
Ein Bericht mit Fotostrecke von Christian Reder
Jazz zum Frühstück ...
Wenn man das "Café Antik" in Castrop-Rauxel betritt, umweht einen gleich der Hauch von Nostalgie. Es braucht nicht einmal die Zeit, um die Jacke auszuziehen und seinen Platz einzunehmen, denn schon vorher fühlt man sich wie zu Hause. Das Gebäude, in dem dieses Café eingezogen ist, hat schon reichlich Jahre auf dem Buckel.

Beim MIROWI ENSEMBLE handelt es sich um ein Jazz-Trio, das aus einem Pianisten, einem Kontrabassisten sowie einem Saxophonisten und Klarinettisten in Personalunion besteht. Der in Dresden geborene und heute in Castrop-Rauxel wohnhafte Michael Ledig spielt in diesem Trio den Kontrabass. Ein riesengroßes Ungetüm an Instrument trug der Musiker da in die kleine Gaststätte hinein. Ledig studierte klassische Musik und Jazz an der Dresdner Musikhochschule. Mit der Dresdner Staatskapelle war er auf Tourneen u.a. in Ungarn, Japan und Österreich, aber auch in verschiedenen Jazz- und Rockbands, u.a. bei der Gruppe LIFT, war er als Bassist tätig. Mit dem Comedy-Duo KOKO & LORES bewegte er sich später auf einem ganz anderen Gebiet, und auch das sehr erfolgreich. An den Tasten ist der Dortmunder Wilfried Schewik zu Hause.

Der Jazz-Brunch begann aber nicht mit Musik, sondern mit einem deftigen Frühstück. Dazu war im hinteren Bereich des Cafés ein Buffet aufgebaut, das keine Wünsche offen ließ. Für jeden Geschmack war etwas dabei, und sogar ein Nachtisch für den süßen Zahn war vorbereitet. Inzwischen war das Café so voll, dass die Bedienungen kaum durch die Reihen kamen, um Kaffee nachzuschenken oder Getränkebestellungen auszuliefern. Trotzdem schaffte das emsige Personal die Wege durch die engen Reihen und keiner musste lange auf seine Bestellung warten. Das war super und klasse organisiert; das habe ich an anderer Stelle schon ganz anders erlebt!
Um 11:00 Uhr begann das Konzert des MIROWI ENSEMBLES. Michael Ledig stellte seinen riesengroßen Kontrabass auf und nahm es in seinen Arm. Dabei war nicht zu übersehen, dass das Instrument größer als sein Spieler war.

Nach "Softly As In A Morning Sunrise", einem von Sigmund Romberg im Jahre 1928 eigentlich für die Operette "The New Moon" komponierten Stück, das sich mit den Jahren aber zu einem Jazzstandard entwickelt hat, wurden wir von den drei Musikern erstmals in Weihnachtsstimmung versetzt. Es wurde der Song "Let It Snow", eines meiner absoluten Lieblingslieder in Sachen Weihnachtsmusik, angestimmt und in feinste Jazz-Musik gekleidet. Eigentlich ist das Lied im Original nur knapp zwei Minuten lang, aber Ledig, Schewik und Posthumus machten daraus ein mehrminütiges Stück, in dem man kurzerhand auch noch ein Klarinetten- und ein Bass-Solo untergebracht hat. Und auch hier durfte natürlich Ledigs Extra-Einsatz nicht fehlen.

Der zweite Teil des Konzerts wurde mit dem Lied "Philalètes" eröffnet. Es stammt aus der Feder von Heinz Herrmannsdörfer, und die Originalnoten dazu hat Roloef Posthumus vor ein paar Jahren von einem Berliner Musiker geschenkt bekommen. Kurz bevor dieser starb, hatte er all seine Sachen verschenkt. Noten, Instrumente, Andenken ... alles. Auch Posthumus gehörte zu denen, die dankbar etwas aus dem Besitz des Musikers annahm. Zu den Noten gab es auch noch einen Anzug aus der Zeit dazu, bei dem sich Posthumus noch immer fragt, was er damit anstellen soll - so erzählte er mir in der Pause. Weiter ging es im Programm mit dem Stück "Caravan" und "Sweet Georgia Brown". Wer glaubt, Jazz-Konzerte seien stocksteif und es ist dort kein Platz für "Spaß", der hat noch keins vom MIROWI ENSEMBLE erlebt. Nicht nur, dass die Musiker immer wieder mit dem Publikum in Kontakt traten und auf der Bühne untereinander scherzten und kommunizierten, zum Abschluss des zweiten Konzertteils verpflichteten sie kurzerhand das Publikum als Chor für ihre Version des Weihnachtsklassikers "Jingle Bells". Dazu wurden Textblätter verteilt, damit sich auch keiner damit rausreden konnte, er könne wegen fehlender Textsicherheit nicht mitsingen. Der einzige, der sich vor der Aufgabe als Mitglied eines Chores drücken konnte, war Café-Inhaber Krawietz, der schnell wieder in seiner Küche verschwand als er vom Vorhaben der Band Wind bekam. Das Ganze funktionierte aber auch ohne ihn, und (fast) jeder im Raum sang den Song mit. Danach wurden die Sänger und Sängerinnen in eine zweite Pause entlassen.

Um kurz nach halb Eins startete das Trio dann in seine dritte und letzte Runde. "Take The A-Train", eine Komposition von Billy Strayhorn aus dem Jahre 1939, die das Duke Ellington Orchestra in den 40ern des letzten Jahrhunderts als ihre Erkennungsmelodie verwendeten, eröffnete den dritten Teil. Ihm folgte das Stück "Hank's Holiday" mit einem starken Saxophon-Solo von Roloef Posthumus. Anschließend war es wieder Zeit für ein weiteres Weihnachtslied. Das Stück "Frosty the Snowman", arrangiert mit Klavier, Klarinette und Kontrabass, hatte ich bis dahin so noch nicht gehört. Und die Nummer ging richtig gut ab. An einer Stelle schien kurz der Faden gerissen zu sein (oder war es gar Absicht?), und in diese Lücke spritzte wieder Michael Ledig hinein und zauberte auf den vier dicken Saiten seines Kontrabasses ein weiteres Solo. Unglaublich gut! Wieder wurde der Mann - wie schon so oft in diesem Konzert - mit Szenenapplaus bedacht. Als nächstes stimmte die Band das Stück "Atlantik" an. Im Verlauf dieser Nummer zeigte einmal mehr Wilfried Schewik, was er aus seinen Tasten herausholen kann. Sein Solo brachte auch ihm einen Zwischenapplaus ein. Und weil die Klavier-Soli heute im Vergleich mit denen von Saxophon/Klarinette und Kontrabass ins Hintertreffen geraten waren, wurde kurzerhand ein ganz besonderes Solo eingebaut: Wilfried Schewik und Roloef Posthumus bedienten zusammen das Keyboard und verpassten dem Lied einen großartigen Schlussteil. Wow, was für ein Highlight. Mit solchen Highlights beendet man in der Regel ein Konzert, und damit wollten sich die drei dann auch schon von der kleinen Bühne verabschieden. Es war aber noch viel zu viel Feuer im Publikum, die natürlich noch einen weiteren Titel hören wollten. Die Band beriet sich kurz und legte mit "White Christmas" noch einen Weihnachts-Song oben drauf. Das Stück ist ziemlich ruhig arrangiert und mit eben diesen besinnlichen Tönen wollte die Band ihr Publikum dann endgültig entlassen. Doch das gelang nicht. Kräftiger Applaus und die Rufe nach einer weiteren Zugabe ließen die Musiker nicht weg.

Dieser Sonntagvormittag und die Idee, einen Jazz-Brunch zu besuchen, waren eine gute Wahl. Die Idee an sich, ein Konzert mit einem Brunch zu verbinden, ist schon klasse, aber sie muss auch mit einem ansprechenden Programm zum Leben erweckt werden. Jazz ist schließlich nicht gleich Jazz, das sollte man schon wissen, bevor man sich zu einem Konzert dieses Genres begibt. Beim MIROWI ENSEMBLE kann man aber eigentlich nichts falsch machen. Es ist diese fröhliche Art, wie die drei Musiker ihre Musik präsentieren, und die gelungene Auswahl, die das Trio so sympathisch macht. Sie machen Jazz lebendig und hauchen ihm Leben ein und zwar so, dass es ein breites Publikum anspricht. Immer wieder tritt einer der Drei in den Vordergrund, spielt eine Improvisation abseits des Notenblattes, und macht den gerade gespielten Titel somit zu etwas Einzigartigem, das es nur an diesem Tag zu hören gibt. Das Repertoire des Trio besteht ausschließlich aus internationalen und nationalen Jazz-Standards der 40er und 50er Jahre und die musikalische Umsetzung ist dabei - wie eben erwähnt - sehr abwechslungsreich. Besonders bemerkenswert ist, dass die Musiker ihr Publikum wirklich mit dem ersten Ton abholen und es durch ihr Programm begleiten. Die Verbindung der Band mit seinen Konzertgästen funktionierte, und so wurden gerade die Weihnachtslieder durch das Einbeziehen des Publikums zu einem von vielen Highlights des zweistündigen Programms. Mehr davon!
Bitte beachtet auch:
- Off. Homepage vom MIROWI ENSEMBLE: www.mirowi.de
- Off. Homepage des R.P. Swing-Orchester: www.rpswingorchester.de