Klaus Hirschburger

Ehemals Hubert Kah Band (Interview: 12/2009)

 


001 20121218 1380015290Nahezu in der kompletten 80er-Dekade hat eine Gruppe zusammen mit Alphaville, Camouflage oder auch Spliff die Musik dieser Zeit wesentlich geprägt. Hubert Kah und seine Band räumten nicht nur in Deutschland kräftig ab. Die Formation zählt zu den Ikonen der Neuen Deutschen Welle. Der Name „Hubert Kah“ wird in einem Atemzug mit denen von Nena, Fehlfarben, Extrabreit oder Joachim Witt genannt. Als erfolgreicher NDW-Act wechselte er am Ende der NDW-Ära musikalisch in den Bereich Pop / Synthiepop und eroberte mit eigener Musik auch den Rest der Welt. Noch heute gibt es Fans von Hubert Kah in Japan, Brasilien, Russland, Ukraine, USA und vielen anderen Ländern. Klaus Hirschburger war nicht nur ein Teil des Hubert Kah-Bandprojekts, sondern er war Gründungsmitglied! Auch er kann es sich auf die Fahne schreiben, dass bleibende, zeitlose und großartige Musik geschaffen wurde. Es gibt nicht wenige Leute, die sich neben der Zeit, als diese Musik entstand, auch den Soundtrack eben dieser zurück wünschen. Wenn man sich die Songs anhört, ist das wirklich nicht verwunderlich. „Rosemarie“, „Sternenhimmel“ und „Einmal nur mit Erika“ nennt der NDW-Fan sofort auf die Frage, was seine persönlichen Hits sind. Der 80er Synthiepop-Fan antwortet mit „Limousine“, „Welcome Machine Gun“ oder „So Many People“. All diese Titel stammen von Hubert Kah. Viele Texte und Kompositionen hat Klaus Hirschburger dazu beigesteuert, und er war mit seiner Spielart maßgeblich am markanten Sound der Hubert Kah-Musik beteiligt. Nach dem Ende des Bandprojekts wurde es still um ihn. Auf den Bühnen wurde er seitdem nicht mehr gesichtet. Doch was hat der Mann danach gemacht, während sich Hubert Kemmler unter dem Namen „Hubert Kah“ ohne ihn und Markus Löhr auf Solopfade begab? Eins sei an dieser Stelle schon verraten: Er war nicht untätig. Es ist sogar anzunehmen, dass der interessierte Leser die eine oder andere Platte eines anderen Künstlers im Schrank hat, an der auch Klaus Hirschburger in irgendeiner Form beteiligt war. Was Klaus heute tut, was er nach der Auflösung der Band gemacht hat und was es sonst noch Wissenswertes über Hubert Kah gibt, erfahrt Ihr jetzt in unserem neuesten „Rauchzeichen“...

 


 


Wann gab es bei Dir die ersten Berührungspunkte mit der Musik und wann war für Dich klar, dass Du den Beruf des Musikers ausüben möchtest?

Das war schon während meiner Schulzeit, und zwar mit 12 Jahren. Damals war ich klassischer Musiker in einem Orchester. Dabei habe ich Markus Löhr kennengelernt, und wir beiden haben eine Band gegründet. Richtig ernsthaft haben wir das ab 16 Jahren betrieben, und als wir 18 waren, wurde „Rosemarie“ ein Hit. Da wir von Anfang an auch Lieder geschrieben haben und eben nicht – ich sage mal - auf Champagner-Parties waren (lacht) war es klar, dass wir die Sache erstnehmen. Wir haben auch sofort für andere Leute Songs geschrieben und produziert. 
 

Hast Du eine spezielle Ausbildung in Sachen Musik genossen?
Nein, eigentlich nur die klassische Ausbildung, weil ich klassischer Musiker war. Das erste Geld, das ich beruflich verdient habe, wenn Du so fragst, war weil ich ein ganz guter Bratschist war. Aber alles, was für die Popmusik wichtig war, habe ich mir selbst beigebracht.
 

Du hast gerade erzählt, dass es bei Dir mit 18 Jahren in Sachen Musik schon losging. Hast Du nach der Schule noch eine „normale“ Ausbildung gemacht oder ging das mit dem Musikerdasein nahtlos nach der Schule weiter?
Nein! Damals gab es noch das Leistungskurs-System in der Schule, und Markus und ich waren damals in 13/II (2. Halbjahr der 13. Klasse, Anm. d. Verf.). Wir waren damals schon die meiste Zeit beurlaubt, weil wir da schon auf Promotion- und Deutschland-Tour waren. Das bedeutet: Gleichzeitig zum bestandenen Abitur war „Rosemarie“ ein Hit.
 

... ist doch ein schönes Geschenk zum Abi, das man sich selbst gemacht hat.
Kann man sagen, ja (lacht). Ich möchte aber anmerken, dass wir das Abitur trotz des Erfolges noch seriös durchgezogen haben, denn ich finde es wichtig, dass man Dinge auch bis zum Schluss durchzieht.
 

Das Bandprojekt firmierte anfangs aber noch als „Hubert Kah Trio“, ist das richtig?
Ja, das war eigentlich auch so. Wir hatten eine Band und ganz klassisch einen Produzenten kennengelernt. Der hat das dann auf Hubert reduziert, weil das damals die NDW-Zeit war. Wir haben das bis zum Album „Sound Of My Heart“ 1989 immer zu dritt und mit wechselnden Schlagzeugern gemacht, aber es hieß halt immer „Hubert Kah“. Die Frage, ob „Hubert Kah“ jetzt eine Band ist oder nicht, war uns egal, denn wir Musiker haben uns als Band gesehen.
 

ak 20121218 1208095408 Wie ist dieses Projekt überhaupt entstanden? Seid Ihr von der Plattenfirma zusammengestellt worden oder wie kann man sich das vorstellen?
Nein, ganz im Gegenteil! Solche Dinge gab es damals in dem Ausmaß wie heute noch gar nicht. Wir waren tatsächlich eine Band aus der kleinen Stadt Reutlingen und haben schlicht und ergreifend Musik gemacht. Dann gab es die ersten Kontakte zu Produzenten nach Frankfurt, und über Frankfurt kam auch ein Kontakt nach Heidelberg zustande. Mit dem Produzenten haben wir die ersten zwei oder drei Stücke erarbeitet. So verlief eigentlich alles ganz normal. Es war auch nicht so, dass uns irgendwas oben draufgesetzt wurde. Wenn man sich das anschaut, ist das für die Leute natürlich sehr grotesk und lustig, was wir damals gemacht haben. Das war aber die Zeit, und uns hat niemand gezwungen, so durch das Fernsehen zu hüpfen. Das kam definitiv von uns selbst. Das war auch ein kleines bisschen eine Gegenbewegung, weil wir vom Punk beeinflusst waren. In den ganzen Jahren vorher wurde ein – ich nenne es mal – ernstzunehmender Komplex-Rock gespielt, und irgendwann mit 17 oder 18 war es dann die Punk- und New Wave-Kiste, die für uns beeinflussend war.

Du sagtest vorhin, dass Markus und Du Euch aus der Schule kennt. Wie habt Ihr Hubert kennengelernt?
Wenn man in einer Stadt wie Reutlingen, die nicht allzu groß ist, Musik macht, kennt man sich. Wir haben mit 15 oder 16 Jahren schon Theatermusik für das dort ansässige Theater geschrieben. So ist man gegenseitig aufeinander aufmerksam geworden und hat die ersten Demos gemacht. Damals gab es nur zwei oder drei Gruppen und ein gutes Studio, und in diesem Studio wurden die ersten Aufnahmen gemacht. Damals waren wir erst 16 ...

Wie sind die ersten Songs entstanden, und was war überhaupt der erste Song, den Ihr gemeinsam fertig gestellt habt?
(lacht) Ich habe zwar ein gutes Gedächtnis, aber das weiß ich jetzt auch nicht mehr. Ich kann mich aber noch an meine allerersten Songs erinnern, damals war ich 13 Jahre alt. Sowas vergisst man auch nie. Aber die anderen Songs sind auf verschiedene Weise entstanden. Oft auch auf Tournee, aber ganz konzentriert im Proberaum. Später dann im Studio. Die Entstehung neuer Songs war damals exakt dasselbe wie heute auch. Nachher treffe ich mich z.B. mit Martin Tingvall - Pianist Tingvall-Trio und Udo Lindenberg. Da bin ich dann bei ihm zu Hause am Klavier und wir arbeiten an neuen Songs. Morgen bin ich wieder im Boogie-Park und wir arbeiten dort weiter. Das bleibt eigentlich immer dasselbe.

Wie seid Ihr an Euren ersten Plattenvertrag gekommen?
Da wurde auch von Produzentenseite ausschließlich nur die Polydor vorgeschlagen. Das war eine Bandübernahme und die haben uns sofort unter Vertrag genommen. Man muss das auch so sehen, dass das zur richtigen Zeit richtig reingepasst hat. „Rosemarie“ war noch NDW, aber damals ging das schon mit dem Ausverkauf dieser Szene los und dass das Ganze in eine völlig andere Richtung ging. Wenn mich die Leute fragen, was „echte NDW“ war, antworte ich „Palais Schaumburg“, „Fehlfarben“ und „DAF“. Da war damals im „Ratinger Hof“ in Düsseldorf die Hölle los. Was wir dann später gemacht haben, war davon im weitesten Sinne beeinflusst, aber doch eher schon Popmusik. Das sage ich nicht, um mich davon abzugrenzen, denn das ist ganz realistisch gesehen. Unser erstes Album wurde innerhalb von drei Tagen mal eben kurz eingespielt und hat noch so leichte Punk-Einflüsse. Danach haben wir unheimlich viel live gespielt und uns schon an anderen Musikern orientiert. Damals in Frankfurt gab es auch schon die ersten Kontakte zu Michael Cretu, so dass man da schon ganz andere Musik gemacht hat.

Wir haben von dem großen Erfolg Eurer ersten Single gerade schon gesprochen. Das war ja noch mitten in der NDW-Zeit, wo zwar fast alles, was deutsch sang irgendwo einen Plattenvertrag bekam, aber nicht alles auch erfolgreich war. Wie überrascht seid Ihr von Eurem Erfolg gleich bei der ersten Single gewesen?
(lacht) Da war man so jung, dass man das dann einfach mal so mitnahm. Dadurch, dass wir Musiker auch solche Freaks waren, gab es einen einzigen Fernsehauftritt und eine Woche später war die Single schon auf Platz 3 der Single-Charts. Diese Zeit war für uns sehr lehrreich, auch wenn man das alles gar nicht so ernst genommen hat. Wenn man wie ich heute als Autor und Produzent arbeitet, weiß man, wie so was manchmal völlig überraschend kommen kann. In dem Augenblick hat es auch wirklich damit was zu tun, dass ein Hit ein Hit ist. Das bedeutet, dass man zur richtigen Zeit die richtige Nummer schreiben muss. Das ist aber keine Wertung, denn es gab damals auch wirklich sehr viele gute deutsche Sachen, die es einfach nicht nach oben geschafft haben und trotzdem toll waren. Das ist zwar sehr traurig, aber man kann auf gut Deutsch den Erfolg auch nicht erzwingen.

1984b 20121218 1705807986Du hast die NDW-Zeit in unserem Gespräch schon oft angesprochen. Wie hast Du diese Zeit selbst empfunden? Was waren ihre Stärken, was waren die Schwächen?
Die Stärken waren, dass damals unfassbar viel los war. Das war tatsächlich ein Zeitgeist. Man kann das auch mit den Jahren vergleichen, wo Ende der 70er in London so unglaublich viel von der Bewegung her los war. Das bedeutet, in jedem Club, in den man reinkam, hatte man so ein vereinigendes Lebensgefühl. Das gibt es heute eigentlich gar nicht mehr. Das sage ich jetzt aber ohne eine Wertung. Das muss nicht unbedingt gut oder schlecht sein. Aber das war irgendwie so ein kurzer Aufbruch. Es war auch ein Stück weit provokant und jeder hat etwas Eigenes gemacht. Es gab auch keinerlei Berührungsängste, man hat auf Festivals gespielt und jeder hat sich in eine andere Richtung entwickelt. Ich habe vor zwei Wochen hier im Studio Herwig Mitteregger getroffen. Der kam gerade aus Spanien zurück. Er war damals mit Spliff auch etwas völlig Eigenes. Das war vorher die Nina Hagen Band, etwas später die „Spliff Radio Show“. Die kamen von einer ganz anderen Seite an die NDW ran. Oder Gruppen wie z.B. BAP, die mit der NDW gar nichts zu tun hatten. Damals war aber die Plattform da und die wurde auch genutzt. Es gab Festivals wie z.B. das in der Dortmunder Westfalenhalle, wo an einem Abend 10 oder 12 Gruppen unterschiedliche Musik gespielt haben. So etwas gibt es in der Form heute tatsächlich nicht mehr. Da war im positiven Sinne auf gut Deutsch wirklich die Hölle los. Überhaupt: Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass wir damals unheimlich viel live gespielt haben. Das war sehr gut. Etwas, das es heute in der Richtung auch nicht mehr gibt, weil man entweder ganz groß ist und die großen Hallen füllt, oder eben durch die ganz kleinen Clubs muss.


In den Jahren 1982 und 1983 seid Ihr mehrfach in der ZDF-Hitparade gewesen und auch in anderen Sendungen aufgetreten. Zusätzlich – Du hast es gerade erzählt – habt Ihr viel live gespielt und zwei LPs veröffentlicht. Da muss ja für Privates kaum oder gar keine Zeit mehr übrig gewesen sein...
Stimmt, da gab es neben der Musik fast nichts anderes. Vor allem durch das Livespielen hatte man für nichts anderes mehr Zeit. Damals wurde unterwegs zwischen zwei Auftritten geschrieben und komponiert. Das war ein Dauerzustand und man lebte irgendwie in einer Art Parallelwelt.


Auch der Name ist gerade schon gefallen: Irgendwann in dieser Zeit habt Ihr Michael Cretu kennengelernt...
Genau, ja.


Wie kam es dazu?
In Bad Homburg, wo wir produziert haben, hat er „um die Ecke“ auch produziert. Getroffen haben wir uns – wenn ich mich richtig erinnere – buchstäblich in einem Restaurant. Wir haben damals versucht, andere Einflüsse für das dritte Album („Goldene Zeiten“, Anm. d. Verf.) zu bekommen. Nebenbei gab es bei uns Rechtsstreitigkeiten mit dem alten Produzenten, wofür uns heute noch viele junge Bands dankbar sind, weil wir da einige Urteile erstritten haben, die Pro Musiker und Pro Künstlerszene sind. In dieser Zeit stand bei uns die Frage im Raum: „Wohin gehen wir musikalisch?“. Damals hatten wir – übertrieben ausgedrückt – gar keinen Wohnsitz mehr, denn wir waren eh dauernd unterwegs. Cretu ist damals nach München gezogen und wir hatten die Wahl zwischen Hamburg und München. Wir sind auch nach München gegangen und haben dort fließend weiter produziert, sowohl die eigenen Sachen als auch viel mit Michael geschrieben.

1986 20121218 1147636679Du sprachst gerade von Rechtstreitigkeiten. Wogegen habt Ihr geklagt und was genau habt Ihr erstritten?
Es wurde den 18-jährigen Künstlern für die ersten Platten vom Produzent keine Lizenzen gezahlt - das Übliche.

 

In dieser Zusammenstellung entstand dann 1984 das Album „Goldene Zeiten“, auf dem Cretu selbst auch mitgespielt hat. Wie ist die LP entstanden? Hat sich in der Art zu arbeiten da grundlegend etwas geändert?
Ja, wir haben mit Michael wesentlich sorgfältiger gearbeitet als vorher. Die anderen Sachen zuvor wurden auf gut Deutsch wirklich im Hau-Ruck-Verfahren gemacht. Ich habe es erwähnt: Die erste Platte wurde z.B. in drei oder vier Tagen eingespielt und produziert. Und bei der Produktion zum Album „Goldene Zeiten“ wurde auf Sorgfalt viel Wert gelegt. Es wurde in den besten Münchener Studios ganz lange gespielt, auch getrennt voneinander, außer uns noch mit echt guten anderen Musikern, wie z.B. Curt Cress. Im Grunde genommen haben wir über Produktionen dabei sehr viel gelernt. Gleichzeitig zu den deutschen Texten haben wir auch auf Englisch produziert, weil es damals schon über unsere neue Plattenfirma (Intercord, Anm. d. Verf.) und über das Management der Gruppe „Real Life“ Kontakte zu Curb Records in Amerika gab. Darum wurde zeitgleich mit der Veröffentlichung unserer Platte in Deutschland eine EP von uns auch weltweit veröffentlicht. Ab da – und das sagt jeder hier – war unser Hauptmarkt Japan. Das war der Markt, wo unsere drei Platten zwischen 1984 und 1989 am besten liefen.

 

In den Folgejahren erschienen mit „Tensongs“ (1986) und „Sound Of My Heart“ (1989) zwei komplett englischsprachige Alben, die Euch – wie Du schon erzählt hast - auch in den USA und Japan Erfolge bescherten. Wann habt Ihr gemerkt, dass Ihr im Ausland auch eine Plattform und Fans habt?
Tatsächlich ab Ende 1984 / Anfang 1985, nachdem wir „Angel 07“ auf Englisch produziert und veröffentlicht haben. Wir haben über Curb Records erfahren, dass unser Song in Japan ein richtig großer Hit war, zeitgleich war der Song „Angel 07“ der Titelsong in einem Walkman-Werbespot – diese Geräte waren damals noch ganz neu. Wo wir auch immer ganz kontinuierlich vertreten waren, auch wenn das nie zu einem richtigen Crossover kam, waren die US Billboard Dance Charts. Ich kann es mir bis zum heutigen Tage nicht richtig erklären, denn da gibt es auch heute noch Sampler mit unserer Musik. An der Ost- und der Westküste von Amerika – ich habe später auch eine zeitlang in New York gelebt – war das immer ein absolutes „In“-Thema. Das wurde dort auch ganz anders wahrgenommen. Das ist schon interessant ...

Der erste Schritt zur internationalen Karriere – wenn nicht sogar mehr - war gemacht, doch trotz Fuß in der Tür wurde nicht weitergemacht. Nach 1989 kam kein weiteres Album mehr. Warum?
Weil wir uns aufgelöst haben. Aber auch nicht wegen übertriebenen Streitereien, sondern weil solche Dinge manchmal halt passieren. Hubert wollte dann sein Ding machen. Das meine ich jetzt nicht böse oder mit irgendeinem Argwohn. Ich erinnere mich, dass ich damals schon an meinem ersten Buch gearbeitet habe. Markus hat zwei Sachen produziert, und so ist das dann so dahinplätschernd auseinander gegangen. Das war natürlich schade, und das war auch ein Mordsproblem, denn es bestanden weltweite Verträge. Die Leute bei der Plattenfirma haben sicher nicht „Hurra“ geschrien. Das hat dann aber Hubert übernommen und drei Jahre später dieses sehr sorgfältig ausgearbeitete Album „Hubert Kah“ rausgebracht.


Das Bandprojekt „Hubert Kah“ ist also offiziell aufgelöst worden?
Ja, ja, natürlich! Alle, die versuchen, einen weltweiten Vertrag zu bekommen, fragen mich auch immer: „Wie kommt man da so einfach wieder raus?“. Die Erfüllung eines solchen Vertrages kann man natürlich nicht erzwingen. Wenn man nicht mehr weitermachen will, dann macht man eben nicht mehr weiter. Das ist wie beim Fußball (lacht).


Wenn man Recherchen anstellt und irgendwo Texte findet, heißt es immer, Michael Cretu und Hubert Kah seien am Erfolg von Sandra beteiligt gewesen. Das ist aber nicht ganz richtig, denn Du hast auch einen Anteil daran, richtig? Worin bestand Deine Aufgabe in dem „Sandra-Team“?
Ich habe hauptsächlich getextet.

1988 20121218 2010712303Bist Du für Sandra bis 1999 oder 2003, also bis zur „Essential“-CD, tätig gewesen?
Ich weiß jetzt nicht genau, wann ich das letzte mal auf Ibiza war, denn da haben wir noch einiges gemacht. Das war das letzte mal und ich glaube, das war so 1993 oder 1994. Danach wurde mein Sohn geboren und ich habe ganz andere Sachen gemacht, z.B. für Filme Musik geschrieben. Die Zeit auf Ibiza war sehr inspirierend, denn da haben neben mir auch Leute wie z.B. Jens Gadd mitgeschrieben, der jetzt zusammen mit seinem Bruder auch in den USA sehr erfolgreich ist.

Hubert Kah war bis Ende der 80er sehr erfolgreich. Es fällt auf, dass zwischen dem letzten Album, an dem Du beteiligt bist, und dem 1995er Werk „Hubert Kah“, ein so heftiger Stilbruch zu erkennen ist, dass es schon weh tut. Täusche ich mich, oder war der Sound der 80er-Songs maßgeblich von Dir mitgeprägt und ging speziell bei Hubert Kah verloren, als Du weg warst?
Anscheinend ja (lacht). Aber was heißt verloren? Ich sage immer, jeder Künstler macht eine Entwicklung durch, und Hubert wollte eben diese Musik machen, wie sie dann auf „Hubert Kah“ zu hören war. Das Album wurde sehr aufwändig produziert, das ist unfassbar. Das war der Weg, den Hubert einschlagen wollte. Daher kann man solche Dinge schlecht miteinander vergleichen. Auch innerhalb einer Band, wenn der Schlagzeuger plötzlich weggeht und jeder sagt: „Gott sei Dank sind wir den los“, stellt man nach einer Weile fest, dass sich die Musik durch den neuen Schlagzeuger dann doch verändert hat. Das bedeutet, dass jeder Weggang von irgendeinem aus der Gruppe, mit Veränderungen innerhalb der Musik verbunden ist. Es verändert das Gesamtbild.

Besteht zwischen Dir und Hubert oder Markus eigentlich noch Kontakt oder hat man sich aus den Augen verloren?
Eigentlich haben wir uns in letzter Zeit ziemlich aus den Augen verloren. Zuletzt haben wir uns vor 10 Jahren bei einer Taufe oder auf einem Kindergeburtstag gesehen. Zu Markus habe ich öfter mal Kontakt. Der macht jetzt Musicals. Mit ihm telefoniere ich öfters. Dadurch dass ich mich – wenn ich in Deutschland bin – nur noch in Hamburg und Berlin aufhalte, bin ich nicht mehr in Süddeutschland. Ich wüsste auch gar nicht, wo Hubert jetzt wohnt, aber soweit ich das mitbekommen habe, ist er sehr viel auf Tournee und produziert auch noch fleißig Platten.

Und wie sieht das mit Michael Cretu aus? Mit ihm hast Du über die Hubert Kah-Phase hinaus ja noch weiter gearbeitet, richtig?
Richtig, das stimmt. Ihn habe ich ab 1995 oder 1996 auch plötzlich aus den Augen verloren. Das aber auch ohne einen Hintergrund, denn durch den unfassbaren Erfolg von Enigma ging auch künstlerisch die Schere auseinander, das muss man dabei einfach realistisch sehen. Er hat sich einen Teil von Ibiza gekauft und das war plötzlich eine ganz andere Welt. Das hat aber meistens auch damit zu tun, wo man wohnt. An solchen Orten wie z.B. Mallorca,1989 20121218 1086283305 wo ich zuletzt auch einige Sachen gemacht habe, wie z.B. mit Peter Maffay, ist man immer etwas isoliert. Das bedeutet, dass wenn ich hier in Hamburg mit Leuten wie z.B. Sarah Brightman zu tun habe, die in Sachen Einkommen und Erfolg auf der gleichen Ebene sind, ist das was völlig anderes, denn die führen nicht so ein zurückgezogenes Leben wie man das auf den Inseln, also auf Mallorca oder Ibiza, tut. Da ich später nicht wieder auf Ibiza war, hatte ich damit dann auch nichts mehr zu tun.


Auf Deiner Homepage findet man unter dem Menüpunkt „Discography“ Einträge zu Deinen Tätigkeiten als Musiker, Komponist, Texter und Produzent. Es steht aber nicht dabei, was genau Du für welchen Künstler warst. So finden sich dort z.B. auch Sarah Brightman und Lukas Hilbert. Was hast Du speziell für diese beiden Musiker gemacht?
Da war ich als Autor tätig. Allerdings habe ich in den zwei Jahren, in denen ich mit Lukas zusammengearbeitet habe, auch einige seiner Sachen mitproduziert. Aber größtenteils bin ich Autor.


Beim Jahr 2006 steht dort, dass Du am Live-Album von Peter Maffay mitgewirkt hast. Wie sah Deine Aufgabe dabei aus?
Auf der CD sind auch Sachen drauf, die ich geschrieben habe, und die da live zu hören sind. Da hatte ich nichts mit der Produktion zu tun. Eigentlich müsste man das auf der Homepage alles mal aufschlüsseln, aber mein Webdesigner sagt, dass das anders komisch aussähe (lacht). Von den dort aufgeführten Projekten sind 40 bis 50% Autoreneinträge, also Texter- und Komponistentätigkeiten.


Und mit welchen Künstlern hast Du enger, z.B. als Produzent oder Musiker, gearbeitet?
Als Musiker?

002 20121218 1415028727Ja...
Da zählt auch Sarah Brightman dazu. Mit ihr bin ich die ganze Zeit im Studio und wenn es sein muss, spiele ich auch (lacht). Bei den letzten Produktionen war da z.B. eine Sache dabei, die jetzt im Januar erscheinen wird, und zwar ist das die Single „Unsterblich“ von Baschi, die auf dem Soundtrack zum Film „Zweiohrküken“ mit drauf ist. Was auch ein Hit war, auch wenn es schon eine Weile her ist, sind die Sachen von Nevio Passaro, wo ich im Studio dabei war. Ganz traditionell, wie ich das derzeit auch mit einer deutschen Sängerin mache. Es kommt aber auch vor, dass ich – übertrieben ausgedrückt – die Leute nicht einmal vorher kennenlerne und man später auch gar nicht bemustert wird, so dass man am Ende von seinem „Mitwirken“ gar nichts weiß. Darum sind auch nicht alle Projekte auf meiner Seite veröffentlicht. Zum Großteil lerne ich die Musiker aber kennen und bin auch mit im Studio.

Bist Du selbst noch als Musiker aktiv? Spielst Du in irgendeiner Band noch Bass oder hast Du gar eigene Projekte?
Nein, in einer Band nicht. Was ich aber komischerweise durch zwei Elektro-Produktionen im „Boogie-Park-Studio wieder mache, ist selbst spielen. Ich produziere hier außerdem derzeit einen jungen Rockmusiker mit seiner Band, und dabei spiele ich jetzt auch wieder Gitarre und Bass. Das Programming mache ich als Produzent zum Großteil sowieso. Live spielen mache ich übrigens gar nicht mehr.


Könntest Du Dir ein Comeback in der 80er Besetzung mit Hubert Kah vorstellen?
Eigentlich nicht. Das war damals wirklich eine super Zeit, aber ich wüsste nicht, was man an der Art von Musik noch besser machen könnte. Ein gutes Beispiel ist A-ha, die hier im gleichen Studio produziert haben. Deren letztes Album haut mich ganz ehrlich auch nicht vom Sockel. Ich glaube auch nicht, dass Hubert oder Markus so eine Art Musik noch mal machen wollten, denn auch sie haben sich in eine ganz andere Richtung entwickelt.

003 20121218 1900863411Mit welchem Musiker würdest Du gerne noch mal zusammenarbeiten, entweder als Musiker oder in anderer Funktion?
Da muss ich erstmal überlegen … Mir fällt spontan keiner ein. Wen ich sehr gut finde, aber die auch ihre eigenen Sachen im eigenen Studio macht, ist Annette Humpe. Ich finde von den deutschen Sachen, die sie macht, alles herausragend. Aber ich habe mir – um ehrlich zu sein – darüber, mit wem ich gerne mal zusammen arbeiten möchte, noch nie Gedanken gemacht. Sowas ergibt sich sowieso immer von selbst. Ich habe automatisch mit vielen Musikern zu tun. Ich hatte auch nie ein Idol.

 

Das wäre meine nächste Frage gewesen, ob Du Vorbilder hast ...
Ab einem gewissen Zeitpunkt, wo man beim Spielen und beim Drumherum alles ausprobiert hat, bleibt zumindest bei mir eigentlich immer nur der Song. Darum fallen mir – wenn ich ehrlich bin – fast ausschließlich nur gute Songs aber keine Künstler ein. Darum finde ich auch gute Songwriter mit am inspirierensten, und die beeinflussen mich auch am meisten.


Das war’s schon. Ich danke Dir für Deine Zeit und die Antworten auf meine Fragen. Möchtest Du noch ein paar Worte an unsere Leser und Deine Fans richten?
Ja, einfach weiter an die deutsche Musik glauben, weil es für die auf jeden Fall einen Markt gibt. Das sehe ich wirklich so und ich glaube, dass es auch im Ausland für deutsche Musik eine Plattform gibt, wenn die deutschen Musiker an dem festhalten was sie am besten können, nämlich ihre Eigenart zu haben. Und das ist für mich eigentlich mit das Wichtigste!

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: cr
Fotos: Klaus Hirschburger privat, Pressefotos Intercord/Blow Up Records, Polydor
 
 
 
 

   
   
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