

Ein Beitrag von Katja Maria Werker (30.05.2018)
Vorwort: Christian Reder (04.06.2018) + Pressefotos
Wir, die wir uns für Musik interessieren, die noch Inhalte und Qualität haben, erleben seit einigen Jahren einen unangenehmen Umbruch in der Szene. Dies war schon häufiger Thema in unseren Beiträgen und Interviews. Massenhaft Musik von der Stange und Musiker aus dem Design-Atelier der Plattenfirmen überschwemmen den Markt mit gleich klingendem Singer-Songwriter-Singsang und Küchentisch-Dichtkunst.
Musikalisches Fastfood für den schnellen Hunger und zum Wegwerfen, wenn man satt davon ist. Gepushtes Zeug, das eigentlich keiner braucht, blockiert die Wege der Musiker, die mehr zu bieten haben als den Mainstream-Brainwash. Viele Künstler haben schon ihren Beruf als Musiker aufgegeben und gehen inzwischen anderen Beschäftigungen nach. Sie haben es geräuschlos getan, sich zurückgezogen und kein Wort darüber verloren, wie faulig es in der Branche doch inzwischen stinkt. Das Fehlen von Auftrittsmöglichkeiten in den Medien (Radio und TV) ist unübersehbar, und die wenigen noch verbliebenen Formate teilen sich die immer gleichen Nasen untereinander auf. Nun gibt eine Künstlerin auf, die ich selbst mal an einen Veranstalter vermittelt habe, der ein gutes Bühnenprogramm suchte. Ich empfahl ihm Katja Werker, weil ich sie toll finde und mir gut vorstellen konnte, dass sie den Abend, für den eben ein Musiker gesucht wurde, gut bestreiten würde. Am Ende entschied sich der Hausherr für eine Coverband, weil die den Leuten eben das spielt, wonach sie bei der richtigen "Drehung" im Schädel auch ordentlich mitgrölen können. So sieht's aus im Lande und eben diese Katja Werker wird das nicht weiter mitmachen. Man kann sie verstehen, wenn sie am Ende des Jahres den Stecker aus ihrem Verstärker für immer ziehen wird. Aber man darf auch traurig darüber sein. Und wütend! Wütend über eine Situation, die einen ratlos zurück lässt. Wie konnte es soweit kommen? Wie kann man dem noch begegnen? Die Kultur stirbt, die Lust auf die Qualität schwindet, die Bereitschaft zum Mitdenken und Interpretieren ist fast weg und der eigene Anspruch wird immer weiter runter geschraubt. Lest hier Katjas Zeilen und ihre Sicht auf die Dinge. Es sind ihr Statement zur Situation und ihre Abschiedsworte ...
Liebe Freunde und Freundinnen,
es erreichten mich doch etliche Fragen, ob das stimmt, dass ich zum Jahresende meine Tätigkeit als Bühnenmusikern aufgebe und ich wollte dazu etwas schreiben. Zunächst einmal: Ja, es stimmt! Mit dem Ende diesen Jahres plane ich keine neuen Auftritte mehr und werde mich von den Club- bzw Hauskonzertbühnen zurückziehen. Trotz oder gerade weil ich gerade das vielleicht schönste Album meiner Laufbahn gemacht habe. Es ist, als ob man nach der Besteigung des Gipfes, der noch fehlte, sagen würde, "Ok, jetzt ist es gut."
Das hat mehrere Gründe.
Der Wesentlichste ist für mich der momentane "Notstand" was die deutsche Musik- bzw. Liveszene angeht. Ihr habt es ja beim Echo-Eklat auch in den Medien gehört bzw. gesehen: In dieser gesamten Branche läuft seit etlichen Jahren einiges schief. Von den durchweg schlechteren Chancen als weibliche Musikschaffende mal abgesehen: Immer die gleichen Musiker bekommen auf den wenigen medialen Plattformen eine Chance, vom Publikum wahrgenommen zu werden. Und das hat mit künstlerischer Qualität oft überhaupt nichts zu tun. Wer Beziehungen hat, bekommt Chancen. Es wird geschachert und gemanaged, was das Zeug hält. Was jetzt überhaupt nicht heißt, dass ich alles, was erfolgreich ist, schlecht finde. Im Gegenteil. Es ist nur leider so, dass der ganze, oftmals künstlerisch viel wertvollere "Rest" - mehr oder weniger - in die Röhre schaut. Eine Branche ohne Arbeitsschutzgesetze, ohne Gewerkschaft, ohne Tarifvereinbarungen, ohne jede Absicherung.
Deshalb sind die Bandagen, mit denen derzeit im Live-Geschäft um Auftrittsmöglichkeiten gekämpft wird, sehr hart und die Masse an Musikern, die live spielen möchte (3 Generationen sind derzeit aktiv unterwegs !!!) ist sehr groß geworden. Ein Grund dafür ist sicher, dass durch die eingebrochenen CD-Verkäufe das Livespielen die einzige noch existente Einnahmequelle für Musiker ist. Und deshalb ist das Musikgeschäft in den vergangenen 2, 3 Jahren zum Teil so absurd geworden, dass ich manchmal nicht fassen konnte, was eigentlich los ist.
Sicher, in jedem Job gibt es mal Tage, wo es keinen wirklichen Spaß macht und trotzdem macht man weiter. Das habe ich auch gemacht. Weil auch immer wieder gute Zeiten kommen. Weil man zwischen allen Schwierigkeiten immer wieder tolle Sachen erlebt. Super nette Menschen trifft, alles bestens läuft. Sich Leute reinhängen, damit ein Konzert zustande kommt. Veranstalter, die ihre Künstler zu schätzen wissen und dementsprechend behandeln. Und weil man seine Sache ja auch liebt. Und viel investiert hat, um überhaupt bis hierher zu kommen.
Doch es gibt eben auch die andere Seite: Und gerade das Konzertespielen mit dem stundenlangen Autofahren und dem heimatlosen herumsitzen in Garderoben und Backstages, manchmal nicht so tollen Hotelzimmern (oft aber auch ganz tolle), verlangt der Psyche wirklich einiges ab. Da muss man schon stark sein. Ein Kollege sagte neulich in einem Radiointerview, dass aus seiner Sicht der Job als Singer-Songwriter ein sehr einsamer ist.
Und ich teile diese Meinung.
Nicht umsonst sind viele Musikschaffende im Laufe ihrer Karriere irgendwie Drogen-, Erfolgs- oder Alkoholsüchtig geworden (oder alles zusammen). Wahrscheinlich, weil es mit etwas "Stoff" etwas leichter ist, diesen Spagat im Kopf zu verkraften. Den Spagat zwischen der eigenen Identität, des privaten Menschen mit all seinen Ängsten, Nöten und Unsicherheiten, dem hohen Anspruch an sich selbst, dem man kaum gerecht wird und dem, was man auf der Bühne am Abend dem Publikum präsentiert.
Oft liegen wirklich Welten dazwischen.
Einige Jahre habe ich das nun mitgemacht. Ich habe versucht, so gut ich konnte, mitzuhalten, ein dickeres Fell zu bekommen, es sehr professionell zu betrachten. Mich besser zu organisieren, weiterzuentwickeln. Am Instrument besser zu werden, aus dem Glauben heraus, dass sich Qualität und Beharrlichkeit am Ende durchsetzt. Habe alte oder neue Buiseness-Kontakte zu halten oder zu knüpfen versucht. Versucht, meine Ansprüche herunterzuschrauben. Es zu nehmen, wie es ist. Oder am Besten eben nur das Postive zu sehen.
Aber es ging auf Dauer nicht.
Es fühlte sich für mich in den letzten Monaten so an, als wenn all meine kostbare Zeit und Energie in Lichtgeschwindigkeit in einem schwarzen Loch verschwindet. Ein Loch so schwarz wie das Ende der Galaxie. Und dieses Verschwinden meiner Energie gab mir das Gefühl, dass all mein Talent, all meine Bemühungen, all das, worauf ich meine Werte baue, letztlich nichts mehr wert sind.
Was mich dazu bringt, zu sagen: "Ich möchte diesen Beruf so nicht mehr ausüben." sind die endlosen Stunden am PC, in denen ich zum Beispiel hunderte Mails an Konzertveranstalter schicke, auf die dann noch nicht mal eine Antwort kommt. Es sind die immer schlechter werdenden Konditionen, die Künstlern für das Livespielen hinnehmen sollen. Und wenn ich es nicht mache, machen es garantiert 20 andere. Für ein warmes Essen spielen. Für einen Hut spielen, alles auf eigenes Risiko. Natürlich ist es nicht immer so, ich habe auf Grund meines Werdegangs noch das Glück meistenteils zu guten Konditionen zu spielen, aber die Tendenz ist eindeutig. Es ist so ein Fass ohne Boden, in dem man sitzt und versucht, nicht unterzugehen. Und die Kollegen, mit denen ich darüber spreche, bestätigen mir das auch.
Manche haben schon aufgegeben.
Was mich dazu bringt, einen neuen Weg zu gehen, ist das von Veranstaltern monatelang hingehalten werden und dann passiert doch nichts. Das am -wörtlich- "Marktwert gemessen" werden. Als sei ich ein Produkt. Und das in meinem Alter! Das Respektlose. Das unausgesprochene, aber ganz klar existente "Gefällt mir ganz gut, was Du machst, aber ich nehm dann doch lieber eine 30-Jährige mit langen Haaren und kurzem Rock, irgendwas mit Country. Da kommen dann wahrscheinlich mehr Besucher zum Konzert." Und genau dieses immer gleiche Bild von einer Musikerin sieht man dann im Programmhinweis des Veranstaltungsortes, in regelmäßigen Abständen, über das Jahr verteilt, mit dementsprechenden Pressefotos. Für mich ist aber kein Platz. Das ist wirklich deprimierend und es macht mich ungeheuer wütend.
Es sind die so gut wie vergeblichen Bemühungen, im Radio stattzufinden, obwohl meine Songs wirklich gut sind. Es sind die an sich unerträglichen Leute, zu denen man nett ist, um es sich nicht ganz mit der Musikindustrie zu verscherzen. Es ist der Abscheu, den ich mir selbst gegenüber empfinde, wenn ich jemandem, von dem ich genau weiß, dass er oder sie sein Publikum belügt, meine Meinung nicht offen gesagt habe, weil ich die Konfrontation gescheut habe. Sie glauben gar nicht, wieviele "Barden" von sozialer Gerechtigkeit und der inneren Erleuchtung singen und in Wirklichkeit abgezockte Egomanen sind, die sich für wirklich nichts anderes als ihren eigenen Vorteil interessieren. Man erkennt sie im übrigen auch daran, dass sie manchmal von sich selbst in der dritten Person sprechen. Und diese Leute bekommen dann Preise, Airplay, Anerkennung, was weiß ich.
Ich bin zur Jahreswende davon nicht nur seelisch, sondern letztlich auch körperlich krank geworden. Zuerst bekam ich eine schmerzhafte und sehr hartnäckige Gürtelrose links im Gesicht. Dann rechts. Dann, zeitgleich, eine schwere Grippe. Dann, am Folgetag meines ersten Auftritts nach dieser wirklich deftigen Krise in Hamburg, schwere Bandscheibenprobleme, so dass ich überhaupt nicht mehr aufstehen konnte.
Das hat mich dann letztlich aufhorchen lassen, war so ein Wendepunkt. Denn wenn man, vor allem als Mutter, nicht mehr alleine zur Toilette kommt, ist das wirklich beängstigend. Es ging mir dann, nachdem mir langsam dämmerte, dass ich wirklich etwas ändern muss, um aus dieser Lage heraus zu kommen, rasch besser. Niemand anderes würde die Antwort in einem goldenen Umschlag an meiner Haustür abgeben. Die Lösung lag in mir selbst.
Auch wenn es mir in den ersten Wochen sehr fremd vorkam: So lange hatte ich mich mit dem Musikerin sein zu 100 % identifizert. All die Schwierigkeiten, die ich mit der Musikbranche und meiner Identität als Musikerin habe, habe ich eben irgendwie versucht, im Zaum zu halten oder als "notwendiges Übel" zu akzeptieren. All die verpassten Chancen meiner Musikerlaufbahn, für die ich mir selbst die Schuld gab, die Respektosigkeiten von Leuten, denen ich ausgesetzt war, weil sie die Macht hatten, so mit mir umzugehen, ratterten Monate lang, auch Nachts in meinen Träumen, in meinem Kopf an mir vorbei. Wieder und wieder. Ich wachte nachts auf und weinte. Hättest du dummes Huhn in der und der Situation besser das und das gemacht, dann wärst du jetzt da und da.
Gegrapsche an Po und Busen vom Veranstalter auf dem Weg zu Bühne (!), Beschimpfungen unter der Gürtellinie von total betrunkenen Studiobesitzern, ganz zu schweigen von dem Plattenlabelinhaber, der mich behandelte wie ein Stück Dreck, nachdem der Vertrag unterschrieben war, ich aber keine Beziehung mit ihm eingehen wollte. Krasse Enttäuschungen von Leuten, die ich seit 20 Jahren kenne, und die mir so nahe gingen, dass ich dachte "Das darf einfach nicht wahr sein." All das arbeitet in mir und ich weiß: ich werde noch einige Monate brauchen, in denen ich einfach nur Zeit für mich habe und mich neu kennenlerne. Herausfinde, was ich eigentlich möchte.
Und zum ersten Mal seit wirklich langer Zeit spüre ich wieder dieses Gefühl, dass ich so lange vermisst habe: Ich fühle mich verbunden mit mir und meinem eigenen Leben. Mit mir und der Welt, mit dem, was mein Leben noch für mich vorgesehen hat, ganz egal wie klein dieses Leben für Außenstehende aussehen mag. Ich muss nichts tolles darstellen, nicht perfekt sein. Ich bin, wer ich bin. Alles, was ich brauche, ist ein wenig Glück und Zufriedenheit. Das Gefühl, mit meinem Leben im Reinen zu sein. Etwas Zuversicht. Eine Perspektive. Ein erreichbares Ziel. Ich kann mir eine Auszeit nehmen und werde das auch machen. Bis ich weiß, wohin mich der Weg führt. Ich möchte eine zeitlang sagen dürfen: "Ich muss jetzt nichts leisten, ich bin einfach nur da."
Was vielleicht auch daran liegt, dass ich seit Jahren meine CDs selbst mache und mich nicht für die Produktion eines Albums, wie andere meiner Kollegen, mit 20.000 oder sogar 40.000 Euro verschuldet habe. Ich kann es verstehen, denn der Künstler will sich ja ausdrücken, in der Öffentlichkeit stattfinden. Aber diese Hypothek ist schon sehr hoch.
Einige fragten: "Kannst du denn nicht die Live-Musik etwas herunterfahren und parallel etwas anderes machen?" Und ich muss sagen: "Nein, das kann ich nicht." Es ist eine grundsätzliche Entscheidung. Entweder ich lebe im Privaten oder im Öffentlichen. Entweder ich bin Berufsmusikerin und packe alle paar Tage das Auto, um loszufahren, oder ich bin es nicht. Im Kopf, im Herz, im Bauch. Es waren viele unfassbar schöne Momente, Begegnungen und Konzerte dabei in den vergangen Jahren und ich habe es als Privileg empfunden, mich selbst auf diese Weise entfalten und auszuloten zu können. Meine stets präsenten Ängste zu überwinden. Getragen werden vom Publikum, es gibt nichts vergleichbares.
Aber die Zeit ist nun reif um einen anderen Weg zu gehen.
Ich habe die aktuellen Gegebenheiten der Musikszene nicht gemacht und ich werde sie auch nicht ändern können. Es ist einfach der Lauf der Zeit. Die Abgestumpftheit, die ich persönlich (und ich spreche da nur von mir selbst) als Musikerin heute an den Tag legen muss, um in dieser "Kulturlandschaft" weiter zu bestehen, sie ist für mich einfach nicht mehr akzeptabel, denn sie ist mein innerer Tod. Ich kann und möchte das nicht mehr in meinem Leben haben. Sicher werde ich Zeiten erleben, in denen mir klar wird, was ich selbst ändern kann und muss. Nicht die anderen.
Ich werde meine Schlüsse daraus ziehen.
Ich möchte, wie früher, als ich 14 Jahre alt war und begann, Songs von Paul Simon zu lernen, die mein Rettungsanker in einem Meer der Verzweiflung waren, den Spirit diese Zeit spüren. Diese Zeit, dieses Songwritung, aus der meiner Meinung nach alle, die heute mit einer Gitarre auf der Bühne stehen ja letztlich kommen. Nur scheinen das viele - und zum Teil sogar ich selbst - doch irgendwie, irgendwo auf dem Weg vergessen zu haben. Vergessen, worum es bei dieser Singer-Songwriting-Sache eigentlich geht. Ich will das aber nicht vergessen. Weil ich Verantwortung habe, wenn ich mir meine Gitarre um den Bauch hänge und von inneren Einsichten singe. Mir selbst gegenüber. Der Kunst gegenüber. Meinem Publikum gegenüber. Und bevor ich wirklich zu alt bin, um etwas Neues zu beginnen, und bevor ich all die Freude an meiner Musik oder, noch schlimmer, der von Paul Simon oder Davd Bowie, verliere, möchte ich sie für einige Zeit in ein ruhiges, sonniges Zimmer legen und ihr den Raum geben, zu genesen.
Besser kann ich es im Augenblick nicht in Worte fassen.
Und ich bedanke mich bei allen Menschen, die gut zu mir waren und mich unterstützt haben. Die mir schrieben, wie wichtig ihnen meine Musik ist. Das ihnen meine Texte viel bedeuten. Das hat mir unheimlich viel Kraft gegeben und bedeutet mir sehr viel. Auch für gute Kritik, die mich weiter gebracht hat, bedanke ich mich, denn sie ist Gold wert. Denen, die mich belogen, betrogen, ausgenutzt, ausgegrenzt, herablassend behandelt, belästigt, über mich geurteilt, hinter meinem Rücken Unwahrheiten über mich verbreitet haben, weil sie glaubten, sie könnten sich das erlauben, sage ich heute:
Ihr könnt mich mal!
Es gibt Besseres, was ich mit meinem Leben anfangen kann. Und das werde ich machen.
Katja Werker

Liebe Freunde und Freundinnen,
es erreichten mich doch etliche Fragen, ob das stimmt, dass ich zum Jahresende meine Tätigkeit als Bühnenmusikern aufgebe und ich wollte dazu etwas schreiben. Zunächst einmal: Ja, es stimmt! Mit dem Ende diesen Jahres plane ich keine neuen Auftritte mehr und werde mich von den Club- bzw Hauskonzertbühnen zurückziehen. Trotz oder gerade weil ich gerade das vielleicht schönste Album meiner Laufbahn gemacht habe. Es ist, als ob man nach der Besteigung des Gipfes, der noch fehlte, sagen würde, "Ok, jetzt ist es gut."
Das hat mehrere Gründe.
Der Wesentlichste ist für mich der momentane "Notstand" was die deutsche Musik- bzw. Liveszene angeht. Ihr habt es ja beim Echo-Eklat auch in den Medien gehört bzw. gesehen: In dieser gesamten Branche läuft seit etlichen Jahren einiges schief. Von den durchweg schlechteren Chancen als weibliche Musikschaffende mal abgesehen: Immer die gleichen Musiker bekommen auf den wenigen medialen Plattformen eine Chance, vom Publikum wahrgenommen zu werden. Und das hat mit künstlerischer Qualität oft überhaupt nichts zu tun. Wer Beziehungen hat, bekommt Chancen. Es wird geschachert und gemanaged, was das Zeug hält. Was jetzt überhaupt nicht heißt, dass ich alles, was erfolgreich ist, schlecht finde. Im Gegenteil. Es ist nur leider so, dass der ganze, oftmals künstlerisch viel wertvollere "Rest" - mehr oder weniger - in die Röhre schaut. Eine Branche ohne Arbeitsschutzgesetze, ohne Gewerkschaft, ohne Tarifvereinbarungen, ohne jede Absicherung.

Sicher, in jedem Job gibt es mal Tage, wo es keinen wirklichen Spaß macht und trotzdem macht man weiter. Das habe ich auch gemacht. Weil auch immer wieder gute Zeiten kommen. Weil man zwischen allen Schwierigkeiten immer wieder tolle Sachen erlebt. Super nette Menschen trifft, alles bestens läuft. Sich Leute reinhängen, damit ein Konzert zustande kommt. Veranstalter, die ihre Künstler zu schätzen wissen und dementsprechend behandeln. Und weil man seine Sache ja auch liebt. Und viel investiert hat, um überhaupt bis hierher zu kommen.
Doch es gibt eben auch die andere Seite: Und gerade das Konzertespielen mit dem stundenlangen Autofahren und dem heimatlosen herumsitzen in Garderoben und Backstages, manchmal nicht so tollen Hotelzimmern (oft aber auch ganz tolle), verlangt der Psyche wirklich einiges ab. Da muss man schon stark sein. Ein Kollege sagte neulich in einem Radiointerview, dass aus seiner Sicht der Job als Singer-Songwriter ein sehr einsamer ist.
Und ich teile diese Meinung.
Nicht umsonst sind viele Musikschaffende im Laufe ihrer Karriere irgendwie Drogen-, Erfolgs- oder Alkoholsüchtig geworden (oder alles zusammen). Wahrscheinlich, weil es mit etwas "Stoff" etwas leichter ist, diesen Spagat im Kopf zu verkraften. Den Spagat zwischen der eigenen Identität, des privaten Menschen mit all seinen Ängsten, Nöten und Unsicherheiten, dem hohen Anspruch an sich selbst, dem man kaum gerecht wird und dem, was man auf der Bühne am Abend dem Publikum präsentiert.

Einige Jahre habe ich das nun mitgemacht. Ich habe versucht, so gut ich konnte, mitzuhalten, ein dickeres Fell zu bekommen, es sehr professionell zu betrachten. Mich besser zu organisieren, weiterzuentwickeln. Am Instrument besser zu werden, aus dem Glauben heraus, dass sich Qualität und Beharrlichkeit am Ende durchsetzt. Habe alte oder neue Buiseness-Kontakte zu halten oder zu knüpfen versucht. Versucht, meine Ansprüche herunterzuschrauben. Es zu nehmen, wie es ist. Oder am Besten eben nur das Postive zu sehen.
Aber es ging auf Dauer nicht.
Es fühlte sich für mich in den letzten Monaten so an, als wenn all meine kostbare Zeit und Energie in Lichtgeschwindigkeit in einem schwarzen Loch verschwindet. Ein Loch so schwarz wie das Ende der Galaxie. Und dieses Verschwinden meiner Energie gab mir das Gefühl, dass all mein Talent, all meine Bemühungen, all das, worauf ich meine Werte baue, letztlich nichts mehr wert sind.
Was mich dazu bringt, zu sagen: "Ich möchte diesen Beruf so nicht mehr ausüben." sind die endlosen Stunden am PC, in denen ich zum Beispiel hunderte Mails an Konzertveranstalter schicke, auf die dann noch nicht mal eine Antwort kommt. Es sind die immer schlechter werdenden Konditionen, die Künstlern für das Livespielen hinnehmen sollen. Und wenn ich es nicht mache, machen es garantiert 20 andere. Für ein warmes Essen spielen. Für einen Hut spielen, alles auf eigenes Risiko. Natürlich ist es nicht immer so, ich habe auf Grund meines Werdegangs noch das Glück meistenteils zu guten Konditionen zu spielen, aber die Tendenz ist eindeutig. Es ist so ein Fass ohne Boden, in dem man sitzt und versucht, nicht unterzugehen. Und die Kollegen, mit denen ich darüber spreche, bestätigen mir das auch.

Was mich dazu bringt, einen neuen Weg zu gehen, ist das von Veranstaltern monatelang hingehalten werden und dann passiert doch nichts. Das am -wörtlich- "Marktwert gemessen" werden. Als sei ich ein Produkt. Und das in meinem Alter! Das Respektlose. Das unausgesprochene, aber ganz klar existente "Gefällt mir ganz gut, was Du machst, aber ich nehm dann doch lieber eine 30-Jährige mit langen Haaren und kurzem Rock, irgendwas mit Country. Da kommen dann wahrscheinlich mehr Besucher zum Konzert." Und genau dieses immer gleiche Bild von einer Musikerin sieht man dann im Programmhinweis des Veranstaltungsortes, in regelmäßigen Abständen, über das Jahr verteilt, mit dementsprechenden Pressefotos. Für mich ist aber kein Platz. Das ist wirklich deprimierend und es macht mich ungeheuer wütend.
Es sind die so gut wie vergeblichen Bemühungen, im Radio stattzufinden, obwohl meine Songs wirklich gut sind. Es sind die an sich unerträglichen Leute, zu denen man nett ist, um es sich nicht ganz mit der Musikindustrie zu verscherzen. Es ist der Abscheu, den ich mir selbst gegenüber empfinde, wenn ich jemandem, von dem ich genau weiß, dass er oder sie sein Publikum belügt, meine Meinung nicht offen gesagt habe, weil ich die Konfrontation gescheut habe. Sie glauben gar nicht, wieviele "Barden" von sozialer Gerechtigkeit und der inneren Erleuchtung singen und in Wirklichkeit abgezockte Egomanen sind, die sich für wirklich nichts anderes als ihren eigenen Vorteil interessieren. Man erkennt sie im übrigen auch daran, dass sie manchmal von sich selbst in der dritten Person sprechen. Und diese Leute bekommen dann Preise, Airplay, Anerkennung, was weiß ich.
Ich bin zur Jahreswende davon nicht nur seelisch, sondern letztlich auch körperlich krank geworden. Zuerst bekam ich eine schmerzhafte und sehr hartnäckige Gürtelrose links im Gesicht. Dann rechts. Dann, zeitgleich, eine schwere Grippe. Dann, am Folgetag meines ersten Auftritts nach dieser wirklich deftigen Krise in Hamburg, schwere Bandscheibenprobleme, so dass ich überhaupt nicht mehr aufstehen konnte.

Auch wenn es mir in den ersten Wochen sehr fremd vorkam: So lange hatte ich mich mit dem Musikerin sein zu 100 % identifizert. All die Schwierigkeiten, die ich mit der Musikbranche und meiner Identität als Musikerin habe, habe ich eben irgendwie versucht, im Zaum zu halten oder als "notwendiges Übel" zu akzeptieren. All die verpassten Chancen meiner Musikerlaufbahn, für die ich mir selbst die Schuld gab, die Respektosigkeiten von Leuten, denen ich ausgesetzt war, weil sie die Macht hatten, so mit mir umzugehen, ratterten Monate lang, auch Nachts in meinen Träumen, in meinem Kopf an mir vorbei. Wieder und wieder. Ich wachte nachts auf und weinte. Hättest du dummes Huhn in der und der Situation besser das und das gemacht, dann wärst du jetzt da und da.
Gegrapsche an Po und Busen vom Veranstalter auf dem Weg zu Bühne (!), Beschimpfungen unter der Gürtellinie von total betrunkenen Studiobesitzern, ganz zu schweigen von dem Plattenlabelinhaber, der mich behandelte wie ein Stück Dreck, nachdem der Vertrag unterschrieben war, ich aber keine Beziehung mit ihm eingehen wollte. Krasse Enttäuschungen von Leuten, die ich seit 20 Jahren kenne, und die mir so nahe gingen, dass ich dachte "Das darf einfach nicht wahr sein." All das arbeitet in mir und ich weiß: ich werde noch einige Monate brauchen, in denen ich einfach nur Zeit für mich habe und mich neu kennenlerne. Herausfinde, was ich eigentlich möchte.

Was vielleicht auch daran liegt, dass ich seit Jahren meine CDs selbst mache und mich nicht für die Produktion eines Albums, wie andere meiner Kollegen, mit 20.000 oder sogar 40.000 Euro verschuldet habe. Ich kann es verstehen, denn der Künstler will sich ja ausdrücken, in der Öffentlichkeit stattfinden. Aber diese Hypothek ist schon sehr hoch.
Einige fragten: "Kannst du denn nicht die Live-Musik etwas herunterfahren und parallel etwas anderes machen?" Und ich muss sagen: "Nein, das kann ich nicht." Es ist eine grundsätzliche Entscheidung. Entweder ich lebe im Privaten oder im Öffentlichen. Entweder ich bin Berufsmusikerin und packe alle paar Tage das Auto, um loszufahren, oder ich bin es nicht. Im Kopf, im Herz, im Bauch. Es waren viele unfassbar schöne Momente, Begegnungen und Konzerte dabei in den vergangen Jahren und ich habe es als Privileg empfunden, mich selbst auf diese Weise entfalten und auszuloten zu können. Meine stets präsenten Ängste zu überwinden. Getragen werden vom Publikum, es gibt nichts vergleichbares.
Aber die Zeit ist nun reif um einen anderen Weg zu gehen.
Ich habe die aktuellen Gegebenheiten der Musikszene nicht gemacht und ich werde sie auch nicht ändern können. Es ist einfach der Lauf der Zeit. Die Abgestumpftheit, die ich persönlich (und ich spreche da nur von mir selbst) als Musikerin heute an den Tag legen muss, um in dieser "Kulturlandschaft" weiter zu bestehen, sie ist für mich einfach nicht mehr akzeptabel, denn sie ist mein innerer Tod. Ich kann und möchte das nicht mehr in meinem Leben haben. Sicher werde ich Zeiten erleben, in denen mir klar wird, was ich selbst ändern kann und muss. Nicht die anderen.

Ich möchte, wie früher, als ich 14 Jahre alt war und begann, Songs von Paul Simon zu lernen, die mein Rettungsanker in einem Meer der Verzweiflung waren, den Spirit diese Zeit spüren. Diese Zeit, dieses Songwritung, aus der meiner Meinung nach alle, die heute mit einer Gitarre auf der Bühne stehen ja letztlich kommen. Nur scheinen das viele - und zum Teil sogar ich selbst - doch irgendwie, irgendwo auf dem Weg vergessen zu haben. Vergessen, worum es bei dieser Singer-Songwriting-Sache eigentlich geht. Ich will das aber nicht vergessen. Weil ich Verantwortung habe, wenn ich mir meine Gitarre um den Bauch hänge und von inneren Einsichten singe. Mir selbst gegenüber. Der Kunst gegenüber. Meinem Publikum gegenüber. Und bevor ich wirklich zu alt bin, um etwas Neues zu beginnen, und bevor ich all die Freude an meiner Musik oder, noch schlimmer, der von Paul Simon oder Davd Bowie, verliere, möchte ich sie für einige Zeit in ein ruhiges, sonniges Zimmer legen und ihr den Raum geben, zu genesen.
Besser kann ich es im Augenblick nicht in Worte fassen.
Und ich bedanke mich bei allen Menschen, die gut zu mir waren und mich unterstützt haben. Die mir schrieben, wie wichtig ihnen meine Musik ist. Das ihnen meine Texte viel bedeuten. Das hat mir unheimlich viel Kraft gegeben und bedeutet mir sehr viel. Auch für gute Kritik, die mich weiter gebracht hat, bedanke ich mich, denn sie ist Gold wert. Denen, die mich belogen, betrogen, ausgenutzt, ausgegrenzt, herablassend behandelt, belästigt, über mich geurteilt, hinter meinem Rücken Unwahrheiten über mich verbreitet haben, weil sie glaubten, sie könnten sich das erlauben, sage ich heute:
Ihr könnt mich mal!
Es gibt Besseres, was ich mit meinem Leben anfangen kann. Und das werde ich machen.
Katja Werker