Von einer, die auszog um die Welt zu verzaubern:



Graziella Schazad

 

 

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Es gibt unheimlich viele Künstler und Platten, die einem gefallen und die auch immer wieder gerne gehört werden. Gerade in den letzten Jahren sind gruselige Produktionen, wie man sie noch in den 90ern Woche für Woche in rauen Mengen angeboten bekam, Gott sei Dank weniger geworden. Es steckt wieder ganz viel Qualität in der Musik, und das ist erfreulich. Trotzdem findet man Ausnahmekünstler mit dieser ganz besonderen Stimme, dieser sofort wieder erkennbaren Art in der Vortrags- oder Spielweise und mit atemberaubendem Auftreten und umwerfendem Carisma nicht so häufig. Denken wir bei den weiblichen Künstlerinnen z.B. an Kate Bush, Katrin Lindner, Tamara Danz oder auch Nelly Furtado. Diese Sängerinnen tauchen alle Jubeljahre mal auf und hinterlassen große Werke und Songs von zeitloser Schönheit. Unser Stargast hat das Zeug dazu, in die Fußstapfen dieser Damen zu treten und selbst eine solche Ausnahmekünstlerin zu werden. Graziella Schazad ist die Tochter einer polnischen Mutter und eines afghanischen Vaters. Sie ist in Berlin geboren und aufgewachsen, und hat bereits im zarten Alter von drei Jahren Berührung mit der Musik gehabt. Eine gute Ausbildung und viel Talent ließen aus der Künstlerin eine große Musikerin werden, die in diesem Monat mit "Feel Who I Am" ihr erstes Album bei Warner Music veröffentlicht. Aufgefallen ist sie mir in einer TV-Sendung, in der sie vor ein paar Wochen ein Interview zu ihrer Single "Look At Me" gab. Das dort gezeigte Video mit seiner Geschichte trat schnell in den Hintergrund. Der Gesang, die Melodie und die davon ausgehende Wärme fesselten mich schon am Anfang. Sofort stellte sich die Frage: "Wer ist das?" Kurz recherchiert, Kontakt aufgenommen und relativ schnell war klar, dass Graziella Schazad unbedingt einer unserer nächsten Stargäste werden muss. Ich traf in dieser Woche eine überaus freundliche und gut gelaunte Sängerin und Komponistin, die bis auf einen Song alle Titel ihres Debüt-Albums selbst geschrieben hat. In dem Gespräch ging es um ihre neue Platte, ihre Geschichte als Musikerin und viele andere Kleinigkeiten. Graziella Schazad, willkommen bei "Deutsche-Mugge"!
 

 
 
Am 15. Oktober erscheint Dein Debüt-Album "Feel Who I Am". Wir haben es bereits ausführlich rezensiert (siehe HIER), aber vielleicht stellst Du es den Lesern einfach nochmal mit eigenen Worten vor. Was erwartet den Hörer beim Kauf Deiner neuen Platte?
Ich roll das jetzt mal von hinten auf, ok?
 
 
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Ja, gerne...
Ich habe in der letzten Woche, pünktlich zu meinem Hochzeitstag, einen Karton mit CDs nach Hause geschickt bekommen. In dem Karton war mein Album und ich habe da wirklich zum ersten Mal die fertige CD in Händen gehalten. In dem Moment wurde mir richtig bewusst, dass das mein Ziel war seit ich 13 bin, und dass ich das erreicht habe. In dem Moment habe ich richtig Gänsehaut bekommen. Heute bin ich 27 Jahre alt, und es war ein sehr weiter weg bis hierher. Das war so ein richtig schöner Moment, als ich diese blöde CD in der Hand gehalten habe und mir das klar wurde (lacht). Ich mache schon ewig Musik, aber sein erstes Album in der Hand zu halten ist der Hammer! Aber Du wollest ja etwas über meine CD wissen. Die Musik auf "Feel Who I Am" ist ganz kurz gesagt pure, akustische, handgemachte Popmusik. Ich würde sie immer noch in die Schublade "Popmusik" einsortieren, aber halt mit akustischen Instrumenten. Die Soundwelt wird bestimmt von Ukulele und Geige. Natürlich sind da auch Schlagzeug, Bass und Gitarre zu hören, aber im Vordergrund, finde ich, ist doch extrem viel Geige zu hören. Die Geige, ganz viel gestrichen aber vor allem gezupft, und die Ukulele ergeben für mich das Haupt-Soundbild. Der Unterschied zwischen der Musik auf der CD und der bei meinen Live-Konzerten ist, dass die Sologeige in meinen Konzerten noch einen größeren Anteil hat, d.h. dass sie auf der CD nur ein Stilelement ist, während sie live bei ganz vielen Songs auch nochmal mit einem Solo zum Einsatz kommt. Sie bricht richtig auf, geht auch in die Country-Richtung, ist dann aber auch mal wieder total intim-melancholisch. Sie hat live schon den Hauptpart in meiner Musik. Da liegt der große Unterschied zum Album.

 

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Die CD heißt "Feel Who I Am". Wer bist Du denn und was speziell soll der Musikfreund bei bzw. von Dir kennenlernen?
Ich bin vor 3 ½ Jahren nach Hamburg gezogen, und "Feel Who I Am" ist der erste Song, den ich in meiner neuen Heimat geschrieben habe. Das war ein Moment, in dem ich mir von einer ganz bestimmten Person aus meinem nahen Umfeld gewünscht habe, dass sie mich bitte für einen Moment lang mal nicht mit den Augen wahrnimmt, sondern einfach mal ganz neu mit dem Herzen. Das ist total schwierig, das weiß ich und ich zähle mich auch zu denen, die das nicht sofort können. Ich beurteile Menschen auch immer sofort mit den Augen und dem Kopf, und schließe nicht bei jedem neuen Menschen sofort die Augen und denke: "Mal fühlen, wie der sich anfühlt." Ich bin nicht anders, aber in dem Moment habe ich mir das einfach nur gewünscht, weil ich gemerkt habe: "Ich war in den letzten 20 Jahren für diesen Menschen immer ich, aber ich habe mich entwickelt und würde mir wünschen, dass einfach mal die Augen geschlossen werden und nur mit dem Herzen gefühlt wird, um mich auch wirklich wahr zu nehmen." "Feel Who I Am" war also keine Message an die Welt, sondern an jemand ganz bestimmtes. Seit es diesen Song gibt, eröffne ich konsequent auch jeden meiner Auftritte damit. Deshalb war es für mich ganz wichtig, dass ich damit auch das Album eröffne. Dieses Lied hat für mich einfach eine sehr schöne Doppelsymbolik, einmal dieser Moment, in dem ich ihn geschrieben und an diesen Menschen gerichtet habe, aber auch grundsätzlich, auch an mich gerichtet. Einfach mal die Augen schließen und fühlen, was hinter dem ist, was ich sehe. Das ist mir sehr wichtig, denn ich werde dadurch inzwischen ganz oft überrascht, wie mein erster Eindruck war und was hinterher dabei rauskommt. Das finde ich super-spannend.

 

Auf der Platte sind nicht alle Lieder von Dir selbst geschrieben. Du hast z.B. die Debüt-Single der Gruppe A-ha, "Take On Me", neu vertont und aus einer Pop-Nummer eine rassige neue Version entstehen lassen. Wie kam es zu dieser wirklich gelungenen Neuinterpretation durch Dich?
Eigentlich war die Entstehung dieses Songs totaler Zufall. Ich war auch kein Fan von A-ha oder diesem Lied, denn ich bin Jahrgang ´83 und das Lied wurde 1985 veröffentlicht. Das war also gar nicht meine Zeit. Ich hatte bereits meine nächste Single aus dem Album ausgewählt und hatte mir schon während der Produktion des Albums gedacht, dass es total schön wäre, wenn ich auch eine Coverversion auf meinem Album haben könnte. Ich hatte auch einige Songs, die ich wirklich sehr mag, im Studio ausprobiert, sie sind dabei aber nicht besser oder anders geworden. Und das - finde ich - ist auf jeden Fall der Anspruch, den man an eine eigene Interpretation eines bereits existierenden Liedes haben sollte. Ich habe bei diesem Ausprobieren gemerkt, dass einen Song zu lieben noch lange nicht heißt, dass man ihn auch interpretieren kann. Eine Woche vor Abgabefrist der neuen Single an die Radiostationen habe ich den Song "Take On Me" dann von einer spanischen Sängerin in einer ganz anderen Version gehört und plötzlich so eine große Lust bekommen, dieses Lied zu meinem zu machen und es auszuprobieren. Daraufhin hab ich die Plattenfirma verrückt gemacht und gesagt: "So, wir haben noch eine Woche Zeit. Lasst uns das bitte mal ausprobieren, auch wenn's nur ein richtig guter Albumtrack und keine Single wird." Daraufhin haben wir das ausprobiert und ich fand, dass das so warm, so sommerlich und so gut umgesetzt klang, dass ich für mich dachte: "Das ist viel mehr als nur ein Albumtitel. Das ist für mich eine Single." Für meinen Geschmack ist das kein Lied, das man im November rausbringen kann. Ich fand, wenn wir den als Single veröffentlichen, dann muss das im Sommer passieren, denn für mich klingt das auch nach Sommer. Deswegen haben wir uns dazu entschieden, diesen Song der eigentlichen Single "Picture In A Puzzle" vorzuziehen und haben ihn dann stattdessen als Single veröffentlicht.

 

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Das Album ist überhaupt nicht - und das meine ich jetzt absolut positiv - wie aus einem Guss. Man hört viele Lieder, von denen keins wie das andere ist. Du verbindest dort verschiedene Stilistiken und die Arrangements sind so außergewöhnlich anders. Wie sind die Songs entstanden und wieviel ist dabei während der Produktion kurzfristig noch anders aufgenommen worden, als es ursprünglich vielleicht geplant war?
Der einzige Song, der sich in der Produktion noch verändert hat, ist "Everybody". Sagt der Dir zufällig was?

 

Ja, diese schöne Country-Nummer...
Genau! Dieses Lied ist wirklich das einzige, alle anderen Titel sind im Studio nur noch produziert worden. Natürlich verändern sich Lieder in der Produktion noch mal, aber die Lieder sind alle so geworden, wie ich mir das beim Schreiben auch vorgestellt habe. Wenn man bei "Everybody" die Musik der jetzigen Fassung komplett wegnehmen würde, hört man den Gesang so, wie er auch aufgenommen wurde. Ich hatte bei der Aufnahme des Titels die Gitarre eingespielt und anschließend den Gesang aufgenommen. Als ich am nächsten Tag wieder ins Studio kam, hatten meine Produzenten, weil sie in dem Lied irgendwie etwas anderes gehört haben, die Lust bekommen, daran herumzuexperimentieren. Das ist ihnen ja auch gegönnt. Sie haben für das Lied einen Country-Bass eingespielt, eine Country-Gitarre darunter gesetzt und haben so eine ganz andere Version entstehen lassen. Sie haben mir das dann am anderen Tag vorgespielt. Im ersten Moment war ich total schockiert und ich wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte. Das war das erste Mal, dass die Produzenten mit meinen Aufnahmen experimentiert haben, wenn ich nicht dabei war. Ich war überfordert damit. Ich fand das nicht schlecht, konnte ihn in dem Moment aber gar nicht richtig einordnen, weil er so total anders klingt als in der Original-Version. Die Produzenten waren von der Version aber total überzeugt und wir haben einen Deal gemacht: Ich wollte das zwei bis drei Wochen live bei den Konzerten in der neuen Version ausprobieren und mich dann entscheiden, ob ich diese Version oder die Original-Version für mein Album nehmen würde. Ich habe den Song dann live gespielt, und der kam wahnsinnig gut beim Publikum an. Ich war anfangs noch total dagegen und hinterher überrascht, wie es angekommen ist. "Everybody" ist eines der Lieder, wo am meisten bei einem Konzert abgeht, und wo die Leute anfangen zu springen und zu tanzen. Live kann man country-mäßig so richtig abfiedeln, und schon nach dem ersten Auftritt habe ich zugeben müssen, dass die neue Version eine gute Idee der Produzenten war und so auf's Album muss. Im ersten Moment war ich noch erschrocken, im Nachhinein aber froh, dass es verändert wurde. Das war aber auch wirklich das einzige Lied, das in veränderter Form veröffentlicht wurde. Alle anderen Lieder sind genauso geschrieben worden, wie sie im Studio aufgenommen wurden. Teilweise vielleicht einen Tick kommerzieller umgesetzt, teilweise auch ein bisschen experimenteller, aber alles in meinem Sinne.

 

Es gibt viele Musiker, die auf einem Album ein ganz bestimmtes Lied besonders mögen, vielleicht weil sie damit etwas Persönliches verbinden, vielleicht weil die Entstehung mit einer Geschichte verbunden ist… Hast Du auf "Feel Who I Am" auch so einen Lieblingssong?
Ja, habe ich. Du hast bestimmt auch den Hidden-Track entdeckt?

 

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Ja, gut versteckt hinter dem letzten Titel...
Genau, das Lied heißt "Walk Away". Ich habe es geschrieben, als das Album schon fertig war. Immer wenn ich Songs schreibe, klappe ich mein Laptop auf, starte ein Aufnahmeprogramm und lasse das, während ich spiele, einfach so mitlaufen. Einfach aus dem Grund, um die Songidee nicht zu vergessen. Jedenfalls hatte ich "Walk Away" geschrieben, aufgenommen und abgespeichert. Ich hatte dafür auch gar kein extra Mikrophon aufgestellt. Ich singe und spiele bei diesen Probeaufnahmen immer in dieses kleine Lochmikrophon, das am Laptop eingebaut ist. Nach zwei Wochen habe ich mir den Song nochmal angehört und fand den so schön, dass ich den Wunsch verspürte, dieses Lied in der völlig unbearbeiteten Version mit auf's Album zu nehmen. Die Plattenfirma fand das Lied auch schön und meinte: "Diesen Wunsch erfüllen wir Dir gerne." Danach verging ein halbes Jahr und in mir kam der Gedanke auf, dass man das Lied eigentlich noch viel besser singen könnte, so dass ich mir die Frage stellte: "Setz ich mich jetzt noch mal mit einem richtigen Mikro ins Studio, nehme vielleicht noch eine zweite Stimme oder eine Geige dazu, und nehme den Titel nochmal neu auf?" Ich habe mich aber entschieden, die Aufnahme dieses Original-Moments zu veröffentlichen. Diesen schlichten Mitschnitt mit nur einer Aufnahmespur, bei der ich Gesang und Gitarre nicht einzeln regeln konnte, weil ich mich mit Gitarre nur vor dieses Laptop-Mikro gesetzt und mitgeschnitten hatte. Diese Unentschlossenheit hat mich zuerst aufgefressen, aber ich bin froh, dass ich das Lied am Ende nicht noch einmal neu aufgenommen, sondern das Original auf der CD veröffentlicht habe. Das Lied hat für mich Charme. Natürlich könnte ich es viel besser singen und spielen, das ist aber egal, denn das ist der Original-Moment. Bei all den anderen Songs fühle ich mich erst wieder rein. Einige Lieder sind schon zwei Jahre alt, andere erst vier Wochen, aber "Walk Away" ist ein Song, der wirklich so geschrieben und dann so aufgenommen wurde. Das hat für mich etwas ganz besonderes.

 

So ganz unbeleckt, was die Musikszene betrifft, bist Du nicht, denn Du hast Erfahrungen z.B. auch mit dem Projekt "For P'n'J" (For Paradise and Jail) sammeln können. Was war das für ein Projekt, und warum gibt es das nicht mehr?
Eine Freundin und ich haben das Projekt gegründet als wir 15 Jahre alt waren. Wir haben uns in der Schule, dem Bach-Gymnasium, kennengelernt, und haben beide Songs geschrieben, Gitarre, Klavier und Geige gespielt und angefangen, zweistimmig zu singen. Wir hatten eine Stärke: Wir haben immer zu einer Art Symbiose tendiert, was für die Musik super war, privat aber zu unserem Verhängnis wurde. Vor allem im Alter zwischen 15 und 20 Jahren, wo man nach Individualität strebt, wo es auch wichtig ist, sich in der Pubertät selber zu finden und zu definieren: "Wer bin ich?", haben wir uns total zu einem gemacht und als eins wahrgenommen. Wir wurden auch von außen als eine Person wahrgenommen. Wir haben den Punkt nicht gespürt, an dem wir uns eigentlich schon kaputt gemacht hatten. Jedenfalls haben wir ihn viel zu spät gespürt. Wir fanden das beide so schade, aber es hat zum Schluss überhaupt nicht mehr funktioniert. Die Trennung war der einzig richtige Schritt, um heute noch einen relativ guten Kontakt zu haben. Danach war für mich erstmal so eine Phase, in der ich mich finden musste. Dass ich Musik machen wollte war schon klar, ich konnte aber von heute auf morgen nicht sagen: "Na gut, dann mach ich eben solo weiter." Ich habe richtig für dieses Duo gelebt, und es hat eine ganze Zeit gedauert, bis ich damit klargekommen bin. Nicht bis ich wieder Lieder geschrieben habe, sondern bis mir klar wurde, dass ich diesen Weg jetzt alleine gehen muss.

 

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Du hast es gerade angedeutet: Kannst Du Dich noch an den speziellen Moment erinnern, als für Dich klar war, dass Du Musik zum Beruf machen möchtest und sonst nichts?
Ja, das war bei mir mit 13. Es war in dem Moment, in dem ich den ersten richtig guten Song fertig geschrieben habe. Gut für damalige Verhältnisse (lacht). Als ich das Gefühl verspürte, dass ich einen tollen Song geschrieben habe, der mich auch selbst berührt hat. Ich habe da diese Liebe und Leidenschaft entdeckt, mich mit der Musik ausdrücken zu können und zu singen. Auch wenn's erstmal nur im kleinen Kreis der Freunde und Familie war. Etwas vortragen zu können, hatte für mich den totalen Zauber. Ich habe mich dadurch glücklich und erfüllt gefühlt. Für einen jungen Menschen ist es etwas total Schönes wenn man spürt, wo man hin möchte, quasi seinen Weg gefunden und nicht diese Orientierungslosigkeit hat.

 

Wenn Du sagst, Du hast mit 13 Jahren den ersten "guten" Song geschrieben, heißt das im Umkehrschluss, dass Du vorher schon komponiert hast. Wann hast Du angefangen eigene Songs zu schreiben? Weißt Du noch, welches Dein erstes selbst komponiertes Lied war?
Mit 11 habe ich angefangen, Gedichte zu schreiben, und mit 12 meine ersten eigenen Lieder. Ich kann das nicht 100%ig sagen, aber es war mit 12 oder 13. Es war irgendwann in diesem einen Jahr. Ich habe sehr viel herumprobiert und irgendwann war dieser gute Song da.

 

Gibt's davon auch etwas in vertonter und aufgezeichneter Form?
Nein, zum Glück nicht (lacht).

 

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Dein Debüt-Album ist bei Warner erschienen, also schon bei einem der großen Label. Wie hast Du Deinen Plattenvertrag bekommen? Hast Du Dich mit Demobändern beworben oder bist Du - wie man so schön sagt - entdeckt worden?
Ich habe nie so richtig an dieses "Demobänder verschicken" geglaubt, auch schon mit 13 nicht. Warum, weiß ich nicht. In meinem Kopf war immer dieses Bild, dass die Plattenfirmen 100 Demos am Tag bekommen und die alle in der Mülltonne landen. Interessant ist, dass ich die bis heute nicht gefragt habe, wie die das machen und ob mein Bild richtig ist (lacht). Ich weiß nicht warum, aber ich hatte immer das Gefühl, das bringt nichts. Ich habe immer darauf vertraut, dass das schon irgendwie klappen wird mit der Karriere. Ich habe viele Wettbewerbe mitgemacht und extrem viel live gespielt, immer mit dem Vorhaben, mich selbst weiter zu entwickeln und gehört zu werden. So hat das im Endeffekt auch geklappt. Ich bin nach Hamburg gezogen und habe in dem Jahr, in dem ich die Leute von Warner kennengelernt habe, allein über 70 Auftritte gehabt. Da war alles Mögliche dabei, von Festivals, Messen und Hochzeiten bis hin zu Justizvollzugsanstalten oder im Hospiz. Das Angebot war wirklich kunterbunt, Hauptsache ich konnte live spielen. Das war immer das Wichtigste für mich. Irgendwann hat mich ein Freund eines Praktikanten bei Warner gehört, und dieser Praktikant hat mich da irgendwie reingebracht und eine A&R-Frau davon überzeugt, mich doch unbedingt mal anzurufen. Warner rief dann bei mir an und wollte ein Demo von mir haben. Ich habe dann gesagt: "Ganz ehrlich, ich möchte Euch kein Demo schicken, aber ich würde Euch gerne live etwas vorspielen und singen." Darauf haben die sich eingelassen und ich bin mit Gitarre, Geige und einer kleinen Trommel zu Warner gegangen, habe mich da in einem Großraumbüro ans Klavier gesetzt, um das sich so ca. 10 Leute versammelt hatten, und habe angefangen zu singen. Die wollten dann immer mehr und mehr von mir hören. Nicht nur diese 10 Leute, denen ich anfangs etwas vorgespielt habe, sondern das ganze Büro hat plötzlich aufgehört zu arbeiten und mir zugehört. Die haben mir am Ende alle applaudiert, das war ein wirklich schönes Erlebnis. Dadurch habe ich meinen Plattenvertrag bekommen.

 

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Wenn Du sagst, Du hast vorher schon so viel live gespielt und seist im Jahr ständig mit Konzerten unterwegs… Wird es zum Album denn trotzdem eine separate Live-Tournee geben?
Ja, und zwar fängt die am 27. Oktober in München an. Dann sind wir am 30. Oktober in Köln, am 31. Oktober in Luzern (Schweiz), am 3. November in Berlin und am 5. November in Hamburg. Das ist eine kleine Club-Tour zum Album, aber wir planen auch etwas Größeres für Anfang 2011.

 

Jetzt mach doch mal bitte Werbung in eigener Sache. Was erwartet den Konzertbesucher, wenn er sich ein Ticket für ein Graziella Schazad-Konzert kauft?
(lacht) Wie ich vorhin schon gesagt habe, es ist akustische, pure, handgemachte Popmusik, aber ich finde, dass sie durch die Geige einen Bogen und eine gewisse Dynamik schafft. Es gibt Uptempo-Nummern zum Springen und Tanzen, dann kann es aber auch total intim werden. Ich möchte mir diese Momente, wo es auch mal total still wird und nur Gitarre und Gesang zu hören sind. beibehalten, denn ich hatte bis vor 1 ½ Jahren noch gar keine Band und bin immer allein aufgetreten, höchstens mal mit einer Loop-Station. Diese intimen Momente möchte ich auch nicht verlieren und mir nicht nehmen lassen, auch wenn ich jetzt mit Band spiele. Diese puren Momente sind so schön und für mich total wichtig. Es ist sehr schön, durch die Band richtig fett zu klingen, aber ich finde es auch erfüllend, mal ganz still zu sein und nur die Essenz eines Songs zu hören und das reine Gefühl spielen zu lassen. Ich glaube, dass es die Mischung ist, die das Programm so besonders macht.

 

Du hast sie gerade erwähnt: Du hast jetzt eine feste Band, die Dich bei Deinen Konzerten begleitet. Hast Du Dir die selbst zusammengestellt oder hat Dir die Plattenfirma Vorschläge gemacht, wen Du für Deine Band aussuchen sollst?
Ich komme ja ursprünglich aus Berlin und bin erst ein paar Jahre hier in Hamburg. In Berlin kenne ich sehr viele Musiker, aber in Hamburg kaum welche. Ich kenne einen Pianisten aus Berlin, der mich auch schon bei meiner ersten EP und bei Live-Konzerten unterstützt hat, und das für ganz wenig Geld. Er ist wahnsinnig gut und ich verstehe mich auch menschlich mit ihm sehr gut. Darum war es immer mein Wunsch, falls es soweit kommen sollte, dass ich eine Band brauche, dass er unbedingt davon profitieren sollte. Dem bin ich auch treu geblieben und habe ihn in die Band genommen. Darüber hinaus kannte ich aber keine Musiker, bzw. nicht die, die ich mir für eine Band vorstellen konnte. Darum bat ich meinen Produzenten, mir doch mal ein paar Leute vorzuschlagen. Das war ein Glücksgriff. Natürlich haben wir Monate gebraucht, bis wir die richtigen Leute zusammen hatten. Rein technisch gesehen hätte das sofort geklappt, aber das Technische zählt für mich nicht so viel. Das ist zwar wichtig, aber eine Grundvoraussetzung, dass das alles gute Leute sind und funktioniert. Für mich ist das Menschliche viel wichtiger, und das hat eine ganze Zeit gebraucht. Ich bin unheimlich froh, dass wir die Platte nicht wie ursprünglich geplant im letzten März veröffentlicht, sondern noch gewartet haben. Wir waren bis dahin noch lange nicht so weit, auch mit der Kommunikation auf der Bühne. Jetzt reicht oft schon ein Blick und es funktioniert. Das ist richtig schön und ich vertraue meinen Musikern. Vertrauen muss wachsen, das kann nicht von heute auf morgen passieren, darum bin ich sehr dankbar, dass wir uns 1 ½ Jahre Zeit gelassen haben. Zum Glück hat die Plattenfirma das auch so gesehen.

 

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Ich habe in Vorbereitung auf dieses Interview oft gelesen, dass Dein Markenzeichen die Geige vor dem Körper wie eine Gitarre gespielt ist. Wäre es Dir nicht lieber, den Leuten würde etwas anderes als erstes an Dir auffallen?
Nein, gar nicht. Überhaupt nicht. Ich definiere mich als Singer/Songwriterin, d.h. ich definiere mich nicht 100% über meine Stimme oder irgendein Instrument. Für mich steht eigentlich im Vordergrund, dass ich Songs schreibe. Diese Lieder interpretiere ich nun mal so vielfältig wie ich kann, weil mir sonst schnell langweilig werden würde. Es gibt ganz viele Leute, die ihre Songs mit der Gitarre oder dem Klavier interpretieren, aber mit der Geige und meiner Spielart habe ich das auch noch nicht gesehen. Deswegen freut es mich, wenn das bemerkt wird. Das war auch so gar nicht geplant. Ich hatte das ursprünglich nur bei einem Song gehabt, und weil ich gemerkt habe, wieviel Spaß das macht und wie toll dieser Sound ist, habe ich angefangen, das zu weiter zu entwickeln. Inzwischen gibt es drei oder vier Songs, bei denen ich die Geige so spiele. Streichen tu ich sie ja sowieso, aber dieses Schlagen vor dem Bauch ist dann doch etwas Eigenes. Ich freue mich da eher drüber, wenn das bemerkt wird.

 

Welche Erwartungen hast Du an dein Debüt-Album?
Sagen wir mal so: Ich glaube nicht, dass das von 0 auf 100 durch die Decke geht. Dafür bin ich einfach zu unbekannt. Ich habe eher die Hoffnung, dass sich das über mehrere Wochen hinweg extrem gut entwickelt. Ich habe die Hoffnung, dass die Leute mich und meine Musik über Interviews, wie hier jetzt, oder über kleine Fernsehauftritte wahrnehmen. Ich glaube, dass der Hörer, und das ist auch meine eigene Erfahrung, Zeit braucht, um sich an einen neuen Künstler zu gewöhnen, außer man gibt viele Millionen Euro für eine Marketing-Kampagne aus. Man kann keinen von heute auf morgen dazu bringen, einen neuen Menschen anzunehmen. Alle Leute, die ich toll finde, haben lange gebraucht, bis sie in mein Herz gekommen sind. Ich nehme sie war, dann folgt die Phase: "Mag ich den oder mag ich den nicht?", und wenn ich ihn mag, heißt das noch lange nicht, dass ich dann auch ein Album kaufe. Ich höre mir das an, dann lese ich hier mal ein Interview und dort mal einen Bericht über den Künstler, höre ihn im Radio, und dann kommt irgendwann der nächste Schritt. Sowas braucht einfach seine Zeit, deshalb halte ich mich mit Erwartungen zurück. Natürlich habe auch ich eine, aber ich versuche, sie mir selber zu erklären wie einem Kind.

 

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Rein theoretisch wäre aber auch ein Erfolg und Aufstieg über Nacht möglich, wie ihn z.B. Lena hatte...
Nein, das kann ich nicht. Lena hatte über mehrere Wochen hinweg einmal in der Woche Zeit, sich einem Millionenpublikum zu zeigen. Diese Gelegenheit hatte ich nicht. Das ist also im Vorfeld schon eine ganz andere Voraussetzung. Ich kann in so kurzer Zeit keine so große Fanbase aufbauen, wie es Lena in dieser TV-Sendung konnte. Ich glaube, dass ich die Chance habe, mich über eine längere Zeit hinweg zu entwickeln. Das passiert ja schon, wenn ich jetzt mal so zurückschaue. Das entwickelt sich konstant, z.B. mit dem "heute journal"-Beitrag. Kennst Du den?

 

Nein, ich habe davon nur gehört. Sowas aber zu bekommen ist sehr schwer, kann ich mir vorstellen...
Ja, und das ist unheimlich toll. Diese Schritte, und dabei auch jeden Schritt bewusst wahrzunehmen, sind wichtig. Nicht diese utopischen Hoffnungen zu haben. Ein Teil von mir hat diese Hoffnungen, ein anderer Teil ist aber total realistisch und sagt: "Freu Dich über die kleinen Schritte", und das tu' ich auch. Ich will das nicht verlieren und auch nicht enttäuscht sein, denn das würde bedeuten, dass ich all das, was gerade passiert, nicht mehr wahrnehmen würde.

 

Egal ob über Nacht oder langsam und stetig, die Medien werden auf Dich aufmerksam und wollen dann natürlich auch ihren Teil von Graziella haben. Bist Du auf einen Überfall dieser völlig beknackten Medienwelt, denen es immer weniger um die Musik und immer mehr um Privates geht, vorbereitet?
(lacht) Ja. Und ganz ehrlich: Wenn ich einen Künstler richtig super finde, dann will ich auch Privates wissen. Wenn ich das Album habe, interpretiere ich in die Texte und die Musik das rein, was ich will und male mir mein eigenes Bild. Ich will dann gar nicht so genau wissen, was er über sein Album sagt, vielleicht zu 10%. Mich interessiert dann vielmehr das Private, von daher kann ich das total gut verstehen. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich alles erzähle (lacht)...

 

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Ok, denn ändern wir mal das Interview-Thema und unterhalten uns mehr über Dich...
(lacht) Na, klar!

 

Um aber auch hier etwas Privates rein zu bringen: Welche Künstler magst Du gerne? Von welchem Künstler würden wir am meisten CDs in Deinem Schrank finden?
Am meisten habe ich CDs von Tori Amos, obwohl ich die am wenigsten höre. Das hat aber den Grund, dass es die CDs in einem Second Hand-Laden mal so günstig gab, dass ich mir gleich alle Alben geholt habe. Am meisten höre ich eigentlich die Beastie Boys oder Brother Ali, also Hip Hop. Von den Beastie Boys habe ich z.B. auch ganz viele Alben.

 

Ist diese Musik, die Du selbst hörst, vielleicht auch ein Teil Inspiration für Deine Musik oder ist sie schlicht und einfach nur Berieselung?
Vom Hip Hop habe ich mir so ein bisschen Beat Box beigebracht. Das habe ich über Monate hinweg geübt und das war richtig schwer für mich. Darauf fahr ich aber total ab. Jetzt habe ich aber schon ein paar Grundbeats drauf, die ich auch ab und an auf der Bühne mache. Das ist eigentlich auch schon die größte Inspiration, die ich daraus ziehe (lacht). Ich höre nicht so gerne Musik, die meiner ähnelt. Ich möchte nicht klingen wie irgendwer und möchte auch nicht irgendwann einen Song schreiben und dann z.B. feststellen: "Mist, das Lied klingt jetzt wie eins von Tori Amos." Da würde ich durchdrehen und mich immer wie eine Kopie fühlen. Vielleicht mache ich das auch völlig unbewusst, dass ich privat ganz andere Musik höre. Ich will das auch gar nicht wissen, wenn ich klingen würde wie irgendwer anderes. Das würde mich nur hemmen.

 

Ich habe in meiner Rezension geschrieben, und das meine ich auch so wie ich es geschrieben habe, dass man nicht anfangen wird, Dich mit irgendwen anderes zu vergleichen, sondern dass man andere mit Dir vergleichen wird. Die Gefahr besteht meiner Meinung nach gar nicht.
Oh, das hat noch keiner gesagt. Danke!

 

Wir wünschen Dir viel Glück, und dass Deine CD möglichst viele Menschen erreichen wird. Die Lieder und die Arrangements haben das einfach verdient.
Vielen vielen Dank!

 

Möchtest Du abschließend noch ein paar Worte an unsere Leser richten?
Fühlt auch, wer Ihr seid! (lacht)

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: kf, cr
Fotos: Warner Music, Pressematerial Künstlerin und Agentur
 
 
 

   
   
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