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Julia Neigels Brief an die verantwort-
lichen 
Ministerien vom 17. April 2020



001 20200428 1361917557Seit Anfang März können nicht nur Musiker und Schauspieler, sondern auch die von ihren Aufträgen abhängigen Dienstleister (Techniker, Bühnenbauer, Caterer, etc.) kein Geld mehr verdienen. Grund dafür ist die "Shut Down"-Politik unserer Bundesregierung. Dieser Berufszweig gehört zu den großen Verlierern der Corona-Krise und viele von ihnen fühlen sich allein gelassen. Eine dieser Künstler*innen ist Julia Neigel, die sich in der vergangenen Woche mit einem langen Brief an die Entscheidungsträger in Berlin gewandt hat. Diesen Brief hat sie uns nun zur Verfügung gestellt. Wir veröffentlichen ihn an dieser Stelle völlig wertfrei und verbunden mit der Bitte der Künstlerin, ihn zu teilen, zu verbreiten und möglichst weit zu streuen ...

 




Julia Neigel
c/o Funkturm Verlag
Musik- und Künstlermanagement:
Thomas Jost
___________
Adresse:
Hindenburgdamm 101b
(Pauluszentrum)
12203 Berlin

Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin
17. April 2020



Sehr geehrter Herr Steinmeier,
sehr geehrte Frau Merkel,
sehr geehrte Frau Grütters,
sehr geehrter Herr Spahn,
sehr geehrter Herr Altmeier,
sehr geehrte Frau Lambrecht,
sehr geehrter Herr Heil,
sehr geehrter Herr Scholz,
Sehr geehrter Herr Seehofer,
sehr geehrte Mitglieder und Abgeordnete der Fraktionen des Bundestages,
sehr geehrte Mitglieder der Oppositionsfraktionen, der Fachaufsicht der Regierung des deutschen Bundestages, und des deutschen Bundesrates,
sehr geehrte Verantwortliche in den Landestagen der deutschen Bundesländer,

ich bin parteilos und professionell arbeitende Musikern. Als Sängerin, Textdichterin, Komponistin, kreative Musikproduzentin arbeite ich in meinem Beruf seit mehreren Jahrzehnten. Ich bevorzuge als Urheberin beim Komponieren zum Singen und Betexten die deutsche Sprache da diese nicht nur wunderschön ist, sondern es sich für mich auch damit leichter Lieder schreiben lässt. Die gesamte Bundesrepublik Deutschland ist eines meiner Hauptarbeitsgebiete und ich arbeite mit Musikern aus allen deutschen Bundesländern zusammen. Meine Arbeit wechselt zwischen Konzerten und Tourneen und monatelangen Studioaufenthalten, in denen kein Geld verdient, sondern Kunst und Kultur eigenständig erschaffen wird, um es zu veröffentlichten, zu verbreiten und damit auf Tournee zu gehen. Viele Kollegen arbeiten ähnlich.

Wie wir alle wissen, haben Sie als Bundesregierung und gemeinsam verantwortliche Amtsträger mit Gesetzesbeschlusskraft bundesweite und massive Restriktionen beschlossen, die für die meisten in diesem Lande agierenden Freiberufler und kreativen Berufsgruppen seit dem 11.03.2020 einem Berufsverbot gleichkommen. Wir halten dies für unangemessen. Wir sehen darin auch massive Grundrechtseinschränkungen, z.B in unserer Vermögens- und Kunstfreiheit, sowie unserem Recht auf Zugang zur Pressefreiheit.

Die davon betroffenen und ausschließlich vollberuflichen Solo-Selbstständigen und Freiberufler, die im Bereich der deutschen Kultur-, Kunst- und Medienwirtschaft professionell tätig sind, sowie die durch diese abhängigen und gewerblichen Dienstleister und Unternehmen, sind als bundesweit und weltweit tätiger Wirtschaftssektor als Wirtschaftsgruppe der freien Künstler, Autoren, Techniker, Journalisten und deutschen Unternehmenssteuersitzen im Wirtschaftskreislauf systemrelevant - entgegen Ihrer Ansicht als Konsumenten - da diese dem Wirtschaftskreislauf das Produkt Kunst und Kreativität durch geistiges Eigentum und künstlerische Leistung liefern, und das deren Beruf ist. Sie versorgen das gesamte deutsche Verwertungsgesellschafswesen mit Einnahmen, den Gewerkschaftsfachbereich und die Unternehmensbereiche mit ihrer freien und kreativen Arbeit, wie z.B. die deutsche Musikwirtschaft. Allein die GEMA nimmt innerhalb unserer Republik über eine halbe Milliarde Euro ein und verteilt diese an viele Urheber. Das meiste wandert mittlerweile ins Ausland ab, da das schwer mangelhafte Telemediengesetz und das entgegen der Pflicht des deutschen Urhebergesetzes rechtsbrüchige Digitalgeschäft immer noch nicht an den Staatsauftrag gemäß Art. 73 (9) GG und den Art. 15 (1) c.) (2) (3) ICESRC angepasst wurde. Die meisten Künstler leben nur vom Konzertgeschäft. Das haben Sie jetzt verboten und damit nicht nur die Gagen und CD-Verkäufe, sondern auch die Einnahmen aus GEMA und GVL, die sich daraus automatisch ergeben.

Ihr im März öffentlich verkündetes Amtsversprechen, dass Freiberufler und Solo-Selbstständige (was auch die nicht gewerblich tätigen Künstler und Kreative einbezieht) allesamt durch Subventionen, also durch nicht rückzahlbare Fördermittel mit einem nicht zurückzahlbaren Soforthilfezuschuss vor ihren Grundrechtseinschränkungen materiell geschützt würden und durch entsprechende Bundesländer ausgeführt würde, ist bis dato noch nicht bundesweit umgesetzt worden und bleibt daher ein Versprechen.

Es gibt viele betroffene Freiberufler und Solo-Selbständige (Musiker, Journalisten, etc.), KSK-Mitglieder und Privatversicherte in den jeweiligen Bundesländern, bei denen keinerlei Fördermittel des Bundes durch das Land auf Landesebene bisher ausbezahlt wurden (da Kulturfördermittel gestrichen wurden), noch durch den Bund ausbezahlt wurden, da diese keine gewerblichen "Betriebskosten" aufweisen können, was aber im Formular als Angabe gefordert wird. Auch die Versicherungen scheinen sich für die durch Ihre amtlichen Beschlüsse nicht durchführbaren geschäftlichen Verträge nicht zu interessieren, da die entgangenen geschäftlichen Einnahmen durch die durch Sie veranlassten Restriktionen, die gleichbedeutend in der Auswirkung wie ein Berufsverbot sind, zuständig zu sehen, so z.B. bei den dadurch abgesagten Konzerten, oder bei Schließung aller Läden die Musik verkaufen, etc. Sie verweisen alle, ausnahmslos, auf Sie: Einwirkung nicht durch den Virus, sondern durch Sie, als höhere Gewalt.

Andere Bundesländer haben dieses finanzielle Sofort-Hilfe-Paket wiederum als "Kompensation" durch Bund und Land und zumindest für drei Monate schon ausbezahlt, so z.B. das Bundesland Berlin. Im Bundesland Berlin wurde also keine "Gewalt" gegenüber Künstlern und Freiberuflern durch Berufsverbot und zugleich ohne Entschädigung ausgeübt und der Kommunikationsweg ist dabei kurz - in einer Stadt, welche zugleich Bundesland und Regierungssitz der gesamten Republik darstellt.

Gerecht ist selbstverständlich, wenn diese Kompensationen in allen Bundesländern als Subvention und als Fördermittel durch Land und Bund an alle Freiberufler ohne Gewerbe ausgezahlt werden, wie es bei Unternehmen geschieht. Denn, wie Sie wissen, wohnen nicht nur Künstler in Berlin, sondern überall verstreut in der gesamten Bundesrepublik Deutschland. Die betreffenden Bundesländer haben aber den betroffenen Künstlern und Kreativen mitgeteilt, dass die Anweisung der Verweigerung einer Entschädigung, einer Kompensation, bzw. einer Subvention, durch Sie als Regierung erteilt wurde - also an Sie verwiesen und sie äußerten zugleich, dass nicht gewerblich tätige Freiberufler sich nun alle "arbeitslos" melden sollten.

Frage 1: Wer hat uns freien Musikern und Kreativen eigentlich gekündigt? Das Bundeskanzleramt? Das Gesundheitsministerium? Das Wirtschaftsministerium? Das Justizministerium? Das Arbeitsministerium?

Frage 2: Wenn wir nicht gekündigt wurden, warum bestrafen Sie uns doppelt? Wissen Sie denn nicht, dass Kreative Talent haben müssen, nicht studieren müssen? Sie wachsen weder auf Bäumen, noch sind sie einfach austauschbar, wenn Sie wieder Kultur konsumieren wollen.

Sind die freischaffenden Künstler der Bundesrepublik Deutschland und deren Partner, all deren freie und wirtschaftlich unabhängige Existenzberechtigung, im Bereich der Unterhaltung, der Medien und der Kultur Ihrerseits unerwünscht und für Sie als Abgeordnete wirtschaftlich und als Kulturgut- und Kreativreichtum dieser Nation nicht "systemrelevant"? Daran hängen ganze Branchenzweige, von Hotels, Restaurants, Technikfirmen, Instrumentenhersteller, Bühnenbauer, Grafiker, Journalisten, Fotografen, Tonträgerfirmen, Clubs, Veranstalter, etc. ... Ahnen Sie den Schaden?

Sollten all diese Menschen für Sie unwichtig sein, dann würden Sie dem UN-Sozial-Pakt 1 und dem Zivilpakt aus 1966, sowie dem EMKR und dem Staatsauftrag gemäß Art. 5 GG und Art. 73 (9) GG allerdings in ihrer gesamten Handlungsweise und dem Wesen nach widersprechen. Denn auch der deutschen, kreativen Wirtschaftsinteressensgruppe steht der materielle und immaterielle und freie Zugang zu ihren Rechten und Vermögen, als Freiberufler der Musikbranche und der Kreativbranche und damit auch der Schutz des Menschenrechts als deutsches Volk in unserem Beruf zu.

Die Wirtschaft der Kulturschaffenden, die der Kunst und Medien, die ist dabei keine Ländersache. Wenn es um die allgemeinen wirtschaftlichen und immateriellen Durchsetzungsrechte durch den deutschen Gesetzgeber und/oder um deren restriktiven Beschlüsse nach Seuchenverordnungen geht, sieht das ganz anders aus. Sie fallen unter das für alle Urheber bundesweit geltende deutschen Grundgesetz für diesen Berufsbereich, deren Organisation und unter den effektiven Rechtsschutz. Selbst nach Art. 18 GG muss das Vermögen und Art. 5 GG dem Wesen nach unangetastet bleiben. Davon kann nicht die Rede sein. Offensichtlich besteht dabei Ihrerseits ein Interessenskonflikt zwischen dem gesetzlich zu garantierenden effektiven Rechtsschutz und den der Kulturförderung. Es wird dabei immer wieder auf föderalistische Politik umgewälzt und wir als Künstler hin und hergeschoben.

Durch ihre aktuellen Bestimmungen des nationalen "Quasi"-Berufsverbotes für uns alle und durch Beschränken der Bundes-Förderzuschüsse auf reine Gewerbstätige, umgingen Sie nun erneut ihre Pflicht gegenüber den freien Berufen der Kreativen auf national staatsrechtlichem Boden, denn durch Sie besteht nun ein komplettes bundesweites Auftrittsverbot für alle freien deutschen Musiker, Künstler und Autoren - und damit ein wirtschaftlicher Schaden. Geistiges Eigentum, Urheberrechte und Leistungsschutzrechte gelten als Vermögen - materiell, sowie immateriell. Das digitale Geschäft wird es für niemanden von uns in der Bundesrepublik jemals auffangen können, da Sie dem deutschen UrhG seit vielen Jahren keine Bedeutung beigemessen haben. Dabei verdienen wir Kreativen, jeder auf seine Weise, damit unser Geld.

Viele bundesweit lebenden Künstler haben bisher keiner Corona-Sofort-Zuschüsse erhalten, jedenfalls keinen, den man als Kredit nicht zurück geben müsste. Damit zeigen Sie, dass Künstler sogar noch einen Kredit aufnehmen sollen, während Sie uns als Regierung eine Art Berufsverbot erteilt haben und wir all unsere Konzerte verschieben sollen und nicht einmal unsere Tonträger veröffentlichen können? Die Schweizer Regierung zahlt an ihre Kulturschaffende sogar 80% ihrer Verluste durch das Aufrittsverbot aus. Die Franzosen helfen, die Dänen helfen ihren Künstlern und Kreativen und deren Dienstleistern und Sie wollten Künstler, die Verträge haben, Aufträge haben, Konzertkarten verkauft haben, den gesamten Mittelstand in HARTZ IV schicken, obwohl Sie es sind, die derzeit den Künstler Kunstfreiheit und Pressezugang, Berufsfreiheit, Pressefreiheit und unsere Vermögensfreiheit vollständig unterbinden? Das meinen Sie nicht ernst? Das ist aus unserer Sicht nicht nur unangemessen und ungerecht, das ist im praktischen Ergebnis totalitär und diskriminierend. Wir appellieren an Ihre Ethik und möchten Sie doch um Respekt für unsere Arbeit, um unsere demokratischen Rechte und unsere Menschenrechte, die in Art.15 (1) c) (2) (2) ICESRC direkt verankert sind, bitten. Außerdem möchten wir Ihrerseits einen Ansprechpartner, der die Aufgabe in der Bundesrepublik Deutschland vertritt, wenn deutsche Bürger und Bürgerinnen und vor allem Künstler in ihren gesetzlichen Rechten, sowie in ihren Menschenrechten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland verletzt werden.

Ich erinnere Sie an den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Dieser sagte über die deutsche Kultur:

"Kultur kostet Geld. Sie kostet vor allem deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf"

"Substantiell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushaltes zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst."

"Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich "Subventionen" nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subvention zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in die falsche Richtung."

"Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert."

"Kultur ist kein entbehrliches Zierrat".

"Soziale Marktwirtschaft vollzieht sich nicht in Gesetzbüchern, sondern im Denken und Handeln."

"Kunst hat oft der Seele Nahrung gegeben. Sie hat zu ihrem Teil mitgeholfen, den Raum der inneren Freiheit zu erweitern."

Da die deutschen Kulturkonferenzen und damit die Frage, wie man mit den freien Kultur- und Medienvertretern grundsätzlich und hier am sichtbarsten seit vielen Jahren umgeht, ebenso im Bundeskanzleramt zusammenläuft, erlaube ich mir hierbei auch alle Kulturministerien aller Bundesländer in CC anzuschreiben und auf deren Eid, deren Landesverfassungen zu verweisen und an deren Gewissen zu appellieren.

Wir sehen durch Ihre Gewalt massive Eingriffe in unsere freiheitlichen und demokratischen Grundrechte, dazu gehört, dass der Staat keine wirtschaftlichen Enteignungen vornehmen darf, oder diese angemessen zu entschädigen hat. Wir erbitten Auskunft und Antwort an mich und die im Verteiler benannten Verbände bis zum 24.04.2020 die wir dann alle unseren bundesweit betroffenen KollegInnen und den KollegInnen im Ausland und an die bundesweiten Medien, den uns allen bekannten Journalisten und den Fans (allen deutschen Verbrauchern) im digitalen und in den kostenlosen weltweiten virtuellen Internetportalen als Ihre politische Antwort weitergeben werden. Denn ihr Versprechen traf bisher auf uns alle nicht zu.

Meine E-Mailadresse ist datenschutzrechtlich nicht für die Verbreitung der Öffentlichkeit bestimmt. Sollte jemand, der in Kopie gesetzten Adressaten meine Auskunftsanfragen inhaltlich veröffentlichen wollen, dann nur ohne E-Mail-Adresse. Bitte wenden Sie sich zuvor per E-Mail an mich und informieren Sie mich in welcher Form Sie dies beabsichtigen.

Mit freundlichen Grüßen
Julia Neigel




   
   

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