Was macht eigentlich...

 

Klaus Lenz

 

 

001 1 20121223 2042103683Wenn man Jazz-Fans vor einem oder zwei Jahren gefragt hätte, wen sie am liebsten mal wieder auf einer Bühne sehen möchten, bekam man nicht selten "Klaus Lenz" als Antwort. Lenz, der seit den 80ern die Trompete und damit die Musik an den Nagel gehangen hatte, war der Wunschkandidat Nr. 1. Oft angefragt und oft abgelehnt wurde die Möglichkeit eines Auftritts. Erst in diesem Jahr, in dem Lenz seinen 70. Geburtstag feierte, gelang es einem rührigen Organisator und Veranstalter, den Wunsch vieler Jazz-Fans zu erfüllen. Klaus Lenz gab mit seiner Modern Jazz Big Band ein Comeback in Form von zwei kleineren Tourneen. Die erste startete im Frühjahr, die zweite im Herbst. Beide Tournee-Blöcke liefen erfolgreich und Lenz spielte in gut besuchten Häusern. Bereits im Kindesalter spielte Klaus Lenz Trompete, besuchte zwischen 1956 und 1958 die Musikfachschule in Berlin und wechselte dann zum Konservatorium. Seine Karriere begann 1958 im Orchester Eberhard Weise aus Görlitz, von dem er 1960 zum Tanz- und Schauorchester Max Reichelt wechselte. Später hatte er seine eigenen Gruppen, in denen viele namhafte Musiker mitspielten. Die Klaus Lenz Modern Jazz Big Band ist eng verbunden mit Namen wie Klaus Nowodworski, Christiane Ufholz, Uschi Brüning und Hans Klemm. Aber auch mit Manfred Krug, mit dem diverse Plattenaufnahmen stattfanden. Neben diesen bekannten Vokalisten spielten aber auch viele Instrumentalisten in Lenz' Big Band mit, die später an anderer Stelle noch auf sich aufmerksam machen sollten, denken wir z.B. an Egon Linde (Transit), Uve Schikora, Eberhard Klunker (Hansi Biebl Band), Sieghard Schubert, Manfred Schulze, Reinhard Lakomy, Ferry Grott oder Henning Protzmann. Die Liste der bekannten Namen ist lang. Kein Wunder also, dass Klaus Lenz einen wohlklingenden Namen in der Szene hat und die Nachfrage sehr groß war. Mit Konzerten in Leipzig, Altenburg und Jena schloss der Jazztrompeter und Bandleader Klaus Lenz (70), der den DDR-Jazz der 1960er und 70er Jahre maßgeblich prägte, in diesem Herbst seine Comeback-Tournee ab. Jetzt soll Schluss sein. Vor dem Jenaer Konzert hatte Matthias Opatz Gelegenheit zu einem Gespräch mit Lenz, während er in seinem Wohnmobil noch Noten redigierte. Auszüge aus diesem Interview sind in der "Thüringer Allgemeinen" abgedruckt worden. Hier gibt's jetzt das vollständige Interview mit dem Jazz-Musiker...
 

 

003 20121223 1233940791Ihre Comeback-Konzerte waren ein großer Erfolg. Soll jetzt wirklich Schluss sein?
Endgültig. Ich habe mir und den Fans den Spaß noch einmal gegönnt, und das war's nun.
 

 

Und da schreiben Sie jetzt trotzdem noch was in die Noten?
Irgendwo hat gestern ein Takt gefehlt, bei den Bassposaunen. Wenn ich noch was verbessern kann, dann mach ich es auch. Und wenn es nur für ein einziges Konzert ist.

 

Die Noten sind ja allesamt handgeschrieben!
Das sind alles die Originalnoten aus den 60er und 70er Jahren, es sind ja Revival-Konzerte. Manche der jüngeren Bandmitglieder sind handgeschriebene Noten gar nicht mehr gewöhnt. Nach dem letzten Konzert verschenk ich die Noten an Freunde. Die Uschi zum Beispiel kriegt die Mappen aller Lieder, die sie singt.

 

Wie war das eigentlich, als Sie Uschi Brüning entdeckt haben?
Da muss ich ja gleich mal mit einer verbreiteten Legende aufräumen. Ich habe sie gar nicht entdeckt, das war Horst Krüger. Der hat sie im Leipziger Ringcafé gesehen und war begeistert. Er brauchte aber gerade keine Sängerin und hat sie mir wärmstens empfohlen. Bekanntgeworden ist sie allerdings tatsächlich mit unseren Tourneen, viele auch mit Manfred Krug. Die beiden singen ja noch gelegentlich zusammen.

 

Weiß Krug, dass Sie diese Tournee machen?
Ja, er war sogar bei unserem Konzert in Berlin. Das will was heißen - wer Krug kennt, weiß, dass der nicht überall hingeht. Er hatte auch eine "Träne im Knopfloch".

 

Apropos Krug: Ich habe kürzlich die "Stülpner-Legende" mit Krug von 1972 wiedergesehen. Ich wusste damals gar nicht, dass die Filmmusik von Ihnen ist. War dies das Brot, und die Bigband der Spaß?
Nein, nein, Filmusik zu schreiben ist der reinste Spaß! Ein Musiker, dem das keinen Spaß macht, hat seinen Beruf verfehlt. Ich habe viele Filmmusiken geschrieben, und alle mit Vergnügen!

 

002 20121223 1460770114Lassen Sie uns mal zurückgehen in die Zeit, wo alles angefangen hat. Die erste Trompete hatten Sie mit 14. Eigentlich recht spät.
Stimmt. Und es war reiner Zufall. Ich bin in Neuruppin an die Oberschule gekommen, und die hatten eine Schulkapelle, mit Akkordeon, Klavier, Schlagzeug und Trompete. Und die Trompeterstelle war gerade frei geworden. Mein Freund, der zwei Jahre ältere Hermann Anders...

 

Jener, der auch jetzt in der Bigband Posaune spielt?
Genau, mein dienstältester Musikerkollege. Er hat mich damals überredet, das zu machen und mir die ersten Musikstunden selber gegeben. Ich hab mich reingekniet, denn wenn ich was mache, mache ich es richtig. Das ist übrigens bis heute so.

 

Wie ging es dann weiter?
Ich wollte unbedingt Musik machen, aber am Berliner Konservatorium hätten sie mich fast nicht genommen, 1956. Ich hatte mir ja alles selber beigebracht, meine Noten hatten nicht mal Taktstriche, von Musiktheorie gar nicht zu reden. Das hat sie ziemlich irritiert. Aber der Trompetenlehrer dort, Kühne hieß er, hat sich für mich eingesetzt. Einer der so besessen ist, der ist die Mühe wert, hat er gesagt. Ab 1958 habe ich in Görlitz bei Eberhard Weise gespielt, einer der damals führenden Bigbands. 1961 hatte ich meine erste eigene Gruppe, und bis zu meiner Ausreise hatte ich viele kleine und größere Besetzungen. Das wissen Sie ja.

 

Ernst-Ludwig Petrowsky, der bei Weise und später auch in ihren eigenen Bands dabei war, hat in einem Interview beschrieben, dass die Musik in der Szene zwar hochgeschätzt wurde, aber nicht vom Publikum.
Stimmt, bei einem Auftritt an der Ostsee wurden wir sogar mal mit Tellern beworfen. Wir haben ja zum Tanz gespielt. Wir spielten zwar die damals gängigen Tanztitel, aber es klang bei uns alles wie Dizzy Gillespie und Charlie Parker, die Leute haben ihre eigenen Ohrwürmer nicht wiedererkannt.

 

005 20121223 1352426871Ab Mitte der 60er haben Sie dagegen Säle gefüllt. Bis 1977. Was war der Auslöser für das Verlassen der DDR?
Dass ich gegen die Biermann-Ausbürgerung unterschrieben habe. Da sind sie zu mir gekommen, ich sollte das zurücknehmen, und haben mir eine große Tournee durch alle Bezirke der DDR angeboten. Ich hab aber nichts zurückgenommen. Da haben Sie mir einen Reisepass angeboten, gültig für alle Länder. So konnten sie mich loswerden, ohne mich rausschmeißen zu müssen.

 

Was ja auch geklappt hat.
Naja, ich war erstmal ein Grenzgänger, aber weiter DDR-Bürger. Ich hab dann für meine Bigband eine West-Tournee organisiert, durch 30 Städte. Es war schon alles klar, aber kurz vorher haben die DDR-Behörden ihre Zustimmung zurückgezogen. Daraufhin hab ich meinen Pass zurückgeschickt und bin drübengeblieben.

 

Trotzdem war der Fall für die Stasi damit noch nicht erledigt. Warum wollten die denn einen weitgehend unpolitischen Musiker dann noch "festnehmen und liquidieren", wie Sie später in ihrer Akte lesen mussten?
Ja, stand drin, hier hab ich es. Festnehmen, das ging natürlich nur auf DDR-Gebiet, also im Transit von und nach Westberlin. Hab ich aber nie gemacht, da bin ich vorsorglich immer geflogen. Der Grund war wohl, dass ich einen Freund mit einem falschen Pass aus der DDR rausgeholt habe.

 

Eigentlich sagt man: Einmal Musiker, immer Musiker. Haben Sie im Westen wirklich völlig damit abgeschlossen?
Ja, aber nicht gleich. Ich hab ja noch eine Weile Jazzmusik gemacht, bin mit Westkollegen auf großen Festivals gewesen. Ich war aber nie richtig zufrieden, das Niveau, das wir zuletzt in der DDR hatten, war mein Maßstab, und der war zu hoch. Und dann kommt natürlich dazu, dass eine Bigband eine aufwendige Sache ist, von der man nicht so recht leben kann.

 

Wovon haben Sie denn gelebt?
Na, zuerst von der Musik. Da durfte man auch nicht wählerisch sein, ich hab auf dem Kölner Karneval gespielt und hatte am Abend über 100 Mark, das war unheimlich viel Geld! Ich hab aber noch einiges anderes gemacht, war Koch in einem Restaurant, hab dann selber eine Wirtschaft gehabt, hab alte Häuser restauriert und mit antiken Türen gehandelt. Letzteres mache ich auch noch.004 20121223 1525580033 Das mit dem Trompetespielen lief noch eine Weile nebenbei, aber die Gelegenheiten wurden seltener. Und bei Trompetern ist das so ähnlich wie bei einem Marathonläufer. Wenn der nicht jeden Tag seine Kilometer läuft, sondern mal ein, zwei Wochen nicht, dann hat er keine Kondition mehr. Ab 1984 hab ich es darum ganz gelassen.

 

Bis zum Comeback 2010. Wie kam es zu dem Sinneswandel?
Bernd Ganßauge, ein Fan und Jazzorganisator aus Wurzen, hatte mich schon jahrelang bearbeitet, aber ich hab immer nein gesagt. Aber er ist hartnäckig geblieben, dann hat mir auch noch Reinhard Lakomy zugeredet, da hab ich im Herbst 2008 schließlich zugesagt und mich von da an darauf vorbereitet. Die ganze Organisation der Tour hat Ganßauge bewältigt. Da ich das früher selber gemacht habe, weiß ich, was das heißt. Danke, eine Riesensache!

 

Nehmen wir mal an, es stimmt, dass endgültig Schluss ist mit der Musik. Haben Sie andere Pläne?
Was heißt Pläne. Ich bin mit mir im Reinen, ich bin gesund und habe eine wunderbare Frau. Was will ich mehr? Wir reisen viel und gern. Und ich will wieder mehr malen. Hab ich schon immer gern gemacht, sehen sie die alten Noten-Titelblätter, die hab ich alle selber illustriert. Jetzt will ich richtig malen. Einfach, weil es mir Spaß macht.

 

 

Interview: Matthias Opatz
Erstveröffentlichung in Auszügen im
November 2010 in der "Thüringer Allgemeinen"

Bearbeitung: kf, cr
Fotos: SONY, K. Kotzsch, M. Ziegert, Herbert Schulze