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Joachim 'EROC' Ehrig




001 20130106 1451663888In diesem Jahr feiern wir den 40. Geburtstag der Gruppe GROBSCHNITT, einer Band, die zu den Pionieren deutscher Rockmusik gehört. Diverse Alben und unzählige, großartige Kompositionen hat diese Band der Musikwelt hinterlassen. Für mich ist Grobschnitt eine Musikgruppe, die verdammt viele Parallelen zur Stern-Combo Meißen aufweist. Man wird das Gefühl nicht los, als spiegle sich so manches in beiden Bands wider. Sei es die Lust an experimenteller Musik, sei es der Anspruch, den die Musik hat, seien es die bandinternen Probleme, seien es die beiden großen Kreativen (auf der einen Seite EROC, auf der anderen Seite Thomas Kurzhals) oder der Schritt Anfang der 80er, in eine kommerziellere Richtung zu gehen - Grobschnitt und die SCM verbinden viele Gemeinsamkeiten, die dem aufmerksamen Leser im Verlauf des folgenden Interviews sicher auffallen werden. Was die eine Band (SCM) schon vor 7 Jahren feierte, liegt in diesem Jahr bei Grobschnitt an: der 40. Bandgeburtstag! Genau der richtige Anlass, eine der wichtigsten Personen der Gruppe zu uns einzuladen: Joachim 'EROC' Ehrig! Er ist Bandgründer und war lange Jahre die Seele der Gruppe, der Motor und die Kreativabteilung in einem. Auch abseits der großen Kapelle machte sich der Musiker einen Namen als Solist, Produzent und in heutigen Tagen als "Master of Remastering". Daher kennen auch viele audiophile Musikfreunde den Namen EROC, weil er unter anderem alte Aufnahmen aufpoliert und den bestmöglichen Hörgenuss herausholt. Der Mann aus Hagen hat eine bewegte Karriere hinter sich, dadurch viel zu erzählen und irgendwie ist sicher jeder unserer Leser, der eine CD- oder Plattensammlung sein Eigen nennt, schon irgendwann einmal mit Erocs Arbeit in Berührung gekommen. Was Eroc mit Renft, Christiane Ufholz, den Inchtabokatables und Phillip Boa zu tun hat, warum man ihn zuletzt auch wieder mal live auf einer Bühne sehen konnte und was es sonst noch Wissenswertes über ihn und die Kultband Grobschnitt gibt, erfahrt Ihr jetzt in dem folgenden Interview...
 


In Deiner Vita habe ich gelesen, dass Du gebürtig aus Weimar stammst. Hast Du noch einen Bezug zu Deiner Heimatstadt?
Ich bin im Alter von vier Jahren aus Weimar weggezogen - in Klammern "worden". Wir sind nach dem plötzlichen Tod meines Vaters aus der "Ostzone" nach Oberhausen umgesiedelt und ich hatte seitdem überhaupt keinen Bezug mehr zur Heimatstadt. Ich bin danach nie wieder da gewesen. Jedoch gab es dort noch eine Tante und einen Onkel, mit denen ständiger Briefwechsel stattfand. Nach dem Fall der Mauer kam die Tante auch mal hier rüber zu Besuch. Ich bin erst vor drei Jahren mit meiner Familie zum ersten Mal nach Weimar gefahren und habe mir das Städtchen angeschaut. Nach 53 Jahren habe ich meine Vaterstadt wiedergesehen und übrigens auch den alten Onkel, der mich herzlich empfangen hat mit den Worten: "Nu Mensch, Du hast Dich ja gar nicht verändert. Du bist nur ein Stückchen größer geworden." (lacht)

 

002 20130106 1113317670Du hast es gerade gesagt: Es hat Dich und Deine Familie Mitte der 50er ins Ruhrgebiet, zuerst nach Oberhausen, dann nach Hagen geführt. Warum ausgerechnet hierher?
Das hatte familiäre Gründe, weil ein Teil unserer Verwandtschaft bereits in Oberhausen wohnte. Dadurch hatten wir dort eine Anlaufstelle. 1960 heiratete meine Mutter dann erneut und weil mein Stiefvater in Hagen arbeitete und es da wesentlich schöner und sauberer als in Oberhausen war, zogen wir dort hin.

 

Ich habe ferner gelesen, dass Du den Beruf des Chemielaboranten erlernt hast. War eine professionelle Musikerkarriere zuerst gar nicht geplant?
Natürlich war die geplant! Wenn Du als Schüler Deine erste Band gründest, willst Du natürlich auch irgendwann Profimusiker sein. Aber da gibt's ja immer noch die Eltern, nicht wahr? Mein guter, alter Stiefvater sagte: "Pass mal auf, das mit Deiner Musik ist ja toll, aber wenn das mal in die Hose geht, solltest Du einen richtigen Beruf in der Hand haben." - Ich meine, diesen Spruch hört sicher jeder Jugendliche in dem Alter. Und da ich immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Stiefvater hatte, habe ich auch zugestimmt und gesagt: "Pass auf, Alter, Du hast Recht. Natürlich ist das mit der Musik toll, aber ich gehe auch in die Lehre, lerne was Praktisches und dann gucken wir mal, was am Ende dabei rauskommt." Das ist dann tatsächlich auch so passiert. Ich habe die Lehre incl. Berufsschule, Fachoberschule und was dazu gehörte abgeschlossen und in dem Beruf noch ein halbes Jahr gearbeitet. Dabei habe ich mir auch mein erstes richtiges Geld für mein erstes richtig großes Tonbandgerät verdient. Aber als die Lehre vorbei war und es auf den Ingenieur zuging, hatte sich gleichzeitig auch schon die Musik so weit entwickelt, dass wir im Jahre 1971 für die Aufnahmen zu unserer ersten Langspielplatte bereit standen. Und da entschloss ich mich halt für den Sprung ins kalte Wasser. Den Beruf hatte ich in der Tasche, aber die Musik bereitete so viel Hoffnung und Freude, dass ich mich erst mal vollends darauf stürzte. Und das ist bis heute so geblieben.

 

Wann fing das mit der Musik bei Dir an? Was war der erste Kontakt mit Musik, und wann hast Du erstmals in einer Band gespielt?
Das kann ich Dir ganz genau sagen: Mein erster Kontakt mit der Musik wurde "verschuldet" durch eine Frau Keller. Frau Keller war eine Arbeitskollegin meiner Mutter in Oberhausen und machte den großen "Fehler", mir ihr altes Radiogerät zu schenken. Ich war damals gerade 7 Jahre alt, hatte plötzlich einen riesengroßen AEG Röhrenempfänger im Zimmer stehen und hörte als erstes, nachdem ich ihn angemacht hatte, das Stück "My Little Sheila" von Tommy Roe und fragte mich, wo da in dem Kasten die Musik passierte. Ich guckte hinten rein, aber da waren keine kleinen Männchen die spielten, sondern nur so komische Glasbirnchen, die rot leuchteten (lacht). Das war mir alles sehr suspekt. In diesem Moment fing mein Interesse für Technik an und auch mein Interesse für Musik, denn der Kasten dudelte dann jeden Tag und spielte die Rockabilly-Nummern, die damals Mitte und Ende der 50er so angesagt waren. 003 20130106 1569323513
Um die Ecke hatten wir auch so eine Kneipe, wo jeden Samstag Tanz war. Da trafen sich die Jungs und Mädels mit ihren Motorrollern und -rädern in verrückter Kleidung und machten laute Musik da drin. Das war für uns kleine Dötze natürlich ganz, ganz toll. Wir durften da zwar nicht rein, aber wir konnten von draußen schon mal zugucken und auch mit denen reden. Das zog sich dann ganz zielbewusst weiter. Ich beschäftigte mich intensiv mit Rundfunkempfängern und -technik und wünschte mir 1960 von meinen Eltern ein Tonbandgerät. Und das bekam ich dann auch. Ich hatte im Alter von 9 Jahren also meine erste "Schaub Lorenz" Viertelspur-Maschine und konnte loslegen und vom Radio und auch sonst so durch die Gegend aufnehmen. Das machte mir so viel Spaß, dass ich mir ein Jahr später ein zweites Tonbandgerät wünschte. Mein Stiefvater sagte zu mir: "Du bist verrückt", aber er schaffte es irgendwie und schenkte mir tatsächlich auch das zweite Gerät, das gleiche wie das erste: ein Schaub-Lorenz SL-100. Zusammen mit dem Radio von der Kellerin und ein paar Mikrofonen, Antennen und alten Lautsprechern hatte ich also schon eine recht beachtliche technische Ausrüstung. Im Sommer 1960 siedelten wir nach Hagen über. Dort kam ich in die Realschule. In der Schulklasse protzte man als junger Mensch natürlich mit allem, was man besaß. Der eine hatte einen Plattenspieler, der andere ein Kofferradio und auch Tonbandgeräte waren damals gar nicht so selten. Die meisten hatten dieses kleine Grundig TK 125 und nahmen damit ihre Lieblingssongs vom Radio auf. Ich war der einzige, der zwei exklusivere Tonbandgeräte sein eigen nannte und konnte damit auch Tonbänder kopieren. Das war natürlich eine tolle Sache, weil man dadurch Aufnahmen verdoppeln und an die Freunde weitergeben konnte. Ich betrieb also bereits 1961 ein kleines Tonstudio für meine Schulkameraden.

 

Also gab's damals schon das, was heute neudeutsch "Filesharing" genannt wird...
Ja, natürlich! Filesharing betrieb ich damals allerdings auch noch auf eine andere, ganz besondere Art, nämlich als ich im Alter von 13 Jahren meinen ersten Piratensender baute und dann für die komplette Innenstadt von Hagen und alle meine Schulkameraden Programm machte und dabei die neuesten Hits von Platte und Tonband dudelte. Das war erstklassige "File-Verbreitung" auf UKW, weshalb mich die Deutsche Bundespost mit ihren Peilwagen auch mehr als einmal jagte, aber niemals erwischte. Klar, dass man, wenn man mit Radios und Tonbändern rum hext, natürlich mit der Musik befasst ist. Ich habe alles von Anfang der 60er an mitgemacht, als die Beatles und die Rolling Stones aufkamen, auch die vielen Bands, die es schon davor und danach gab. Wer weiß denn z.B. heute noch, dass es bereits 1963 eine englische Gruppe namens "The Scorpions" und 1967 eine amerikanische Band namens "Nirvana" gab? Ich kannte die schon damals und habe heute noch Platten von denen. Es ging bei mir mit der Musik also sehr früh los und mündete recht bald auch in das aktive Musizieren. Zunächst spielte ich 1963 im Wohnzimmer mit einem Klassenkameraden namens Roland Biermann, der eine Klarinette besaß und auch Unterricht für dieses Instrument bekam, Jazz-Nummern von Mr. Acker Bilk, Chris Barber und Fats Waller. Ich trommelte dabei mit Kochlöffeln auf Plastikeimern, Waschwannen und einem echten Schlagzeugbecken von Quelle, das mir meine Eltern zu Weihnachten geschenkt hatten. Später kam dann auf jeder Schule plötzlich irgendeiner mit einer echten E-Gitarre an. In meinem Fall hieß derjenige Gerd Otto Kühn, genannt "Lupo", war eine Klasse über uns und brachte das Ding in die Schule mit. Auf dem Pausenhof war das natürlich Gegenstand der absoluten Bewunderung. "Lupo" selbst war nicht so ganz der absolute "Oberschüler", deswegen blieb er sitzen und landete mitsamt seiner Gitarre 1964 in unserer Klasse. Da ich in Englisch gut war, weil ich im Radio Soldatensender wie AFN, BFBS oder Radio CAE hörte, wurde "Lupo" neben mich gesetzt. Er war schlecht in Englisch, also musste ich ihm helfen. Ich hingegen war nicht besonders gut in Mathe, deshalb half er mir dabei. Darin war er besser. Er konnte schon immer gut rechnen, der alte Gauner, darum war er später bei Grobschnitt ja auch unser Manager (lacht). So freundeten "Lupo" und ich uns an. Dabei entstand die Idee, eine Schülerband zu gründen. Das waren die Ur-Ur-Anfänge. Aktiv ging es ca. 1965 los und 1966 spielten wir bereits kleinere Auftritte für Geld - ich mit 15 Jahren der jüngste Schlagzeuger in ganz Hagen. Ab 1967 bestritten wir an den Wochenenden schon regelmäßig Tanz- und Beatabende, und es ging mit der Musik richtig ab.

 

crew 20130106 1685414420Wo hattest Du Dein erstes Schlagzeug her?
Das erste Schlagzeug habe ich 1965 in einem Hagener Musikladen gekauft. Das war ein gebrauchtes Instrument von einer anderen Hagener Beat Band, die nannte sich "The Enormous Immigrations". Deren Trommler hatte das verkauft und sich ein neues zugelegt. Sein altes stand dann als gebrauchtes Modell im Schaufenster für 300,- DM und war von der englischen Marke "Premier". Mein damaliges Vorbild Keith Moon von THE WHO spielte das auch und darum war ich natürlich ganz stolz, als ich selbst so ein Premier nach Hause tragen konnte. D.h. nicht nach Hause, sondern in unseren Übungsraum, der sich damals in einem Kirchturm befand.

 

Im Jahre 1971, heißt es, habt Ihr dann die Gruppe Grobschnitt gegründet. Die aktuelle Besetzung von Grobschnitt hat im letzten oder vorletzten Jahr aber schon das 40. Jubiläum gefeiert. Was stimmt denn nun?
(lacht) Es stimmt einiges und es stimmt einiges nicht. Grobschnitt ist seit 1989 nicht mehr aktiv, denn im Dezember jenen Jahres wurde das letzte Konzert gegeben und die Gruppe danach endgültig aufgelöst. Es gibt also keine "aktuelle Besetzung", denn das würde ja voraussetzen, dass die Band durchgängig mit wechselnden Besetzungen weiter bestanden hätte. Es gibt auch keine Reunion, denn das würde bedingen, dass man hierfür jeden, noch greifbaren Musiker der Urbesetzung angesprochen bzw. sich die Ur-Besetzung an einen Tisch gesetzt hätte. Das ist nie passiert. Es gab allerdings vor einigen Jahren eine Berliner Revival-Band namens "Romix", die unsere Stücke Rockpommel's Land, Solar Music und andere sehr gut nachspielten. Davor gab es für kurze Zeit eine andere Revival-Band namens "Razzia", die Toni Moff Mollo ins Leben gerufen hatte. Derzeit gibt es auch wieder eine Revival-Band, die aus einem Hobby-Projekt entstand. Das geht auf einen der früheren Bassisten, Milla Kapolke, zurück, der vor drei Jahren anfing, mit seinen Söhnen zum Spaß am Wochenende Grobschnittmusik im heimischen Wohnzimmer aufleben zu lassen. Glücklicherweise stießen dann später Wildschwein, der ehemalige Sänger von uns und auch Rolf Möller, Schlagzeuger der letzten Phase aus den 80ern dazu. Da sich das Ganze gut anließ, sagten sie sich: "Wir versuchen mal, das öffentlich zu präsentieren." Zunächst stand jedoch kein Name für diese Band fest. Ich persönlich hätte das Unternehmen treffenderweise "Kinder & Narren" genannt, aber der Name "Grobschnitt" ist natürlich zugkräftiger und war angesichts der Besetzung auch nicht so ganz von der Hand zu weisen. So hat sich die Sache mehr und mehr verselbstständigt. Auch Dank vieler Fans, die das zum Teil - und ich sage bewusst "zum Teil" - euphorisch aufnahmen und sagten: "Hey, wir können jetzt wieder 'Rockpommel's Land' und 'Solar Music' live hören." Ich selbst stehe diesem Projekt gar nicht so negativ gegenüber, wie oft vermutet wird. Aber in dem Zuge sind doch einige Sachen falsch verstanden worden. Der Slogan "40 Jahre Grobschnitt" passte werbemäßig ganz gut und darum hat man sich offenbar gesagt: "Na ja, die Band wurde Anfang der 70er gegründet. 2010 ist das dann ca. 40 Jahre her, das wäre doch ein zugkräftiger Aufhänger für unser Projekt." Das ist jedoch sachlich falsch. 1970 war Grobschnitt noch lange nicht in Sicht. Da war gerade mal die Crew vorbei und Lupo plante seine eigene Band "Charing Cross". Erst Anfang 1971 fanden wir uns dann zusammen, nannten uns aber längst noch nicht "Grobschnitt". Das kam später und ist nun mal eine unumstößliche Tatsache. Um die Missverständnisse mit der neuen Revival-Band aus der Welt zu schaffen, traf ich mich kürzlich dann mit Wildschwein. Wir legten unsere Standpunkte auf den Tisch, sprachen uns ganz entspannt aus und einigten uns. Er betreibt die neue Revival-Band weiter und ich veröffentliche weiter meine alten Mitschnitte. Unsere gemeinsame Vergangenheit war einfach viel zu großartig und wir haben so viele, tolle Jahre miteinander verbracht, da soll auf die alten Tage kein Streit entstehen.

 

004 20130106 1717684791Wie kam es überhaupt dazu, dass diese Band gegründet wurde und wer gehörte zur ersten Besetzung?
Aufgebrochen sind wir 1965 zunächst als "The Universals". Im Sommer 1966 fiel mir dann der Name "The Crew" für unsere Band ein. Von da an waren auch schon drei der späteren Grobschnitt-Mitglieder dabei: Lupo der Gitarrist, Wildschwein der Sänger und ich am Schlagzeug. Wir drei blieben bis Ende 1969 der Stamm der Crew und spielten fleißig Beat, Soul und Underground mit wechselnden Bassisten und Keyboardern. Im Oktober '69 hatten wir unseren letzten Auftritt in Hagen und beschlossen ein paar Wochen später, auseinander zu gehen. Wir waren einfach zu wild, zu verrückt, zu bekloppt, zu extrem geworden - wir hassten uns wie die Pest, wir liebten uns wie die Pest - es waren keine reinen Musikauftritte, sondern echte Happenings, die wir veranstalteten. Die Bühnen brannten schon Ende der 60er. Das hatte aber noch nichts mit Grobschnitt zu tun. Danach tat jeder das, was er wollte. Wildschwein brachte seine Ausbildung als Steueranwärter zu Ende, Lupo wurde Industriekaufmann und versuchte mit einem Bassisten namens Bernhard Uhlemann, genannt "Baer" und einem Schlagzeuger namens Axel Harlos, genannt "Felix", etwas auf die Beine zu stellen. Ich machte zu der Zeit Free-Jazz, u.a. mit dem Wuppertaler Gitarristen Hans Reichel und anderen interessanten Leuten. 1970 war sozusagen ein Experimentier-Jahr für alle. Lupo war dann der erste, der mit Baer und Felix unter "Charing Cross" wieder konsequent auf die Bühnen stieg, heftig loslegte und ziemlich harte Sachen präsentierte, die beim Publikum gut ankamen. Ich traf mich Ende '70 mit Wildschwein, wollte ihn für meine Free-Jazz-Ideen gewinnen, aber das passte ihm nicht so ganz. Dann haben wir überlegt, was wir machen könnten und beschlossen, uns wieder mit Lupo zusammen zu tun. Das war der Grundgedanke. Lupo war ein guter Gitarrist, Lupo war ein cleverer Geschäftsmann, ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen, er wurde geliebt und gehasst, aber er war einfach unumgänglich in unserer Vaterstadt Hagen, die auch durch ihre Kessellage dafür bekannt ist, Sachen gründlich aus zu brüten. Man hatte in Hagen kaum Kontakte zu anderen Städten und Musikszenen. Hagen war immer eine Art Kochtopf, deswegen: wenn man einen Gitarristen brauchte, gab es nicht viel Auswahl. Also überlegten Wildschwein und ich uns auch irgendwie gezwungenermaßen, ob wir uns nicht doch wieder mit Lupo zusammen tun sollten. Lupo war grundsätzlich einverstanden, gab aber zu bedenken, er habe ja noch den Bassisten und den Drummer. Ich meinte dann: "Warum soll man die beiden fallen lassen? Wir nehmen sie einfach mit ins Boot, dann haben wir halt zwei Schlagzeuger. Das wäre doch mal was ganz Irres!" Schließlich hatten Amon Düül das auch zu jener Zeit. Also fingen wir Anfang 1971 zu fünft an: "Baer" am Bass, "Lupo" an der Gitarre, "Wildschwein" als Sänger und "Felix" und ich jeweils am Schlagzeug. Und wir übernahmen Lupos Namen "Charing Cross" für diese Besetzung.

 

kapelle 20130106 1191260121Wer kam auf die Idee für den Bandnamen Grobschnitt?
Wie gesagt, wir spielten seit ca. Februar '71 unter dem Namen "Charing Cross". Es gab und gibt sogar noch Plakate und auch Zeitungsartikel aus dieser Zeit, als wir unter diesem Namen in Jugendheimen und Diskotheken aufgetreten sind. Wir hatten zudem den Luxus eines wahnsinnig guten Übungsraums, denn wir konnten in einer Schulaula mit Bühne üben. Schon seit 1969 hatten wir diese Aula. Da konnten wir Krach machen und professionell aufbauen. Wenn man in einer Schulaula probt, bleibt das natürlich nicht unbemerkt. Es gab immer mal wieder Leute, die zuguckten und zuhörten und zwei ganz hartnäckige Stammgäste kamen fast jeden Abend. Einer davon war etwas klein von Gestalt, der andere etwas größer. Der Kleine hieß dann irgendwann "Der kleine Mann". Er und sein Freund kamen immer öfter vorbei. Sie halfen mit beim Aufbauen, guckten dabei hinter die Bühne, wie das alles geht und wurden dadurch zu unseren ersten beiden Roadies. "Der kleine Mann" wurde später bekannt als "Toni Moff Mollo" und blieb bis zum Ende der Band im Dezember 1989 dabei. Derzeit macht er auch wieder in der oben erwähnten Revival-Band mit. Der andere mit dem Spitznamen "John McPorneaux" blieb vier Jahre dabei und stieg dann aus beruflichen Gründen aus. Toni Moff Mollo brachte eines Tages ein Foto von der Band seines Großvaters mit und da begann die legendäre Geschichte um unseren Bandnamen. Auf dem Bild sieht man zehn Herren in Soldatenuniformen. Vor ihnen steht ein Schild mit der Aufschrift "Kapelle Grobschnitt, Neujahr 1916" und die Männer haben Mundharmonikas und zu Instrumenten umgebaute Besenstiele in der Hand. Ich denke, die werden damals auf Hochzeiten und Festivitäten ganz gut los geschrammelt haben. Das Foto ging rum und ich sagte: "Wow, das ist ja unglaublich! 1916 war ja noch Steinzeit, aber die Jungs hatten schon eine Band und Spaß dabei. Und überhaupt: 'Grobschnitt'?! Was bedeutet das denn, hat das was mit Tabak zu tun?" "Nö, nö", meinte Toni, "als Grobschnitt bezeichnet man in Hagen eher einen Haufen von Rabauken. Nicht immer ganz fein, aber immer herzlich", womit man auch die Mentalität der Westfalen trefflich beschreibt. Diese alten "Grobschnitts" schienen sehr rau, westfälisch und herzlich, was auch prima auf unsere Band zutraf. Ich sagte: "Das ist doch mal ein Name. 'Charing Cross' klingt so englisch und wir sind doch sowieso nicht englisch. Grobschnitt klingt viel besser!" Tja, und wie meine westfälischen Mitstreiter nun mal so waren: "Was willst'n mit der Scheisse? 'Grobschnitt', das ist doch kein Name für 'ne heutige Band! Putz Dir das von der Backe!" Ich habe aber weiter gequengelt und genervt und irgendwann fand Toni den Namen auch passend. Daraufhin hab ich gesagt: "Wir können uns ja auch 'Kapelle Elias Grobschnitt' nennen. Das ist noch viel bekloppter". Und da sagte der "Baer", unser Bassist: "Ja, das ist völlig genial!" Irgendwie hat man sich dann darauf ein geschaukelt, dass der Name originell sei und ja auch einen historischen Hintergrund hat. Und so ging's dann als "Kapelle Elias Grobschnitt" ab Mai 1971 mit uns weiter.

 

005 20130106 1873291547Ein weiteres witziges Detail ist, dass Ihr nur unter Pseudonymen aufgetreten seid. Welchen Hintergrund hatte das?
Keinen besonderen. "Lupo" hieß in der Schule schon "Lupo", weil er eine glänzende Nase hatte und gerne "Fix und Foxi" las. Damals hatten die meisten einen Spitznamen. Mit seinem Vornamen wurde kaum einer angesprochen. In den 60ern war es in der Schule üblich, die Kinder mit ihrem Nachnamen anzusprechen. Wenn einer z.B. Klaus Schulze hieß, sagte der Lehrer immer nur "Schulze". Vornamen wurden ignoriert bzw. blieben für die Eltern reserviert. Deswegen riefen wir uns untereinander meist auch nur "Schulze", "Meier" oder "Müller". Das war aber auf die Dauer irgendwie blöd und ging zu sehr mit den Lehrern konform, gegen die man ja sein musste, wenn man "in" sein wollte. Deshalb bildeten sich mehr oder weniger passende Spitznamen heraus. Ich mit meinem richtigen Nachnamen Ehrig hieß in der Beat-Zeit z.B. "Eric". Das klang englisch und wichtig und war ein sehr exklusiver Spitzname. Toni brachte irgendwann zur Bandprobe mal eine silberne Tabaksdose mit. Die hatte er auf der Straße aufgelesen und auf der war "Toni" eingraviert. Schon hatte er seinen Namen weg. Oder der "Baer" - wenn du den damals gesehen hättest... der sah aus wie einer: 1,90 groß, 100 Kilo Lebendgewicht und spielte mit Handschuhen Bass. Er war halt ein Bär! Dazu kam sein Vorname Bernhard, davon ist das auch noch abgeleitet. Diese Namen hatten sich zum großen Teil viel früher entwickelt und sind dann zu Grobschnitt mit rüber genommen worden. Spitznamen waren einfach lustiger und so hat man sie beibehalten. Bürgerliche Namen sind sowieso besser für Beamte, nicht für Musiker... (lacht).

 

Stimmt es wenn ich sage, dass ohne Dich Grobschnitt in der Form gar nicht möglich gewesen wäre? Immerhin warst Du da praktisch der Tausendsasse, also Toningenieur, Soundbastler und Produzent... alles in einem...
Grobschnitt wäre ohne jeden einzelnen von uns nicht möglich gewesen. Aber so gesehen hast Du schon Recht. Ich habe vielen Bereichen meinen Stempel aufgedrückt, das ist richtig. Die anderen waren immer gute Handwerker an ihren Instrumenten. Aber was so ein bisschen die Message und das Erscheinungsbild anbetrifft... Auch die Songtexte stammten zunächst von mir. Einfach auch aus dem profanen Grund, weil ich der einzige war, der gut Englisch konnte. Am Anfang wurde Englisch gesungen und da hieß es immer: "Mach mal, schreib mal einen guten Text." Die anderen konnten das halt nicht. So hat sich das entwickelt. Und mein Faible für Technik habe ich ja bereits erläutert. Das konnte ich bei der Band bestens einsetzen. Die ersten Anlagen, die wir bei Grobschnitt hatten, habe ich selbst gebaut. Die Boxen hatte ich zusammengezimmert mit Stichsäge, Leim und Lautsprechern. Da wurden große rote Schränke erschaffen, die größten Boxen, die Hagen bis dahin gesehen hatte (lacht). Die Verstärker wurden zum Teil aus verschiedenen Elementen zusammengestrickt. Es war sehr viel Selbstgebautes, mit Herz und Liebe gefertigtes Equipment. Auch unsere ersten Lichtanlagen hatte ich entwickelt und gebaut, wobei mir später auch Toni Moff Mollo ein guter Assistent war.

 

006 20130106 1707473199Die erste Platte mit Grobschnitt habt Ihr im Jahre 1972 produziert. Sie wurde bei Brain Records im gleichen Jahr veröffentlicht. Wie kam es dazu, dass Grobschnitt ins Studio gehen und ein Album aufnehmen konnte? Wir sprechen immerhin über die 70er in Deutschland, wo das noch keine Selbstverständlichkeit war...
Dass die LP 1972 produziert wurde, stimmt nicht. Sie wurde im März 1972 veröffentlicht. Produziert hatten wir sie bereits im Dezember 1971. Natürlich war diese Produktion und die LP-Veröffentlichung nicht selbstverständlich. Wir hatten ja schon vier Jahre als Beatband auf dem Kerbholz und überhaupt nicht vor, jemals eine Platte aufzunehmen. Das war nur was für die großen, englischen Bands. Die machten Platten, aber doch nicht wir aus Hagen! Der einzige, der damals in unserer Stadt seine eigene Scheibe hatte, war "Kai Hagen", ein singender Fleischermeister aus Hagen-Haspe! Der war einigermaßen bekannt, aber sonst gab's das nicht. Nun, ich habe ja von meinem Faible für Tonband und Tonbandaufzeichnungen berichtet und das war auch der Grund dafür, dass wir uns schließlich doch in Richtung "erste Schallplatte" bewegten. Ich war stets bestrebt, die akustischen Geschehnisse der Band optimal festzuhalten. Die beiden vorhin erwähnten Schaub Lorenz Röhren-Tonbandgeräte hielten bis Ende der 60er, also gute 10 Jahre, und 1970 kaufte ich mir von meinem Lehrgeld mein erstes ReVox Tonbandgerät vom Typ A77. Das war schon eine semi-professionelle Maschine. Damit nahm ich auf, was wir im Übungsraum und auf Konzerten so von uns gaben. Das klang erstaunlich gut und wir waren auch richtig gut, das sage ich unumwunden. Ich weiß nicht ganz genau, wie es passiert ist, aber irgendwie hatte Lupo als geschäftstüchtiger Manager Kontakte nach Hamburg geknüpft. Es gab damals noch die Metronome, eine dänische Plattenfirma, die nach Hamburg übergesiedelt war, um auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Die planten ein neues Label, das "Brain" heißen und sich ausschließlich mit deutschen Bands befassen sollte. Es gab damals ja auch schon Amon Düül. Die waren zwar nicht auf Brain, aber was die machten, war so außergewöhnlich, wie es vorher in Deutschland noch nicht bekannt war. Darum hatten die Leute von Metronome die Idee: "Wir fördern jetzt auch mal deutsche Bands!" Lupo knüpfte den Kontakt und weil ich viele Sachen von uns aufgenommen hatte, war es relativ einfach, dort hin zu fahren und der Firma alles vorzuspielen. Es war eine abenteuerliche und lange Geschichte, die man im Booklet der CD "Die Grobschnitt Story 0" ausführlich nachlesen kann. Um es kurz machen: wir saßen irgendwann bei Bruno Wendel, dem damaligen Boss der Metronome, im Büro. Er spendierte uns ein großes Blech mit Kuchen und wir spielten ihm unsere Aufnahmen vor. Das war wie im Film (lacht). Alle waren begeistert, denn die Sachen waren auf der einen Seite klanglich sehr gut und auf der anderen Seite völlig originell. Die "Kapelle Elias Grobschnitt" spielte, wie man auf der ersten LP ja auch hören kann, eben nicht dieses Allerweltzeugs. Am Ende hieß es, "das ist sehr interessant was Ihr macht! Nehmt doch mal ein Konzept für 2 x 25 Minuten in Eurem Proberaum auf und spielt uns das dann noch mal vor." So wuchsen wir im Laufe des Jahres 1971 da rein und arbeiteten ein Konzept für eine LP aus. Diese Probeaufnahmen erschienen übrigens im Frühjahr 2011 auf der erwähnten CD "Die Grobschnitt Story 0". Da hört man, was vor der ersten LP schon an Material von uns existierte. Es sind im Prinzip die gleichen Stücke wie auf der ersten Platte, nur eben lebendiger, live gespielt. Mit diesen Probeaufnahmen fuhren wir dann wieder zur Plattenfirma, spielten denen das vor und die meinten dann: "Ok, daraus machen wir was! Erstens: Ihr müsst in ein richtiges Studio gehen. Zweitens: Ihr braucht einen Produzenten!" Was der sollte, wusste damals keiner von uns, aber er war wohl notwendig. Also suchte man einen und fand ihn in dem Gitarristen der Rattles, Frank Mille. Der hatte Studioerfahrung und sollte uns bei den Aufnahmen begleiten. Zeitgleich stellte die Metronome für "Brain" die Weichen, in dem sie Conny Plank engagierte. Das war ein junger "Tonkutscher", der zuvor in Kaiserslautern bei einem gewissen Fred Kersten eine Lehre gemacht hatte. Kersten war ein Schlagertonstudio-Produzent, bei dem ich 1970 auch mal als Studiomusiker gearbeitet hatte. Conny Plank war ab dann der Stamm-Engineer für Brain und hatte die Aufgabe, alle Bands, die auf diesem Label erscheinen sollten, aufzunehmen. Das waren z.B. "Guru Guru", "NEU!", "Karthago", "Grobschnitt" und andere. Conny Plank fing dann im Dezember '71 mit uns an, im Windrose-Studio in Hamburg unser Konzept professionell aufzunehmen. Somit waren wir eine der ersten Bands auf dem Brain Label. "BRAIN 1008" war die Nummer der ersten Grobschnitt Langspielplatte. Viele gab es davor also noch nicht.

 

Grobschnitt Story 1

 

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Grobschnitt Story 2

 

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Grobschnitt Story 0

 

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Die Musik von Grobschnitt kennt man ja... Wie würdest Du aus heutiger Sicht die Musik beschreiben, die die Band in der Anfangszeit gemacht hat?
Zweigeteilt! Für die "Kennt man ja"-Abteilung auf Schallplatte war das alles sehr konstruiert und gestrafft. Auf der Bühne selbst war das ausufernd und improvisatorisch. D.h., die "Symphonie", die man auf der Langspielplatte findet und die da auch kein kurzes Stück ist, war live mit Schlagzeugsolo und Gitarrensoli dreimal so lang. Wir spielten damals jedes Stück so ein bisschen in "Solarmusic"-Manier, also wesentlich länger. So lange wie es Spaß machte auf der Bühne. Für die Schallplatte wurde das dann doch sehr zusammengekürzt, zusammengestrichen und durcharrangiert. Trotzdem wurde versucht, die Vielfalt beizubehalten. Wir haben ein bisschen orchestral gespielt. Was sich ebenfalls sehr bemerkbar machte, waren Swing-Einflüsse. Jazz will ich nicht sagen, aber doch irgendwo in der Art. Da gibt es gute Beispiele. Der Underground mit seinen Klangeffekten, Texten und Ausflügen ist mit drin, und eben auch schon ein bisschen "Solarmusic"-Improvisationen, z.B. kommt das beim Song "Sun Trip" durch. Es war sehr vielseitig, weil jeder aus der Band seine Vorstellungen verwirklichen wollte und auch konnte. Jedenfalls war die Musik in unserer Anfangszeit geprägt von einer gewissen Aufbruchsstimmung und Experimentierfreude und auch durch die zwei Schlagzeuger hatte sie eine besondere Charakteristik. Ich mochte sie sehr und finde sie nach wie vor herausragend. Manche Fans bezeichneten uns damals spaßeshalber sogar als die "Westfälischen Santana". Das war nicht verkehrt.

 

007 20130106 1961972036Bekannt war Grobschnitt - Du hast es gerade ja schon gesagt - auch wegen ihrer bei Live-Konzerten oft ausufernden Improvisationen. Wie kann man sich das vorstellen? Seid Ihr auf die Bühne gegangen und habt nach Lust und Laune einfach experimentiert, oder gab es für die Improvisationen schon "Vorgaben" bzw. einen roten Faden?
Es gab immer einen roten Faden! Es gab einen Einsatz, es gab ein Intro, es gab immer ein Thema, über das improvisiert werden konnte und es gab auch festgesetzte Teile, die sich nach einer gewissen Zeit der Improvisation auch wieder finden mussten, um in andere Teile überzuleiten, die dann wieder freier gestaltet werden konnten. Es gab also schon Vorgaben und Rahmen innerhalb derer improvisiert wurde. Es war nicht so, dass wir auf die Bühne gingen und Free-Jazz machten. Wir hatten feste Stücke, die aber in sich ihre Teile hatten, in denen wir loslegen und je nach Stimmung die Sau rauslassen konnten.

 

Hier gab es intern zwischen mir und meinen Kollegen eine Diskussion: Stimmt es, dass Du der Erfinder des Einsatzes von Pyrotechnik bei Live-Konzerten bist? Ich habe gelesen, dass Dir das zugeschrieben wird, meine Kollegen wollen das aber nicht glauben...
Ja, das kommt in etwa hin! Du hast es gerade schon selbst gesagt: ich bin gelernter Chemie-Laborant. Was macht man denn als Youngster mit schulterlangen Haaren in einem Chemie-Labor, die ich mir dort wegen der Brandgefahr entweder abschneiden oder aber zu einem Zopf zusammen binden musste, wenn der Chef mal nicht da ist? Man probiert alles aus, was brennt, stinkt, qualmt oder irgendwie zusammen funktioniert (lacht). Und es gibt die bekannten Geschichten, wo ich mit experimentellen Pülverchen und Mixturen dann auf der Bühne versucht habe, künstlichen Nebel zu erzeugen und auch schon mal den Saal komplett ausgeräuchert habe. Ich habe irgendwelche Bomben gebaut, Blitze mit Magnesium und was alles denkbar war... Ich brachte bereits bei der Crew Mitte/Ende der 60er solche Dinge auf die Bühne. Irgendwann schleppte ich auch noch den Dia-Projektor meiner Eltern mit zu dem Konzerten, hatte bunte Dias mit fantastischen Mustern vorgefertigt, die wurden dann durch die vernebelte Luft an die Wände geworfen - ähnlich wie bei "Nektar", die in den 70ern auf ihren vollgerauchten Konzerten mit Dia-Projektoren psychedelische Bilder zu ihrer Musik erzeugten. Da gab es schon andere Bands, die ähnliche Dinge machten, z.B. die Electric Prunes aus den U.S.A. Wir waren nicht die einzigen, hatten aber in Deutschland sicherlich eine Vorreiterrolle. Hinzu kam auch, dass einer der Roadies der Crew bei der Bundesbahn arbeitete und Zugang zu deren technischem Fundus hatte. Der brachte dann schon mal solche roten Signalbirnen und irgendwelche Gasentladungslampen mit. Das haben wir alles in unseren Shows eingesetzt. Es machte halt Spaß, und wir hoben uns dadurch von den üblichen Bands ab, die auf nur die Bühne kamen, "Guten Abend" sagten und ihr Repertoire runter spielten.

 

008 20130106 1930386008Wie ist die Musik der Gruppe überhaupt entstanden? Wer war für Kompositionen und Texte zuständig? Wie kann man sich das vorstellen? Habt Ihr da im Proberaum herumgetüftelt, oder wie lief das ab?
Ja, das kann man so sagen. Die Musik entstand durchweg im Übungsraum im Kollektiv, und ich muss zugeben, meist aus Improvisationen heraus. Das war immer die stärkste Quelle. Wir kamen zur Probe, fanden uns zusammen, einer fing an, irgendwas zu spielen, irgendein Thema, einen Rhythmus oder so etwas und die anderen stiegen dazu ein. Wir spielten stundenlang vor und für uns hin und daraus entstanden wirklich sehr spannende Teile und gute Ideen, die dann hinterher weiter verarbeitet wurden. Punkt 1: Ich nahm alles auf und wir hörten uns hinterher genau an, was wir gemacht hatten. Punkt 2: Viele Freunde und Bekannte, die bei den Proben zugegen waren, sagten nicht nur einmal: "Ihr seid ja hier im Übungsraum noch viel besser als auf der Bühne." Das war tatsächlich so. D.h., im Grunde genommen entstanden die meisten Kompositionen aus spontanen Einfällen, die hinterher analysiert wurden. Es gab aber auch durchaus komplette Themen oder Melodien, die von den Gitarristen oder dem Keyboarder kamen und anschließend gemeinsam ausgearbeitet wurden. Das war z.B. bei Rockpommel's Land oft der Fall. Dann gab's natürlich das Problem: "Was singt man dazu?" Wildschwein sang bei den Improvisationen stets Melodielinien mit "Lala" oder spontan improvisierten, mehr oder weniger sinnvollen Texten. Ich hatte hinterher die Aufgabe, auf diese Linien, so sie denn brauchbar waren, komplette Texte zu schreiben, die a) englisch sein, b) darauf passen und c) singbar sein sollten und die d) auch noch einen vernünftigen Sinn ergeben sollten. Da wurde quasi das Pferd von hinten aufgezäumt: erst war die Musik da, dann wurde der Text darauf gestrickt. Genügend Beispiele dafür gibt es ja. "Rockpommel's Land" ist komplett so entstanden. Wildschwein hat seine Phrasen dazu gesungen und ich habe versucht, die Geschichte vom kleinen Ernie da rein zu pressen (lacht). Offensichtlich ist das ja auch gelungen. Einen Ausschnitt aus dieser Arbeit hört man übrigens auf meiner Grobschnitt-Story CD-Serie in Teil 6. Ab Mitte der 70er hat dann Volker "Mist" Kahrs hin und wieder Texte beigesteuert. Noch später, Ende der 70er, schrieb auch der Bassist "Milla" Kapolke einige Texte. Ich hatte irgendwann kaum mehr die Zeit, das alles alleine zu erledigen, denn ich musste mich seit "Solar Music Live" zusätzlich der kompletten Aufnahme und Produktion unserer Alben im Studio widmen. Deswegen sagte ich: "Kommt Leute, entlastet mich etwas schreibt auch mal ein paar Texte."

 

Du selbst hast Mitte der 70er auch als Solist gearbeitet. Im Jahre '75 erschien Dein Debüt-Album. War Dir das Arbeiten mit der Band zu wenig oder das Korsett bei Grobschnitt zu eng?
Das eine bedingte das andere. Da ich Tonbandgeräte hatte, konnte ich den ganzen Kram aufnehmen. Ich konnte aber mit diesen Tonbandgeräten auch während der Show zur Musik beitragen. Zunächst mal konnte man ein Tonbandgerät wie das ReVox A77 prima als Echo-Gerät benutzen und damit während der Musik Effekte machen. Ich habe bei unseren Improvisationen nicht nur getrommelt. Hinter mir stand ein speziell konstruiertes Mischpult mit integrierten Effektgeräten, Hallgeräten u.s.w., mit dem ich während der Show auch Klänge und Töne erzeugen konnte. Da spielte auch das A77 eine Rolle. Aus diesem Grund kam irgendwann wohl auch der Begriff "Brian Eno der deutschen Rock-Szene" auf, weil Eno auch mit Tonbandgeräten auf der Bühne gearbeitet hat. Ich habe zudem auch fertige Sachen vom Tonband in unsere Show eingespielt. Das brachte natürlich mit sich, dass ich zu Hause in meinem kleinen "Heimstudio" die Dinge vorfertigte, die dann z.B. bei "Solarmusic" oder unseren Theatersketchen einfließen konnten. Zum Einspielen startete ich auf Punkt die Bandmaschine mit einem dicken Fußschalter, der beim Schlagzeug stand. Für diese Zwecke entstand auch eine Menge - ich will jetzt nicht sagen - "Abfall", der auf der Bühne nicht einzusetzen war. Du machst irgendwas und sagst Dir: "Ich will jetzt 10 Minuten in D-Moll Klänge haben, die wir gebrauchen können", plötzlich erfindest Du dabei aber ein Stück in E-Moll, was viel schöner klingt und dann bastelst Du erst mal weiter daran herum. Du weißt zwar, dass Du es nicht für die Show gebrauchen wirst, aber es macht einfach Spaß, daran weiter zu werkeln. Da sammelte sich im Laufe der Zeit ein ganzes Archiv an Klängen und Kompositionen an. Das waren viele Dinge, die alle ganz nett waren und die spielte ich öfters meinen Freunden vor. Die kamen zu Besuch, man rauchte ordentlich einen durch, dann bekam jeder einen Kopfhörer auf die Ohren und durfte sich das Gedudel anhören. Irgendwann Mitte der 70er kam ein gewisser Günther Körber zu Besuch. Der war damals A&R der Metronome, also der zuständige Mann für uns und suchte uns anlässlich unserer 3. LP in Hagen auf. Wir rauchten eine zusammen und ich spielte ihm ein paar meiner Playback-Sachen vor. Die fand er völlig abgedreht und meinte: "Das musst Du unbedingt auf Platte rausbringen!" Er hat mich regelrecht dazu forciert, das zu veröffentlichen. Ich habe also ein paar Sachen zusammengesucht, die ich fertig hatte und das wurde dann die erste Eroc-LP, die 1975 bei Brain erschien. Die passte dieser Firma gut ins Konzept und damit fing meine "Karriere" an. Ich habe dann weiterhin Sachen, die ich für die Grobschnitt-Shows gemacht hatte und die dort keine Verwendung fanden, auf Platte veröffentlicht. Das ging z.B. auf "Eroc 3" mit der "Wolkenreise" weiter. Die "Wolkenreise" war ein Stück, das ich auch zunächst für unsere Show fertig gemacht hatte und dort laufen ließ. Die Leute von der Plattenfirma saßen eines Tages bei einem Konzert von uns in Hamburg im Saal und meinten: "Hör mal, dieses Stück mit dem Akkordeon ist ja völlig genial!" Sie waren der Meinung, dass das Stück erfolgreich werden könnte. Man hat mich immer wieder dazu gedrängt, das zu veröffentlichen und ich habe es dann auch gemacht, nachdem ich merkte, dass meine Stücke beim Publikum ankamen.

 

009 20130106 1395869475Obwohl der Titel keine Nr. 1 in den Single-Charts war - im Gegenteil, er kam "nur" bis auf Platz 32 - hielt er sich immerhin 21 Wochen in den Top 100 und ist ziemlich bekannt. Wie erklärst Du Dir das "magere" Abschneiden in den Single-Charts und den gleichzeitig hohen Bekanntheitsgrad der Nummer - übrigens bis heute?
Ein mageres Abschneiden in den Single-Charts ist ja nicht unbedingt ein Kriterium für die Qualität eines Musikstücks.

 

Da hast Du natürlich Recht...
Es gibt den Spruch: "Scheiße schwimmt oben". Und wenn ich mir manchmal die Charts angucke, kommt das ja hervorragend hin. Ich will jetzt nicht sagen: "Pink Floyd war ja auch nie oben in den Single-Charts", aber es gab und gibt immer sehr schöne Stücke, die einen beständigen Wert haben, weil sie eine bestimmte Atmosphäre vermitteln und trotzdem nicht in diesem schnelllebigen Hitkarussell mit rasen. Das hätte in meinem Fall auch gar nicht gepasst. Stell Dir vor, die "Wolkenreise" wäre Nr. 1 gewesen. Dann hätte nicht nur James Last sie abgekupfert, sondern hinterher hätten viele zum Akkordeon gegriffen und die Zitrone restlos ausgequetscht. Deswegen war es mir auch ganz lieb, dass das ein Underground-Hit geblieben ist. Das Stück hat bis heute Beständigkeit, weil es einen gewissen Zauber hat und sehr ungewöhnlich klingt. Es ist auch nie wieder etwas Ähnliches danach gemacht worden, außer von Herrn Last. Ich erkläre mir das so, weil dieser Titel auch gar nicht wie ein "normaler" Hit - um es mal auf Neudeutsch zu sagen - gefeatured werden konnte, da ich nicht wie der Roy Black der Nation mit dem Akkordeon auf die Bühne ging und den Omas einen vorspielte. Ich war mit Grobschnitt unterwegs und konnte das Lied gar nicht live auf den Bühne der Nation präsentieren. Deswegen wurde die Wolkenreise nie so vermarktet, wie das für einen Nr. 1-Hit notwendig ist. Damals hieß es bei vielen Rundfunkstationen z.B.: "Und nun kommt die Gruppe Eroc mit dem Titel 'Wolkenreise'." (lacht) Die Gruppe "Eroc" gab es ja gar nicht, aber egal. Das Stück gab es, man kam irgendwo nicht daran vorbei, aber der einfache Schlagerfreund konnte und wollte auch wohl nie so richtig begreifen, wer und was eigentlich dahinter steckt. Vielleicht ist gerade dieser gewisse Mystizismus ein Grund, warum das Lied immer wieder hervorgekramt wird.

 

Wie ist der Titel überhaupt entstanden, welche Idee steckt dahinter? Er ist ja sehr maritim angelegt...
Maritim? Ich würde eher sagen, französisch...

 

010 20130106 1196690785Ja, gut... geht auch als "französisch" durch. Ich kenne den Song auch in Verbindung mit Möwengeschrei als Untermalung für Beiträge von der Küste. Darum "maritim"...
Die Geschichte zum Song ist schnell erzählt. Mit "maritim" hat das nix zu tun, mit Frankreich schon eher. Wir hatten 1979 beschlossen, die Geschichte über die Entstehung unseres Namens mit dem alten Foto der "Kapelle Grobschnitt" im Rahmen einer Show, eines Theater-Sketches, auf die Bühne zu bringen. Wir hatten ja immer diese kleinen Sketche zu Beginn oder in der Mitte der Shows, z.B. mit dem alten Zauberer, den ich damals sehr gerne gespielt habe. Für die Erklärung des Namens Grobschnitt hatten wir eine Söldner-Show konzipiert, d.h. beim Bier ausgebrütet. Dann hieß es: "Ok, Onkel Eroc, dann mach mal was fertig!" Daraufhin habe ich mich hingesetzt und es entstand die Geschichte von Elias Grobschnitt, auf der Bühne später gespielt von Toni Moff Mollo. Ein Veteran aus dem 1. Weltkrieg, der in seinem Häuschen alt geworden irgendwann noch einmal davon träumt, mit seinen ehemaligen Kameraden zusammen ein Bier zu trinken. Im Krieg hatten die nämlich eine wichtige und besondere Aufgabe: sie mussten eine Brauerei vor den Franzosen sichern. Wie das ausging, kann man sich natürlich denken. Alles so ein bisschen romantisiert... die Franzosen sind nie gekommen, aber die Brauerei war hinterher leer getrunken - so ein bisschen spielte da auch die westfälische Kneipenmentalität mit rein. Diese Show haben wir dann tatsächlich auf die Bühne gebracht: Alle Musiker in Fantasie-Uniformen aus dem 1. Weltkrieg mit Kochtöpfen auf dem Kopf und "Hauptmann" Elias Grobschnitt erlebt dabei im Traum mehr oder weniger, dass seine alten Freunde nochmal kommen, um ihn zu besuchen. Sie feiern dann zusammen und singen das Söldnerlied. Der Sketch hatte übrigens nichts mit Krieg und auch gar nichts mit Kriegsverherrlichung zu tun, wie es uns manchmal angedichtet wurde. Es war einfach ein schelmischer, musikalischer Schwank, wie z.B. "Der brave Soldat Schwejk". Natürlich musste eine passende Anfangsmusik her. Und wie sollte die aussehen? Was hören bzw. spielen denn ältere Herren gerne? Natürlich Akkordeon! Also lieh ich mir vom Vater eines Freundes ein Akkordeon, von Lupo eine 12-saitige E-Gitarre und von unserem Keyboarder "Mist" einen Synthie und legte mit diesen drei Instrumenten zu Hause los. Ich muss gestehen, dass ich in dieser Zeit auch sehr verliebt war. In diesem Zustand gelingt einem die Musik natürlich am besten (lacht). Daraus entstand dieses Instrumentalstück. Das spielte ich zunächst dem Vater meiner Freundin vor. Der war als alter Schlesier völlig davon angetan und sagte: "Das ist toll, das wird mal ganz berühmt, das ist sicher! Wie heißt das denn?" Ich überlegte kurz, schaute dann aus meinem Dachfenster in die Wolken und sagte: "Das Stück heißt 'Wolkenkönigs Wunderreise'." (lacht) Tja, und eben diese " Wunderreise" war dann jeden Abend am Anfang unserer Auftritte als Einleitung für die Söldner-Show zu hören. Dabei passierte es tatsächlich immer wieder, dass die Leute bei dem Stück mitklatschten und es richtig gut fanden. Selbst "Wildschwein" sagte mehr als einmal zu mir: "Da haste aber ein tolles Ding gemacht. Das musst Du unbedingt rausbringen!" Irgendwann saß dann - wie ich eben schon sagte - die Leute unserer Plattenfirma im Saal und hinterher stürmten sie auf mich zu und sagten: "Wir müssen das umgehend rausbringen! Wie heißt das denn?" Ich sagte: "Wolkenkönigs Wunderreise". Darauf kam dann: "Nee, das geht aber nicht! Das ist kein Name für 'n kommerzielles Stück! Das muss kurz und prägnant sein!" Und so kam ich auf den Begriff "Wolkenreise". Danach hat sich alles verselbstständigt. Das Stück wurde zunächst auf der LP Eroc 3 veröffentlicht, danach dann als Single und auf zahlreichen Compilations, worauf ich überhaupt keinen Einfluss mehr hatte. Ich habe dafür eigentlich gar nichts getan. Wenn ich abends nach Hause kam und mein alter Stiefvater auf der Couch unter seinem Küchenradio saß und sagte: "Hör mal, ich habe vorhin wieder Deine 'Wolkenfahrt' gehört", dann wusste ich: "Es läuft." (lacht) Ich habe mit großem Staunen beobachtet, wie sich das Stück so lange hielt und auch heute immer wieder auftaucht. Vor ein paar Tagen lief an abends auf SWR2 auch mal wieder "Tontillon" von meiner 2. Solo-LP. Das ist ein ähnlich schönes Stück wie "Wolkenreise". Der Moderator schrieb mir auch: "Dieses Stück hat seit Jahrzehnten einen Zauber, das ist so schön!" Und so fräst sich meine Musik immer weiter durch die Gegenwart in die Zukunft.

 

011 20130106 2036038410Mit Grobschnitt gelang Dir kurz vor Deinem Ausstieg noch ein großer Erfolg. Ihr habt den Song "Wir wollen leben" produziert und veröffentlicht, und er wurde zu DER Hymne aller Demonstranten gegen die Startbahn West...
Der Song hatte zunächst einen banalen Hintergrund. Irgendwann sagte die Plattenfirma: "Leute, Ihr seid jetzt so lange am Ball und Ihr habt viele gute LPs gemacht. Macht doch mal was, was die Leute mitsingen können und was in die Charts kommen kann." Es wurde also ein Titel konzipiert, der kurz und kommerziell sein musste. Der - in Anführungsstrichen - "Hit" sollte her! Ich habe das sehr skeptisch gesehen, denn Grobschnitt war nie eine "Hit-Band". Grobschnitt war die Underground-Band und wir lebten durch unsere Konzerte und unsere Fans, nicht jedoch durch die Charts. Aber die Plattenfirma sagte: "Warum denn nicht? Geld stinkt nicht! Außerdem könnt Ihr noch mehr Fans gewinnen, wenn Ihr einen Hit hättet." Also ging's an die Arbeit und wieder hieß es: "Eroc, schreib mal einen Text dazu!" (lacht). Damals war nun mal die Zeit der Startbahn West und die Problematik der Vernichtung von Natur war mir persönlich ja nicht fremd, denn schon auf "Eroc 2" von 1976 findet sich z.B. "Der Traum vom Wald". In dem habe ich den Bau der Autobahn A 45 angeprangert, was damals sehr angekommen ist. Gerade dieses Lied hat mich über Jahre verfolgt. Da haben ganze Schulklassen, also Lehrer mit ihren Schülern, den Titel angehört, besprochen und Aufsätze darüber geschrieben und Bilder dazu gemalt. Viele wurden mir sogar zugeschickt. Es hat vielen Menschen wesentlich mehr gegeben, als so mancher Grobschnitt-Text. Diese Thematik war Anfang der 80er nach wie vor aktuell und deshalb habe ich "Wir wollen leben" halt so geschrieben. Ich muss dazu sagen, dass ich das damals trotzdem nicht mit mir selbst vereinbaren konnte, so einen Song unter dem Namen Grobschnitt rauszubringen. Das war mir zu kommerziell und zielte zu sehr auf Nachrichten-Themen ab. Das war zu wenig fantastisch, mysteriös, poetisch. Deswegen konzipierte ich gleichzeitig ein Stück mit ähnlicher Thematik unter dem Titel "Wir wollen sterben", was die Message knallhart und sehr ironisch vermittelt. Diesen Song spielte ich zunächst allein mit Drum-Computer und 16-fach gedoppelter Chorstimme ein. Danach konnte unseren damaligen Bassisten "Milla" Kapolke dafür gewinnen, dass er den Text dazu schrieb und diesen wie ein Pastor "sakral" auf mein Playback sang. Das erledigter er absolut phantastisch, exakt so, wie ich es mir vorstellte. Und noch heute kriege ich eine Gänsehaut bei dem Stück. Es hat nach wie vor nichts, aber auch gar nichts von seinem Bezug verloren. Ich hatte also "Wir wollen leben" zu verantworten und schämte ich dafür, weil ich mit "Wir wollen sterben" viel treffender ausdrücken konnte, was mir am Herzen lag, das jedoch hatte Milla textiert. Aber auf der anderen Seite - ähnlich wie bei der "Wolkenreise" - ging "Wir wollen leben" gut los. Wir waren damit z.B. in der TV-Sendung "Musikladen" und bekamen dadurch schon ein größeres Forum. Offensichtlich gab dieses Lied sehr vielen Menschen Rückenstärkung für ihre Aktivitäten, Aktionen und Ansichten. Das wiederum ist ein schönes Gefühl.

 

Auch wenn Du den Titel vielleicht nicht magst, ich finde ihn nach wie vor verdammt gut, und ich kenne weitere Leute, die das genauso sehen. Und im Vergleich zu manch anderem Erguss dieser Zeit, war der Titel sehr wohl intellektuell und anspruchsvoll...
Im Zuge der fortschreitenden Altersweisheit finde ich ihn inzwischen auch schön. Genauso wie ich mir in diesem Rahmen heute auch "Rockpommel's Land" gern anhöre. Im Nachhinein merkt man, wie viel Herzblut, Liebe und Sorgfalt da drin steckt. Deswegen hat das alles durchaus seine Berechtigung. Wenn ich damals z.B. BOTS und Konsorten mit ihren Texten hörte, "Wir wollen aufstehen, alle sollen aufstehen", da konnte ich kotzen. Das fand ich einfach übelst, solche Thematiken in Biertrinkermentalität auf diese Art und Weise zu vermitteln. Ich hatte an meine Texte stets einen intellektuellen Anspruch - das kommt auch durch meine altes Vorbild Frank Zappa. Dessen Texte hatte ich seit Mitte der 60er förmlich mit der Muttermilch aufgesogen. Der war bekanntlich messerscharf und ironisch in allem, was er geschrieben hat. Nicht nur Zappa, auch André Heller, Jacques Brel, Dylan sowieso, all die musikalischen Poeten der damaligen Zeit. Ich habe sie geliebt und genossen und mich mit ihnen sehr intensiv auseinander gesetzt. Ich denke, wenn man selbst Texte als Multiplikationsfaktor verbreiten will, dann sollte was dahinter stecken.

 

012 20130106 1174314980Letzlich bist Du dann 1982 oder '83 bei Grobschnitt ausgestiegen... wann genau war das?
Mein letztes Konzert mit Grobschnitt war im Juni 1983. Wir haben damals in Bitburg in der Eifel gespielt.

 

Was waren die Gründe?
Ich will jetzt nicht sagen "Wir wollen leben" (lacht)! Aber in etwa kommt das hin. Es machte sich in der Gruppe eine Tendenz bemerkbar, die auch unseren Fans auffiel. Das Album "Razzia" z.B., hinter dem ich nach wie vor stehe, nicht nur, weil ich mich für diese Produktion unglaublich aus dem Fenster gelehnt hatte, war für viele ein Stilbruch. Nach "Solarmusic", "Rockpommel's Land", evtl. auch "Illegal" präsentierte Grobschnitt plötzlich eine härtere, konkretere Schiene mit deutschen Texten. Wir wurden deshalb sofort von vielen in den Topf mit der Neuen Deutschen Welle geworfen. Dazu kam innerhalb der Gruppe von einigen Seiten tatsächlich der Vorschlag, in Zukunft auch mal kommerzieller zu denken, damit wir mehr verdienen. Den absolut ironisch gemeinten Spruch "Sie müssen kommerzieller denken, junger Mann" hatte ich jedoch selber schon Mitte der 70er auf meiner "Eroc 2" präsentiert, damals gesprochen von dem legendären Conny Plank. Die Band drohte also eine Richtung einzuschlagen, die ich nicht hätte mittragen wollen. Der Hauptgrund aber war, dass unser langjähriger Keyboarder "Mist" seit 1982 nicht mehr dabei war. Wenn man immer wieder hört, Volker "Mist" und "Eroc" seien die Band in der Band gewesen, so ist das nicht verkehrt. Volker war mir intellektuell und musikalisch ebenbürtig. Er war der einzige in der Band, der Abitur hatte und Noten konnte. Mit ihm konnte ich auf intellektueller Ebene bestens und auf musikalischer Ebene noch besser. Wenn wir zu zweit loslegten, konnte man meinen, Hardin & York seien wieder am Werk. Die kennst Du sicher auch noch, oder?

 

Ja, die kennt man natürlich...
Die beiden haben sogar mal 1971 in unserem "Übungsraum" ein Konzert gegeben. Aber zurück zum Thema: Mist und ich waren ein sehr gut aufeinander abgestimmtes Team, handwerklich total Hand in Hand, und als Volker weg war, war's innerhalb der Band nicht mehr so wie vorher. Der neue Keyboarder, Jürgen Cramer, war ein junger Typ, der stark auf die neuen, digitalen Synthesizer setzte. Ich kam ausgezeichnet mit ihm klar und wir haben gerade auch bei Solar Music auf der '83er Tour unglaubliche Sachen zusammen gespielt, aber es war halt nicht mehr das gewohnte Urgestein aus Rockpommel's Land. Und wenn man ganz ehrlich ist: ähnlich überragende Alben wie Jumbo, Rockpommel's Land, Solar Music Live, Merry-Go-Round und meinetwegen auch Illegal und Razzia sind nachdem Volker und ich bei Grobschnitt weg waren, ja auch nie mehr entstanden. Deswegen zeichnete sich für mich ab, dass ich diesen Weg in eine andere Richtung nicht mitgehen wollte. Trotzdem habe ich mir die Entscheidung, bei Grobschnitt aufzuhören, nicht leicht gemacht. Ich habe viele Wochen und Monate darüber gegrübelt. Schließlich waren da ja auch uralte Freundschaften mit im Spiel. Hilfreich war dann aber auch, dass ich mit der Wolkenreise enorm viel Geld verdient hatte und wirtschaftlich überhaupt nicht mehr abhängig war. Ich konnte sagen: "Ich möchte das machen, was ich mache, aber ich muss es nicht." Also habe ich dann gesagt: "Kommt Leute, wir haben so viel Spaß zusammen gehabt. Wir haben tolle Sachen miteinander gemacht. Für mich kommt jetzt ein Wendepunkt. Ich möchte aufhören, aber nicht in Feindschaft. Ich bleibe gern noch ein Jahr dabei, arbeite die anstehende Tournee ab und den neuen Trommler ein und erst dann gehe ich!" Alles was an Teilen der Anlage mir gehörte, habe ich den Jungs überlassen und wollte dafür nichts haben, denn es war mir sehr wichtig, dass die Band weiter besteht.

 

013 20130106 1409403562Kommen wir nun mal zu ganz was anderem: Hagen, Deine musikalische Heimat! Gerade in der Zeit der frühen 80er kamen speziell durch die Neue Deutsche Welle viele Künstler aus Hagen, die berühmt und erfolgreich wurden, denken wir an Nena, das Fräulein Humpe oder Extrabreit. Du sprachst in dem Zusammenhang von einem "Kessel" - es wirkt eher wie eine Quelle verdammt guter Musiker, die ein gutes Stück deutscher Musikgeschichte geschrieben haben. Sollte sowas nicht in irgendeiner Form mal gewürdigt werden?
Das ist ja an vielen Stellen längst passiert. Bereits in den 60ern war Hagen eine Art Hochburg. Wir hatten über 10 Beat-Bands, die ich von den Personen her zum Großteil auch namentlich noch kenne, die damals schon die Szene aufmischten. Später ging es mit Grobschnitt weiter und die von Dir genannten Bands haben wir zum Teil sogar mit initiiert. Wenn Du z.B. Nena nimmst, die war damals, als sie in Hagen noch den Beruf der Goldschmiedin erlernt und in einer Disko gekellnert hat, mit einigen Mitgliedern unserer Band befreundet. Nachdem unser Bassist Wolfgang "Hunter" Jäger, der inzwischen auch leider verstorben ist, 1980 bei uns aufgehört hatte, zupfte er bei "The Stripes" den Bass, bei denen Nena die Sängerin war. Hunters Weg führte dann weiter zu Extrabreit, bei denen er lange mitspielte. Der Extrabreit-Trommler Rolf Möller spielt z.B. derzeit in der oben erwähnten Grobschnitt Revival-Band mit. Die Hagener Szene war irgendwo immer ein bisschen Innzucht, wie wir zu sagen pflegten. Da jeder jeden kannte und jeder auch mit jedem anderen schon irgendwann mal was zusammen gemacht hat, ist halt so viel und so viel Farbiges aus dieser Stadt gekommen. Es gibt heute nach wie vor eine Hagener Szene. Ich arbeite und mastere für mehrere Hagener Bands und Künstler. Da gibt's z.B. einen Hip Hopper für den ich seit Jahren arbeite, der macht hervorragende Sachen. Letzte Woche habe ich das zweite Album eine Hagener Black Metal-Band gemastered, die sind so was von hammerhart, dagegen klingen Slipknot fast wie ein Kindergeburtstag. Die Hagener Szene ist - wenn auch nicht immer über die Stadtgrenzen hinaus bekannt - sehr aktiv und sehr kreativ, nicht zuletzt auch, weil es hier mehrere renommierte Studios gab und gibt. Es gibt natürlich auch in anderen Städten Szenen, z.B. in Berlin, Hamburg, Dortmund, Wattenscheid und was weiß ich wo, aber Hagen hatte immer einen sehr eigenen Stellenwert. Wahrscheinlich auch durch die Konsequenz, die man hier an den Tag legen musste. Es war schon zu Zeiten der Crew so, dass wir uns gestritten haben wie die Besenbinder. Später auch bei Grobschnitt. Es passierte nicht selten, dass alle ein oder zwei Wochen einer sagte: "Leute, Ihr geht mir nur noch auf den Sender. Ich pack meine Klamotten und bin weg. Ihr könnt mich mal am Arsch lecken!" Das hat Lupo gemacht, das habe ich gemacht, das hat jeder von uns gemacht. Wir sind damals alle mal ausgestiegen. Eine Woche später ging dann die Tür vom Übungsraum auf: "Hallo, ich bin wieder da. Können wir es nicht noch mal versuchen?" Das lag auch daran, dass es für uns jedenfalls kaum adäquate Alternativen in Hagen gab. Du konntest zwar versuchen, zur Konkurrenzband zu gehen, aber die wollten Dich sowieso nicht wirklich. Du musstest also irgendwann wieder zurück in den alten Stall, denn eine Stelle bei einer anderen Band in Duisburg oder Dortmund war so was von "far out", diese Möglichkeit existierte einfach nicht. Deswegen fanden sich die Bands immer wieder und blieben letztlich zusammen. Grobschnitt hat sich im Laufe ihrer langen Bandgeschichte bestimmt 50 mal aufgelöst und einen Tag später wieder zusammengefunden, eben weil es nicht anders weitergehen konnte. Dadurch entstand eine gewisse Konsequenz, die ich gerade meinte. Dadurch hatte man irgendwann den Sack Salz gemeinsam aufgegessen und auch die härtesten Zeiten überdauert. Streit und Zwist kannte man längst, das brachte die Bands nicht mehr wirklich in Gefahr. Dadurch blieben die Gruppen zusammen und man konnte den Erfolg immer weiter ausbauen. Wenn Du z.B. in Berlin eine Band gehabt hättest, da hättest Du als Gitarrist bei einer Trennung 100 andere Bands und Möglichkeiten gehabt, wo Du unterkommen konntest. Aber da wäre es dann für Dich nie konsequent weitergegangen, wenn Du immer wieder gesagt hättest: "Das passt mir nicht, ich steige aus!" In Hagen musstest Du zurück, egal was für ein Streit da war, aber da ging es dann auch weiter. Ich glaube, das ist in Hagen auch heute noch so und ganz sicher kein Nachteil.

 

014 20130106 1302713097Du selbst hast das aktive Musizieren nach Deinem Ausstieg bei Grobschnitt ruhen lassen. Hast später als Produzent, u.a. mit und für Philip Boa gearbeitet, hast ein eigenes Studio gegründet und Dir einen sehr guten Namen als Spezialist für das sog. Remastering gemacht. Du hast Dich darauf spezialisiert, dass Du Live-Aufnahmen, egal welcher Qualität, so hinzauberst, dass das hinterher ein echter Hörgenuss wird. Stimmt es, dass Du aus einer Diktiergerät-Aufnahme eines Livemitschnitts eine brauchbare und vor allem hörbare Aufnahme zaubern kannst?
Ja, ich kann durchaus hin und wieder "Wunder" vollbringen. Das ist richtig. Aber das, was Du jetzt gerade alles aufgezählt hast, ist nicht sofort passiert. Das entwickelte sich auch erst nach und nach. Ich habe direkt nach dem Ausstieg bei Grobschnitt im Jahre 1983 angefangen, mit meinem Freund und Partner Siggi Bemm das Woodhouse Studio in Dortmund zu gründen. Ein paar Jahre später kam dann Philip Boa und viele andere Bands, die ich dort produziert habe. Wobei ich auch immer als Musiker für diese Bands tätig war. Ich spiele auf vielen Alben von Boa hier und da Schlagzeug oder Keyboards, auch wenn es nicht immer im Booklet der CD steht. Wer mich kennt und genau hinhört, der merkt schon, wo und wie ich meine Hände im Spiel hatte (lacht). Durch meine Erfahrung mit der Aufnahmetechnik, die - wie ich ja vorhin schon erzählt habe - Anfang der 60er anfing, war ich für die Studioarbeit prädestiniert. Ich saß bei Grobschnitt bei den Plattenaufnahmen von Anfang an mit am Pult, habe da intensiv mitgearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Deswegen sagte ich 1983: "Gut, ich stehe jetzt nicht mehr auf der Bühne. Das war alles sehr anstrengend. Jetzt setze ich mich in den Sessel und schiebe mal ein bisschen an den Reglern." So baute ich dann das Woodhouse mit auf und produzierte dort zahlreiche Bands und Künstler. Ende der 90er zog ich mich aus dem Studio zurück und Siggi leitete den Betrieb fortan allein, was er heute noch tut. Ich konzentrierte mich dann auf das, was gerade im Kommen war: die Studioarbeit am Computer. Das kam bereits in den 90ern auf und es interessierte mich brennend. Ich war für technische Neuerungen ja immer sehr aufgeschlossen und habe mich stets regelrecht da rein gestürzt. Also kaufte ich mir einen professionellen Rechner mit den dazu gehörigen Programmen, wusste aber noch nicht einmal so richtig, was ein Ordner oder ein Programm ist. Das habe ich mir dann alles selbst beigebracht - wie immer. Aufgrund meiner Erfahrung im Studio und auf der Bühne kann ich Klangbilder natürlich optimal einschätzen und begann zunächst, ältere Aufnahmen von mir zu veredeln. 1998 kam mir dann der Zufall zur Hilfe, nämlich in Gestalt einer Plattenfirma namens Repertoire, die einen Amerikaner als A&R hatten. Amerikaner sind ja immer ein bisschen verrückt und dieser namens Hank hatte sich eine Platte von mir herausgesucht, die ich zwischen 1982 und 1986 im Woodhouse mit Hans Reichel zusammen gemacht hatte. Das war das Duo-Projekt "Kino". Das fand der so abgedreht und fragte mich, ob sie das bei Repertoire Records noch einmal auf CD neu auflegen konnten. Bis dahin gab's die Platte nur auf Vinyl. So kam ich mit der Firma in Kontakt und da hieß es: "Wir könnten ja auch von Grobschnitt nochmal was rausbringen, wenn man das klanglich ein bisschen aufbessern könnte. Kannst Du das machen?" Ich sagte: "Natürlich kann ich das. Ich habe einen Apparat dafür." Daraufhin habe ich mich ins kalte Wasser gestürzt und angefangen, mit der neuen Digitaltechnik alte Aufnahmen professionell aufzupolieren. Das gelang sehr gut, es machte Spaß und ich bekam von der Plattenfirma im Anschluss weitere Aufträge. Das ging gleich mit Größen wie z.B. Tom Jones, The Yardbirds und anderen los. So bin ich in das Remastering-Geschäft rein gerutscht. 1999 entschloss ich mich dann, meine eigene Firma, die "Eroc's Mastering Ranch", zu gründen. Ich kaufte mir noch mehr professionelles Equipment, das natürlich nicht billig war, aber es hat sich ausgezahlt. Ich habe all meine Erfahrung in diesen Bereich eingebracht und darf sagen, dass sich das in den letzten 11 bis 12 Jahren sehr gut entwickelt hat. Ich habe bis heute weit über 1000 Produktionen bearbeitet. Das kann man schon als Hausnummer sehen.

 

015 20130106 1802344511In den letzten Jahren bin ich immer öfter mal über Deinen Namen in den Booklets diverser Bands und Interpreten gestolpert. Das waren immer Live-Alben, und eins der letzten war das von RENFT. Wie kam der Kontakt zu der Kultband des Ostens zustande?
Ja, das ist eine interessante Geschichte. Ich habe mit dem Osten schon immer zu tun gehabt. Eine der Bands, die ich produziert habe, waren z.B. die Inchtabokatables. Die "Inchies", deren letztes Album ich damals sogar noch in Berlin im Ärzte-Studio gemischt habe. Eine sehr originelle Band, aufgewachsen mit einer anderen Band, die heute unter dem Namen Rammstein bekannt ist - das waren irgendwie Schulfreunde. Was den Osten betrifft, damit kam ich immer gut klar. Ich bin ja selbst gebürtiger Ostler und die Ost-Mentalität ist halt eine andere. Ich arbeite im Moment z.B. für die Gebrüder Zwerchfell aus Thüringen und sonst auch oft für die Plattenfirma Nasoni Records in Berlin, ein Underground-Label, gegründet von Hans-Georg Bier, auch gebürtig im Osten. Das ist einer der wenigen, der Underground-Bands auf Vinyl rausbringt, mit wunderschön aufgemachten Alben. Und dieser Hans-Georg Bier hat zahlreiche Drähte zu Ost-Bands. Über diese Schiene kam das mit Renft zustande. Plötzlich rief mich Monster (Thomas Schoppe von RENFT, Anm. d. Verf.) an. Er meldete sich mit "Hier ist Schoppe von RENFT." Darauf sagte ich: "Na klar, Euch kenn ich doch. Ich hab schon seit 30 Jahren eine LP von Euch im Schrank stehen. Ich hab die mir zwar nie angehört, aber natürlich kenne ich RENFT!" Wir haben uns sofort verstanden, denn Monster ist ein Urgestein und ich selbst habe ja auch schon ein paar Jahre auf dem Kerbholz. Er sagte mir dann, er würde mir einen Live-Mitschnitt zukommen lassen, den die Band gerne veröffentlichen wollte. Er sagte, dass den ein gewisser Bodo Strecke aufgenommen habe, für den ich auch schon gemastered hatte. Bodo schickte mir dann diesen Mitschnitt und sagte: "Hör Dir das mal an, kannst Du was daraus machen?" Und da hörte ich erst mal: "Mensch, die spielen ja auch 'Born To Be Wild' und 'Crossroads'!" Genau wie wir in den 60ern. Diese erdige Art hat mir natürlich sofort gefallen und dann habe ich dieser Live-Aufnahme auch ein sehr erdiges Gewand gegeben. Davon waren die wiederum völlig begeistert und so kam die Zusammenarbeit mit RENFT zustande. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Aus der Ecke von Bodo Strecke kam dann übrigens auch ein Auftrag für das Mastering des Live-Albums von Christiane Ufholz und Eberhard Klunker, wobei ich wiederum Klunkers ehemalige Gruppe aus der DDR, die Hansi Biebl Band, über Nasoni Records auch vor einiger Zeit bereits bearbeitet hatte. Im Osten nennt man das treffenderweise "alte Seilschaften"..

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Ich habe mitbekommen, dass es vor einiger Zeit auch eine Zusammenarbeit mit Musikern der Gruppe Farfarello und sogar ein Bühnencomeback Deinerseits gab. Worum ging es dabei genau und was habt Ihr gemacht?
Farfarello ist eine der Bands, die ich schon in den 90ern im Woodhouse Studio produziert habe. Das fing mit dem Album "Movements" an. Unsere Zusammenarbeit erstreckte sich über viele Jahre und ich habe zahlreiche Alben für diese Band bearbeitet. Farfarello hatten im letzten Jahr eine Art Comeback mit einem neuen Album und einer Sängerin. Da rief mich Mani, der Geiger und Chef der Band an und sagte: "Kannst Du uns das nicht mastern?". Und so flammte die Zusammenarbeit wieder auf. Die Band hat das Album in Berlin aufgenommen und irgendwie waren sie mit dem Gesangssound nicht so ganz glücklich, weshalb sie fragten: "Kannst Du die Stimmen nicht noch ein bisschen schöner und wärmer machen?" Also blieb es nicht nur beim Mastering, sondern es kam wieder zum Eingriff in den gesamten Mix. Dabei ist dann das Album "Glück" herausgekommen. Ein wirklich sehr schönes Album, über das ich mich für Farfarello echt freue. Eine der unterbewertetsten Bands in Deutschland. Sie haben zwar ihren treuen Fankreis - und das ist kein kleiner - aber sie hätten für diese wunderschöne Musik noch wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient. Das von Dir angesprochene Bühnencomeback hat allerdings nichts mit diesem Album zu tun, jedoch durchaus auch mit Farfarello...

 

017 20130106 1376244215Ich weiß, das war auch schon etwas früher, nämlich 1998. Du bist da bei einem ausländischen Festival erstmals wieder auf die Bühne gegangen...
Ja, das hatte zwei Gründe. Es gab grundsätzlich immer wieder die Frage: "Willst Du nicht mal wieder auf die Bühne steigen?" Diese Frage stellen einem natürlich die Leute. Die vergessen dabei aber, dass ich mir die gleiche Frage selbst auch immer wieder gestellt habe. Sicherlich juckt es, natürlich macht es Spaß, auf der Bühne zu spielen. Das ist das Größte, was es gibt. Irgendwann gelang es dann Ende der 90er einem gewissen Winfrid Trenkler, Kultmoderator beim WDR in den 70ern und 80ern, mich zum Bühnencomeback zu überreden. Er hat mich damals regelrecht bequatscht und da ist er auch stolz drauf. Er hat mich zigmal angerufen und gesagt: "Du musst unbedingt mal wieder auf die Bühne. Ich mache da in Schweden auf einer kleinen Insel ein Elektronik-Festival und wenn Du dabei wärst, wäre das toll!" Er hat mich so lange bekniet, bis ich zugesagt habe: "Okay, ich mach das! Ich spiele in Schweden auf Deinem Festival!". Und so kam das tatsächlich zustande. Da ich Musiker brauchte, um meine Stücke darbieten zu können, engagierte ich den "Schweden" (Stefan Wiesbrock, Anm. d. Verf.) und Urs Fuchs von Farfarello dafür, da das ganz hervorragende Künstler sind und ich guten Kontakt zu ihnen hatte. Der Schwede ist ein hervorragender Akustik-Gitarrist und Urs Fuchs ein Multiinstrumental-Bassist. Beide sind dazu sehr sympathische Typen. Wir fuhren dann tatsächlich nach Schweden rauf, und zwar auf äußerst abenteuerliche Weise. Drei Tage vor der Abreise ging nämlich mein Auto kaputt. Ich fuhr damals einen Voyager Kombi, bei dem der Zylinderkopf undicht war. Deshalb vermittelte mir mein Freund aus der Autowerkstatt, Peter Falke, auch bekannt von der LP Eroc 3, einen echten Schalke-Fanbus. Ein alter VW-Bulli ganz in blau-weiß mit lauter S-04 Symbolen drauf und das Ding fuhr maximal 90 Sachen (lacht). Auf der Autobahn wurden wir mehr als einmal angehupt und angeblinkt, jedoch nicht, weil wir zu langsam fuhren, sondern weil's der Schalke Fanbus war. Wir sind tatsächlich mit dem Gefährt bis nach Schweden gekommen, das war ein unvergessliches Erlebnis. In der hellen Mitternachtssonne auf einer kleinen Insel in einem wunderschönen See haben wir dann mit anderen "elektronischen" Kollegen Musik gemacht. Das war ein kleines Comeback, das in der Elektronikszene stattfand, aber nicht groß herumgetragen wurde. Man hat aber doch davon gesprochen und es gab auch ein Album, Eurosonic Experiences, das ich anlässlich dieses Auftritts päter mit Urs Fuchs zusammen gemacht habe. Da war ich also mal wieder exklusiv auf der Bühne zu sehen. Das nächste Comeback war dann letztes Jahr. Da habe ich im Januar 2010 mal wieder richtig Schlagzeug gespielt. Eine befreundete Band, "The Brothers", fragte mich danach. Das ist eine deutsche Band, bestehend aus Brüdern, die ihr 30. Bühnenjubiläum feierte. Ich hatte denen Anfang der 80er mit auf die Beine geholfen, als die Brüder noch Gymnasiasten waren. Übrigens exakt auf der Schule (THG Hagen), wo schon die Crew in den späten 60ern in der Aula ihr Übungsdomizil hatte. Den Jungs hatte ich oft mit Rat und Tat zur Seite gestanden, da sie in meiner Nachbarschaft probten. Auch habe ich ihr erstes Album "Winter Has Gone" in den 90ern im Woodhouse produziert und später an weiteren mitgewirkt. Die fragten mich jetzt, ob ich mit ihnen zusammen nicht ein paar Nummern bei ihrem Jubiläumskonzert spielen wolle. Da habe ich mich tatsächlich mit einem elektrischen Übungsschlagzeug hier zu Hause drei Wochen lang hingesetzt und "Born To Be Wild", "Crossroads" und "White Room" geübt und bin dann im letzten Jahr im Januar mit denen zusammen in Hagen im "Kultopia" auf die Bühne gestiegen. Das ist ein Jugendzentrum, in dem wir schon 1968 als Crew auftraten und im Keller sogar für eine kurze Zeit lang unseren Übungsraum hatten. Wenn wir damals, als es noch "Jugendzentrum Mitte" hieß, dort spielten, war der Laden meist mit 1000 Leuten brechend voll. Und genau in diesem Saal hatte ich mich jetzt nach 42 Jahren wieder hinter das Schlagzeug gesetzt und die Songs von damals gespielt. Da schlossen sich gewaltige Kreise. Es hat mich so gepackt, das kannst Du Dir nicht vorstellen. Meine 18-jährige Tochter, die unten im Saal stand, sagte anschließend: "Papa, Du hast echt 40 Jahre jünger ausgesehen." Ganz ehrlich - so hatte ich mich auch gefühlt...

 

018 20130106 1260213632Ja, das wäre auch meine nächste Frage: Wird es von Dir demnächst mal wieder neues Songmaterial und ein neues Album, vielleicht sogar weitere Live-Auftritte geben?
Diese Frage stellen auch viele... Ich denke, ich muss erst mal das Rentenzeitalter erreichen bevor ich so was wieder machen kann (lacht). Ich habe noch viele Tausend Euro Schulden, die ich damals für die Studio-Einrichtung gemacht habe. Die muss ich erst zurückzahlen. Dafür muss ich konsequent arbeiten und das wird noch ein paar Jahre dauern. Hier stehen immer wieder Leute auf der Matte. Ich habe gerade ein Album fertig, da kommt schon der nächste Auftrag. Ich habe keine Zeit und Muße für eigene Ideen. Die Instrumente stehen zwar noch alle hier, es ist alles von damals vorhanden. Aber wenn mal etwas freie Zeit ist, wartet meine Familie auf mich. Meine Tochter ist jetzt auf der Universität, da ist viel zu tun. Und sie und meine Frau wollen am Wochenende auch mal was mit dem Papa unternehmen. Da bleibt keine Zeit für eigene Musik. D.h., ich pendle zwischen Familie, Geschäft und täglich ca. 10 bis 14 Stunden Masterings. Das ist nicht die Atmosphäre, in der schöne Stücke entstehen können. Drang und Ideen sind durchaus da - das ist gar nicht das Problem. Ich denke auch, dass ich mich irgendwann wieder dafür hinsetzen werde, aber da soll man bitte nicht drauf warten. Zunächst einmal arbeite ich die Grobschnitt-Vergangenheit weiter auf mit den Veröffentlichungen der alten Konzerte auf CD. Das ist noch immer sehr beliebt und das läuft. Aber mal schau'n. Aus dem Kopf ist meine eigene Musik bei mir jedenfalls nicht...

 

Dann bräuchte ich die nächste Frage gar nicht zu stellen, nämlich die, wie die Chancen stehen, dass Du nochmal gemeinsam mit Grobschnitt auf die Bühne gehen wirst, und ob da überhaupt ein Comeback möglich ist...
Grobschnitt gibt es nicht mehr... Ein Comeback ist aus mehreren Gründen unmöglich. Einer davon ist, dass unser Keyboarder Volker "Mist" Kahrs nicht mehr da ist. Er ist vor zwei Jahren völlig überraschend von uns gegangen. Ohne ihn fehlt eine der wichtigsten Integrationsfiguren aus der alten Zeit. Auf ihn gehen z.B. "Rockpommel's Land", "Solar Music Live" und viele andere Stücke der Alben "Jumbo", "Merry-Go-Round" und "Illegal" zurück. Sein einzigartiges Keyboard-Spiel und auch das Zusammenspiel zwischen ihm und mir war immer ein zentraler Kern. Darüber hinaus hängt es an unserem Gitarristen Lupo. Er war immer "der Gitarrist" von Grobschnitt. Geliebt, gehasst, verehrt, verachtet - der Gitarrist, der es wie kein anderer schaffte, um den richtigen Ton herum zu spielen. Ohne sein typisches Gitarrenspiel und seine Persönlichkeit ist ein Comeback auch nicht denkbar. Lupo hat sich seit 1989 von allem zurückgezogen. Er unternimmt keinerlei Aktivitäten in Sachen Grobschnitt. Der "Baer" hatte öfters mal angeregt: "Komm lass uns das nochmal auf die Beine stellen", aber er hatte inzwischen leider einen Herzinfarkt und hat kürzlich wohl auch seinen Bass verkauft. Er ist also auch nicht mehr greifbar. Sänger "Wildschwein" und Bassist Milla stehen derzeit mit ihrem Revival Projekt auf der Bühne. Mich hatten sie allerdings nicht angesprochen - warum auch immer. Wahrscheinlich konnten sie sich nicht vorstellen, dass ich daran noch Spaß gehabt hätte. Ich glaube, der Knochen ist jetzt auch endgültig abgelutscht. Wir können jetzt nicht nochmal mit einem Revival auftauchen, nachdem das in den letzten zwei Jahren schon so breitgetreten worden ist. Wir können nicht sagen: "Jetzt kommt Grobschnitt noch einmal wieder" und dann fehlt die Hälfte der Urmitglieder immer noch. Das hätte man, wenn, viel eher und konsequent machen müssen. Es war auch durchaus im Gespräch. Volker "Mist" und ich hatten ja so was wie ein Comeback im Kopf. Wir wollten 2011 anlässlich der 40 Jahre eventuell etwas auf die Beine stellen. Es war auch angedacht, dass wir "Solar Music" jeder für sich bzw. wir beide zusammen in Alternativ-Versionen neu rausbringen könnten. Das war alles im Gespräch und in der Mache. Nur dass er so ganz plötzlich gestorben ist, das war nicht geplant.

 

Jetzt haben wir uns über eine Stunde über Dich, Deine Karriere und sehr ausführlich auch über Grobschnitt unterhalten. Am Ende kann man einen Strich drunter ziehen und sagen: "Es gibt eine Revival-Band, aber die Originalband wird es nie wieder geben!"
019 20130106 1805871252Richtig! Einfach auch, um das noch anzufügen, weil zu der Originalband nicht nur die Musiker gehörten, wie jeder weiß, sondern auch noch die ganzen Bühnenleute: Die Roadies, die Bühnenwarte, also alle, die hinter und auf der Bühne den Klamauk mitgemacht haben. Wenn man allein nur als Beispiel D. Rohr nimmt, über den wir immer Tränen gelacht haben. Er war vier Jahre als Roadie bei uns und war einer der verrücktesten Akteure auf der Bühne. Jeder kennt ihn vom Album "Solar Music Live", auf dem er hinten als Tod mit dem Feuerkreuz zu sehen ist. Auch er lebt seit letztem Jahr nicht mehr. Oder die Freundin von Volker "Mist", Sabine aus Berlin, die bei uns 9 Jahre auf jeder Tournee mit dabei war und die Garderobe betreut und den Fundus verwaltet hat. Wenn es damals ein Problem gab: "Binchen" war sofort zur Stelle und half und machte. Sie war so etwas wie die gute Seele der Band. Sie ist vor vier Jahren leider auch von uns gegangen. Wenigstens hat sie meine Revival-CDs noch bekommen und konnte alles noch einmal hören. Was ich damit sagen will ist, dass einfach zu viele der alten Urkräfte, die damals alles geprägt und dafür gesorgt haben, dass Grobschnitt diese einzigartige Atmosphäre vor und hinter der Bühne verbreitete - sehr oft ist auch die gute Stimmung zunächst von hinter der Bühne nach vorne gekommen - einfach nicht mehr da sind. Da gab es auch noch den "Geheimrat Günstig", der lange Jahre das Mischpult bediente und bei den Zugaben immer sein "Schlauchophon" gespielt hat. Er war als ausgebildeter Toningenieur für den legendären Live-Sound verantwortlich. Von seiner Arbeit zehre ich heute noch bei den Wiederveröffentlichungen, denn es sind schließlich seine hervorragenden Mixe, die ich da ver- und bearbeite. Er ist wäre zwar noch greifbar, ist aber mittlerweile auch in Rente und hat einen Krückstock.

 

020 20130106 1788896878Ein weiteres großes Problem ist bei all diesen Gedankengängen und Planungen - jetzt nicht nur bei Grobschnitt, sondern auch bei vielen anderen alten Kapellen - dass die Protagonisten auch älter werden...
Richtig! Ich denke, wir würden es trotzdem sehr gut rüber bringen und spielen können, wenn alle noch da wären. Wir würden vielleicht sogar eine neue Wertigkeit erzeugen. Aber das Ungestüme, diese spezielle Aufbruchsstimmung der 70er und dieses typische "Wir erobern jetzt die Welt"... das wäre nicht mehr da. Das ist und bleibt Vergangenheit. Und deshalb finde ich auch und gerade in Bezug auf Grobschnitt, dass man die Vergangenheit besser ruhen lässt. Legenden sterben endgültig, sobald man sie ans Licht zerrt entmystifiziert. Es reicht völlig aus, dass ich authentische Dokumentationen aus der alten Zeit auf CD veröffentliche.

 

Wie all unseren Gästen hast auch Du jetzt noch die Gelegenheit zu einem Abschlussstatement. Gibt's noch irgendwas, was Dir am Herzen liegt und was Du loswerden möchtest? 
Ein Grobschnitt-Spruch war immer: "Aus einem verzagten Arsch kommt nie ein glücklicher Furz". Einer der wichtigsten Sprüche, die Wildschwein immer vertreten hat, war: "Jeder blamiert sich so gut er kann"... Das haben wir mit Grobschnitt ja auch weitestgehend geschafft (lacht). Im Ernst: Bevor man lange kluge Worte sagt, die schon so klug sind, dass man sie fast in Liedtexte verpacken muss, sage ich doch einfach: wir haben mit unserer Musik, die heute noch greifbar ist, eigentlich alles gesagt. Ich denke, ich hoffe und ich weiß ganz sicher, dass sich unsere Musik aus den 70ern und 80ern immer wieder und immer weiter aufs Neue auch jungen Leuten erschließen wird. Es ist wirklich so und ich erlebe gerade durch meine Reissue-Serien, dass viele Fans auf mich zu kommen und sagen, dass sie die Musik von ihren Eltern her kennen, aber für die Konzerte damals noch zu jung waren und uns deshalb nie live erleben konnten. Diese Menschen freuen sich über die Veröffentlichungen der alten Live-Mitschnitte, weil sie auf diesem Wege doch wenigstens noch akustisch an dem einzigartigen Gefühl der Konzerte von Grobschnitt teilhaben können. Das finde ich schön. Das bewahrt die Zeitlosigkeit der Musik, die z.B. auch die Wolkenreise hat. Die Grobschnitt-Musik wird ihren Stellenwert, den sie in der Krautrock-Geschichte hat - wir waren ja nicht die einzige Kraut-Band - immer behalten und weitertragen. Ich hoffe, dass ich mit meinen Serien auch ein Stückchen dazu beigetragen habe und weiter beitragen kann, in dem ich zugänglich mache, was es noch an originalen Dokumenten aus dieser Epoche gibt...

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Archiv EROC
 
 
 

   
   
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