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Ein Konzertbericht mit Fotos von Bodo Kubatzki



Bei dem Begriff "Club der toten Dichter" denken viele sicherlich zuerst an den gleichnamigen, bewegenden Spielfilm mit Robin Williams aus dem Jahr 1989. Doch wer sich in der Musikszene auskennt weiß, dass es seit nunmehr 10 Jahren das Projekt CLUB DER TOTEN DICHTER des Berliner Musikers Reinhardt Repke gibt. Repke dürfte vielen als Bassist der Band ROCKHAUS bekannt sein. Das Ganze begann vor über 10 Jahren mit der Idee, Heine-Gedichte zu vertonen. Diese Idee setzte er gemeinsam mit den Musikern Matze Mantzke, André Gensicke und Dirk Zöllner um, also quasi mit der damaligen Besetzung der ZÖLLNER. Das Projekt hatte solchen Erfolg, dass Repke weitermachte.a 20170126 1054158482 So vertonte er Gedichte von Wilhelm Busch, Rainer Maria Rilke und Friedrich Schiller. Die Sänger/innen wechselten. Ein mittlerweile fester Stamm an Musikern fand sich im Laufe der Jahre zusammen. Die Gesangsparts übernahmen neben Repke, der Keimzeit-Sänger Norbert Leisegang bei den Wilhelm Busch Gedichten, Katharina Franck, die man von den RAINBIRDS kennt, bei Rainer Maria Rilke. Die Gedichte von Friedrich Schiller interpretierte Dirk Darmstaedter von den JEREMY DAYS. Zum fünften CLUB DER TOTEN DICHTER mit vertonten Gedichten von Charles Bukowski konnte Schauspieler Peter Lohmeyer als Gastsänger gewonnen werden.

Dass wir am 21. Januar 2017 dem Live-Auftritt besagten Clubs beiwohnen durften, ist verschiedenen Umständen zu verdanken. Geplant hatten wir etwas Anderes, sind aber glücklich, uns umentschieden zu haben. An dieser Stelle gleich ein dickes Dankeschön an den Tour-Manager Reyk Zöllner für die so kurzfristig zugesagte Akkreditierung. Der CLUB DER TOTEN DICHTER trat in der Rostocker Heiligen-Geist-Kirche auf, eine Kirche, in der hin und wieder auch "weltliche" Veranstaltungen stattfinden. Kurz nach 18:30 Uhr begrüßte der Pfarrer der evangelischen Kirchgemeinde das Publikum und erzählte, dass er von einem Gemeindemitglied gefragt wurde, ob er nicht wisse, um wen es sich bei Charles Bukowski handelt. Das wisse er schon, doch "Gott sei nichts Menschliches fremd", war seine Antwort. In diesem Sinne hoffte auch er auf einen schönen Abend.

Für das Konzert ist extra eine Bühne in die Kirche gebaut worden, mit passender Kulisse und ausgeklügelter Beleuchtung. Buchstaben hängen in der Luft oder stehen verteilt auf der Bühne. Am linken Bühnenrand steht ein Stuhl, umgeben von diversen Gitarren, am rechten Rand ein zweiter mit Beistelltisch. Auf diesem befindet sich eine Schreibmaschine. Die ersten Töne, die es zu hören gibt, sind reines Schreibmaschinengeklapper, das sich nach und nach zu einem Rhythmus formt. Lohmeyer setzt sich an die Maschine und tippt in genau diesem Rhythmus Buchstaben aufs Papier. Lohmeyer wird zu Bukowski ...

e 20170126 1876718938"Vielleicht drehe ich durch, von mir aus /
aber diese Gedichte steigen mir ständig und mit aller Gewalt zu Kopf. /
Jetzt, /
nach dem ich einen ganzen Fusel-Ozean leer gesoffen habe, /
wäre der totale Verschleiß die einzig gerechte Belohnung,
..."


Lohmeyer reißt die Blätter aus der Maschine, wirft sie weg, wenn er mit dem Geschriebenen nicht zufrieden ist. Schließlich faltet er ein Papierflugzeug und lässt dieses ins Publikum fliegen.

Charles Bukowski (1920 - 1994) hatte ein bewegtes Leben. Er war bekennender Säufer. Obwohl er zunächst Journalismus studiert hatte, schlug er sich mit verschiedenen Gelegenheitsjobs durchs Leben. Mehr als 10 Jahre lang arbeitete er als Postbote und Briefsortierer. Dies war wohl sein längster Job. Doch auch mit dem Sesshaftwerden hatte er in seinen frühen Lebensjahren so seine Probleme.

Doch das Schreiben auf seiner Schreibmaschine (später am Computer) begleitete ihn immer. Nach getaner Arbeit setzte er sich an diese und ließ die Wörter fließen. Von 1960 bis zu seinem Tode veröffentlichte er über 40 Bücher mit Gedichten oder Geschichten, die oft autobiografischen Charakter hatten. Der Literatur-Brockhaus schreibt Folgendes über Bukowski: "Auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen schrieb er in knappem Stil harte, witzige Stories, Romane und Gedichte über das Leben in den Randzonen der bürgerlichen amerikanischen Gesellschaft. Schockwirkung durch die Darstellung brutaler Gewalt, obszöner Sexualität und des Schmutzes der Gosse."

b 20170126 2055309744Als sich Reinhardt Repke (Foto rechts) der Gedichte von Bukowski annahm, war ihm nicht bewusst, was auf ihn zukommt. Bukowskis Gedichte haben kein Versmaß, wie es andere Dichter verwenden. Das machte die Vertonung um einiges schwieriger, als bei den anderen Projekten. Doch was Repke, Lohmeyer und die anderen Musiker da auf die Bühne bringen, ist in jeder Minute des Konzertes eindrucksvoll und für mich schwer mit Worten zu beschreiben.

Peter Lohmeyer entpuppt sich, dank seines schauspielerischen Könnens, als Idealbesetzung für die Bukowski-Interpretationen. Nahezu jedes vertonte Gedicht wird dabei zur Inszenierung. Überzeugend spiegelt er die Worte des Charles Bukowski wider, mal gesungen, mal gesprochen. Er stellt auch Bezüge zur Gegenwart her. Das Bukowski Zitat, "Das Problem dieser Welt ist, dass die intelligenten Menschen so voller Selbstzweifel und die Dummen so voller Selbstvertrauen sind.", bezieht er auf den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Donald Trump.

Dass Bukowski später beinahe ein Computer-Nerd wurde, machte er in seinem Gedicht "16-bit Intel 8088 chip" deutlich. Lohmeyer interpretiert dieses Gedicht und dirigiert dabei die unisono mitsprechenden Musiker. Dem Publikum dreht er dabei den Rücken zu. Sicher ist Lohmeyer als Bukowski der Star der Show, doch ohne die geniale Band, die mit absoluter Professionalität zu Werke geht, würde das Ganze nicht funktionieren. Sei hier zunächst Reinhardt Repke erwähnt, der für sämtliche Kompositionen verantwortlich zeichnet und einige der Stücke selbst singt. Dazu spielt er diverse Saiteninstrumente, wie Gitarren, Dobro oder Banjo. Andreas "Spatz" Sperling an den Keyboards ist sonst auch mit KEIMZEIT unterwegs und bereits seit dem Rilke-Projekt dabei, genau wie Markus Runzheimer am Bass. Schlagzeuger Tim Lorenz arbeitet am längsten mit Reinhardt Repke im CLUB DER TOTEN DICHTER zusammen. Er trommelt u.a. auch für Udo Lindenberg.

c 20170126 1692037845Auch Peter Lohmeyer steuert mit diversen Utensilien Geräusche zum Sound bei. Sei es eine Bohnendose, die mit Sand gefüllt zum Schüttelrohr umfunktioniert wird, oder ein Beutel mit leeren Getränkebüchsen, mit dem er nach der Pause auf die Bühne getorkelt kommt. Eine Mini-Drehleier gibt die Melodie für das Lied "Ein Genie" vor, wo Lohmeyer nahezu im Sprechgesang erzählt, wie er im Zug einen kleinen Jungen kennenlernt, der ihm einen anderen Blick auf das Meer eröffnet.

Im Laufe des zweiten Konzertteils schildern sowohl Lohmeyer, als auch Repke ihre jeweilige Sicht auf das gemeinsame Kennenlernen, was sehr unterhaltsam und witzig anzuhören ist. Dass die beiden schließlich zueinander gefunden haben, ist eine glückliche Fügung. Den CLUB DER TOTEN DICHTER habe ich inzwischen dreimal besucht. Ich habe das Heine-Programm und das Busch-Programm erlebt. Doch keines hat mich so tief beeindruckt, wie das aktuelle. Die Geschichten zu und um Bukowski halten einen gefangen, so dass man kaum bemerkt, wie die Zeit dabei vergeht. Mit "Sagenhaft" soll die Show zu Ende gehen. Doch das begeisterte Publikum will mehr Bukowski/Lohmeyer. Und es bekommt mehr, "Keine Sorge". Zum Schluss zeigt Lohmeyer noch mal vollen Körpereinsatz als Bukowski beim Sex. Einfach genial.

Mit besinnlichen Tönen endet der Abend dann. Bukowski sinniert in seinem Gedicht "So ist das nun mal" darüber, wie es ist, wenn man völlig deprimiert auf seinem Bett liegt und denkt, schlimmer kann es nicht mehr werden. Dabei kam ihm jedoch der verrückte Gedanke: "Es ist immer noch schön, Bukowski zu sein." Mit dieser Textzeile verabschieden sich Lohmeyer und die Musiker zur Begleitung auf dem Spielklavier.d 20170126 1162725033 Einer nach dem anderen verlassen sie die Bühne, während das Publikum die letzten Zeilen solange wiederholt, bis niemand mehr auf der Bühne steht. Ich weiß nicht, ob mein Bericht auch nur einen Teil dessen ausdrücken kann, was ich beim Besuch des CLUBs DER TOTEN DICHTER erlebt habe. Ich empfehle, sich die Show selbst anzuschauen. Der Club ist ab Ende März 2017 wieder in Deutschland auf Tour.




Termine:
• 30.03.2017 - Baden-Baden - Kurhaus Casino
• 31.03.2017 - Koblenz - Cafe Hahn
• 01.04.2017 - Bonn - Theater Springmaus
• 21.04.2017 - Gera - Songtage im Comma
• 22.04.2017 - Pirna - Q24
• 12.05.2017 - Templin - MKC
• 13.05.2017 - Schwerin - Staatstheater
• 14.05.2017 - Kiel - Metrokino
• 15.05.2017 - Geesthacht - Kleines Theater
• 16.05.2017 - Köln - Kulturkirche (Sommerblut Festival)
• 20.05.2017 - Neuss - Landestheater-Schauspielhaus
• 21.05.2017 - Dortmund - Theater im Depot
• 22.05.2017 - Recklinghausen - Ruhrfestspiele
• 23.05.2017 - Recklinghausen - Ruhrfestspiele
• 24.05.2017 - Recklinghausen - Ruhrfestspiele

Alle Angaben ohne Gewähr. Tour wird fortgesetzt! Nähere Infos auf der bandeigenen Homepage



Bitte beachtet auch:
• Off. Homepage vom Club der toten Dichter: www.club-der-toten-dichter.de
• Portrait über den Club der toten Dichter bei Deutsche Mugge: HIER klicken




 
 




   
   
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