gehört hatte, sein Konzert.

Im Gegensatz zu vielen heute aktiven Liedermachern, die sich hauptsächlich nur an der Gitarre festhalten, sind REMYs Vorträge noch vom Schlage der Liedermacher-Zunft aus den 1970er Jahren, z.B. Gerhard Schöne und Reinhard Lakomy im Osten, oder Hannes Wader und Reinhard Mey im Westen, die zu anspruchsvollen Texten die Finger über die Saiten (oder Tasten) gleiten ließen. Die Gitarre nur durch ein vorgesetztes Mikrofon verstärkt, saß REMY auf einem Barhocker und begann zu singen.

Im ersten Teil des Konzerts wurden am Freitagabend überwiegend die nachdenklichen Stücke gespielt, und Texte auch in Form von Gedichten vorgetragen. Was dem Kenner keine Probleme bereitet, war für den Novizen schon ein Nachteil. Hier war gutes Aufpassen und genaues Hinhören gefragt. Für Gespräche neben dem, was auf der Bühne geschah, war kein Platz vorhanden. Das Programm war außerdem von einer erfrischenden Spontaneität getragen. Eine Setlist oder einen den Ablauf vorgebenden Rahmen hatte REMY nicht. Alles richtete sich nach dem Publikum und wurde speziell ihm angepasst. Damit verhindert der Künstler, dass er an seinen Konzertgästen vorbei musiziert. Diese Lockerheit war aber auch mit der Tücke verbunden, dass es beim Suchen von Gedichten, die ULRIK REMY für diese oder jene Stelle ausgewählt hatte, schon mal etwas länger dauern konnte, weil es nicht sofort zur Hand war. Aber diese Wartezeit wurde ebenfalls mit Leben gefüllt, indem REMY kleine Anspielungen und kurzweilige Monologe hielt, die das Publikum unterhielten und amüsierten. Und so wurde auch das Stimmen der Gitarre einfach mit in das Programm eingebaut. Es entstand wirklich kein Leerlauf.

In den Liedern des ULRIK REMY geht es um den ganz normalen Alltag mit seinen Problemen und erfreulichen Begebenheiten. Diese oder ähnliche Geschichten hat man vielleicht schon selbst erlebt oder kennt jemanden, dem das passiert ist. Wenn man einen engen Rahmen um den Inhalt ziehen soll, dann geht es um die Suchenden, Findenden, Reisenden und Rastlosen.c 20170514 1843620997 Das Stück "Götz von Berlichingen" war für mich einer von mehreren Höhepunkten des Abends. Darin wird die Einstellung zum Leben beschrieben und der Rat, dass man das bekannte Zitat ruhig verwenden kann, mit auf den Weg gegeben. Der Song "Pflastertreter" aus dem gleichnamigen und 1980 erschienenen Album hat mich ein wenig an Leonard Cohen erinnert, der auch tiefgründige Texte eines Zufriedenen aber immer auf der Suche befindlichen Geistes schrieb. Insgesamt traf man in den Geschichten REMYs immer wieder auf Leute, mit denen man sich gut identifizieren kann. Und dabei ging es nicht immer bierernst zu, was die Stimmung im Kulturrat entsprechend locker hat ausfallen lassen. In einem Song, dessen Titel ich leider nicht weiß, und der mich sehr an Simon & Garfunkel erinnerte, wurde der Vorschlag gemacht, doch mal in Gesellschaft einen fahren zu lassen. Das sorgte für manchen Lacher. Es sind so einfache und kleine Dinge, bei denen man sich eigentlich das Darüberreden verkneift, obwohl man daran richtig Spaß haben könnte. In der Pause hatte man am Freitagabend - wie immer in den Konzertpausen im Kulturrat - die Gelegenheit, auch mit dem Musiker ein paar Worte zu wechseln. Man ist hier halt ganz dicht dran ...

Der zweite Konzertteil begann dann wieder ernst und auch ziemlich düster. Grund dafür war, dass der Tod in den ersten Songs und Gedichten des zweiten Sets die tragende Rolle spielte. In "Begrabt mich nicht", das voller Sarkasmus und Ironie steckt, geht es um den Tod, das Sterben und die Wünsche, was mit dem eigenen Körper (bzw. seinen Teilen) nach dem Tod passieren soll. Mit dem Abschluss, dass man mit eigenen Augen sehen wolle, wer da im Trauerzug mit laufen würde, bekam der Song dann noch eine zusätzliche dunkle Note verpasst. Später trug er noch ein Lied vor, das er für seine Tochter geschrieben hat. Dabei kam dann seine weiche Seite zum Vorschein. Dass man Kritik an der Regierung, den Parteien und auch den Verantwortlichen mit unverhohlener Ironie und Sarkasmus üben kann, zeigte der Musiker am Freitag in einigen Stücken ebenfalls. Unverblümt auf den Punkt, verständlich und nicht mit tumben Parolen, wie es grade wieder aktuell angesagt ist. Auch auf den Zwischenruf eines Besuchers, der gerne das Lied "Die Kneipe" hören wollte, reagierte REMY mit Humor und Gelassenheit.d 20170514 2000159476 Im Verlauf ging es auch um den Einfluss von Frauen und Alkohol, welche beide so ihre Tücken haben. Es wurde aber auch festgestellt, dass Verzicht auf eines von beiden auch keine Lösung ist. Und an der Zeile, "... wenn der Morgen kommt, ist jeder allein", ist schon etwas dran. Metaphern sind auch bei ULRIK REMY ein beliebtes Stilmittel, die er gekonnt einsetzt. Das Lied "Where are all the flowers gone" bildete den Abschluss des regulären Sets. Von einem der Besucher bekam Ulrik dazu passend einen Blumenstrauß überreicht. Er verließ die Bühne daraufhin nicht in Richtung Garderobe, sondern in Richtung Theke im Vorraum. Aber er kehrte bald unter tosendem Applaus zurück, um noch etwas nachzulegen. In Gedichtform trug er ein Schreiben vor, das er der PEGIDA-Führung zukommen ließ und in dem er sein Befremden über deren Treiben bekundet hat. Auch sein nächster Abgang von der Bühne wurde mit großem Applaus begleitet. Dieser wollte erneut nicht enden und zog ihn mit seinem Weinglas in der Hand noch einmal zu seinem Platz auf der Bühne. Er setzte sich und spielte noch zwei seiner Lieblings-Folksongs. Danach beendete er den Abend, der leider viel zu schnell zu Ende war, endgültig.

Im Vergleich zu Videoaufnahmen mit Auftritten aus früherer Zeit finde ich, dass ULRIK REMYs Texte nun noch reifer und schlagender rüberkommen. Am Freitagabend trat in Bochum ein Liedermacher auf, der authentisch vieles ans Publikum weitergab was ihm wichtig ist. Und nicht nur aus Gründen seiner Reife nimmt man ihm seine Inhalte auch voll und ganz ab. In seinem Fundus befinden sich teilweise nicht leicht verdauliche Texte, er serviert sie aber locker, humorvoll und cremig, ohne dass der Verlust der Ernsthaftigkeit zu beklagen gewesen wäre.



Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage von Ulrik Remy: www.ulrikremy.com
• Homepage des Bochumer Kulturrat e.V.: www.kulturrat-bochum.de




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