Mach's gut, Reini ... am 15. April 2016 in Berlin

 



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Ein Konzertbericht von Rüdiger Lübeck mit Fotos von Reinhard Baer

 

plakAm 13. Februar 2016 verstarb Reinhard Fißler, eine Woche nach seinem 67. Geburtstag. Der Kampf, den ihm die heimtückische Krankheit aufzwang, war am Ende nicht zu gewinnen. Jeder wusste es, nicht zuletzt er selbst. Und dennoch hat er sich ihm gestellt, ganze 16 (!) Jahre lang. Wo andere längst resigniert hätten, entwickelte Reini einen schier unglaublichen Überlebenswillen. Ein ganz wesentlicher Quell dieser Kraft war ihm stets die Musik, von der er trotz aller Einschränkungen bis zuletzt partizipierte und sich aktiv in ihr einbrachte. Jedem seiner Fans und Weggefährten ist das Bild des bettlägerigen, nahezu bewegungslosen Menschen präsent, der wann immer es irgendwie ging auf den ihm wichtigen Konzerten zugegen war, ein Tross von Pflegern im Schlepptau. Des Menschen, dessen Augen insbesondere dann zu leuchten begannen, wenn die ersten Akkorde von der Bühne erschallten ...

Einer dieser Pfleger ist Siegfried Tieke. Wobei die Bezeichnung "Pfleger" in seinem Fall wohl nicht ganz korrekt ist, da er im wesentlichen für Reinis Mobilität - sprich den Transport von Krankenbett, notwenigen medizinischen Apparaturen und natürlich Reini selbst - verantwortlich war. Und jener Siegfried Tieke machte es sich nun wie selbstverständlich auch noch zur Aufgabe, ein würdiges Gedenkkonzert zu organisieren, am vergangenen Freitag, dem Tag der Urnenbeisetzung. Nachdem Familie, Freunde, Kollegen und Fans bereits am Vormittag unter großer Anteilnahme auf dem städtischen Friedhof Baumschulenweg Abschied von Reini genommen hatten, stand der musikalische Teil für den Abend im "Neu Helgoland" am Müggelsee auf dem Plan. Hier ist Reini in den vergangenen Jahren sehr oft zu Gast gewesen, und ein jeder kannte seinen Platz, gleich rechts hinter dem Eingang zum großen Saal. Die Veranstaltung war bereits Wochen vorher ausgebucht, auch ohne dass überhaupt ein Eintritt erhoben wurde. Stattdessen wurden Spenden erbeten, insbesondere für den aufwendig gestalteten Grabstein aus Granit und Edelstahl nebst Bronzeplatte, den sich Reini zu Lebzeiten wünschte. Jener war übrigens pünktlich zur Urnenbeisetzung fertig gestellt und darf an dieser Stelle als sehr würdig und gelungen bezeichnet werden.

Entgegen mancher Befürchtungen gestaltete sich der Einlass im "Neu Helgoland" trotz der großen Nachfrage als ausgesprochen gut organisiert und durchdacht. Die damit wohl zwangsläufig einhergehende Platzierung der Gäste wurde weithin ohne Murren akzeptiert, auch großes Anstehen war kein Thema. Ein großes Lob an dieser Stelle insbesondere an das Team vom "Neu Helgoland", welches diese logistische Herausforderung mit Bravour meisterte!

Punkt 18:00 Uhr eröffnet Musikproduzent Walter Cikan den abendlichen Reigen. Kennengelernt haben er und Reini sich 1976 beim Rundfunk der DDR zu den Aufnahmen der Stern-Combo Meißen. Cikan lässt die Lebensstationen des Künstlers noch einmal Revue passieren, erzählt uns von dessen Großeltern, Schulchor und abgebrochenem Chemiestudium bis hin zu den Anfängen der SCM. Ein "edler Mensch" sei Reini in seiner Erinnerung gewesen, und niemand im Saal hegt daran den geringsten Zweifel ...

Die weitere Moderation des Abends übernimmt sodann Andreas Hähle. Ihm steht zu diesem Zeitpunkt ein regelrechter Marathon bevor, denn die Liste der Künstler, die sich für den Abend angekündigt haben, scheint schier endlos. Den Anfang macht - natürlich - die Band, deren Sound viele erfolgreiche Jahre von Reinis Gesang geprägt wurde und die ihn dennoch 1982 vor die Tür setzte: die Stern-Combo Meißen. Eines der drei großen Traumata im Leben des Reinhard Fißler, woran bereits nachhaltig auf der morgendlichen Trauerfeier als auch hier zuvor durch Walter Cikan erinnert wurde. Aber man ist - wie wir wissen - inzwischen längst miteinander versöhnt und arbeitete in den vergangenen 20 Jahren immer mal wieder zusammen. Der legendäre "Kampf um den Südpol" erklingt, übrigens vom früheren SCM-Mitglied Bernd Fiedler bebasst. Reinis Staffelstab trägt heute Frontmann Manuel Schmid weiter, und es besteht weithin Einigkeit darüber, dass er dies mehr als würdig und souverän tut. Ein wahrer Glücksgriff für die Band!b 20160419 1731236256 Auch solistisch arbeitet er derzeit und stellt uns gleich noch gemeinsam mit Anna-Marlene Bicking seine zeitgenössische Neufassung von "Also was soll aus mir werden" vor. Hans die Geige folgt, und dann der Mann, der sich eigentlich auf keine Bühne traut: Siegfried Tieke, unterstützt von Matze Stolpe. Was viele nicht wissen: auch der Chef des Abends ist ein begnadeter Mundi-Spieler, woran der anschließende Applaus keinen Zweifel lässt. Gotte Gottschalk bringt in Begleitung von Simone Kotowski und erneut Matze Stolpe den Blues "Ob Du einen Freund hast" und die mythische "Tagesreise", ehe (Simone) Kotowski and Friends die Bühne bespielen.

An dieser Stelle erinnert Moderator Hähle kurz an das vor einem Jahr an gleicher Stelle veranstaltete Benefizkonzert zugunsten von Holger Biege. Auch Reini war dabei. Biege indes konnte seinem Kollegen und Freund heute aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich die letzte Ehre erweisen; auch eine ersatzweise angedachte Video-Verbindung via Skype kommt nicht zustande. Schade.

Aber Reini ist an diesem Abend omnipräsent. In den vielen Erinnerungen und Geschichten, die wir hören, und vor allem natürlich in der Musik. Frank Müller und seine Band bringen einen wichtigen Teil aus Reinis Leben mit auf die Bühne - seine Gitarre. Darauf u.a. zu hören der "Klassenclown" von F(ißler)W(erneburg)H(empel). Danach Axel Stammberger und "Basskran" Markus Schloussen, die im Verlaufe des Abends - wie einige andere auch - immer mal wieder in unterschiedlichen Konstellationen zu sehen sein sollten. An dieser Stelle begleiten sie Marion Bock zu Vroni Fischers "Weit übers Meer".

Derweil ist Geburtstagskind (!) Jens Krawczyk, von Hause aus Männermodehausinhaber in Greifswald, emsig damit beschäftigt, die Spenden für den Grabstein einzutreiben. Das macht er ganz geschickt und sicher auch gelegentlich mit Nachdruck, so dass seine Dienste am Ende wohl von Erfolg gekürt gewesen sein dürften. Eine tolle Idee, ebenso toll umgesetzt!

Dann LIFT, zunächst mit ihrem Klassiker "Nach Süden", den Reini sehr mochte. Werther Lohse berichtet, dass es erst kürzlich im Februar auf gleicher Bühne wieder die "Geschichten vom Sachsendreier" gab. Reini wäre gerne noch einmal dabei gewesen, verstarb dann aber leider vier Tage zuvor. Sein Part wurde in den letzten Jahren immer nur per Video eingespielt. Bei besagtem Konzert, als die traurige Kunde bereits verbreitet war, übergab ihm dann jemand aus dem Publikum einen selbst verfassten Text. Lohse hat dieses Lied nunmehr vertont, es heißt "Braucht es da noch je ein Wort?" und er stellt es uns erstmals vor. Der Textautor heißt übrigens Jürgen Radom.

c 20160419 2069038906Nach der ersten Pause kommen drei Künstler via Videoaufzeichnung zu Wort, denen gemein ist, an diesem Abend zu ihrem Bedauern aufgrund vertraglicher Verpflichtungen verhindert zu sein: Angelika Mann, Falkenberg und Dirk Zöllner. Letzterer übermittelte seine Grußbotschaft in Gestalt eines eigens für die Gedenkfeier gedrehten Videos zum Song "Bruder", den er für seinen 1997 verstorbenen Freund Bob Strahl geschrieben hat.

Es geht weiter auf der Bühne. Judith Fißler, Reinis Tochter, ist erst am Vorabend aus ihrer Wahlheimat Spanien angereist. Sie beschreibt das Verhältnis zu ihrem Vater als lange Zeit faktisch nicht vorhanden. "Der Schmerz in einer empfindlichen Liebe, verursacht durch die Unvernunft, kann durch das Verständnis und die Vergebung des anderen befreit werden" - davon handelt das folgende Lied. Begleitet wird Judith von Simone Kotowski, Axel Stammberger und Tina Powileit. Anschließend spielt sie mit ihrer Schwester Vivian "Blackbird" von den Beatles - ein Song, den Reini sehr geliebt hat und der bereits auf der Trauerfeier zu hören war.

Reini hat zudem einen Sohn, Martin. Dieser bearbeitet sodann die Tasten in Begleitung von Michael Schiemann (bg) und Ex-SCM-Drummer Micha Behm, der dann gleich sitzen bleiben kann, da er auch in der Band von Andrea Timm, die nachfolgt, trommelt. Überhaupt wollen sich die wechselseitigen Beteiligungen nunmehr offenbar zusehends vermischen - es scheint fast, als musiziere jeder mit jedem. Axel Stammberger beispielsweise holt seine Freundin Sylvia Kaun auf die Bühne, von deren Sangesqualitäten wohl bislang nur die wenigsten wussten. Das obligatorische Drumsolo des Abends gibt Micha Behm zum Besten, bevor erneut Simone Kotowski gemeinsam mit Manuel Schmid das wunderbare "In jener Nacht" von Vroni Fischer interpretieren. Gänsehautgarantie inklusive.

Eine (bisweilen amüsante) Fotodokumentation aus frühen Tagen lässt uns in Erinnerungen schwelgen, und Dagmar Heinrich erinnert am Rande daran, dass Reini am gleichen Tag wie Bob Marley Geburtstag hatte. Satisfy my soul!

Angenehm erfrischend zu später Stunde das Duo Liasong (Dunja Averdung und Jörg Nassler). Auch Bernd Bangel, und Chris und Lena Lastelle. So langsam geht es auf die Zielgerade, und es fehlte natürlich noch einer. Thomas Putensen bestreitet das Finale, unterstützt von Christoph Keck (dr) und später auch noch Tina Rogers. "Pute" stellt zudem ein bisweilen weit verbreitetes Missverständnis klar. Denn die vielen, die da jetzt meinen, Reinis Tod sei irgendwo auch eine Erlösung gewesen, haben allenfalls am Rande recht.d 20160419 1280188998 Es war jedenfalls nie sein Lebenscredo. Das Glas war für ihn regelmäßig halbvoll, und trotz aller Beschwerlichkeiten ging es stets vorwärts. "Man kann immer etwas machen" - das war einer der für Reini so typischen Sätze. Das bleibt - neben der Musik - nun in jedem Fall an ihm hängen. Man kann das gar nicht oft genug betonen.

Danke an alle Beteiligten! Zuerst an Siegfried Tieke, von dessen Organisationsgeschick sich manch Veranstalter etwas abgucken kann! An die vielen Musiker, die selbstverständlich für lau auftraten. Und an das Team vom "Neu Helgoland", das sowohl vor als auch hinter den Kulissen seinen Beitrag zum Gelingen dieses denkwürdigen Abends leistete.

Es gab in den vergangenen Jahren viele Benefizkonzerte zugunsten von Reinhard Fißler. Und auch, wenn der Anlass dabei zuvorderst ein materieller gewesen sein mag, war es ihm doch insbesondere eine Freude, dass man sich seinetwegen traf. Dass man zusammen musizierte und feierte. Dass er Anlass dafür gab, dass Menschen zueinander fanden und glücklich waren. Das war es, was ihn glücklich machte, woraus er die wenige Kraft, die ihm zuletzt blieb, potenzieren konnte. Und dieses Vermächtnis, wenn man es denn so nennen will, soll künftig fortgeführt werden. Einen größeren Gefallen hätte man ihm wohl nicht tun können. Danke Reini! Mach's gut!
Anm.: Rockradio hat das Konzert aufgezeichnet. Zudem wurden Videoaufnahmen für eine DVD gefertigt.



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