Was macht eigentlich...

 

Ingo Koster

 

 

 

001 20121209 1411569281Ingo Koster wird dereinst als Sänger der legendären "Mokka-Milch-Eisbar" in die Geschichte eingehen. Oder vielmehr: Er ist es bereits. Der Song, dem er seine Stimme lieh, ist sein Denkmal und wird es auf Dauer bleiben. Das ist einerseits schön, denn wer hätte nicht gern so einen Meilenstein im Gepäck? Andererseits geht dadurch aber immer auch unter, was darüberhinaus geleistet wurde. Das ist bei Koster eine ganze Menge, auch in der Gegenwart. Dies zu ergründen und zu hinterfragen verabredeten wir uns mit Ingo zu einem Gespräch, das sich zu einer spannenden Zeitreise entwickelte, bei der selbstverständlich auch an der "Mokka-Milch-Eisbar" ein Zwischenstop eingelegt wurde....
 

 

 
 
Ab wann genau gehörtest Du zur Natschinski Gruppe? Hast Du die Zeit als "TEAM 4" noch miterlebt, oder war Dein Einstieg später? 
Ich bin erst zur Natschinski Gruppe gekommen. Vorher war ich im Oktoberclub. Dort hat mich jemand gehört und fand, dass ich geeignet bin, an seiner Stelle bei der Natschinski Gruppe den Bass zu spielen. Das war übrigens Fred Krüger, der mich praktisch zur Band vermittelt hat. Zu dem Zeitpunkt hieß sie schon "Natschinski Gruppe".
 
 

Und wie ging's dann weiter? Hat Dich Thomas direkt angesprochen oder wie kann man sich das vorstellen? 
Nein, im Grunde war es so, dass Fred Krüger Bassist bei der Natschinski Gruppe war, und er sollte oder wollte beim Oktoberclub leitende Funktionen übernehmen. Ihm fehlte praktisch die Zeit, bei Thomas weitermachen zu können. Daraufhin hat er mich als seinen Nachfolger am Bass vorgeschlagen. Thomas hat es dann mit mir ausprobiert und war damit einverstanden, dass ich den Posten übernehme. Das war praktisch mein Einstieg.

 

Was hast Du vor dieser Zeit gemacht?
Ich habe meine Ausbildung von 1967 bis 1969 beim Deutschen Fernsehfunk in Berlin-Köpenick im alten Stadtgefängnis absolviert. Das war übrigens das Gefängnis, in dem der Hauptmann von Köpenick eingesessen hat (lacht). Ich habe damals Herren-Maßschneider gelernt, und war schon Amateurmusiker. Wir haben schon als Amateurmusiker in Berlin-Weissensee Wettbewerbe mitgemacht und auch einige Preise gewonnen. Wir hatten jemanden dabei, der Student an der Hochschule für Musik in Berlin war, Peter Hofmann. Er hat bei uns Violine gespielt und hat uns so ein bisschen mit tollen, eigenen Kompositionen profiliert. Somit hatten wir bereits als Amateurmusiker eigene Kompositionen und haben nicht nur nachgespielt. Wir haben uns gleiche Hemden nähen lassen, dazu weiße Hosen… das war damals noch modern (lacht). Und so ausgestattet, mit aufeinander abgestimmter Garderobe und eigenen Liedern, haben wir Amateur-Band-Wettbewerbe gewonnen. Die erste Band, in der ich mitgespielt habe, hieß "Echo-Team". Da kannte ich von Thomas Natschinski eigentlich noch gar nichts. Wir hatten ein Programm aus eigenen Songs, und natürlich auch Liedern von den Beatles, den Stones, und was man sonst früher so gemacht hat...

 

Hat diese Band "Echo-Team" irgendwas mit der Gruppe "Echo 65" zu tun, in der unser vorheriger "Rauchzeichen"-Gast, Werner Kunze, gespielt hat?
Nein, gar nicht. Unsere Band hieß deshalb "Echo Team", weil Peter Hofmann, der mit uns zusammen spielte, nicht nur ein talentierter Violinen-Spieler war, sondern auch ein leidenschaftlicher Techniker. Er hat Verstärker und Echo-Geräte selber gebaut, und irgendwann ein tolles Verstärker-Echo-Teil entwickelt. Dadurch sind wir auf den Namen der Band gekommen.

 

Zwischen dem Ende der Natschinski-Gruppe (1972) - Thomas mußte zur "Fahne" - und dem Start von BROT & SALZ - wieder mit Thomas Natschinski - lag ja kein luftleerer Raum. Was geschah in der Zwischenzeit, BROT & SALZ wurde ja ohne Thomas gegründet und wie ist da OSTKREUZ einzuordnen, eine Band, die heute kaum noch jemand kennt ?
"Ostkreuz" hat mit "BROT & SALZ" nichts zu tun. Ostkreuz war eine Band mit Hermann Nehring am Schlagzeug und Carsten Görner als Sänger. Hermann und Carsten waren dann erst später bei BROT & SALZ. "Ostkreuz" war eine Formation, die auch vom Oktoberclub her kam, war der Singebewegung sehr nah und hat sich in Richtung Rock-Musik mit deutschen Texten profiliert. Das Projekt hatte allerdings keinen längeren Bestand und ging irgendwann auseinander. Ich habe Carsten Görner dann später zu BROT & SALZ geholt. Die Zeit mit "Ostkreuz" lag vor der Gründung von "BROT & SALZ". Ich habe das damals auch nicht so 100%ig verfolgt. Als wir Carsten damals angesprochen haben, erzählte er, dass er bei "Ostkreuz" ist, und da habe ich erstmals von diesem Projekt gehört. Die Band hatte es kommerziell noch nicht so lange gegeben. Die genauen Daten, wann gegründet und so, weiß ich jetzt aus dem Kopf leider nicht.

 

Der Bandname "BROT & SALZ" ist ja sehr ungewöhnlich. Was hatte er zu bedeuten und wer kam darauf? 
Die Idee zum Namen "BROT & SALZ" stammt von Detlev Haak. Er meinte damals, dass man nach der Armeezeit von Thomas Natschinski einen Break machen müsste, damit an diesem Zeitpunkt ein neuer Abschnitt beginnen kann. Das könnte man mit dieser Idee "BROT & SALZ" machen. Es ist in vielen Ländern, z.B. in Russland, so, dass Gäste mit Brot und Salz empfangen werden. Die Idee, die dahinter steckte, war die Gastfreundschaft, die das Brot und das Salz symbolisieren, praktisch den Bezug auch auf andere Kulturen, dass man sich kulturell miteinander verständigt. Man darf dabei nicht vergessen, dass Thomas Natschinski und seine Gruppe vorher schon zu Gastspielen im Ausland, z.B. in Finnland und Schweden, gewesen sind. Wir hatten immer ein Programm, wo die Leute dort ein Stück unserer Kultur erfahren haben. Dadurch kam die Idee, den Namen "BROT & SALZ" für die Band zu wählen.

 

Du zählst nicht zu den Gründungsmitgliedern von BROT & SALZ. Wie bist Du dazu gekommen?
Du hattest vorhin diese Zwischenphase nach dem Ende der Natschinski Gruppe und der Gründung von BROT & SALZ angesprochen. In dieser Zeit habe ich einen ganz tollen Schlagzeuger kennen gelernt, mit dem ich ein Projekt machen wollte. Außerdem einen Bassisten, der schon lange mit mir zusammen Musik machen wollte. Michael Kaszubowski hieß der, der später bei der Hansi Biebl Band gespielt hat. Wir drei wollten eigentlich ein Trio gründen und haben uns den Namen "Fleur" dafür ausgedacht. Das kam leider über die Probenphase nicht hinaus, denn irgendwie gab es da Missmanagement. Wir hatten einen Techniker, der gleichzeitig auch das Management gemacht hat, aber irgendwie hat das nicht funktioniert. Irgendwann haben die Jungs von BROT & SALZ, konkret Detlev Haak und Thomas Natschinski, angefragt, ob ich Lust hätte, Mitglied bei ihrem Projekt zu werden. Irgendwo fehlte ihnen wohl meine Handschrift. Der für mich eingestiegene Martin Lehrmann konnte mich wohl im gewünschten Maße nicht ersetzen, sonst hätten sie mich nicht angesprochen. Jedenfalls haben sie mich angerufen und gefragt, ob ich nicht wieder hinzu kommen will.

 

Was ist in jener Zeit unter dem Namen "BROT & SALZ" produziert und was veröffentlicht worden? Gibt es vielleicht noch Material, das nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat?
Es gibt bestimmt eine Menge Songs, die wir für den Rundfunk produziert, aber bis heute nicht gehört haben. Ich habe mal ein bisschen recherchiert, also es sind eine ganze Menge Songs entstanden. Wir hatten damals das Glück, auch nachdem Thomas bei BROT & SALZ aufgehört hat, und ich die musikalische Leitung übernommen habe, dass wir weiter im Rundfunk produzieren durften. Da ist so einiges zusammen gekommen, u.a. auch Kompositionen von Helmut Frommhold, z.B. "Chef, laß mich rein". Der Titel "Nie zuvor" von Thomas Natschinski belegte in der Jahres-Hitparade vom Rundfunk sogar den 8. Platz. Da gab es noch viele andere Produktionen, wo z.B. Fritz-Jochen Kopka den Text geschrieben hat. Weitere Songs waren z.B. "Es war ein Tag" oder ein Schlaflied, womit wir beim Interpreten-Wettbewerb einen der vorderen Plätze erringen konnten, Text von Fritz-Jochen Kopka, der sehr viel für BROT & SALZ geschrieben hat, z.B. auch den sehr schönen Text zu "Was mich ergreift", in dem es um die Alten geht und wie sie in der Gesellschaft leben. "Sie ist wirklich da" ist auch ein Lied, das er geschrieben hat und das wir in der Sendung "rund" platzieren konnten. In dem Lied geht es um ein junges Mädchen, das erwachsen wird und den Schlagerstar auf dem Poster nicht mehr so anhimmelt, sondern ein eigenes Zuhause erschaffen hat, in dem sie eben erwachsen geworden ist. Er hat immer ganz tolle Themen angepackt. Noch zu erwähnen sei das Lied "Nichts ist schwerer als zu gehen", ein tolles Liebeslied, fast schon eine Folk-Ballade. Kopka hatte auch für die Interpretation des Bandnamens eine ganz witzige Idee, indem er gesagt hat: "Brot brechen, Salz streuen und BROT & SALZ hören". Diesen Slogan hatten wir auf unseren Postern und Plakaten drauf. Es war so eine Art Logo in den Namen integriert, das fand ich ganz witzig. Um auf die Frage zurück zu kommen: Wir haben so ungefähr 30 bis 35 Titel auf die Beine gestellt, und davon ist bestimmt die Hälfte produziert worden. Die anderen sind natürlich irgendwo liegen geblieben.

 

Es gab auch Auslands-Tourneen, wie ich gelesen habe in Polen, Belgien und Frankreich. Welche Erinnerungen hast Du noch an diese Konzertreisen?
Also unsere Konzertreisen ins Ausland waren immer was ganz Besonderes! Da waren die Leute auf uns richtig neugierig. Ich kann mich noch an eine Reise zusammen mit dem Oktoberclub erinnern, das war eine Tournee durch Frankreich. Der Oktoberclub fuhr mehr so in den Osten von Frankreich, und wir hatten die Süd-Tour mit der Cote d'azur dabei. Als Gast war die Sängerin Aurora Lacasa dabei. Das war eine ganz tolle Tournee, da haben die schon im Vorfeld ganz großartige Reklame für uns gemacht. Die haben uns die "Beatles der DDR" genannt, und wir hatten auch zwei oder drei Sachen von den Beatles im Programm gehabt, einfach so als Brücke. Nach den Konzerten haben wir regelmäßig Gesprächsforen in Schulräumen, Clubräumen oder sonst wo veranstaltet. Da konnten die Menschen mit uns sprechen, und wir haben von der DDR, von uns und unserem Schulsystem erzählt, und die Leute waren sehr neugierig. Man kann es wirklich so sagen, dass wir die Repräsentanten der DDR waren und haben von unserer Heimat auch voller Stolz erzählt. Viele haben am Ende dann gefragt: "Wo ist dieses Schlaraffenland, von dem Ihr da erzählt?" Manfred Preußker, damals Europameister im Stabhochsprung, war mit uns auf Tournee und gehörte praktisch zu den Repräsentanten. Der durfte in einer kleinen Stadt morgens, wo uns der Bürgermeister zum Appell eingeladen hat, die DDR-Flagge aus einem Paket auspacken, und die wurde dort gehisst. Wir haben dort praktisch die Freundschaftsgesellschaft France/RDA gegründet. Da haben sich viele Leute nach dem Konzert und nach den Foren mit eingetragen, um da kulturell etwas aufzubauen.

 

Bei den Konzerten im Westen, also in Belgien und Frankreich, hätte es theoretisch die Möglichkeit gegeben, einfach da zu bleiben und nicht zurück in die DDR zu gehen. Hat es bei irgendwem diese Gedanken gegeben?
Nein, wir haben an unserer Sache gearbeitet, wenn wir einfach dageblieben wären, wäre das ja paradox gewesen. Wir haben zuhause versucht, was Eigenes zu machen und das voller Enthusiasmus. Das waren richtig tolle Texte und Kompositionen, wie z.B. die Texte von Hartmut König. Das hat uns auch geprägt und wir haben uns dadurch auch unterschieden. Zusammen mit Drafi Deutscher waren wir die ersten, die Rockmusik mit deutschen Texten gemacht haben. Erst später kam Lindenberg. Zu unserer Zeit, wo wir mit Musik angefangen haben, da war nur Drafi Deutscher mit "Marmor, Stein und Eisen bricht", der mit Rockmusik und deutschen Texten erfolgreich war. Das steht sogar bei Olaf Leitner im Rocklexikon. Das hat er auch so bemerkt. Da gab es für uns keine Überlegungen in die Richtung. Wieso auch? Ganz im Gegenteil, wir konnten in der DDR unsere Musik machen und waren dort zuhause.

 

BROT & SALZ verfügte mit Thomas, Dir und Helmut Frommhold über drei hervorragende Komponisten. Gab es da nicht irgendwann mal die "kreative Krise", wo man sich gegenseitig in die Quere kam?
Dank der Loyalität von Thomas Natschinski war das eigentlich ein ziemlich harmonisches Arbeiten. Aber was natürlich fehlte, und das muss man nüchtern so sehen, war Erfolg. Erfolg in Form eines Hits. Es gab zwar den Titel "Nie zuvor", der den 8. Platz der Jahreshitparade des Rundfunks erreichte, das war aber nur ein kleiner Achtungserfolg. Es gab auch noch die Single "Deine Schritte sind so klein"… Aber der richtige Durchbruch ist uns so richtig nicht gelungen. Das war vielleicht auch ein bisschen das Manko. Es lag wohl auch daran, dass Thomas damals nach seiner Armeezeit nicht mehr so richtig zu sich selbst gefunden hat. Das kam erst später, nach BROT & SALZ, wo er nur noch komponiert und auch Filmmusiken geschrieben hat, wieder. Dann hat er auch für Gaby Rückert geschrieben und - für meinen Geschmack - auch seine besten Kompositionen abgeliefert. Das kam leider erst, als er nicht mehr mit BROT & SALZ gearbeitet hat, so dass dieser Band ein Hit mit Wiedererkennung fehlte. Ein Hit wie Team 4 ihn mit "Die Straße" und die Natschinski Gruppe mit "Mokka-Milch Eisbar", der ja zum absoluten Kulthit wurde, hatte. Wenn ich zurückblicke kann ich sagen, dass "Sabine Wulff", der DEFA-Film, für BROT & SALZ noch die meisten Punkte eingebracht hat. Der Song "Blues vom Abschied" lief im vollen Vor- und auch im vollen Abspann des Films, das hat ihn unheimlich bekannt gemacht. Ich hab das u.a. auch an der GEMA-Abrechung gesehen, der ist wirklich ganz schön gelaufen und in vielen Zeitschriften auch erwähnt worden. Insofern kann man sagen, eigentlich ist da durch den Film "Sabine Wulff" am meisten hängen geblieben. "Blues vom Abschied", ein ganz toller Text von Fritz-Jochen Kopka über einen Bauarbeiter, der auf das zurück blickt, was er alles schon gebaut hat. In der DDR war das größte Problem die Wohnungsnot, weshalb es dieses Wohnungsbau-Programm gab. Und zu diesem Thema, wenn man mal so guckt, was man alles schon gebaut hat, und man läuft so durch die Straßen und schaut so in die Fenster und weiß, daran hab ich mitgebaut. Um dieses Thema ging es in dem Lied, dass man sich auch von dem, was man erschaffen hat, verabschieden muss, weil es irgendwann fertig ist. Dieses Thema hat Kopka ganz eindrucksvoll in einen Text umgewandelt. Der Song ist damals als Single veröffentlicht worden, und uns auch sehr gut gelungen. "Blues vom Abschied" ist auch auf meiner CD "Portrait" mit drauf. Zumindest durch dieses Lied ist von BROT & SALZ etwas hängen geblieben, würde ich sagen!

 

Nach dem Ausstieg von Natschinski im Jahre 1976 hast Du die musikalische Leitung übernommen. Wie kam es dazu, dass die Band plötzlich mit Thomas und Peter Müller zwei wichtige Eckpfeiler verlor?
Wir hatten in der DDR damals das Problem, dass gute Musiker knapp waren. Wenn irgendwo ein qualifizierter Musiker gefehlt hat, haben die Bandleader geschaut, wo man noch gute Leute finden kann. Da wurde durch die kleineren Bands geguckt, wer dafür geeignet war. In unserem Fall war das damals die Gruppe WIR, die Peter Müller abberufen hat, und Peter hat sich entschlossen, bei denen einzusteigen. Das kann man ja auch keinem wirklich übel nehmen. Das war damals bei SILLY genau das gleiche. Die haben sich die besten Leute geholt. Wer da ein bisschen nach vorne wollte, der musste da durch. Dadurch sind viele Formationen immer wieder neu besetzt worden. BROT & SALZ hat besonders darunter gelitten. Hätten wir einen spektakulären Hit gehabt, so dass wir ganz vorne dabei gewesen wären, wäre es vielleicht nicht der Fall gewesen, dass uns die Leute weggeholt wurden. Dadurch, dass wir immer wieder neu in der Aufbauphase waren, wir zwar viele Veranstaltungen aber weniger Medien hatten, haben die Musiker gesagt: "Na, wenn ich jetzt in einer größeren Band spielen kann, dann mache ich das." Wolfgang Ziegler und WIR waren damals vor uns, auch in der Presse ganz vorne und wurden unheimlich gefördert. Wolfgang wollte mich auch mal einkaufen. Das war aber 1970, als ich meinen Berufsausweis gemacht habe, da hatten wir zusammen im zentralen Studio für Unterhaltungskunst in der Berliner Klosterstraße eine Fachschul-Ausbildung im Fach Gesang, wo wir unseren Profiausweis aufgebessert haben. Da haben wir uns kennen gelernt, und da hat er schon zu mir gesagt: "Ingo, aus Dir wird mal was. Vielleicht machen wir mal was zusammen." Aber später kam es so, dass er Peter Müller geholt hat. Es war deshalb aber keiner dem anderen gram. Fakt war, dass wer sich nach oben gearbeitet hat gucken musste, wo er die besten Leute für sich und seine Band findet.

 

Schon ein Jahr später hast Du die Gruppe aufgelöst. Was waren die Gründe für diesen Schritt?
Die Gründe lagen auch darin, dass wir nicht die richtig qualifizierten Musiker gefunden haben, Schlagzeug insbesondere, und wir auch keine Lust mehr hatten, immer wieder neu anzufangen. Für uns hieß es immer, eine Linie zu ziehen und wieder von vorne anzufangen. Da gab es auch die ein oder andere Begebenheit mit neuen Leuten, die dann nicht so schön war, wo wir auch ein paar Schwierigkeiten hatten mit dem Veranstalter usw. Eben aus diesem Grunde, weil keiner mehr so richtig mit dem gewachsen war, was da ursprünglich entstanden ist. Auch deshalb gab es Querelen. Wir haben uns gesagt: "Drei aus dieser Band sind richtig", das waren Burkhard Neumann, Carsten Görner und Ingo Koster. Das war nachher der feste Stamm, und wir haben dann beschlossen: "Ehe wir uns weiter rumärgern, lassen wir es doch einfach." Übrigens eine Idee von Kuno Kohlmeyer, der damals Techniker bei BROT & SALZ war. Der hatte einen kleinen Barkas, also auf Deutsch gesagt den Fuhrpark, und auch eine vernünftige Anlage, und sagte: "Lasst es doch sein. Wir machen jetzt was Neues auf Clubbasis, wo wir mit einem Klavier und zwei Akustik-Gitarren arbeiten.", und das war nachher auch der Renner, denn da gab es sofort einen Zuwachs an Veranstaltungen, weil wir eine kleine Besetzung waren. Das lief hervorragend!

 

...und das war der Beginn von "DREI"?
Ja, genau! Das war ab 1978 Gruppe DREI. Muggenmäßig schlug das ein wie eine Bombe.

 

Songs gab es, wie Du erzählt hast, genug von BROT & SALZ, aber nie eine komplette LP. Warum?
Das lag daran, dass nichts richtig nach vorne gewachsen ist und uns der Hit gefehlt hat, abgesehen von dem vorhin erwähnten DEFA-Film. Es gibt Sachen, die kommen erst später. Ich will damit sagen: Es gibt Lieder, die jetzt nicht unbedingt Hitparaden-verdächtig, sondern einfach nur schön sind. Die bleiben im Ohr, und irgendwann später sagt man: "Das war ein tolles Lied." Es war in keiner Hitparade, aber die Leute erinnern sich daran. "Der Blues vom Abschied" ist einfach ein ergreifendes Lied, der Text ist schön, die Komposition ist gelungen… insofern konnten wir damals davon vielleicht noch nicht so partizipieren oder profitieren, was heute für die Leute selbstverständlich ist, wenn sie zurückblickend sagen: "Mensch, guckt mal, was ihr alles für tolle Lieder gemacht habt." Das ist aber nur der Rückblick, damals hat uns das nichts genutzt. Ein richtiger Erfolg wäre für uns sicher sinnvoller gewesen. Damit hätten wir mehr anfangen können.

 

Gleiche Frage zum Thema Live-Material: Wäre es als geschichtliche Nachbetrachtung nicht sinnvoll - siehe 40 Jahre PUHDYS - eine DVD mit historischem Material von TEAM 4 bis BROT & SALZ auf den Markt zu bringen ? Ist so eine Idee schon mal gekommen, und was hältst du davon?
Also prinzipiell halte ich eigentlich sehr viel davon, wobei TEAM 4 und BROT & SALZ, das würde ich so nicht machen; also das ist zu weit auseinander. TEAM 4 ist wirklich der absolute Anfang deutschsprachiger Rockmusik.

 

Nein, so meinte ich das auch nicht. Eher eine chronologisch hintereinander folgende Geschichte beginnend bei TEAM 4 und endend bei BROT & SALZ?
Ja, das wäre was anderes. Das könnte man machen. Aber wie gesagt, die Idee finde ich gut, aber das müssten Leute machen, die sich wirklich damit auskennen und sich dahinter klemmen. Also ich persönlich würde die Zeit nicht haben, so etwas zu machen, denn ich bin im heutigen Leben mit Gaby Rückert zusammen auf einer Bühne musikalisch aktiv. Wir sind dabei, jetzt unsere Band zu profilieren, mit Thomas Kurzhals, der Euch ja auch bekannt ist, und Ralf Templin als Gitarrist. Das ist eine kleine Band, aber wir sind ganz liebevoll mit den Arrangements, und da gibt es viel zu tun. Wir versuchen also doch eher neue Sachen zu machen, die auch den Nerv der heutigen Zeit treffen, und das kostet jetzt praktisch alle Zeit, die wir in kreative Arbeit investieren. Da könnte ich jetzt nicht noch irgendwelche Aufarbeitungen machen. Wenn das irgendjemand machen möchte, würde ich das hervorragend finden; schon aus dem Grunde, weil sich die Kulturen Ost und West noch nicht so gut kennen (lacht). Es ist ja immer noch so viel Gewachsenes, was man immer noch nicht kennt von dem Anderen.

 

Im Jahre 1978 folgte die Gründung der Gruppe DREI. Sie schloss musikalisch dort an, wo BROT & SALZ aufgehört hat. Wer hatte die Idee dazu und mit welchem Ziel vor Augen seid Ihr angetreten?
Ja wie gesagt, die Idee hatte unser Techniker, Kuno Kohlmeier, und der hatte sich praktisch auch dieses Profil mit ausgedacht, und gesagt: "Wir suchen jetzt nicht länger weiter, wir lassen jetzt einfach Bass und Schlagzeug weg, und machen eine clubfähige Dreierbesetzung mit einem Piano und zwei Akustikgitarren." Das haben wir dann erfolgreich durchgezogen.

 

Du hast gerade erzählt, dass die Konzerte wie verrückt gebucht wurden. Kannst du dich noch an das erste Konzert erinnern, also wo das war und was der große Unterschied zwischen BROT & SALZ und DREI war?
An das erste Konzert kann ich mich wirklich nicht mehr erinnern. Der große Unterschied war aber folgender: DREI waren drei Musiker, die diszipliniert arbeiteten und wussten, was sie wollten. Wir haben in der Richtung wie Crosby, Stills, Nash & Young mehrstimmigen Satzgesang gemacht, und wir haben uns natürlich auch im Programm mit Titeln von denen profiliert, denn wir fanden die so toll, und die wurden ja nicht alle Tage bei uns gespielt damals. Auch im Ostrundfunk konnten man Crosby, Stills, Nash & Young überhaupt nicht hören. Dann gab es den Film "Die blutigen Erdbeeren" in dem dieser tolle Titel "Helpless" gespielt wurde. Den haben wir natürlich auch aufgeführt. Dann fingen wir an, praktisch unser Repertoire zu spielen; wir haben angefangen, Songs zu schreiben, die so ähnlich sind, wie die von Crosby, Stills, Nash & Young und haben so immer unsere Pendants dazu geschrieben. Da kam eins zum anderen. Zum Beispiel der Titel "Du bist das Beste, was ich hab", der ja eigentlich ein ganz typischer DREI-Titel ist und der auch sehr gut im Rundfunk lief. Allerdings auch nicht in den Hitparaden, sondern fast täglich in den Laufsendungen. Den kannten eigentlich alle. "Du bist das Beste, was ich hab", ist nichts weiter als ein an "Teachers Children" angelegter Song. So haben wir das gemacht, und dadurch war das auch ein klar erkennbares Profil und für die Leute auch sofort abfassbar.

 

1982 wurde das Trio aufgestockt, es stiegen Michael Behm und Tonio Ruschin bei DREI ein. Warum stockte man die Besetzung auf fünf Musiker auf, und wie kam man auf Behm und Ruschin?
Tonio Ruschin war ein Freund von Carsten Görner, und die Idee, die DREI-Band zu machen, kam nach ein paar Jahren, wo wir sehr viel Club-Musik gespielt haben. Die Idee entstand aus - sagen wir es mal aus der Sicht des Musikers - dem Bedürfnis, jetzt wieder mal einen Schritt nach vorne zu machen, was Spektakuläres und Neues, indem wir uns mal Gastmusiker holen. Da entstand eben die Idee, die DREI-Band zu machen und weitere Musiker dazu zu holen. Für einen Interpretenwettbewerb seinerzeit haben wir geprobt und fanden dann Michael Behm noch dazu. Der Micha war auch ganz begeistert, und zu dem Zeitpunkt nicht mehr bei der Stern-Combo Meißen...

 

Der wurde kurz vorher von der Band entlassen...
...ja, oder er war rausgeflogen. Jedenfalls ruderte er auch schon so ein bischen rum, und DREI fand der immer toll und hat gesagt: "Bei dem Projekt würde ich sofort mitmachen." Und so haben wir angefangen und losgelegt. Das war eine verheißungsvolle Sache und hat großen Spaß gemacht. Wenn diese Besetzung von Anfang an da gewesen wäre, dann wäre BROT & SALZ niemals auseinander gegangen. Da hat es also wirklich tolle Titel gegeben. Micha Behm hat selber auch einen Titel geschrieben: "Ich geb die Erde nicht her". Das war was ganz scheues gewesen und hat mir sehr gefallen. Eigentlich war das, ich würde bald sagen, die beste Besetzung von BROT & SALZ, die es je gab. Aber BROT & SALZ hieß ja inzwischen DREI BAND, doch so hätte ich mir eigentlich BROT & SALZ gewünscht. Es kam leider nicht so. So ist die Geschichte, wenn man zurückblickt. Es ist alles im grünen Bereich gewesen, das hat sich aus der Situation einfach so entwickelt.

 

stein 20121209 1821256296Den Bandnamen habt ihr dann auch geändert. Aus DREI wurde DREI BAND. Welchen Sinn hatte das?
Einfach zu sagen: "Das ist jetzt die Band-Variante von DREI". Wir wollten eigentlich unterscheidbar machen, DREI bleibt DREI und DREI BAND ist eben DREI mit BAND. Auch für die Veranstalter gab es da keine Unsicherheiten durch den neuen Namen. DREI gibt es auch weiterhin, aber für größere Veranstaltungen gibt es dazu jetzt die DREI BAND. So haben wir das gemacht, und das war eigentlich auch nicht verkehrt.

 

Mit den zwei neuen Musikern seid ihr zur ersten Band überhaupt geworden, die den fünfstimmigen (!!!) Satzgesang drauf hatte. War das ein Zufallsprodukt beim Proben oder habt ihr vorher gewusst das machen wir so und da geht was?
Nein, das war ein Zufallsprodukt. Die Band hat beim Proben immer fleißig neue Sachen ausprobiert. Da gab es tolle kreative Proben, und weil Micha Behm und Ruschin auch tolle Sänger sind, hat sich das von ganz alleine ergeben. Das kam beim Arbeiten an neuem Material. Damals hat Werner Karma, der auch für SILLY viele Texte geschrieben hat, für die DREI BAND geschrieben. Da gab es eine ganze Menge toller Songs, von denen einige leider nicht produziert worden sind.

 

Diese Band hat über 50 Titel für den Rundfunk produziert. Trotzdem wurde aber nur eine LP veröffentlicht ("Steigen wie ein Falk", 1986). Warum war die Vinyl-Ausbeute für die Fans der Band so gering? Warum gab es keine weiteren LPs?
Zuerstmal muss man sagen, dass DREI ein Feld bedient hat, was in Richtung Songwriting ging. Das war kein Schlager, aber auch keine richtige Rockmusik. Irgendwo dazwischen waren wir, stellenweise auch sehr folkig. Das war ein Grund. Dazu kam, dass es bei uns in der DDR nur eine begrenzte Anzahl von Pressmasse gab, die für die Herstellung von Schallplatten nötig ist. Das waren immer teure Devisen, die bezahlt werden mussten. Logischerweise haben die Entscheidungsträger Prioritäten gesetzt, denn es musste ja jeder Geschmack bedient werden, auch die Klassik, der Jazz… alles musste in einer gewissen Stückzahl gepresst werden. In dem Moment ist es auch nicht verwunderlich, dass es nur eine LP von DREI gab. Da wurde einfach gesagt: "Andere Sachen sind im Moment wichtiger." Andere Sachen haben auch mehr Umsätze gemacht, wie z.B. die Puhdys und KARAT. Im Hinblick darauf waren wir sehr froh, dass wir eine eigene Platte bekommen haben, denn es gab auch viele Musiker, die dieses Glück nicht hatten. Die mussten zusehen, wie sie sich mit Rundfunkproduktionen durchschlagen. Es war schon ein richtiges Privileg, wenn man ein eigenes Album bekam.

 

Im Jahre 1988 kam es zu "Gaby Rückert & Die Gruppe DREI". Wie kam es dazu und welche Idee steckte dahinter, jetzt mit einer Frau zusammen zu arbeiten?
Geplant war das überhaupt nicht. Wir haben uns 1987 bei einem Festival getroffen, bei dem Gaby Rückert und auch wir eingeladen waren. Wir haben mitbekommen, dass sie alleine und ohne ihre Band "Yoyo" dort war. Später irgendwann haben wir uns zu einem Geburtstag wieder getroffen und uns ein bisschen unterhalten. Da hat sie erzählt, dass das mit Yoyo wohl auseinander gehen wird. Und da kam ganz spontan die Idee auf, vielleicht die eine oder andere Sache zusammen zu machen. Gesagt, getan… es dauerte nicht lange, da wurde das rum erzählt, und es kamen die ersten Anfragen. Burkhard Neumann hat damals die Geschäfte für DREI mit gemacht und hat das auch immer unheimlich gut, korrekt und gewissenhaft gemacht. Er hat Gaby Rückert mit angeboten, wir hatten so ein Werbeblatt angefertigt und verteilt, da gab es sofort Reaktionen. Das war für die Veranstalter in dem Moment interessanter, weil das preiswerter war als die gesamte Yoyo-Band. So wurden wir zusammen mit Gaby für unheimlich tolle Veranstaltungen gebucht, u.a. sind wir an die Erdgas-Trasse gefahren und haben für unsere Jungs, die da oben die Trasse gebaut haben, Kultur gemacht. So kam eins zum anderen und wir hatten sogar eine kleine Tournee durch Schweden.

 

Das waren aber schon noch zwei unterschiedliche Programme, bzw. Projekte. Einmal die DREI BAND und auf der anderen Seite Gaby Rückert & DREI, oder?
Nein, das hatte mit der DREI BAND nichts zu tun.

 

Ihr habt Gaby praktisch nur begleitet?
Wir hatten unser Programm gleichzeitig mitgehabt, wenn wir mit Gaby unterwegs waren. Das war praktisch eine Kombination aus beidem. Gaby war bei uns mit einer halben Stunde Programm integriert. DREI hat angefangen, und im Verlauf des Konzerts haben wir als Special Guest Gaby Rückert rausgeholt. Das war ein tolles Konzept, was für beide ganz gut war. An der Trasse gab es anfangs Befürchtungen, dass Gaby mit ihren Songs Schwierigkeiten haben könnte, aber ganz das Gegenteil war der Fall. Unser Konzept kam bei den Bauarbeitern super an. Die haben Gaby und ihre Hits, z.B. "Schneewittchen" und "Teil mit mir", gefeiert wie verrückt. Da haben wir erstmal gemerkt, was BROT & SALZ gefehlt hat: Hits haben gefehlt, die Gaby dann von Thomas geschrieben bekommen hat.

 

Womit warst Du nach der Wende beschäftigt? In Deiner Biographie klafft hier ein großes Loch...
Wir haben nach der Wende erstmal einen freiwilligen Cut gemacht. Wir hatten so ein paar Schlüsselerlebnisse. Bei einer Veranstaltung musste man sich auf der Toilette umziehen, bei einer anderen waren wir völlig fehl am Platze, da wollten die Leute lieber Tanzmusik haben. Erschwerend hinzu kam, dass die DDR-Musik damals echt "out" war. Da ging überhaupt nichts mehr. Ich hatte mit Burkhard zwei oder drei Veranstaltungen, z.B. im Magdeburger Raum und Halle, gemacht. Eigentlich wollten wir da auch mit Gaby zusammen auftreten, da habe ich aber zu Gaby gesagt: "Weißt Du, das möchte ich Dir wirklich nicht antun. Das ist jetzt alles irgendwie anders wie früher." Gaby hatte vor ihrer Karriere Krankenschwester gelernt. Meine Mutter wohnte in Niedersachsen und sagte: "Hier gibt es ein paar Kliniken. Sieh doch mal zu, vielleicht findest Du hier einen Job." Das hat auch auf Anhieb geklappt, und sie hat dort einen Job bekommen. Ich habe anfangs keine Arbeit gefunden, dann aber etwas später eine Stelle in einem Baumarkt bekommen. So hatten wir Anfang der 90er beide erstmal Arbeit in anderen Berufen. Das erste was wir gemacht haben war, dass wir uns ein kleines Studio eingerichtet haben. Ich habe mein eigenes Label gegründet, und als erstes mit Gaby zusammen das Album "Talisman" geschrieben und produziert. Später haben wir durch einen Zufall Johnny Hill getroffen, den Gaby noch von früher her kannte. Johnny hat sehr viel in der DDR gearbeitet, von daher kannten er und Gaby sich. Der konnte das gar nicht glauben, dass Gaby in einer Klinik arbeitete. Dann hat er in der Klinik angerufen und war völlig baff, dass Gaby da arbeitet. Was folgte war, dass wir ein paar Sachen zusammen gemacht haben. Er hat uns z.B. auch geholfen, unser Promotion-Konzert in Bad Bevensen zu machen, als das "Talisman"-Album veröffentlicht wurde. Das fanden wir ganz toll von ihm! Er kam und hat uns die halbe Anlage hingestellt, und uns auch Mut gemacht, weil das eigentlich so ein bisschen in Richtung deutsche Country-Musik gehen sollte. Entstanden sind aber Lieder, die durch Gabys tolle Interpretation sehr eingängig und einfach wurden. Heute sage ich, das ist eine Kult-Scheibe geworden. Auf dem Album befinden sich bis auf zwei Ausnahmen, nur Texte von Gaby. Die beiden anderen waren von Kurt Demmler. Dafür sind wir extra bei Kurt Demmler gewesen und haben uns aus seinem riesen Textarchiv zwei Texte rausgesucht. Einer davon ist auf dem schönen Lied "Zuhaus" zu hören. Das war auch der Abschlusstitel auf unserem Album. Somit hatten wir auch wieder eine vertraute Sprache auf dem Album. Ansonsten hat Gaby alles alleine geschrieben, und das war auch für uns neu. Das wurde aber auch insbesondere von unseren Arbeitskollegen unheimlich gut angenommen. Die wussten damals gar nicht, was wir vorher eigentlich gemacht haben. Die haben unser Konzert in Bad Bevensen besucht, wir haben sie alle dahin eingeladen, also die Kollegen aus Gabys Klinik und aus meinem Baumarkt. Der Platz war richtig gut gefüllt, und wir haben dort unser Konzert gespielt, das sensationell gut war und auch gut angekommen ist. Da haben unsere Kollegen erstmal gewusst, was wir vorher wirklich beruflich gemacht haben. An diesem Punkt haben wir wieder angesetzt, und da weitergemacht, wo wir vor der Wende aufgehört haben, denn wir hatten ja reichlich Zuspruch.

 

12 20121209 1159882013Wann habt Ihr denn konkret gemerkt: "Es geht wieder was mit der Musik"?
Das kann ich Dir genau sagen. Das war um 1994/95 herum, eher 1995, wo Gaby Nachtschichten hatte, und wieder ihre eigenen Titel im Radio gehört hat. Da bekam sie, was ja ganz klar ist, ein bisschen das Wundern und sagte sich: "Was mache ich eigentlich hier?". Nicht, dass sie das nicht gerne gemacht hat, sie war auch eine beliebte Krankenschwester in ihrer Klinik, weil sie von ihrem Naturell her sehr optimistisch ist. Ich hatte mir meinen Platz im Baumarkt auch erkämpft, und habe mit den Kollegen abends ein Bier getrunken. Ich habe jetzt gerade erst wieder mit ihnen gesprochen. Wir haben am 22.03. in der Ecke eine Mugge, das siehst Du ja auch auf unserer Webseite. Und da trommeln wir die ganzen Leute wieder zusammen. Die haben sich Jahre schon nicht mehr gesehen, das wird eine tolle Gaudi. Deswegen kann man nicht sagen, dass es Medienarbeit war, was wir da gemacht haben. Wir haben dieses Album deshalb gemacht, weil das Basisarbeit für unser Überleben als Musiker war, und deswegen haben wir dort auch diese Veranstaltung, von der ich vorhin sprach, gemacht.

 

Nochmal ein kleiner Zeitsprung zurück: In frühen Tagen war SANDA WEIGL bei Team 4 und sang mit "Der Abend ist gekommen" eine der schönsten Beat-Balladen in deutsch, die ich kenne. Was macht Sanda heute und gibt's Kontakt zu ihr ?
Also ich kenne Sanda leider gar nicht persönlich. Ich bewundere sie aber sehr und bin von der Interpretation sehr angetan. Sie kam von der Singebewegung und ist auch dort geblieben. Zu der Zeit, wo der Song mit TEAM 4 produziert wurde, war die Gruppe TEAM 4 ein Bestandteil des Oktoberclubs. Man hat ganz viele Veranstaltungen zusammen gemacht. Da gab es noch andere tolle Sängerinnen. Und wenn man sich das unter heutigen Gesichtspunkten mal ansieht, stellt man fest, dass diese ganze Szene heute fehlt. Diese - sagen wir mal - folkloristischen Lieder sind komplett weg vom Unterhaltungskunst-Markt. Das ist schade, denn was da musikalisch alles bedient wurde, war fantastisch. Wir hatten z.B. das "Festival des politischen Liedes", wo auch Künstler aus dem Ausland, wie z.B. Portugal, eingeladen wurden. Da gab es so eine tolle Palette von folkloristischen Liedern. Sanda Weigl war ein Teil davon, und das wurde für diese Platte genutzt. Das war aber nicht ein Projekt in dem Sinne, das hatte sich einfach so ergeben.

 

Ihr seid in einer Zeit aktiv gewesen, wo es äußerst schwierig war, an brauchbare Instrumente, bzw. an Wunschinstrumente, zu kommen. Wie habt Ihr dieses Problem damals gelöst, und woher hattest Du Deine Instrumente?
Alle Bands, die wirklich gut waren, bekamen beim Zentralen Studio für Unterhaltungskunst einen sog. Fördervertrag. Wenn man einen Fördervertrag hatte, hatte man auch die Möglichkeit, Import-Instrumente zu kaufen. Wenn es welche gab, denn die gab es nicht immer. Wir hatten dankenswerterweise später diese Möglichkeit, und wir konnten dann auch zum Kurs 1:1 welche kaufen. Das war natürlich eine tolle Sache. Ansonsten hat man sich selber zu helfen gewusst. Ich habe mir z.B. mal eine polnische Gitarre gekauft, von einem Kollegen, der die sehr gut spielen konnte. Ich fand die so toll und das war sehr eindrucksvoll. Ich fragte ihn: "Woher hast Du die? Ist das eine Gibson?" Er sagte: "Ne, diese Gitarre kommt direkt aus Polen." Er hat mir dann so eine Gitarre besorgt. Zu der Zeit hatte ich ja schon meine Herrenmaßschneider-Lehre hinter mir, und ich habe mir gesagt: "Jetzt muss ich meiner Gitarre noch ein vernünftiges Design verpassen." Das Instrument war so irre, weil es wie eine Gibson geklungen hat, darum habe ich aus alten Jeans für die Gitarre einen Bezug genäht und sie mit dem Jeansstoff bezogen. Irgendwann hatten wir einen Fernseh-Auftritt, ich glaube es war bei "rund", und danach habe ich unheimlich viel Post wegen meiner Gitarre bekommen. Jeder wollte diese Gitarre haben und wissen, wo die her kommt.

 

Existiert diese Gitarre noch?
Ich weiß es nicht, ich habe sie irgendwann später verkauft, um mir das nächste Instrument zu holen. So wurde das gemacht (lacht)...

 

Vielleicht liest das der heutige Besitzer ja, und meldet sich mal...
Ja, das wäre ein Hammer (lacht). So war das aber damals. Man musste sich zu helfen wissen. Es gab auch diese An- und Verkäufe, z.B. in der "Melodie & Rhythmus", und die wurden natürlich immer sehr genau studiert. Das war eine sehr spannende Zeit!

 

Woran arbeitet Ingo Koster im Augenblick ?
Gaby und ich arbeiten am eigenen Programm. Wir haben aber auch verschiedene Projekte, z.B. mit der Band bzw. den beiden Gastmusikern, und außerdem sind wir mit Gisela Steineckert unterwegs. Sie hat ja viele schöne neue Texte geschrieben, und wir haben ein gemeinsames Programm, das heißt "Was bleibt von Heimat". Für dieses Programm hat sie spezielle Lesetexte geschrieben, für die Ulli Schwinge, ein Komponist und Sänger aus Halle, und ich die Kompositionen gemacht haben. So ist ein wunderbares Programm daraus entstanden, das wir auch weiterhin mit ihr zusammen hegen und pflegen und natürlich aufführen wollen, so sich für uns denn auch die Möglichkeit dazu bietet.

 

Welche Musik hört Ingo Koster privat?
Privat höre ich nach wie vor noch die alten Singer/Songwriter-Sachen, wie z.B. Peter, Paul & Mary… für alles, was so liedhaft ist, bin ich zu begeistern. Und sehr beeindruckt bin ich auch immer noch von der Country-Musik, aber von der melodischen, balladesken Country-Musik. Da hole ich mir meine Anregungen. Es gibt durch das Internet die Möglichkeit, diese Country-Musik auch hier zu empfangen, und da klinke ich mich sehr oft ein und lasse mich inspirieren. Unter'm Strich komme ich immer wieder zu dem Kern hin, das sind die folkloristischen Balladen und dieses etwas Verträumte, was auch Neil Young rübergebracht hat. Ich habe ja nicht umsonst damals die Neil Young-Parts gesungen. Und so versuche ich also heute, etwas Gleichartiges zu erschaffen was in diese Zeit passt, und wofür ich die Leute interessieren kann. Das sind einfache Geschichten, die im Leben passieren, das kann manchmal traurig, manchmal auch zum Lachen sein. Diese Palette zu erhalten mit der deutschen Sprache, das ist also mein Ansinnen. Wenn man sich durch die Vielfalt der Musik hört, die jetzt auf dem Markt ist, klappt mein Ohr oft genug zu und sagt: "Schalte es aus! Das brauchst Du nicht." Das ist alles nicht nötig, diese ganzen Techno-Geschichten. Sicher, für die Leute, die es anspricht, soll es eine Berechtigung haben. Für mich nicht, ich brauche es nicht! Ich orientiere mich dann doch mehr am Leben, und überlege, welche Geschichte ich zu dieser schönen Musik erzählen kann.

 

Welche Konzerte hast Du in letzter Zeit besucht ?
Wir waren bei Elton John und Chris de Burgh, und ansonsten muss ich sagen: Nicht so viel.

 

In unserem letzten Konzertbericht über die Gruppe KARUSSELL sind Du und Gaby auch auf den Fotos zu sehen...
Mensch, natürlich! Bei Karussell waren wir auch. Das war ein tolles Konzert! Absolut toll. Das muss man erwähnen, weil die praktisch mit alter Leidenschaft wieder an ihr Repertoire rangegangen sind, und das für meine Begriffe sehr herzhaft und authentisch rüber gebracht haben, mit dem Anliegen, diese schönen Texte, die damals für Karussell geschrieben wurden, wieder zu neuem Leben zu erwecken. Das ist denen sehr gut gelungen. Da würde ich mir wünschen, dass man vielleicht projektmäßig auch mal ruhig den Mut hat etwas zu mischen. Meine Idee wäre, dem Rolf Rüdiger habe ich es auch schon gesagt, etwas mit Gaby zusammen zu machen. Das wäre sicher von großer Wirkung, denn diese Sache mit den balladesken deutschen Geschichten ist eine Linie, die wir ja auch vertreten. Vielleicht kommt da ja was zustande. Das wäre schön. Es muss ja nicht so sein, dass man nun ewig miteinander arbeitet, aber vielleicht so als Bonbon auf einem Konzert, dass die Leute mal sehen: "Guck mal, das gibt's ja auch noch". Hier würden sich Gleichgesinnte treffen, die was gemeinsam auf die Beine stellen könnten.

 

Schauen wir mal auf den 60. Geburtstag von Thomas Natschinski in der WABE zurück... Oh, ja!
Hätte es sein können, daß die gute Stimmung und das tolle Gefühl des Konzertes den Gedanken an eine Wiederkehr der Gruppe Natschinski nahe gelegt hätte? Mein Eindruck sagt mir noch heute, dass da vielleicht keiner abgelehnt hätte. Den Gedanken gab es, ja! Aber ich glaube, Thomas selber wollte nicht so richtig (lacht). Also Martin Just wäre auch sofort dabei. Aber wie gesagt: Ohne den Meister ist es nicht so sinnvoll, eine Rückkehr der Gruppe zu starten (lacht). Wenn Thomas auch ein Interesse hätte, würden diese Ideen auch einen Sinn ergeben. Dann würde ich sagen, dass man ein richtiges Revival angehen sollte. Aber so richtig, mit der "Straße" auch anfangen, denn davon hört man überhaupt nichts mehr... dabei ist das eine Platte, die von den Kompositionen so genial ist. Die ist ja damals wie eine Scheibe von den Beatles komponiert worden. Man kann aber nicht über seinen Schatten springen. Wenn Thomas das nicht will, will er das nicht. Und nur mit ihm zusammen würde so was einen Sinn ergeben. Nicht ohne ihn. Ich würde es unheimlich toll finden und wäre sofort dabei.

 

Damit sind wir schon am Ende des Interviews… Hast Du zum Abschluss noch eine besondere Botschaft für unsere Leser?
Ja, für alle die, die daran interessiert sind, was wir aktuell so machen, sollte man immer mal einen Blick auch auf Eure Webseite werfen, Ihr seid sowieso ganz fleißig, und wir finden es auch ganz toll, dass Ihr so aktuell die Kulturen Ost und West mischt und verbindet. Aber auch immer mal einen Blick auf Gabys Seite werfen, so dass man sich nicht aus den Augen verliert. Das würde ich mir wünschen!

 

 

Interview: Christian Reder
Bearbeitung: nr, kf, cr
Fotos: Privatarchiv Ingo Koster

 

 

 


   
   
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